Eäiweisend zu, als Oesterle kurz nach der Geburt das Kind vor ihren Augen erwürgte. Als sich die beiden jetzt vor dem Schwurgericht zu verantworten hatten, suchteil sie ihre Tat durch die übliche Notlage zu beschönigen. Da avcr bei keinem der beiden Angeklagten eine Notlage vorhanden war, die auch nur als entfernte Entschuldigung hätte herangezogen werden können, beantragte der Vertreter der Anklage gegen Oesterle die Todesstrafe, da seiner Allsicht nach es völlig gleich ist, ob man einen erwachseneil Menschen im Schlafe ermordet, oder ob man ein kleines schlummerndes, soeben ins Leben getretenes Menschenkind in so grausamer Weise tötet und weil seiner Ansicht nach der Angeklagte mit Vorsatz und Ueberlegung ^bandelt hat. Gegen die angeklagte Rommel beantragte der Itaatsanwalt 3 Jahre Gefängnis und 5 Jahre Ehrverlust.

Nach zweistündiger Beratung gelangte das Schwurgericht -u der Ansicht, daß die Tat wohl schon länger erwogen wor­den sei, das; der Angeklagte Oesterle trotzdem aber nicht mit Ueberlegung gehandelt habe. Er wurde daher nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt. Das Ur- tsil lautete auf 5 Jahre Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust, obwohl die Angeklagte Rommel ursprünglich die Tat gebilligt Wc, wurde sie freigesprochen, da die Angeklagte nach der Ansicht des Gerichts bei ihrer Niederkunft nicht mehr damit -iiivcrstanden gewesen sei, das; das Kind aus der Welt ge­schasst wird, denn sie habe Oesterle gebeten, ihrer Mutter zu rufen. Damit hat die kurze, aber inhaltsreiclx' Schwurge­richtssitzung ihr Ende erreicht.

Das Augsburger Liebesdrama

Stuttgart, 4. Okt. Das Liebespaar, das von dem Nacht­schnellzug Mm-Augsburg bei Westheim überfahren wurde, ist der 21 Jahre alte arbeitslose Fabrikarbeiter Karl Schmalz­ried von Stuttgart und die 29 Jahre alte Werkmeistersehe- srau Höfle, geb. Keller, von Kornwestheim, deren Mann in der dortigen Schuhfabrik beschäftigt ist. Tie Frau war Mut­ter eines Kindes und sah der Geburt eines zweiten entgegen. Sie war lebenslustig, jedoch in ihrer Ehe sehr unglücklich. Sie verließ mit dem 8 Jahre jüngeren Mann ihre Heimat und fuhr nach Augsburg. Wie lange sich das Paar dort auf- gehalten hat, läßt sich nicht sagen. Feststeht, daß sich bei dem Mann außer einem Personalausweis zwei vom Augsburger Leihamt ausgestellte Pfandscheine befanden. Der eine lautete auf ein Darlehen von 15 Mark gegen einen Anzug und stammte vom 28. September, der andere besagt, daß am 1. Lktober die Frau ihre Handtasche gegen 2 Mark versetzte. Am vergangenen Donnerstag kam das Paar in das Augsburger Leihhaus und bat um ein Darlehen. Die Tränen der Frau veranlaßten den Beamten gegen Verpfändung der Ledertasche den kleinen Betrag von 2 Mark zu geben, obwohl Damen- täschchen gewöhnlich nicht beließen werden. Mit diesen Paar Pfennigen gingen die beiden von Augsburg nach Westheim, wo sie in einem dortigen Gasthaus einkehrten. Dann ver­ließen sie nach 8 Uhr das Lokal und begaben sich in die Nähe des Bahnhofs, wo dann das gräßliche Unglück geschah. Der Werkmeister Höfle wurde verständigt und ist bereits am an­dern Tag in Hainhofen eingetroffen, wo die Toten im Leichen- haus aufgebahrt wurden. Die Leichen sollen nicht überführt werden.

Hanciel uncl Verkekr

Stuttgart, 4. Oktbr. (Vom Obstmarkt.) Die Zufuhr aus dem Qbstgrotzmarkt ist noch immer bedeutend, paßt sich aber allmählich der zögernden Nachfrage an. Ueberstände sind an jedem Markttage unvermeidlich. Die Preise bewegen sich für bessere Qualitäten stetig aufwärts. Der Mostobstmarkt ist stark befahren, der Verkehr belebt sich zusehends. Preise steigend 2.703 Mark per Zentner.

