Copyright 1931 by Knorr L Hirth G. m. b. H., München.

Die Aufzeichnungen des Jack Bilbo.

Mitglied der sagenhaften Verbrecher-Organisation Al Capones, des Königs der Unterwelt von Chikago.

Nachdruck verboten.

s. Fortsetzung.

Unsere Autos warten selbstverständlich auf uns, sie waren unauffällig vor dem Gefängnis aufgefahren. Die Särge blei­ben wo sie sind, unsere Verwundeten laden wir auf, der Sträfling in seinem Zebrakostltm bekommt einige Banknoten, als er sich dann doch an eines unserer Autos klammert, kriegt er eins vor den Latz geknallt, damit er losläßt. Wir können doch nicht mit einem Mann in Sträflingskleidung über die Landstraße fahren!

Ich springe ins vorletzte Auto. Das letzte, Baby genant, ist ein Dynamitauto, soeben Verläßt es sein Chauffeur und springt zu mir in Len Wagen. Ich frage ihn, ob er auf Zeitzündung geschaltet hat, er verneint, er hofft, und ich mit ihm, daß die Polizei den Wagen anfahren und das Dynamit durch Zusammenstoß zur Explosion bringen werde. Wir warnen sonst die Bevölkerung vor unserem Baby, besonders wenn wir Zeit haben, aber diesmal hatten wir weder Zeit noch Anlaß, außer der Polizei war niemand in der Nähe, aber die Ordnungshüter kommen gar nicht heran, sie haben offenbar Wind bekommen. Wir^ fahren los, in ^ Wagen, die den Benzintank vorne haben, so daß der Verfolger nicht hineinschießen kann. Aber wir werden noch gar nicht verfolgt.

In zehn Minuten kommen wir an eine Wegkreuzung, das erste Auto biegt ein, die Autonummern werden ange­steckt, ich tausche meine gute Mütze gegen die schwarze Me­lone des Chauffeurs des abbiegenden Wagens. Diese Scherze machen wir immer, um das Publikum zu verwirren. Un­glaublich, wieviel diese Kleinigkeiten oft nützen können.

Die schöne Expedition ist mißlungen. Jetzt foltern sie Joe im Gefängnis.

Ein Auto nach dem andern biegt an den Wegkreuzungen ab. Der Verwundete kommt in unser Sanatorium, jenes Haus, wohin wir Capone am ersten Tag, nach dem Attentat, begleitet hatten. Es liegt zwischen dem Grafschaftsgefängnis und der Stadt. Unser Verwundeter ist sicherlich schon unter­wegs richtig verbunden worden. In jedem unserer Auto ist ein vorzüglich eingerichteter kleiner Verbandskasten.

Als iw, nach einem kleinen Brausebad, im Speisesaal er­scheine, winkt mich Conny heran: ich habe dem Boß Bericht zu erstatten. Ich mache mich auf den Weg zu Al Capone. Ich sage ihm, es war nichts. Er fragt, wieso? und ich erzähle ihm die Geschichte. Er sagt nur:Schade", klingelt Blumenthal an und ordnet an, die Sache zu erledigen.

Drei Wochen später erscheint eines Abends Joe unter uns, abgemagert, mit vergipsten Zirmen. Die Wachtmeister haben ihm die Arme gebrochen, allerdings schon vor unserem Besuch! Blnmcnthal hätte ihn durch Bestechung anstandslos befreien können.

Wozu der Sturmangriff? wird man fragen. Aber keiner von uns fragte das. Es war selbstverständlich, daß wir der Behörde, die sich unanständig benahm, unsere Macht zeigen wollten, und es wäre herrlich gewesen, wenn es uns hundert­prozentig gelungen wäre.

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Rache für den Durchfall eines Revuestars

Wenn wir geglaubt hatten, daß Caponebald an Re­vanche denken würde, so irrten wir. Dieses mißlungene Un­ternehmen war ausgeführt worden, um der Gefängnisvcr- waltung und der Polizei auf die Finger zu klopfen, es hatte jedoch seinen Zweck nur halb erreicht. Mir bleibt die Erin­nerung daran teuer als Beweis der Kameradschaftstreue uird ich würde, wenn es darauf ankäme, wieder gern was riskieren, um einen Kerl wie Joe Herauszuhauen.

Abends erfuhr ich von O'Connor, daß der Chef am näch­sten Tag nach Newyork hinüberfährt und daß wir ihn be­gleiten müssen. Ich hatte diese Woche nicht Dienst beim Boß und legte die Fahrt nicht mit ihm zusammen zurück. Wir guartierten uns in Newyork in einem guten Hotel ein.

