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Die Pflicht zu helfen
„Gedenke, daß du Schuldner bist Der Armen, die nichts haben,
Und deren Recht gleich deinem ist An allen Erdengaben!
Wenn jemals noch zu dir des Lebens Gesegnet gold'ne Ströme gehn Laß nicht auf deinen Tisch vergebens Den Hungrigen durchs Fenster sehn.
H. Lingg
Neuenbürg, 6. Okt. „Der Schneelauf in Schwaben", die Zeitschrift des Schwab. Bundes, ist in den letzten Tagen wieder bei der großen Zahl Skiläufer eingetrosfen. Mit ernsten, mahnenden Worten gedenkt der Bundesvater Dinkelacker der großen Not und der schweren Zeiten, die hart an Nerven und Gesundheit rütteln. Da ist es vielleicht in keiner Zeit so notwendig, das Augenmerk der Menschen auf thre Gesundheit zu lenken und sie zu verständiger Betätigung in sportlicher Hinsicht aufzumuntern. — Am letzten Samstag hielt der hiesige Schneelausverein seine Jahresversammlung und hat unter Berücksichtigung der schlechten Zeiten dem Beispiel deS Bundes folgend auch den Ortsgruppenzuschlag auf die Hälfte gesenkt, so daß Heuer der Jahresbeitrag einschl. Bundesblatt und Versicherung für Erwachsene 2.50 R.M., für Jugendliche 2 R.M. und für Jugendliche ohne Zeitschrift 1 R-M. beträgt. Die gut besuchte Jahresversammlung nahm von dem Geschäfts- und Rechnungsbericht 1930/31 Kenntnis. Mit einem Vermögen von 120 R.M., darunter 19 R.M. in bar treten wir in das neue Jahr ein. Unser Mitgliederstand ist auf 72 gestiegen. Erfreulich daran ist, daß fast alle sich aktiv betätigen uich eine stramme Schar Jugendlicher darunter steckt. Die kommende Arbeit und aus ihr heraus das Vergnügen, über sonnige Höhen weiße Spuren zu ziehen, beschäftigen uns heute noch wenig, da unser Programm zu gegebener Zeit die Schneewolken bestimmen werden. Das Interesse für den Skilauf soll ein Lichtbildervortrag am Samstag, den 21. November, mit dem Thema: „Auf Schneeschuhen über die bayrischen Alpen" Wecken. Damit sollen die Brettleshupfer so langsam in die Winterfreuden übergeleitet werden. Auch die Eltern und Freunde unserer Zunftgenossen werden diese Skiwanderung über die Schneehäupter der Berge und durch zauberhaften Raühreif sicher gern mitmachen. Bis dahin ein gesundes Skiheil!
Neuenbürg, 1. Okt. Trotz der drückenden Notzeit, die auf unserem gesamten Volke lastet, hat es sich der hiesige Turnverein nicht nehmen lassen, seinen Mitgliedern nebst Angehörigen und sonstigen Turnfreunden einen schönen und genußreichen Nachmittag in der Turnhalle zu bereiten, um darzutun, welche Vielgestaltigkeit in Bezug auf Leibesübungen im deutschen Turnen verkörpert ist. Wenn auch das herrliche Herbstwetter mehr zu Spaziergängen ins Freie lockte, so war die Turnhalle trotzdem bis auf den letzten Platz besetzt. Nach einem stimmnngvoll vorgetragenen Begrüßungschor hieß Vorstand Fink deiner die Erschienenen herzlich willkommen, insbesondere als Vertreter des Oberamts Landrat Lempp und als Vertreter der Stadtverwaltung Bürgermeister Knödel. Im ersten Teil des Programms wurden hauptsächlich Keulen-, Sprungseil-, Freiübungen, sowie gymnastische Hebungen (Bodengymnastik) vorgesührt und Turnerinnen, Turner, ja selbst die „Alten" wetteiferten turnbrüderlich miteinander. Eine hübsche Einlage boten die Turnerinnen von Calmbach durch Vorführung der beliebten Volkstänze, die uns in eine bessere Zeit