Bauern'FUHrer Dr. Heim über die neue Regierung o. Pape«

München, 6. Juni. Auf einem oberbaherischen Bauerntag hielt Geheimrat Dr. Heim in Endorf eine Rede, in der er nach einer Würdigung der Verdienste Brünings sehr scharfe Angriffe gegen die neue Regierung richtete. In dem Aufruf der Regierung vermisse er die für Bayern wichtigste Frage, das Verhältnis zwischen Reich und Ländern. Die Länder müßten jetzt wieder zurückcrobern, was man ihnen genommen habe. Wir haben, erklärte Dr. Heim, die westlichen Repuolikcn nach­geahmt, aber fortgelassen, was an ihnen gut ist. Wir sehen in jenen Republiken überall Bremsvorrichtungen gegen die Zügellosigkeiten eines ungehemmten Parlamentarismus. Es muß auch bei uns etwas konnnen, was bremst, und ich bin überzeugt, daß die Monarchie bald kommen wird. Zum Schluß seiner Rede betonte Tr. Heim, daß er an keine Inflation glaube.

Das endgültige Ergebnis in Mecklenburg

Schwerin, 6. Juni. Das vorläufige Endergebnis der Mecklenburg-Schweriner Wahlen liegt nunmehr vor. Das Er­gebnis einer ländlichen Gemeinde ist bisher nichtamtlich. Es haben erhalten:

Sozialdemokraten 108 358 18 Mandate, Kommunisten 36 962 4 Mandate, Nationalsozialisten 177029 30 Man­date, Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft der Mitte 7895 ^ 1 Mandat, Deutschnationale 32 875 5 Mandate, Arbeits­gemeinschaft nationaler Mecklenburger 7482 1 Mandat, SAP. 952 kein Mandat.

Die Nationalsozialisten haben demnach mit einer Stimme die absolute Mehrheit.

Keine NSDAP.-Mehrheit?

Schwerin, 6. Juni. Wie der Landeswahlleiter soeben be­kannt gibt, ist durch einen Hörfehler bei der telephonischen llebermittlung die kommunistische Stimmenzahl mit 26 962 zu niedrig angegeben . Nach Berichtigung dieses Fehlers stellt sich die Stimmenzahl der Kommunisten auf 27 006. Das bedeutet, daß die Kommunisten ihre Mandatszahl von 4 auf 5 steigern. Nunmehr ist im Landtag wieder Stimmengleichheit vorhanden. Es stehen nämlich 30 nationalsozialistischen Abgeordneten 30 Abgeordnete sämtlicher übrigen Parteien gegenüber. Möglich ist noch immer, daß bei der Trhlußaufrechnung nochmals eine kleine Verschiebung eintritt. Mari wird also das endgültige amtliche Schlußergebnis, das Ende dieser Woche bekanntge­geben wird, abwarten müssen.

Auflösung des chilenischen Varlanrenis

Valparaiso, 6. Juni. Der chilenische Kongreß (Senat und Abgeordnetenkammer) ist von der neuen Regierung aufgelöst worden mit der Begründung, daß er das Proletariat nicht vertrete. Die ausländischen Kaufleute in Valparaiso, die durch die Maßnahmen der neuen Regierung beunruhigt sind, haben eine Versammlung zur Prüfung der Lage einberufen. ^

Wie Havas aus Santiago de Chile berichtet, hat der Fi­nanzminister erklärt, daß die Banken von dem neuen Regime nichts zu befürchten hätten. Da aber zahlreiche Personen ihre Guthaben abzuheben suchen, und dies zum Teril schon getan haben, hat die Regierung eine Verordnung erlassen, die die Schließung der Banken aus drei Tage verfügt.