Die erste Aufgabe, zu der ich in Newyork herangezogen wurde, hatte mit dem Theater zu schaffen. Möglicherweise war es der Hauptanlaß gewesen, aus dem wir nach Newyork gekommen sind. Al Capones Freundin war nicht nur eine schöne, sondern auch eine überaus ehrgeizige Frau. Sie war einmal bei einer Schönheilskonkurrenz zur Miß Amerika ge­wählt worden und glaubte nun, wie so viele ihresgleichen, daß sie unbedingt zur Bühne gehen müsse. Al Capone hatte dafür gesorgt, daß sie von Florence Ziegseld, dem Direktor der Ziegfeld-Follies, für das New Amsterdam-Theatre, New- Dork, als Revuestar engagiert wurde.

Die schöne Dorothy konnte aber weder tanzen noch singen. Die Premiere wurde, wie ich hörte, ein peinlicher Durch­fall Ziegseld mußte in aller Eile eineil neuen Revuestar en­gagieren. Wenn die Sache damit bloß erledigt gewesen wäre. Aber Dorothy war eine raffinierte Frau. Sie konnte bei Al Capone durchsetzen, daß er ihr Genugtung versprach.

Ziegseld sollte einen Denkzettel bekommen: so wie Nien- Tsi-Hu im Chikagoer Chinesenviertel, so wie der Bauunter­nehmer, der uns die Versicherungssumme schuldig blieb, so wie der Direktor des Grafschaftsgefängnisses die ihren be­kommen hatten.

Das Ziel war, Herrn Ziegseld in die Suppe zu spucken, seinen neuen Revuestar, den Nachfolger der talentlosen Schönheitskönigin, vor Wut zum Weinen zu bringen und dem braven Direktor ein bißchen die Saison zu verderben. Wir mußten die Aufführung der Revue stören. Erst sprach man von Tränengas. Ich bemerkte, daß das lächerlich sei und sogar ein bißchen an Wildwest erinnere; es gebe ganz andere Mittel, eine Aufführung unmöglich zu machen. Es wurde beschlossen, die Revue ehrlich durchfallen zu lassen, das heißt, vom Zuschauerraum aus gelangweilt und entrüstet ab­zulehnen.

Am Abend der Premiere war der Zuschauerraum im New Amsterdam Theatre von einigen hundert unserer Leute be­setzt. Ein Polizeipräsident, der sein Handwerk verstand, hätte an diesem Abend manchen guten Fang tun können. Ich blickte mich im Theater um und dachte mit Napoleon: Von der Höhe dieser Galerien blicken dich viertausend Jahre an ich meine zweihundertmal zwanzig Jahre Zuchthaus, wo­bei ich zwar die Maximalstrafe berechne, aber auch reichlich Freisprüche kalkuliere, denn es waren unser mehr als zwei­hundert im Theater.

Ich saß im Parterre neben Conny Capone war nicht gekommen, auf dessen Kommando wir hörten. Als Doro- thys Nachfolgerin die Bühne betrat, gab Conny ein Zeichen und wir setzten sofort mit Pfeifen, Klappern und Johlen ein. Unser Lärm dauerte so lange, bis der Vorhang herab­gelassen werden mußte.

Ziegseld gab die Schlacht noch nicht auf, versuchte vielmehr den Skandal als Reklame für sich auszunutzen und setzte die Aufführung für den nächsten Tag wieder an. Wir waren wieder im Theater, das von der Polizei stark besetzt war. Wir machten noch mehr Lärm als am Vortage, wir wollten

jetzt unsere Verachtung nicht nur dem Revuestar, sondern auch der Polizei ausdrücken. Die Polizei aber mußte einen ernsthaften Zusammenstoß mit uns vermeiden, da sonst das wirkliche Theaterpublikum in größte Gefahr geraten wäre. Sie konnte nicht schießen, wir aber hätten, wenn sie uns an­gegriffen hätte, unbedingt geschossen. Die Vorstellung mußte abgebrochen werden, aber Ziegseld setzte noch ein dritte Auf­führung an. Wir bewiesen ihm am nächsten Tag aus Leibes­kräften, daß er nicht Herr im eigenen Hause war. Da fiel der Vorhang endgültig.

*

Wir überfallen einen Gelotranspurt

Ich war der Ansicht, der Boß sei zu seinem Vergnügen nach Newyork gekommen und habe uns zu seinem Vergnügen die Reise mitmachen lassen. Es stellte sich aber bald heraus, daß ich mich geirrt habe. Nach einer Woche Newhorker Wach­dienstes um seine Person führten wir ein Unternehmen aus, so großzügig, wie noch nie.