zurülwersetzten. Reicher Beifall wurde diesen Vorführungen gezollt und der zweite Turnwart Max Höhn sprach den Turnerinnen und ihrem Leiter Ad. Heydt den herzlichsten Dank aus. Bei diesen Vorführungen des ersten Teils kamen die stattgefundenen Lehrgänge an der Deutschen Turnschule in Berlin recht wirkungsvoll zum Ausdruck. Nach der eingetretenen Pause nahm Vorstand Finkbein er die Ehrung der Jubilare vor für 60-, 50-, 25- und 10jährige Mitgliedschaft. Mit anerkennenden Worten dankte er den Jubi- laren für ihre dem Turnverein bewahrte Treue und leitete über auf die Ziele und Bestrebungen der Deutschen ^urner- schaft, deren Grundlagen unser Turnvater Jahn geschaffen hat. Es ist fürwahr für einen Verein eine große Ehre, solch langjährige und treue Mitglieder in seinen Reihen noch zu haben. Mögen sie für unsere Jugend ein nachahmenswertes Vorbild sein. Ein gemeinsames Zusammenstehen aller Kreise in der Pflege der Leibesübungen ist gerade in der jetzigen Zeit eine zwingende Notwendigkeit. In das ans die Jubilare aus
gebrachte dreifache Gur Heil stimmten die Anwesenden begeistert ein. Namens der Kreisleitung beglückwünschte Kreisvertreter Hegele in einem warm gehalten«« Schreiben die Jubilare. Mit der Aufmunterung, auch fernerhin dem Verein die Treue zu halten, überreichte er den Jubilaren eine schön ausgeführte Plakette. Die Namen derselben sind: W. Seeger 60 Jahre, Karl Knüller, W. Bauer und C- Pfister 50 Jahre, Karl Köhler, Gotth. Mauthe, Paul Lutz, Karl Schumacher, Gustav Schöll und Rud. Hartmann 25 Jahre, sowie Else Stainer 10 Jahre. Im zweiten Teil des Programms kani das Geräteturnen zu seinem Recht. Es war eine wohltuende Augenweide für die Anwesenden, den^ Hebungen zu folgen, mit welchem Eifer und einer ins Auge springenden Körperhaltung die Schüler, Zöglinge, die Männerriege und als Glanzleistung die Aktiven ihre oft recht schwierigen Hebungen an Pferd, Barren und Reck bcmeisterten. Auch hier muß die Turnerfreundschaft hervorgehoben werden, mit welcher unsere Turnfreunde von Arnbach und Wildbad durch ihre Mitwirkung zu einem vollen Erfolg verhalfen. Die Hebungen waren abgestuft von den einfachen Schulübungen und steigerten sich bis zum vollendeten Kunstturnen. Es zeigte sich hier so recht überzeugend der hohe gesundheitliche Wert, der in unserem deutschen Turnen verkörpert ist. Beherrschung des Körpers, Kraft, Gewandtheit, Entschlußkraft und Einordnung in das .Ganze, diese Eigenschaften traten hier deutlich zutage. Namens der Jubilare dankte W. Seeger dem Turnverein für die ihnen zuteil gewordene Ehrung und ermunterte die Jugend, ihrem Beispiel nachzneifern. Die große Turnhalle biete genügend Raum zu Uebungszwecken. Die ganze Veranstaltung war umrahmt von verschiedenen Liedervorträgen des Turnergesangvereins und Fortuna zeigte ihre Launen bei der mit verbundenen Gabenverlosung. So hat der Turnverein mit dieser Veranstaltung eine glückliche Wahl getroffen und sie dürfte ihren Werbezweck nicht verfehlt hohen. Die Anwesenden waren alle hochbefriedigt und erstaunt über das Gebotene, was besonders in dem großen Applaus zum Ausdruck kam. Zu wünschen wäre nur noch, daß unsere Jugend sich noch mehr befleißigen möge, ihrer Vaterstadt den turnerischen Ruf vergangener Jahrjehnte wieder zu verschaffen, nicht zuletzt in ihrem eigenen gesundheitlichen Interesse. Sch.
