Nach Gandhis Verhaftung

Indien trauert

Lo»0vn, l. Inn. Gandhi ist, wir bereits gemeldet,^ heute nwrgrn Uhr fengenommen lind in das Gefängnis vvn Jeroda in Puna eingeliefert worden, in dem er bereits im vorigen Jahr interniert wer. Die Verhaftung erfolgte nach einer über hundert Jahre alten Ausnahmeverordnung, die der Regierung gestattet, Gandhi über beliebige Zeit interniert zu halten, und das kein Gerichtsverfahren erfordert, sobald sieh die Nach­richt von Gandhis Verhaftung in Vombay verbreitete, sam­melten sieb vor seinem Hanse große Menschenmengen am die der Abfahrt des Polizeiautos mit dem Gefangenen mit Heil- Rufen, aber ohne Gewalttätigkeit, zusahen.

Bei den Behörden der Stadt Puna herrschte ziemliehe Nervosität, da der Kraftwagen mit Gandhi nicht pünktlich ein- tras. Polizeivsfiziere fuhren auf die Landstraße hinaus und sahen dann nach längerem Warten kurz nach der Morgen­dämmerung das Auto mit Gandhi herankonnnen, das sie bis zum Gefängnis begleiteten. Es hatte vier stunden Verspä­tung. Gandhi selbst ist guten Mutes. Da Montag sein Schweigetag ist, so konnte er den Gefängniswärter, als er ihn wiedererkannte, nur mit einem freundlichen Lächeln begrüßen. Er befinden sich in demselben Raume, in ^dem er schon früher gefangen gehalten war. Er hat sein Spinnrad, ein paar Bücher und Kochtöpfe mitgebracht. In einer Botschaft an das englische Polt sagt er, daß er eS liebe wie seine eigenen Volksgenossen. Er habe nichts Gehässiges oder Böses gegen das englische Volk getan. Hoffentlich werde es auch in Zukunft nicht notwendig sein. Er habe dem englischen Volke gegenüber so gehandelt, wie er es auch seinen eigenen Volksgenossen gegenüber getan halte. In einer weiteren Botschaft wendet er sich an die Großmut des amerikanischen Volkes und bittet, im Interesse der Menschlichkeit in Indien einzuschreiten.

Tie Kongreßführer in Bombay haben anläßlich der Ver­haftung Gandhis einen Tranerseiertag erklärt, der in ganz Indien bis nach Burma von den Nationalisten, mit Aus­nahme der Mohammedaner, streng befolgt wird. In Delhi und in anderen Städten fühlt man besonders stark die Span­nung in ganz Indien. Die Läden und eine große Zahl von Spinnereien sind geschlossen. Es haben auch schon einige Pro­testaktionen stattgesunden. Bisher ist es aber noch zu keiner Störung der öffentlichen Ordnung gekommen.

Nach der Verhaftung Gandhis erließ die iiidische Regie­rung vier weitere Verordnungen, wonach die Lätigkeit des indischen Nativnnlkongresscs noch mehr unterbunden wird. In Bombay schlossen die Börse und der Markt zum Zeichen der Trauer. An Stelle des gleiclizeitig mit Gandhi verhafteten Vallabhi Patel ist Balm Razendra Prasad anS Behar mit der Leitung der Kongreßlätigkeit beauftragt worden.

Iawaharlal Nehru, der vor einigen Tagen wegen lleber- tretung des Verbotes, die Stadt zu verlassen, verhaftet wor­den war, wurde zu zwei Jahren schweren Kerkers und zu einer Geldstrafe von 500 Rupien verurteilt.