Die Weisungen für die Ausführung meiner Aufgabe er­hielt ich auch diesmal von Conny.Du beziehst das in der X-Straße gegenüber der U-Bank für dich gemietete Zimmer und postierst an einem bestimmten Tag dein Maschinen­gewehr so, daß er in drei Minuten vor 10 Uhr vormittags die gegenüberliegende Ecke beherrscht. In diesem Augenblick wird das Panzer-Auto der Zj-Bank blockiert sein."

Das Zimmer, das ich zu beziehen hatte, war für mich schon im voraus von einemFreund" gemietet worden. Ich bezog es mit der roten Dolly, die ich selbstverständlich als meine Frau ausgab. Meiner Wirtin gegenüber war ich Ver­treter einer Seifenfirma. In meinem Zimmer stellte ich einen großen Seifenmusterkoffer auf. Im Laufe der nächsten Tage kam mein großes Gepäck an, einige schwere Koffer. Ich glaube, die Wirtin freute sich über den Pünktlich zahlenden Mieter mit dem vielen soliden Gepäck. Dieses bestand übri­gens im wesentlichen aus einem zusammenlegbaren Maschi­nengewehr, Munition, etwas Handgranaten und sonstigen soliden Sachen.

Meine Wohnung war in der Nähe von Wallstreet. Ich hatte bald die Wahrnehmung gemacht, daß sich einige von den Jungens in den vier Eckhäusern der sich rechtwinklig kreuzenden Straßen festgesetzt hatten. Sie werden mich wohl auch bemerkt haben, aber wir waren so unhöflich, einander nicht zu grüßen.

Am festgesetzten Tag bekam ich gegen 9 Uhr morgens den Besuch von drei Geschäftsfreunden. Dolly war ins Tageskino geschickt worden. Um 9 Uhr 30 montierten wst das Maschinengewehr bei heruntergezogenen Gardinen und stellten es schußfertig vor dem Fenster auf. Gesprochen wurde nicht viel. Merkwürdig: obwohl ich keineswegs in einer un­mittelbaren Gefahr schwebte, fühlte ich doch eine solche An- spannug der Nerven, daß es mir beinahe übel wurde. Die Luft war unerträglich.

4 Minuten vor 10 Uhr legten wir Gasmasken an, da Conny uns die Mitteilung hatte zukommen lassen, daß die Polizei neuerdings mit Tränengas arbeite. 9 Uhr 57 gingen die Gardinen hoch und die Fenster auf. Eine halbe Minute später sahen wir ein Panzerauto um die Ecke biegen.

In dem Augenblick, da das Panzerauto die Kreuzung zu passieren sich anschickt, fährt es auf einen großen Wäsche­lieferwagen mit Anhänger auf, der ihm anscheinend ganz ohne Absicht den Weg verstellt hat. Doch der Chauffeur des Panzerwagens erkennt sofort die Gefahr, will offensichtlich. nicht halten. Er versucht den Wäschewagen zu überrennen. rammt sich aber erst recht fest. In diesem Augenblick eröffnen vier Maschinengewehre das Feuer auf das Panzernuto: je eines ans den vier Eckhäusern. Höllisches Getöse! Die Straße widerhallt von unseren Schüssen! Im Nu ist sie wie rein­gefegt. Die guten Newhorker wissen genau, was sie in solchen > Fällen zu tun haben: sich aus dem Staub machen und ihr Leben in Sicherheit bringen. Einige wenige Schüsse antwor­ten uns ans dem Panzerwagen. Der Benzintank ist schon in Brand geschossen. Der Wagen brennt jetzt lichterloh. Das ist für uns das Zeichen mit der Schießerei anfzuhören.

(Fortsetzung folgt.)

Mit solchen Maschinen- Giganten arbeitet Amerikas Landwirtschaft

Oben: Ein Riesenpflug, dessen außerordentliche Größe ein Ver­gleich mit dem Mann links im Bilde ergibt.

Unten: Nicht weniger als drei hintereinander gekoppelte Trak­toren werden zum Ziehen des Pfluges benötigt.

In Amerika wurde jetzt ein Rie­senpflug konstruiert, der eine Furche gräbt, die ein Meter tief und 90 Zentimeter breit ist. Der Riesenpfiug bringt somit kostbare Erde, die bisher ungenützt mar, an die Oberfläche.

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Ei» neues Leben blüht. . . aus alte« Tanks und Autos

Oben: Alter englischer Tank, den ein fran­zösischer Arbeiter auf dem franz. Schlachtfeld vorfand und zu einer zwar engen aber sicher billigen Wohnung ausbaute.

Unten: Eine Holzsäge-Maschine, die zwei findige junge Erwerbslose aus Rothenburg aus einem alten Automobil-Motor und -Rahmen konstruierten.

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