(Wetterbericht.) Unter dem Einfluß des mitteleuropäischen Hochdrucks ist für Mittwoch und Donnerstag vielfach heiteres und trockenes Wetter zu erwarten.
Birkenfcis, 5. Okt. Was man nach den unfreundlichen letzten Wochen mit den ausgiebigen Regenfällen kaum zu hoffen wagte, ist nun doch eingetreten: Der Altweibersommer hat sich eingestellt zur Freude von jung und alt. Das trockene, sonnige Wetter der letzten Tage hat es erlaubt, daß noch gutes Oehmd eingebracht werden konnte. Vieles ging ja leider zu Grunde, so daß sich die Oehmdvorräte in recht bescheidenen Grenzen bewegen. Wo man es mit der Kartoffelernte nicht besonders eilig hatte, läßt sich diese Arbeit jetzt noch recht angenehm erledigen, und man hat den Vorteil zu sehen, daß der Ertrag sich nach der Menge stark gebessert hat. Ueberhaupt ist der Kartofselertrag um ein bedeutendes ergiebiger, als man allgemein noch vor einigen Wochen in Anbetracht des nassen Jahrgangs erhoffte. Die Ergiebigkeit kommt auch bereits schon dadurch zum Ausdruck, das; die Berkaufskrcise sich mäßigen. Reichlicher noch als Kartoffelernte ist die Obsternte ausgefallen. Unsere' 6500 Acpfelüänme und 5000 Birnbäume dürften Heuer schätzungsweise über 20000 Zentner abgeworfen haben. An solchen Zahlen kann man den Wert des Obstbaues ermessen. Da fast gar kein Absatz vorhanden ist, muß das meiste Obst verrusstet werden.. Schade! Das Obst hat in gesundheitlicher Beziehung einen viel größeren Wert, wenn es für den Winter aufbcwahrt und roh gegessen, oder gedörrt, oder eingedünstet, oder zu Gelee usw. verwendet wird, namentlich in Zeiten wie der gegenwärtigen. Im kommenden Winter wird man recht froh daran sein, wenn man das Obst, das man jetzt so billig haben kann, in der angedeutenden Weise verwendet hat. — Der Weg zur Straßenbahnhaltestelle bei der „Sonne" wurde neu hergerichtet und mit einem Gehweg versehen. Diese Haltestelle wird nicht bloß von den Bewohnern der Sonnensiedlung, in der im Laufe des Sommers wieder 20 Wohnhäuser erstellt wurden, sondern auch von auswärtigen Fahrgästen fleißig freguentiert. — Die vom Gemeinderat aufgestellten und vom Innenministerium genehmigten Orts- bausatzungen für die Gemeinde Birkenfeld wurden durch das „Birkenfclder Tagblatt" an die Ortseinwohner verteilt. Die 16 Seiten haltende Broschüre enthält a) Bauvorschriften, b) Entwässerung der Grundstücke, c) Anliegerleistungen für öffentliche Straßen und Plätze, ck) Bauen an nicht ausgeführten Straßen, e) Verwaltungsgebühren. — Am letzten Samstag fand eine Jnspektions-Uebung der hiesigen Freiw. Feuerwehr durch den Bezirksfeuerlösch-Jnspektor, Baurat
Stribel in ILeuenüürg, statt. Das ganze Korps mit Sam- tätskolonne, Spielleuten und Musik war ausgerückt und stand vor dem Feuerwehrmagazin parat. Zunächst fand eine Musterung statt, dann folgten die Hebungen, Schul- und Praktische Hebungen. Alles klappte und ging tadellos. Die Hebungen ließen erkennen, daß sich die hiesige Feuerwehr in mustergil- tiger Ordnung befindet und daß Mannschaften und Führer sich ihrer Pflichten wohl bewußt sind. Nach der Hauptübunq marschierte man unter den Klängen der Musik ins Hotel zum „Schwarzwaldrand", wo die Kritik stattfand. Der Bezirks- feuerlöschinspektor hat sich sehr lobend über die Leistungen und über das, was er gesehen hat, ausgesprochen und der Feuerwehr und ihrem Kommandanten, Zimmermcister Hugo Seufer, alle Anerkennung zu Teil werden lassen. Möge die Wehr auch fernerhin auf diesem Stande bleiben, stets eingedenk des Spruches: „Alle für einen und einer für alle".