Die Bereinigten Staaten und die Anerkennung der neuen chilenischen Regierung

Washington, 6. Juni. Die amerikanische Regierung ver­folgt die Entwicklung in Chile mit Besorgnis, da die Bereinig­ten Staaten dort Kapitalien in Höhe von etwa 700 Millionen Dollar investiert haben, und zwar die Hälfte im Salpeter- und Kupferabbau und die andere Hälfte in privaten und Rc- gierungsbonds. Man ist nicht der Ansicht, daß Davila, der über die hier vertretenen Anschauungen noch aus seiner Bot­schafterzeit als gut orientiert gilt, das Programm für die Konfiszierung ausländischen Eigentums wirklich durchführen wird. Bevor die Bereinigten Staaten die neue Regierung anerkennen könnten, müßte jedenfalls genau wie im Falle der mexikanischen Oelland-Gesctzgebung die Entschädigung der Ausländer sichergestellt werden. Abgesehen davon wird die Lage in Chile zurzeit als noch so verworren betrachtet, daß man noch nicht sagen kann, wann die bei früheren An­lässen von den Vereinigten Staaten geforderten Voraussetz­ungen für die Anerkennung einer Revolutionsregierung als erfüllt angesehen werden können.

Gegenrevolution in Chile

Santiago, 6. Juni. In Südchile ist eine Gegenrevo­lution ausgebrochen, -re sich gegen das neugebildete sozialistische Kabinett richtet. Nach Meldungen aus dem Süden des Landes haben sich die Garnisonen von Concepeion und Talcahuano den Gegenrevolutionärsn angeschlossen.

Lus Stsrlt unrl UsnU

Neuenbürg, 6. Juui. Der auf gestern abend im Gasthaus zurEintracht" vom Krieger- und Turnverein anberaumte Vortrag von Herrn Professor Gunser über das aktuelle ThemaKriegsschuldlüge" hatte die gehegten Erwartungen übertroffen. Eine große Zahl Zuhörer hatte sich hiezu einge­funden. Ter Vorstand des Turnvereins, W. Finkbeiner, begrüßte die Erschienenen herzlich und erteilte hierauf Herrn Professor Gunser das Wort zu seinem Vortrag. Obwohl schon 73 Jahre alt, verstand es der Redner treffend, durch seine gehaltvollen Ausführungen die Anwesenden von der vermeintlichenFriedensliebe" der Franzosen zu überzeugen. Dieser überaus lehrreiche Vortrag wird in etwas gekürzter Form imEnztäler" veröffentlicht werden, weshalb es sich erübrigt, hierauf näher einzugehen. Der Vorstand des Krieger­vereins, E. Mahler, stattete namens der Anwesenden dem Vortragenden den herzlichsten Dank ab. Eine recht lebhafte Aussprache schloß sich an, während welcher zum Ausdruck kam, daß unsere Regierungen von jeher nicht scharf genug aufge­treten seien, um diese» schmählichen Schandfleck von uns ab­zuwälzen. Vor allem könne dies von Bethmann-Hollweg ge­sagt werden. Wenn eine Regierung ohnmächtig sei, dann müsse eben das Volk dafür besorgt sein, dieser gewaltsam auf­erlegten Schmach entgegenzutreten. Betont wurde, daß in der Schule mehr die Geschichte des Auslandes (Griechen, Römer, Franzosen) gelehrt werde, die Geschichte des deutschen Volkes dagegen in ganz geringem Maße. Der Kyffhäuserbund und die Deutsche Turnerschaft hätten sich ebenfalls gegen die Kriegsschuldlüge gewendet. Es wurde eine Kommission ge­bildet, welche die Aufgabe hat, an Hand dieses Vortrags eine Resolution an die Reichsregierung abzufassen mit dem Zweck, das gesamte deutsche Volk gegen diese Kriegsschuldlüge aufzu­rufen. Sch.