Amerikanisch-japanischer ZwischensaU

Wie aus Mulden gemeldet wird, ist dort der amerikanische Konsul in Charbin, Chambcrlain, von einer japanischen Mi­litärpatrouille in dem Augenblick mißhandelt worden, als er auS seinem Kraftwagen, der die amerikanische Flagge trug, ausstieg. Er erlitt Verletzungen im Gesicht. Ehamberlain legte beim japanischen Konsul in Mukden scharfen Protest ein. Eine Untersuchung des Vorfalles wurde ausgenommen. Wei­ter wird gemeldet, daß die Japaner einen amerikanischen Offizier verhaftet haben, der sich während der Kampfhand­lungen in der Kampfzone aufgehalten hak. Wie hierzu ver­lautet, nt der Offizier weder beim japanischen Kriegsministc- rium noch beim japanischen Oberkommando angemeldet ge­wesen. Nach Mitteilungen von amerikanischer und chinesischer Seite hat der amerikanische Offizier vom chinesischen Ober­kommando die Erlaubnis erhalten, die Militärzone zu stu­dieren. Hierbei sei er durch einen Zufall in die japanische Militärzolle gelangt. Gegen die Verhaftung hat der ameri­kanische Botschafter in Tokio Einspruch erhoben. Das japanische Kriegsministerium hat darauf erklärt, daß die Angelegenheit von den japanischen Militärbehörden geprüft werden wird. Das Verhalten des Verhafteten sei unrichtig gewesen. Er wäre verpflichtet gewesen, den Befehlen der japanischen Offi­ziere Folge zu leisten. Den amerikanischen Offizieren wurde vorgeschlagen, das besetzte Gebiet sofort zu verlassen.

In diesem Zusammenhang wird bekannt, daß der ameri­kanische Botschafter in Tokio, ForbeS, daS Staatsdepartement um seinen Rücktritt ersucht hat.

kus Stuckt unck !,snck

(Wetterbericht.) Bei südwestlichen Lmftströmungen ist für Mittwoch und Donnerstag mehrfach bedecktes, unbestän­diges Wetter zu erwarten.

Wir habe« seinen Stern gesehen

Seitdem die drei Magier auS dem Morgenland jenes denk­würdige Wort gesprockten haben, erschallt der Ruf über die Täler und Höhen, über die Meere und Länder:Wir haben seinen Stern gesehen und kommen mit Gaben, unserem Herrn zu huldigen".

König Herodes und ganz Jerusalem erschraken, als die drei Weisen aus dem Morgenlande ihn frugen, wo denn der König der Inden geboren sei. Herodes rief die Schristgelehrten zusammen, die ihn auf Bethlehem aufmerksam machten. Er selbst ersuchte die Männer auS dem Morgenlande, dem Ltern nnchzngehen, bis sie daS Kind gefunden hatten. Dann sollten sie ihm davon Kunde bringen. Er wollte nämlich das Kind töten.

Von dem Glauben an das Himmelslicht beseelt, gingen die Magier ihres Weges weiter und fanden tatsächlich das Christkind vor. Ob im Stalle von Bethlehem oder sonst wo, wissen wir nicht; denn die heilige Schrift macht leider keine genaueren Angaben. Jedenfalls gingen die Weisen nicht mehr zu Herodes zurück, sondern reisten, durch einen Enget gewarnt, einen anderen Weg in die weite Heimat.

Die Legende hat aus den Magiern Könige gemacht, die mit glänzendem Golde, mit Kamelkarawancn und zahlreichem Gefolge zu Christus zogen. Der Glaube an die Hl. Drei Könige ist in Köln ausgekommen und wurde von hier aus verbreitet. Ter hl. Schrift nach aber waren wohl diese Könige ganz einfache bescheidene Sterndeuter, die in einer gewöhn­lichen Herberge übernachteten und ohne prunkhaftem Gefolge ihres WegeS zogen.