Calmbach, 6. Okt. Der T n r n h a l l e - N e u b a u ist begonnen, die Fundamente sind bereits aus dem Boden heraus. Der seitherige Sport- und Spielplatz muß durch diesen Ateu- bau geändert werden und wird der künftige Platz eine Einteilung bekommen, die den Turnbetrieb und das Fußballspiel zu gleicher Zeit nebeneinander gestattet. Durch die Aende- rung wird in weitblickender Weise auf längere Zeit hinaus dem Turn- und Sportbetrieb Rechnung getragen und Möglichkeit geboten, die größten Feste auf dem Platze abhalten zu können. -Hy
Schömberg, j. Okt. (P i l z a u sst e ll u n g.) Eine höchst interessante Zusammenstellung der heimischen Pilze, soweit dieselben in dieser Jahreszeit noch erreichbar sind, hat Herr Gründel-Koblenz, z. Zt. Kurgast im Sanatorium Waldeck, zusammengestellt. Bietet die Art der Aufstellung schon einen herrlichen, farbenfrohen Anblick, so wird jedem Pilzfreund aus Stadt und Land doch auf einfache Weise bekannt, daß der weitaus größte Teil der in Wald und Feld vorkommenden Pilze genießbar ist, wenn auch Unterschiede hinsichtlich der Verwendbarkeit absolut zu machen sind. Nicht jeder Pilz, der wohl eßbar ist, wird als Speisepilz zu bezeichnen sein, da einerseits die Geschmacksrichtung, andererseits eine notwendige besondere Zubereitung für die Verwendung als menschliche Nahrung ausschlaggebend sind. Die Ausstellung, die 54 der -verschiedensten Pilzarten in bunter Reihenfolge bringt, bezweckt, dem Beschauer giftige und ungiftige Pilzgewächse auf engstem Raum zu zeigen und damit manches Vorurteil zu beseitigen. Verwendete Fachliteratur: Gift- und Speisepilze und ihre Verwechselungen von Dr. Ludwig Klein, Professor der Botanik an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe (Verlag: Karl Vinters llniversttätsbuchhandlung, Heidelberg).