Neuenbürg, 6. Juni. Die Ortsgruppe des Zentralverbands der Angestellten lud ihre Mitglieder zu einem gemeinsamen Familienausflug aus letzten Sonntag ein. Trotzdem es der Wettergott nicht gerade gut meinte, trat doch die stattliche Zahl von 35 Mitgliedern die Wanderung an. Mit der Bahn gings nach Calmbach. Von dort führte der Weg über die Ehar- lottenhöhe nach Schömberg. Nach einem durch starken Regen unfreiwillig verlängerten Aufenthalt dort, gings weiter durch schönen selöstentsamten Waldbestand das Eulenloch hinab, wo die neuzeitlich angelegte Kläranlage mit den Rieselfeldern der Genreinde Schömberg besichtigt wurde, dabei gab uns unser Schömberger Kollege noch weitere erschöpfende Aufklärung über die Anlage. Das Endziel, die Kapfenhardter Mühle, war auch gleich erreicht. Schnell verflogen die Stunden, die von Humor durchwürzt waren und nur zu bald mußte von dem schönen Wiesentale Abschied genommen werden. Mit Rücksicht auf die jüngere Generation brachte ein Kraftwagen die Teil­nehmer wieder nach Neuenbürg, wo alle über die herrliche Wanderung hochbefriedigt waren. K.

(Wetterbericht.) Im Westen liegt Hochdruck, über dem Festland zeigen sich kleinere Tiefdruckgebiete. Für Mitt­woch und Donnerstag ist unter dem Einfluß des genannten Hochdrucks zwar mehrfach aufheiterndes, aber noch veränder­liches Wetter zu erwarten.

Calmbach, 7. Juni. Am letzten Sonntag unternahm der hiesige Ev. Kirchenchor seinen längst geplanten Frühausflug. Nach Abmarsch früh 6 Uhr bei der Kirche ging der Weg über die Charlottenhöh'e. Dort erfreute der Chor die dortigen noch schlafenden Patienten mit einigen Liedern, dann ging es über LangenbrandEngelsbrand zum Größeltal, dort mußte der Chor infolge eingetretenen Regens haltmachen und verbrachte unter gemütlichem Beisammensein mit einigen Sänge­rinnen und Sängern des Kirchenchors Birkenfeld bei gemein­sam gesungenen Liedern frohe Stunden, aber als sich der Himmel wieder erhellte, ging der Spaziergang durch den schö­nen Buchwald oberhalb des Größeltals weiter, wo der Chor gleich mit dem Posaunenchor Unterreichenbach zusammentraf, sofort wurde die Freundschaft auf beiden Seiten ausgenom­men und mit Musik und Gesang wurde das Schloßwäldchen von Neuenbürg erreicht. Dort trennten sich beide Chöre wieder voneinander, als Abschiedsgruß gaben beide Gruppen ein Lied zum besten. Mit freundlichen Abschiedsworten wurde die Tren­nung vollzogen, der Kirchenchor machte im Gasthaus zum Bären" in Neuenbürg nochmals Rast, bis es Zeit war, mit dem Zug die Heimreise anzutrcten. In der Heimat ange­kommen, gab Dirigent Herr Hauptlehrer Gräßle seiner Freude darin Ausdruck, daß er allen Teilnehmern herzlichen Dank sagte und die Mitglieder bat, auch fernerhin dem Kirchenchor treu zu bleiben zum Segen der Kirche. I.

Herrenalb, 6. Juni. Die Ortsgruppe der N.S.D.A.P. hielt im Hotel zumKühlen Brunnen" einen gut besuchten öffent­lichen Sprechabend ab. Nach den Begrüßungsworten des Ortsgruppenleiters, Pg. Böpple, sprach Pg. Dr. Wolter- Stuttgart überDie heutige Lage und die N.SD.A.P." Aus seinen 2X>stündigen Ausführungen, denen die Anwesenden mit Aufmerksamkeit folgten, erntete der Redner reichen Beifall. Mit eineniHeil" auf Adolf Hitler und dem Horst Wessel- Lied schloß der Ortsgruppenleiter den in allen Teilen gut und harmonisch verlaufenen Sprechabend. R.