Ter Stern von Bethlehem hat seitdem mit unverminderter Kraft geleuchtet, lieber den Wogen der Meere schwebte sein Schein, lieber die Wüsten strahlte sein Rettungslicht. Die einen begrüßten ihn mit freudigem Herzen. Die anderen sahen ihn widerwillig und erklärte» ihm den Krieg. Mit den Waf­fen des Hasses, der Verleumdung und der angeblichen Ver­nunft zogen sie gegen daS Licht und den Glauben von Beth­lehem zu Felde. Sie schreckten auch nicht vor Blut zurück, wie Nero im alte» Rom, wie Stalin im neuen Rußland, die gleich dem König Herodes erschraken und die Menschen ausrotten wollten, in denen der Stern von Bethlehem leuchtete. Aber aller Haß und alle Erdennot können das Licht von Bethlehem nicht verdunkeln

WürllemdekT

Heildronn, 4. Januar. (Freitod.) Ein 57jähriger, erwerbsloser Arbeiter erhängte sich in der Nacht zum Sonntag am Bettpsosten. Er hatte in der letzten Zeit des öfteren Selkstmordabsichten geäußert, weshalb seine Frau wäyrend der letzten drei Nächte wach blieb, um ihren Mann tm Auge zu behalten. In einem Augenblick, in dem der Schlaf die Frau übermannt hatte, scheint der Mann die Tat be- gangen zu haben. Als Grund werden zerrüttete Fomilienoerhältnisse angenommen.

Bietigheim, 4. Jan. kEine bittere Lehre.) Eine bittere Lehre für sein- Vertrauensseligkeit erlitt ein hiesiger Gastwirt. Ein Ver- sicherungsagent einer Schweizer Lebensversicherung, der sich mit voller Pension bei ihm seit einem halben Jahr «inquartiert hotte, wodurch «ine Zschschuld von etwa 1000 Mark zusammenkam, für die angeb­lich die Versicherungsgesellschaft aufkommen wollte, verreiste vor den Weihnochtsseiertagen auf Nimmerwiedersehen, nachdem ihm der Wirt noch vorher einen größeren, in die Tausende gehenden Betrag zur angeblichsicheren" Anlage liberoeben hatte. Daß der Betrüger unter einem falschen Namen in letzter Zeit gelebt hat und wegen ähnlicher Betrügereien gesucht wird, hat sich erst jetzt herausgestellt.

Bietigheim. 4. Jan. (Unfall beim Schlittenfahren.) Samstag mittag verunglückten vier Kinder beim Schlittenfahren. Sie fuhren den Wald herunter in ein Auto hinein und wurden zum Teil schwer verletzt in das Bieiigheirner Krankenhaus geschafft. Sie trugen Schüdelbrüche uno Knochenbrüche davon. Drei Kinder waren von einer Familie.

Stammheim, OA. Ludwigsburg, 3. Jan. (Vorsicht bei Treib­jagden.) Kurz vor Weihnachten hielten zwei Jäger aus Zuffenhausen m der Nähe desKallenbergs" eins Treibjagd ab. Zufällig kamen auf einem Feldweg drei junge Leute aus Stammheim daher und schauten dem Trieb zu. Plötzlich gab einer der Jäger einen Schrot- schuß in der Richtung auf die Zuschauer ab, denen die Schrolkö n r nur so um die Köpfe pfiffen. Vcrützt wurde niemand, da die Ent­

fernung doch etwas zu groß war. Es gab dann eins bedrohliche Ausetnanderfetzmw, bei der der Schütze behauptete, er habe nach einem aufgetauchten Hasen geschaffen, während die Zuschauer erklärten, es sei weit und breit kein Hase zu sehen gewesen.

Stuttgart, 4. Jan. (Zum Lohnstreit in der württembergilchrn Textilindustrie) Wie bereits bekannt, wurde am 19. Dezember lS3I für die Textilindustrie in Württemberg und Hohenzollern ein Schieds­spruch gefällt, dcr einen Epltzenlohn non 60 Pfg. Vorsicht. Dis Er­klärungsfrist über Annabme oder Ablehnung durch die Parteien lief dis zum 3l. Dezember. Es wird nun bekannt, daß die Gewerkschaften den Schiedsspruch angenommen haben, während die Arbeitgebers^«« ihn ableknle, da der Abbau der Löhne nicht west genug ging. Der Schiedsspruch sieht genau die Löhne vor, wie sie die Notverordnung vom 8. Dezember vorschreibt. Der Zentralverband christlicher Textil­arbeiter hat beim Reichsarbeitsminlsterium bereits Antrag auf Ver­bindlichkeit des Schiedsspruches gestellt.