Stuttgart, 4. Okt. (Holzverkäufe in Württemberg.) Im Mo­nat September sind in den württ. Etaatswoidungen 20 922 Festmeter Fichten- und Tannenholz, sowie 966 Fm. Forchen- und Lärchenholz verkauft worden. Der Erlös daraus betrug nur 43 bezw. 42 Prozent der Landesgrundpreise gegenüber 8254 Prozent tm Juli, sowie 45 und 5l Prozent im August. Günstiger gestalteten sich die Brennholz- verkäuse im Monat September, wo es sich allerdings nur um kleinere Mengen handelt, nämlich Laubholz 211, Nadelholz 1849 Rm. Der Erlös betrug durchschnittlich 82 Prozent der Bezirksarundpreise gegen 71 Prozent im August, 72 Prozent im Juli und 81 Prozent im Juni.

Ried, 4. Okt. Im Prozeß wegen des Mordanschlags auf König Zogua wurde am Samstag abend das Urteil gefällt- Der Albaner Gjeloshi wurde wegen Mordes zu 7 Jahren

schweren Kerkers verurteilt. Der zweite Angeklagte, der Al­baner Cami, erhielt wegen versuchten Mordes und wegen Mitschuld am Mord drei Jahre schweren Kreker. Die Strafen werden bei beiden Angeklagten durch einen Fasttag alle Vier­teljahre verschärft. Cami muß außerdem einen Goldschilling an den bei dem Anschlag auf den König verwundeten Minister Libohova zahlen. Beide Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

2 7VV0VV Franzose« wollen Derständtgung

Paris, 4. Okt. 2 700 000 Franzosen, die in den pazifischen Linksbünden organisiert sind, haben eine Botschaft an Laval, Briand, Brüning und Curtius unterschrieben, in der die Hoff­nung ausgedrückt wird, daß die Annüherungs- und Freund­schaftspolitik zwischen Frankreich und Deutschland, die von Briand und Stresemann begründet wurde, sich günstig ent­wickeln möge.

Diese Botschaft wurde auf einer wohlgelungenen Kund­gebung verlesen, die der französische Vorstand der Internatio­nalen Freundschaften zusammen mit der französischen Liga der pazifischen Frontkämpfer organisiert hatte. Von deutscher Leite sprachen Tr. Bruno Weilt, Georg Bernhard und Gene­ral a. D. v. Deimling. Nach den Reden kam es zu einer ostentativen Geste zwischen dem alten französischen Oberst Picot und dem deutschen General v. Deimling, die sich beide um­armten. (!)

^U8 Wett unü l,eben

Warum schlägt das Herz? Die Frage, warum unser Herz eigentlich schlägt, ist keineswegs so einfach zu beantworten, wie es der Laie zunächst annimmt. Das Herz stellt ja be­kanntlich einen Motor von besonders hoher Leistungsfähig­keit dar, aber warum er so funktioniert, wie er es tut, da­rüber gewinnt die Wissenschaft erst jetzt langsam einige Auf­schlüsse und noch immer ist die Frage nicht völlig geklärt. Die Untersuchungen Prof. Haberlandts, die bereits seit einer Reihe von Jahren laufen, machten es schon früher wahrschein­lich, daß das Herz durch einen ganz bestimmten Erregungs­stoff chemisch gereizt und dadurch erst zur Tätigkeit gebracht wird. Die neuesten Untersuchungen über diese Frage haben nun eine schon früher geäußerte Annahme zur Gewißheit werden lassen; der Herzerregungsstoff ist eines von jenen in den letzten Jahren so bekannt gewordenen Hormonen, über deren ungeheure Wichtigkeit für den Körper immer neue Tat­sachen bekannt werden. Prof. Haberlandt teilte kürzlich einiges über neue Untersuchungen mit, die er mit den Herzen niederer Tiere vor allem der Schnecken und Frösche angestellt hat. Dabei stellte sich folgendes heraus: stellt man aus Rinder­herzen ein Herzhormonpräparat her, und läßt diesen Stoff auf isolierte, also außerhalb des Körpers schlagende Herzen von Fröschen und Schnecken wirken, so tritt sofort eine starke Reaktion aus, die sich in Pulsbeschleunigungen, resp. Puls­auslösung am stillstehenden Herzen äußert. Wirkungen dieses Präparates zeigten sich auch noch bei der enorm starken Ver­dünnung von 1 zu 1 Milliarde! Diese und andere Versuche führen zu dem zwingenden Schluß, daß wir es bei dem Herz­erregungsstoff nur mit einem Hormon zu tun haben können, da nur ein solches noch Wirkungen in derart starken Verdün­nungen zur Folge haben kann.