Württemberg

Ludwigsburg, 6. Juni. (Zur letzten Ruhe). Die sterblichen Ueberreste des beim Scharfschießen in Münsingen tödlich verunglückten Leutnants Lenne lll Abteilung, Artillerieregiment 5, wurden am Samstag nach der Trauerfeierlichkeit in Münsingen, zu der die Lud­wigsburger Truppenteile Offizier-Abordnungen entsandt hatten, nach Düsseldorf überführt, wo heute die Beisetzung stattfindet. Die Ka­sernen hatten nachmittags während der Durchfahrt des Trauerzuges durch Ludwigsburg als äußeres Zeichen der Trauer die Flaggen auf Halbmast gesetzt.

Kornwestheim. 6. Juni. (Kandidatenvorstellung.) Am Samstag stellten sich von ursprünglich mehr als 20 Bewerbern um die Bürger- meisterstelle 9 der Bürgerschaft vor. Der Besuch der Versammlung war nicht mehr so stark ivie bei den früheren Wahlen. Die Bewerber waren folgende: Der frühere Bürgermeister Dr. Steimle, Rechnipia^s- rat Ade-Schwenningen, Ingenieur Bleicher-Untertürkheim, Rechtsan­walt Bruy-Zuffenhausen, Regierungsassessor Kercher-Leonberg, Dr. Kramer-Stuttgart, Bürgermeister Reichert-Alpirsbach, Ratschreiber Sorg-Böckingen und Stadtrat Wicker-Stuttgart.

Stuttgart, 6. Juni. (Deutschnotionale Fllhrertagung.) Die Deutsch­nationale Volkspartei veranstaltete am Samstag imHerzog Christoph" eine Fllhrertagung unter Vorsitz von Rechtsrat Hirzel-Etuttgart. Ein Referat hielt dabei Reichstagsabg. Gräf. An der Aussprache beteiligte sich auch Finanzminister Dr. Dehlinger. Bei der Aussprache über die Landessragen wurde übereinstimmend bedauert, daß die beiden größten Landtagssraktionen, die -er Nationalsozialisten und die des Zentrums, sich ihrer Pflicht der verantwortlichen Zusammenarbeit entzogen hät­ten. Die Deutschnationalen würden in ihren Bemühungen nicht Nach­lassen, geordnete Regierungsoerhältnisse auch in Württemberg herbei­zuführen. Landtagsabg. Dr. Schott sprach über das Thema: Württem­berg nach den Wahlen, während Reichstagsabg. Dr. Wider über eine Sitzung der deutschnationalen Reichstagsfraktion berichtete.

Stuttgart, 6. Juni. (Der Stuttgarter ADGB. zum Lohnabbau.) In der Stuttgarter Hauptversammlung des ADGB. wurde mitgeteilt, daß die Löhne bis jetzt eine Senkung von 2530 Prozent erfahren haben, die kaum bis zur Hälfte durch den Preisabbau, der in den Anfängen stecken geblieben ist, ausgeglichen ist. 43 Prozent aller Ge­werkschaftsmitglieder sind arbeitslos. In 1105 Betrieben mit 2701 Betriebsräten sind 2411 Mandate von den freien Gewerkschaften be­setzt. Eine Entschließung gegen weiteren Lohn- und Gehaltsabbau wurde angenommen. Der neugebildeten Reichsregierung wird schärfster Kampf angesagt.

Stuttgart, 6. Juni. (Wieder zwei Millionen am städtischen Haushalt abgestrichen). Die dritte Lesung des städtischen Haushalts hat, wie die Süddeutsche Zeitung hört, den Erfolg gehabt, daß bei allen Etatskapiteln zusammen rund zwei Millionen RM. abgestrichen wurden. Der Abmangel, der nach Schluß der zweiten Lesung noch 5 Millionen betrug, ist dadurch auf 3 Millionen herabgedrückt worden. Am Dienstag wird noch eine Sitzung der Finanzabteilung des Ge­meinderats stattfinden. Es sollte sich ein Etatsausgleich ohne neue Steuern erreichen lassen.