Stuttgart, 4. Januar. (Bevorstehende Senkung der Bierpreise.) Die Brauereien kündigen an. daß aus technischen Gründen dis Ver­handlungen über eine Senkung ver Bierpreise noch nicht bis zum 1. Januar durchgesllhrt werden konnten. Man rechnet jedoch damit, daß es gleich noch Neujahr za einem Beschluß kommt, der auch die Senkung der Preise im Ausschank ermöglich».

Stuttgart. 4. Jan. (Blutiger Zusammenstoß.) In der Nru- jahrsnocht kam es in Botnang vor der Wirtschaft zurLinde" zu einem Zusammenstoß zwisä en Leuten, die die Polizeistunde über- schritten hatten und einem Polizisten. Die Polizist machte, wie die Süddeutsche Arbeiterzeitung" berichtet, von seiner Waffe Gebrauch und spaltete einem Arbeiter mit dem Seitengewehr die Schädeldecke. Außerdem schlug er den Arbeiter aus den Arm, sodaß die Sehnen durchschlagen wurden. Der Schwerverletzte wurde von Arbeitersama­ritern verbunden und dann durch Krankenauto in ein Spital verbracht

Schramberg» 3. Januar. (Ein verhängnisvoller Schuß dir eigene Matter getroffen.) In Rielafingen hantierte der 17 Jahre alte Eugen Rüderer im Garten der elterlichen Wohnung mit einem Flo- bertgewetzr. Dabei löste sich eine Kugel und traf die Mutter des unglücklichen Schützen in den Leib. Die Kugel wurde operativ eiit- enisernt. Man hoff», die Frau am Leben erhalten zu können.

Hochwasser Aeberschwemmnngsgefahr vorüber

Der anhaltende Regen, der am Samstag und Sonntag nach raschem Witterunaswechsel bei Tauwetter fiel, hat zu einem stärkeren Anwachsen der Flüsse und Bäche in verschiedenen Teilen, namentlich in der nördlichen Hälfte des Landes geführt. Hochwassergefahr be­stand am Sonntag vor allem in den Flußläufcn von Nagold. Enz, Rems, Fils, Murr, Jagst und Kocher. Dcr Neckar zeigte sich in Cannstatt und Eßlingen ziemlich uservoll, führte allerhand Gehölz und Schmutz in den braunen Fialen mit sich und nahm namentlich in seinem Unterlauf von Heilbronn abwärts eine gesahrdrohende Hal­tung an. Da aber dcr Regen schon am Sonntag abend nacklietz und auch der Montag vorwiegend trocken war, ging die zum Teil auch durch rasche Schnreschmelze verursachte Hochwassergefahr im allge­meinen noch einmal glücklich vorüber.

Pforzheim, 4. Jan. Ja Nirf.-m brach am Samstag im An­wesen oes Christian Baier Feuer aus, das in der Scheune so rasch um sich griff, baß das Wohnhaus und die Scheune, sowie die ange- kaute Scheune des Ehr. Lehr bis auf den Grund abbrannten. Das Wohnhaus des Lehr wurde erhalten, äst aber vom Waffe schwer mitgenommen. Der Brand soll dadurch entstanden sein, daiß ein Ar­beiter mit offener Lötlampe die Wasserleitung ausiaute. D,r Schaden ist groß.

Mannheim, 3. Jan. Am Samstag nachmittag ist, wie die Reicks- bahnoirektion Mainz mitteilt, der Personenzuq 951 im Bahnhof Ladenburg bei Weinheim beim Zurücks tzen in Gleis 3 aus dis Kops­rampe oüfgesahren, wobei ein Post- uno vier Personenwagen leicht beschädigt wurden und ausgesetzt werden mußten. Bei dem Ausfahren erlitten einige Reisende leichte Verletzungen. Nach ärzllicher Unter­suchung konnten die Verletzten ihre Weiterreise fortsetzen. Die Unter- suchung ist elngeleitet worden.