Schömberg, 5. Okt. Tie Natur schickt sich zur Ruhe an. Schon färben sich die Blätter und sinken langsam in ihr frühes Grab, man spürt's, daß der Herb st dieses Jahr Eile hat und seine Vorboten voraus schickt: Nebel und kalte Nächte. Die Nässe sind wir dieses Jahr gewöhnt, umso sehnsüchtiger schaute man im September nach der Lonne aus, die sich nur spärlich zeigte. Das Obst, so reich und gut es gewachsen ist, könnte ein sonniges Herbstwetter noch notwendig brauchen. Doch traten bis jetzt immer wieder Sturm und Regenwetter dazwischen und schüttelten vorzeitig das Obst von den Bäumen
— es scheint, als wolle die Natur uns Menschen den Spiegel Vorhalten: man sehnt sich nach ruhigeren, glücklicheren Zeiten
— und stets treten neue Verwicklungen auf und rücken die Erfüllung unserer Hoffnung in weite Ferne. Man darf froh sein, wenn man seinen täglichen Pflichten genügen kann, so wie unsere Landwirte froh sein mußten, wenn sie ihr LehmL trocken unter Dach bringen konnten. Wie es scheint, holt der Oktober das Versäumte nach. Bei noch weniger guten Witterung machte der Kirchenchor seinen Ausflug ins Monbachtal und zum Tiefenbronner Gotteshaus mit seinen kostbaren alten Altarbildern. Die leuchtendste Perle ist der Magdalenenaltar von Lukas Moser aus dem Jahr 1131. Der etwa 10 Meter hohe und mehr als 6 Meter breite Hochaltar von dem bedeutenden Ulmer Meister Hannsen Schichten stammt aus dem Jahr 1160. Der Muttergottesaltar ist 1517, der Pest-Altar 1524 gemalt worden. Den ältesten Schmuck der Kirche bilden die 3 Chorfenster aus dem 14. Jahrhundert. Sie sind von einer eigenartigen Schönheit, wie sie kein Lichtbild wicdergeben kann. — Der Film „Simba, der König der Tiere" von der württembergischen Bildstelle ließ Schuljugend und Kurgäste einen Ausflug nach Afrika machen und dort mit dem Ehepaar Johnson die eigenartige Tierwelt beobachten, besonders an den Trinkstellen: Zebra, Antilope, Gnu, Elen, Giraffe (das Tier, das der liebe Gott vergessen hat), Nashorn, Elfeant und zuletzt Simba, der Löwe, der im Löwen- tale von den Lumbwakriegern gejagt wird. Die Aufnahmen waren alle photographisch schön und klar und zum Teil aus
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Harald Kardorfs hohe, breitschultrige Gestalt stand stolz und aufrecht an der Seite der zarten, neben ihm sehr klein wirkenden Braut, deren Gesicht sehr blaß war. Wie ein scheues Vögelchen schmiegte sich ihre kleine Hand in die seine.
Eva hungerte nach einem Druck, nach einem leisen Druck der schönen, braunen Männerhand.
Aber nichts geschah. So hielt man Wohl jede Damenhand, höflich und warm, doch ohne auch nur im geringsten ein wärmeres Gefühl zu verraten.
Eva schloß die Augen.
Von oben herab sang es:
„Wo du hingehst, da will auch ich hingehen."
Als der Priester den Segen sprach, brach die Sonne golden hervor, besiegte den grauen, trüben Tag und blieb in Hellen Strahlen gerade auf dem Brautpaar ruhen. Unter der Myrte hervor stahl sich goldiges Gelock und umrahmte die reine Stirn der jungen Braut.
Einmal trafen sich Kardorfs Augen mit denen Evas, und da kam es wie Erstaunen in die seinen.
Doch seine Hand umschloß noch immer die ihre höflich und warm.
Das Brautpaar mußte dann noch durch die Reihen der Neugierigen hindurch. Sehr zum Leidwesen der Damen, die aus der Nachbarschaft zusammengekommen waren, konnte man aber auch gar nicht herausbekommen, was zwischen der rätselhaften Verlobung und dem Heute lag. Nur darüber waren sich alle Damen einstimmig einig, daß Eva von Hagen wirklich zu beneiden war. Sie, die man in ihrer Armut kaum noch beachtet hatte.
„Bitte, mache es dir doch bequem, Eva."
Im seidenen Hausanzug stand Kardorf vor seiner Frau. Sie waren vor einer Stunde etwa nach Hagenhöhe herübergekommen. Das kleine, feine Hochzeitsdiner war noch im Rosenhause abgehalten worden. Und Herr Kardorf senior war bereits wieder nach Berlin zurückgefahren.
Eva war noch immer in ihrem Brautkleide. Nur den Schleier hatte sie abgelegt und den Kranz. Kardorf lachte leicht aus.