Stuttgart, 6. Juni. (Eine Folge der kommunistischen Aus­schreitungen). Das Schöffengericht verurteilte heute vormittag den 35 Jahre alten verheirateten Steinhauer Gustav Schwab von Stutt­gart und den 21 Jahre alten ledigen Lackierer Paul Hammer aus Stuttgart wegen schweren Aufruhrs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und unerlaubter Demonstration zu je 6 Monaten Gefängnis. Die beiden, der kommunistischen Partei nahestehenden Angeklagten hatten bei den kommunistischen Ausschreitungen am Freitag Ecke Hirsch- und Breitestraße in Stuttgart im Verein mit anderen Personen einen Polizeibeamten tätlich angegriffen und ver­letzt.

Mötzingen OA. Herrenberg, 5. Juni. (Wolkenbruch). Am Frei­tag vormittag entlud sich über Mötzingen ein Gewitter mit heftigem Wolkenbruch. Im Nu ergoß sich vom Steig her eine 2030 cm. hohe Wasserflut, die Dorfstraße herunter und mündete in die Bon- dorfer Straße ein. Beim Hirsch wurde ein Büblein mit seinem Regenschirm vom Wasser mitgerissen, bis ein hilfsbereiter Mann den Kleinen herauszog. In der Säge schwemmte es allerhand Holz tal- ab. Keller füllten sich mit Wasser. Von vielen Aeckern beim Dorf wurde die Ackergrumme abgeflößt. In den Wiesen bildete sich ein See, auf dem die Enten herumschwammen, manchem Obstbaum ging das Wasser bis an die unteren Aeste.

^^EEI'fleisctibiMe

Machen Sie bloß keine langen Einwände," fuhr sie be­geistert fort.Heute freilich ist es zum Bummeln zu spät und ich fühle mich auch ein bißchen abgespannt. Aber mor­gen! Morgen früh holen Sie mich um Zehn von der Pen­sion ab! Ich werde dort schon sagen, daß mein Cousin kommen wird! Das einzige ach, du liebe Zeit, das hätte

ich beinahe vergessen-die Kleidung für Sie! In der

Chausfeurlivree können Sie unmöglich kommen! Ja, was machen wir da bloß?"

O, dem könnte abgeholfen werden. Ich habe Bekannte in der Stadt, die mir schon einen guten Anzug leihen würden!"

Topp!" rief sie erfreut da hielt der Wagen auch schon vor der Pension

VIII.

Indessen bereiteten sich auf Gut Holdenbach große Dinge vor Dinge, dis dietolle Miß" ein wenig unruhig machten, und die und das war das Sonderbare irgendwie mit dem neuen Hilfsinspektor August Lutter­mann zusammenhingen.

Es wurden nun bald vierzehn Tage, seit Lattermann auf ihrem Hof Dienst tat, eine Zeit, in der er sich zur vollsten Zufriedenheit seiner Herrin bewährt hatte. Aber kein Wort des Lobes kam über ihre Lippen. Im Gegenteil, sie ärgerte sich im Stillen, daß es an seiner Arbeit und seinen Dispositionen so gar nichts, aber auch nicht das geringste zu tadeln gab

Mit einer Selbstverständlichkeit erteilte er Befehle und traf Anordnungen, daß Evelyne nicht umhin konnte, dem Geschick zu danken, das ihr einen so tüchtigen Menschen ins

Haus geführt hatte. Dann aber bäumte sich ein unbestimm­tes Etwas in ihr au,, wenn sie draußen in den Scheunen oder auf dem Hof seine tiefe, angenehme Stimme ver­nahm, die da ihrem Gesinde kommandierte, als hätte sie ihr Lebtag nichts anderes getan. Dort, wo sonst sie be­fohlen, da herrschte plötzlich ein Mann, und ein wild­fremder dazu

Mehr als einmal prickelte es ihr in den Füßen, hinaus­zugehen und ihn zu kontrollieren, seine Arbeit zu bemäkeln, zumindestens aber ihn hin und wieder fühlen zu lassen, daß er nur Angestellter und nichts weiter war

Und doch tat sie es nicht.