Aus Baden, 4. Jan. Im badischen Eeckreis hat es im Jahre 1931 109mal gebrannt. Am meisten brannte es in Psullendors und in Schwenningen (Baden). Hier brach je fünfmal Feuer aus. 66 Personen büßten durch Unfall oder Berbrecken das Leben ein, da­runter befinden sich auch die Opfer des am 30. Mai aus dem Boden», see gekenterten Bootes des Marinevereins Friedrichshofen, soweit sie aus Baden stammten. Opfer von Verbrechen wurde eine 17jährige, die durch ihren früheren Liebhaber durch sechs Messerstiche getötet wurde.

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Stuttgart, 4. Jan. (Landesproduktenbörse.) Die Tendenz aus dem Getrctdcwark'e hat sich in aboclousev-r Woche ireanrlicher ae-

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Oovvri^dt 1931 bv komLLdivvsr Olzo, Lerliu W SO.

Erstes Kapitel.

Der Wagen hielt mit einem Ruck vor dem Pförtnerhaus von Sanssouci. Die Pferde warfen die Köpfe und schnupperten in die laue Frühlingslust.

Wenzel Wuppdich, der Pförtner, stelzte schleunigst aus der Tür. Ein langer, strammer Kerl mit einem militärischen Schnauzbart. Aber er lahmte. Früher einer der bestenlangen Kerle" unter den Grenadieren des großen Fridericus, hatte ihm eine Kugel in der Schlacht bei Hohenfriedberg die linke Kniescheibe zertrümmert. Seit der Zeit war er Pförtner in Sanssouci und hatte sich das Pfeifenrauchen angewöhnt.

Im übrigen war er durchaus zufrieden mit seinem Schicksal. Bei allem schuldigen Respekt vor seinem königlichen Herrn der Beruf eines Pförtners in Sanssouci war immerhin ange­nehmer, als Flügelmann bei den friderizianischsn Grenadieren zu sein.

Seine Eheliebste blinzelte hinter der Gardine des Fensters hervor, und ein paar Schmutzfinken, den Finger in die Nase gebohrt, standen vor dem offenen Tor und glotzten die staub­bedeckte Karosse an mit den stampfenden Pferden.

Hauptmann Köckeritz stieg aus dem Wagen. Eine schlanke, elegante, militärische Erscheinung. Das kühne, scharf geprägte, schmale Gesicht zeugte von Energie und Entschlossenheit, um den Mund aber lag ein Zug feiner, ein wenig fraulicher Weich­heit, und in den stahlblauen Augen war ein fe st ''iabenhcistes, mgendliches Glänzen.

Wenzel Wuppdich dienerte respektvoll.

Euer Gnaden"

Hauptmann von Köckeritz heiße ick, weiß Er Las nicht mehr?"

Ja natürlich"

Wollt' ich auch meinen. Lange nicht gesehen, wie? Ja, wie die Zeit vergeht."

Köckeritz klopfte ihm freundlich auf die Schulter. Rückte ein wenig an dem Dreispitz, ob er auch richtig säße, und knipste ein Staubfleckchen mit dem Finger von dem roten Aufschlag seines Galarockes.

Seine Majestät erwartet mich. Ich mach' den Weg durch den Park zu Fuß bis zum Schloß."

Sehr wohl, Herr Hauptmann."

Köckeritz entlohnte den Kutscher.

War eine passable Fahrt von Berlin nach Potsdam. Seine Gäule sind tüchtig. Glück zur Heimfahrt."

Der Kutscher strich mit vergnügtem Grinsen den Lohn und das freigebige Trinkgeld ein.

Köckeritz grüßte kurz und schritt davon. Wenzel Wuppdich schaute ihm schmunzelnd nach. War doch noch immer ein schnei­diger Kerl, der Hauptmann, von der tadellos gepuderten Zopfperücke unter dem Dreispitz bis zu den glänzend lackierten, hochschäftiqen Stulpstiefeln. Bei Hohenfriedberg und Soor hatte er ein Regiment Grenadiere als blutjunger Leutnant in das Schrapnellkener der Oesterreicher geführt damals hatte Wenzel als Flügelmann sein Stück Eisen ins Knie ge­kriegt. Aber es war doch eine feine Attacke gewesen Kreuz­bomben und Granaten! Wenzel Wuppdich gab sich ordentlich einen Ruck bei der Erinnerung daran.