Im bunte« Rock. Ein Oesterreicher erzählt Lustiges vom alten Militär: Dies war also sechs Jahre vor dem Krieg, und auf der Kriegsschule in Lemberg hatten wir einen alten Feld- kurat Przihoda, der einerseits ein etwas wunderliches Deutsch sprach, andererseits aber tschechischen Unterricht erteilte... Und außerdem wurde die Kriegsschule damals besichtigt durch den Inspekteur des militärischen Bildungswescns, Exzellenz Roth. Wohnt also Seine Exzellenz dem tschechischen Unter­richt bei. und der alte Przihoda fragt mich:Uebersätzen Sie mir in das Tschechische den Sotz:Dcrr Vatter sitzk aus dem Baume". Ich sage Pflichtgemäß:Oicez sedjt na ström", und der alte Przihoda sagt:Scrr gut", und wendet sich an meinen Nachbarn:Uebersätzen Sie mir jetzt in das Tsche­chische den Sotz:Die Mutter sitzt auf dem Baume", woraus die Antwort erfolgt:Matka sedjt na ström". Als aber der alte Herr einem Dritten den Satz aufgibt:Die Tochter sitzt auf dem Baum", da unterbricht Se. Exzellenz, gibt zu be­denken, daß nun doch schon die ganze Familie aus dem Baume säße, daß der Baum eine weitere Belastung unmöglich nushaltcn könne und daß er selbst um ein anderes Beispiel bäte... Sieht der alte Przihoda, der doch eigentlich nur diesen einzigen deutschen Satz nebst einigen Varianten kennt, hilflos aus die Kiefern vor dem Fenster, sieht dort in den

Acsten einen Eichkater spielen, hat einen retteirden Einfall und wendet sich siegesgewiß an einen Vierten:Uebersätzen Sie mir jetzt in das Tschechische den Sotz:Der Eichkuz hupst von des Baumes einem auf des Baumes anderen". Woraus Seine Exzellenz zu bemerken geruhte, daß das doch eigentlich schon Tschechisch sei, daß eine Uebersetzung in das Tschechische sich mithin als unmöglich erweisen dürste. Und als ein ge­brochener Mann das Lokal verließ.

Vorgeschichtliche Chirurgie. Ueber die ältesten chirurgischen Operationen der Menschheitsgeschichte, über die Oeffnung der Schädelhöhle, die sog. Trepanation, die sich schon bei den Na­turvölkern findet, hat ein englischer Arzt in 18jähriger Tätig­keit eine Sammlung zusammengebracht, die sich jetzt in dem Wellcome-Museum für Geschichte der Medizin in London be­findet. Dieser Sammler, Tr. Wilson Parry, hat die wichtig­sten Beispiele vorgeschichtlicher Trepanationen untersucht und ähnliche Operationen an modernen Schädeln durchgeführt, um die Technik der Vorzeit von Grund aus kennenzulernen. Die Schädelöffnung ist bei den Naturvölkern mit dem Zauber­glauben verknüpft. Sie wurde bei Menschen, die an Epilepsie oder schweren Schmerzen im Kopf litten, vorgenommen, um dem Dämon, den man als Ursache annahm, Gelegenheit zu geben, aus dem Innern des Schädels zu entweichen. Wenn der Patient nach Vornahme dieser Operation am Leben blieb und geheilt wurde, dann verehrte man ihn als einen Helden- Starb er aber daran, dann wurden Teile seines Schädels dazu verwendet, um sie als Amulette gegen die Krankheit zu tragen. Die vorgeschichtlichen Werkzeuge, die zur Trepanation ver­wendet wurden, waren verschiedenartig; sie bestanden aus Feuersteinmeißeln, Obsidianbohrern und aus zugespitzten Hai­fischzähnen. Dr. Parry hat solche vorgeschichtlichen Instru­mente nachgebildet und für seine Operationen an modernen Schädeln benutzt. Er hat vier verschiedene Methoden fest- gestellt. Die erste bestand darin, daß ein Loch in den Schädel mit Hilfe eines spitzen Steins gebohrt wurde; zur Ausfüh­rung dieser Operation brauchte er etwa 30 Minuten. Das zweite Verfahren bestand darin, einen Kreis von kleinen Lö­chern mit Hilfe von Feuersteinbohrern zu schaffen, und die Knochenteile zwischen den Löchern wurden dann mit Feuer­steinsägen zerteilt. Bei der dritten Methode wurde zunächst mit einem spitzen Instrument eine Rille an dem Schädel an­gebracht und diese dann mit Sägen vertieft und erweitert. Die Behandlung findet sich hauptsächlich an Schädeln der Stein­zeit, die in Frankreich gefunden wurden. Die vierte Methode ist, soweit bekannt, nur bei den vorgeschichtlichen Völkern in Südamerika und den Inkas zur Anwendung gekommen, sie bestand in der Entfernung eines viereckigen Knochenstückes, das aus der Schädelseite herausgcsägt wurde, und mußte un­bedingt tödlich verlaufen. Am längsten dauerte die Operation bei der Verwendung eines spitzen Haifischzahnes, nämlich IX Stunden. Solche Operationen werden noch heute bei den Naturvölkern der Inseln des Stillen Ozeans vorgenommen.