Oft ertappte sie sich dabei, mit wohligem Behagen im Faulenzer auf der Veranda zu liegen und sich zu freuen, nicht in das wüste Wetter hinaus zu müssen, weil ja Lat­termann auf dem Posten war und jedesmal, wenn sie sich dieses Gedankens bewußt wurde, sprang sie auf, warf sich den Regenmantel über und sah auf dem Hof nach dem Rechten. Ei, das wäre ja noch schöner! Sich aus purer Bequemlichkeit das Heft aus der Hand nehmen zu lassen

Und noch eines ließ sie im geheimen zornig werden: Wenn sie die Mägde und Knechte beobachtete, wie sie mit Feuereifer seinen Anweisungen nachkamen, wie sie ihn respektierten, geradeso, als sei er der Herr vom Holden­bach! Bildete sie es sich in ihrer Gereiztheit ein oder war es wirklich an dem, daß man sie, Evelyne Keßler, nicht mehr ganz für voll ansah?

Es wurde Zeit, dafür zu sorgen, daß die Bäume nicht bis in den Himmel wuchsen!

So begann sie endlich doch, seine Arbeit hier und da zu bekritteln: Die Abrechnung über die letzte Zuckerrüben­lieferung sei miserabel, kaum lesbar gewesen von Pfer­den verstehe er überhaupt nichts, sonst müsse er längst ge­sehen haben, daß der scheckige Belgier falsch beschlagen wor­den sei und überhaupt gehöre es sich, daß er bei wichti­gen Dispositionen zuerst ihre Meinung einhole und nicht einfach über ihren Kopf hinweg bestimme

Als Antwort auf solche und ähnliche Rüffel hatte er im­mer nur das gleiche liebenswürdige, überlegene Lächeln, das sie allmählich rasend machte, weil all ihr Bemühen, ihn endlich einmal verlegen und unterwürfig zu sehen, an diesem Lächeln scheiterte.

Es gab Tage, an denen sie schon nervös wurde, wenn sie seinen Schritt vernahm Stunden, in denen sie sich verleugnen ließ, wenn er sie zu sprechen begehrte Mi­nuten, in denen sie mit trotzig zusammengepreßten Lippe» auf und ab wanderte. wenn sie nur an ihn dachte

Eine Unruhe, für die sie sich keine Erklärung wußte, war seit Lattermanns Hiersein über sie gekommen. So seht sie sich einerseits freute, in ihm einen so tüchtigen Vertre­ter des Beurlaubten gefunden zu haben, so sehr wünschte sie ihn auf der anderen Seite weit, weit fort. Sei» Bild, seine hohe Gestalt, seine kühngeschnittenen Züge, sei» spöttisches Lächeln alles das verfolgte sie oft bis in ihr« Träume hinein.

Irgend etwas ging von ihm aus, das ihr die gewohnt« Sicherheit raubte.

Und dann gab es Dinge, an die sie nicht denken konnte, ohne einen heftigeren Herzschlag zu verspüren gewiss« Blicke, zum Beispiel, die sie aus seinen Augen aufgefange» Blicke, in denen es heiß und wild geflackert Blicke, unter denen sie seltsam erschauert war

Und auch jener Ritt zum Sägewerk blieb ihr unver­geßlich, wo sie, um ihm zu zeigen, wie sie reiten konnte den breiten Graben am Buchenforst hatte nehmen wolle» und wo sie nach ihrem gefährlichen, besinnungsraubend«» Sturz in seinen Armen wieder zu sich gekommen war!

Noch jetzt empfand sie die wohlige, unbekannte Süße, dn sie in jenen Augenblicken empfunden hatte. Noch jetzt saj sie seine Augen fest und warm auf sich gerichtet sah da« siegesgewisse Lächeln fühlte das Beben ihres Körper« und das wilde Hämmern ihres Herzens

(Fortsetzung folgt.)

Gedankensplitter.

Hindernisse zu überwinden ist der Bollaenutz des Daseins. 3ea« Paul.