Gott das war ja schon eine Weile ber! Anno 1745! Und fetzt schrieb man den 10. April 1756.

Ja wie die Zeit verging!

Er humpelte ins Haus zurück, während der Wagen, von dem lärmenden Kinderoolk ein Stück begleitet, wieder aus dem Tor hinausfuhr.

Der Köckeritz war's", berichtete Wuppdich seiner neugieri­gen Eheliebsten, der drei, vier kleine Bälger wie die Orgel­pfeifen an der Schürze hingen.Hob' neulich schon gehört, er ist von Berlin nbkommandiert nach Potsdam. Wird sich nun wohl bei Seiner Majestät vorstellen."

werden die Jungfern hier ihre Herzen in acht nehmen' musien!' lachte die kleine, hübsche Frau und hakte blitzblanke Augen.Der Herr Hauptmann hat doch eine Vorliebe für adrette Krinolinen, haha! Das weiß man doch. Was der in Berlin olles anaericktst hat!"

Ein Teufelskerl ist er schon. Aber wenn ich der Herr Hauptmann war', noch jung und schmuck wie ein Adonis meiner Seel', ich tät's auch so machen!"

Wenzel Wuppdich kniff schalkhaft ein Auge zu.

I, du Filou! Untersteh Er sick! Wart, mir so etwas in meine ehrlichen Augen zu sagen 1'^

Madame Wuppdich sprang hurtig auf und zog ihren ver­dutzten Eheherrn an den Ohrläppchen. Sie reichte gerade noch mit ausgereckten Armen bis dorthin. Wenzel wußte nichts Besseres zu tun, als die kleine Frau mit einem Schwung hoch­zunehmen und ihr den Mund mit einem herzhaften Kuß zu verschließen.

Die vierOrgelpfeifen" lärmten vergnügt in dieses Inter­mezzo hinein, und der Familienvater erklärte lachend:

Aber ich bin ja Gott sei Dank nur der Wenzel Wuppdich, und im übrigen gibt's ja eine so adrette Frau wie dich in ganz Preußen nicht mehr."

Der Friede war wiederhergestellt, und die kleine Frau An­neliese stopfte ihrem Eheliebsten höchst eigenhändig wieder die ausgegangene Pfeife von neuem.

Der Hauptmann von Köckeritz wanderte inzwischen durch den Park, dieses köstliche Meisterwerk romantischer Garten- baukultur.

Der Frühling war Heuer früh ins Land gekommen, und trotzdem der Kalendermonat eigentlich Sturm und Regen und Ungemütlichkeit vorschrieb, war es doch schon ganz frühlings­haft, voll Wärme, Blütendnft und Heiterkeit.

Die Wegseiten der glattgeschorenen Rasenflächen waren mit sorgsam gepflegten Vlumsnreihen bestickt, Wasserkünste nach französischer Art sprudelten hier und da, vor dunkelblauen Boskettkulissen standen marmorne Figuren voll Würde, und Lailbengänge, mit violetter Schattendämmerung angefüllt, schienen noch voll vom Liebesgeflüster koketter Hofdamen und zärtlicher Kavaliere zu sein.

Köckeritz lächelte verträumt.

Er war erst einmal in Sanssouci gewesen. Das war vor einigen Jahren und im Winter, anläßlich einer musikalischen Zusammenkunft, auf der der König selbst ein Instrument, seine geliebte Flöte, gespielt hatte. Erst vor sieben, acht Jahren hatte er dieses neue, einsame Schloß bezogen, als Ruhesitz nach den Strapazen des Zweiten Schlesischen Krieges. Im Winter aber sehen die schönsten Varks der Welt leer und lustlos aus.

(Fortsetzung folg.)