Dienst am Kunden

Kann ich mit diesem Radioapparat auch entferntere Sta­tionen hören."

Natürlich. Welche Station wünschen Sie?"

Madrid."

Bitte sehr, hier ist Madrid."

Aber da sind ja solche Geräusche und Klopftöne?"

Das... das... ist die Revolution. Ausgezeichnet, nicht wahr?"

*

Eine Dame lehnt sich aus dem Fenster des Eisenbahn­wagens und ruft den Schaffner:Hier steht dran ,Nicht­raucher', und der Herr hier drin raucht trotzdem!"

Oogenblick!" sagt der Schaffner,da wer'n wir schon Rat schaffen." Und er nimmt das Schild ,Nichtraucher' ab, um das Schild Mancher' dafür anzuhängen.

Gast:Ich möchte eine Portion Gänsebraten essen; kann man davon satt werden?"

Kellner:Ich sage Ihnen, wenn Sie drei Bissen gegessen haben, dann mögen Sie schon nicht mehr!"

Hotelwirt (zu einem Gast, der bei ihm übernachtet hat): Haben Sie gut geschlafen, Herr Professor?"

Gast:Nein, nicht besonders. Mein wissenschaftliches Interesse hat mich wachgehalten, denn ich konnte meine Jnsek- tensammlung bereichern."

VOtl 6^177

LopvrjZkt ^lrrrtin (Lüsls)

l17

Die ersten Worte waren an Eva, die letzteren an den Gallen gerichtet. Und nun sah Frau von Hagen sich kampf­bereit um. Es hatte aber niemand Lust, mit ihr ein Wort­gefecht, das sich nach und nach immer mehr zuspitzen würde, ivie gewöhnlich, anzufangen.

Herr von Hagen stand auf, und von der Tür her sagte er:

Ich weiß nicht, Amelie, warum du dich erregst? Er m recht, alt und jung patzt nun einmal nicht zusammen, kenn er es auch höflicher ausgedrücki hat. Und ich kann ^ nur sagen, mir wäre es nicht einmal angenehm, wenn

plötzlich aus unserem Rosenhäuschen fort müßten. Ich habe mich viel zu sehr an die Ruhe und Schönheit dieses Fleckchens gewöhnt."

...Jawohl, Hauptsache ist ja stets, daß du dich nur wohl- Nhlst. An mich und Brigitte denkst du nicht. Wir können ruhig versauern!"

Herr von Hagen war bereits draußen; er hörte also die nhten Worte seiner Frau nicht mehr.

Frau von Hagen wandte sich an ihre Jüngste.

Du wirst doch hoffentlich vernünftig genug sein, recht fit ein Fest zu veranstalten, Eva? Wir erwarten das un- Mngt. Ich hoffe, daß wenigstens du ein wenig an deine arme Schwester denkst."

»Gewiß. Mama."

Es klang seltsam müde, aber Frau von Hagen hörte ur die Willfährigkeit ihrer Jüngsten heraus und nickte 'fi Zufrieden zu.

.. "P"pa muß mit deinem Verlobten sprechen. Die lächer- 'fi kleine Rente muß erhöht werden, sobald ihr ver­tratet sein werdet. Ich sehe es nicht ein, warum wir "kr darben sollen; er hat es ja im Ueberfluß. Erst gestern

sagte mir Frau Pastor, daß er Die Besitzungen des Grafen Auerswald aufgekauft habe. Irgendwo in Schlesien liegen die. Es soll ein herrliches Schloß dazu gehören. Er hat es natürlich nicht nötig, mit uns darüber zu sprechen."