„Wie ein Mädel siehst du aus, das sich vor seinem ersten Balle ängstigt. Wozu? Wir wissen doch beide, was heute seinen Abschluß gefunden hat! Wozu also traurige Augen machen?"
Er nahm ihr gegenüber Platz, ließ den Blick der großen, dunklen Augen noch einmal prüfend über sie Hingleiten und langte dann nach der goldenen Zigarettendose.
Eva erhob sich.
„Ich werde mich umziehen, du hast recht. Es — es ist ! doch — es ist wegen der Dienerschaft."
Er blickte sie erstaunt an.
„Wegen der Dienerschaft sollst du es nicht tun, Eva, die ist da, deine Befehle entgegenzunehmen, nicht aber, um sich über das oder jenes zu Wundern. Da ich aber auch der Meinung bin, daß es nicht sonderlich bequem sein kann, in diesem Kleide dazusitzen, so ziehe dich bitte um. Also lasse dich nicht stören, Eva. Ich werde einstweilen die Briefe lesen, die mir Johann schon in Weiser Voraussicht hierher gelegt hat."
Er ging mit ihr bis zur Tür und öffnete sie für sie. Ohne ihr nachzusehen, schloß er die Tür wieder und ging an seinen Platz zurück.
Wie eine Elfe, zart und feingliedrig, schritt Eva Kardorf über den langen Korridor zu ihren Zimmern. Sie fand sich allein recht gut zurecht, da sie mit ihrem Vater und der Mutter in den letzten Wochen schon ein paarmal hier gewesen war. Es war vor drei Tagen das letztem«! gewesen.
Und da hatte Harald Kardorf, sich höflich verbeugend, gesagt:
„Nun ist also alles fertig, Eva."
Und er hatte sie und die Eltern herumgeführt, ihnen die Räume gezeigt.
„Dein Schlafzimmer, Eva. Ich hoffe, daß es dir gefällt."
Eva sah die erstaunten Blicke ihrer Mutter, die aber in Kardorfs Gegenwart merkwürdigerweise stets schwieg — sie sah den schmerzlichen Zug um den Mund ihres Vaters, sie fühlte die zitternde Hand, mit der er ihr zärtlich über den Kopf strich, und sie sah Harald Kardorfs gleichgültiges Gesicht, sah sein höfliches, kühles Lächeln und hätte am liebsten laut aufgeweint.
Und jetzt stand sie auch in diesem einsamen Zimmer, an das sich mehrere andere, kostbar eingerichtete Zimmer schlossen. Dann erst kamen die Zimmer ihres Gatten.
Völlig mechanisch kleidete Eva sich aus. Sie dachte gar nicht daran, daß ihr eine Zofe zur Verfügung stand, die nur zu ihrer Bedienung engagiert worden war.
Eva zog ein schlichtes, hellblaues Kleid über, dessen weite Aermel mit weißem Schwan besetzt waren. Sie sah prüfend an sich herab. Am liebsten wäre sie hiergeblieben, hätte den Kopf ganz tief in die Kissen vergraben und hätte sich von Herzen ausgeweint über all das, das wie ein dunkles Rätsel in ihrem Leben stand.
Doch ihr Gatte erwartete sie. Seine Worte: „Ich iverde einstweilen die Briefe lesen", bestätigten das. Noch einmal blickte sie sich in dem mit allen erdenklichen Bequemlichkeiten und kostbaren Möbeln eingerichteten Zimmer ums dann ging sie langsam wieder zurück.
* » *
Kardorf hatte aber nicht die Briefe geöffnet. Er hatte vielmehr aus den Schleier und den Myrtenkranz gestarr, als habe er eine Vision. Wie war das doch gleich ge- wesen? Hatte er wirklich eine Frau, die seinen Namen trug und ein Recht auf ihn besaß? Klirrte da nicht doch irgendwo eine feine Kette, trotzdem er sich doch immer wrede gepredigt hatte, daß Eva keinerlei Einfluß auf sein Leven haben würde. (Fortsetzung folgt.)