Eva stand auf. Mit unnatürlich großen Augen blickte ! sie auf die Mutter.

Mama, Papa darf auf keinen Fall mit Harald sprechen. Er darf nichts von der Rente erwähnen. Ich gebe euch mein halbes Nadelgeld. Es wird reichlich sein. Ich erhalte monatlich lausend Mark. -Das brauche ich nicht. Aber laßt ihn in Ruhe. Wo ich doch schon so arm, so bettelarm zu ihm komme!"

Frau von Hagen sah ihre Tochter sprachlos an; dann faßte sie sich endlich.

Wenn du dich auf den Standpunkt stellst, kannst du mir leid tun, mein Kind. Du vergißt wohl ganz, daß er ein ganz gewöhnlicher Emporkömmling ist, der in der Reihe seiner Vorfahren wohl kaum einen Tropfen blaues Blut haben dürfte. Er muß froh sein, daß er eine Frau aus dem Hause Hagen erhält."

Eva blickte erstaunt auf die Mutter, als höre sie heute zum ersten Male derart hochmütige Worte von ihr. Und es war doch schon so oftmals geschehen. Sehr, sehr oft brach die Mutter den Stab über andere Menschen. Aber hier in diesem Falle schien es ihr doch nun schon ganz und gar am falschen Platz. Sie wußte doch ganz genau, daß man zuerst geglaubt und auch gehofft hatte, daß Kardorss Interesse Brigitte gelten könnte.

Nur Kardorf war der Gebende, niemand sonst!

Verzeih', Mama, ich bin anderer Meinung. Und ich bitte dich, nicht wieder diese häßliche Bezeichnung Empor­kömmling zu gebrauchen. Harald Kardorf ist etwas anderes wert, als daß man ihn mit diesem Wort be­zeichnet."

Furchtlos blickte Eva die Mutter an.

Die schwieg. Vielleicht war es doch ein wenig Be­schämung, die sie schweigen ließ.

Nun, du bist ja schließlich die am meisten Beteiligte, und dein Urteil über ihn ist maßgebend. Doch in einem

Falle wirst du dich andern müssen: Tue nicht, als sei dir durch diese Heirat mit dem bürgerlichen Manne ein un­erhörtes Glück widerfahren."

Frau von Hagen rauschte aus dem Zimmer.

Brigitte sah spöttisch lächelnd aus die Schwester. Dann erhob sie sich gleichfalls und sagte:

Hoffentlich bist du klug genug, dir wenigstens nicht einzubilden, daß Harald Kardorf dich liebt! Daß er dies nicht tut, merkt ein Blinder."

Eva sagte nichts. Wozu sollte sie ein Wort verlieren? Es war ja nicht das erstemal, daß derartige Anspielungen von den Lippen der enttäuschten Schwester fielen. Die hatte ihr die Verlobung mit Kardorf nicht verziehen und sonnte sich in den Bosheiten, Oie sie zuweilen an der jüngeren Schwester auslietz.

Sie hatte genau wie die Mutter gehofft, durch ihre, Evas Heirat, nun wenigstens insofern entschädigt zu werden, als man in Hagenhöhe ein Fest nach dem anderen veranstalten würde und daß dann vielleicht aus diese Weise etwas für Brigitte hcrausspränge.

Blamier' dich nicht", sagte Brigitte von der Tür her, das Glück im Winkel kannst du niemand Vortäuschen. Da müßte der dazugehörige Mann nicht Harald Kardorf heißen."

Nachdem sie sich derart erleichtert hatte, ging sie endlich, um den neuen Roman zu Ende zu lesen.

Eva von Hagen sah auf die weiße Tür, die sich hinter der Schwester geschlossen hatte. Ein großes Weh war in ihr, denn sie wußte ja, daß die Schwester recht hatte.

* s *

An einem grauen Novembcrtage war Evas Hochzeits­tag. In aller Stille wurde sie in der kleinen Dorfkirche von Dorf.Hagen getraut.

Nur ihr Vater und der Vater ihres Gatten waren in der Kirche mit anwesend als näher Beteiligte und zugleich als Zeugen. Die Kirche war aber mit Neugierigen gefüllt bis auf den letzten Platz. Man bewunderte und kritisierte. Vor allem wollte niemand diese einfache Feier gutheißen.

(Fortsetzung iolüt.l