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Neuenbürg, 1. Okt. In dem letzte» Band der Funk­berichte aus Schwaben, der die Jahre 19281930 um­faßt und von Konservator Dr. Paret herausgegeben worden ist werden auch Funde aus unserem Oberamt angeführt und zwar aus Neuenbürg vom Schloßberg Siedlungsreste der Hallstatt- und La Lene-Zeit. Also aus dem ersten Jahrtausend vor unserer christlichen Zeitrechnung. Im Som­mer 1W9 entdeckte Studiendirektor i. R. Dr. Feiler anläß­lich der Tieferlegung der Wasserleitung vom Münster her auf das Schloß zu in dem ausgehobenen Erdreich Tonscherben, die sich nach sachkundiger Untersuchung im Landesamt für Denk­malspflege als Reste hallstattzeitlicher Gefäße herausstellten. Sicher als keltisch, d. h. der La Tene-Zeit angehörig, wurden die Reste eines Topfes mit verengter Mündung und einer Flasche angesprochen. Der Hallstattperiode dagegen ist noch zuzuschreiben ein fast geschlossener 7 Zentimeter weiter Arm­ring aus Bronze,glatt, nur an den stumpfen Enden mit einfacher Rüstung". Der Ring kam mit einem Kameraden, der leider nicht geborgen werden konnte, im Schloßgraben zum Vorschein aus beträchtlicher Tiefe. Bereits im April 192S hatte Feiler in seinem Garten am Südwesthang des Schloßbergs beim Bau eines Bienenhauses keltische Kultur­schichten freigelegt und auf einer Art Steinbelag drei aus­einander liegende eiserne Sensen und dicht dabei zwei eiserne Meißel gefunden. Es ist fast derselbe Sensentyp, wie er in La Töne selbst am Neuenburger See in der Schweiz zum Vorschein gekommen ist und im Neuenburger Museum aus­gestellt ist. UnsereNcuenbürger Sensen" sind verhältnis­mäßig gut erhalten geblieben in dem warmen Sandboden. Sic sind in denFundberichten" äbgebildet. Zwei davon messen mit Stiel rund 35 Zentimeter, die dritte, durch Rost mehr beschädigte, ist noch 27,5 Zentimeter lang. Der eine Flach- meißcl ist 11,3 Zentimeter lang, der andere Meißel ist ein Hohlmeißel und 11,5 Zentimeter lang. Beide Meißel haben eine Tülle. Besonders schön mit Patina belegt ist ein hohler Bronzemeißel, 5,2 Zentimeter im Licht, mit gravierten Enden. Durch ihn und die in unmittelbarer tllähe gefundene Irdenware läßt sich für diese Wohnstätte am halben Hang des Schloßberges die frühe La Thne-Zeit festlegen. Etwa 4M und 300 v. Ehr. G. Hier hat wohl ein Erzschmelzer und Schmied gallischen Stammes gehaust. Wie die meisten Schmiede des Altertums scheint er wohlhabend gewesen zu sein.

Aus Herren alb wird ein römischer Münzsund be­kannt gegeben. Die Hadriansmünze trat 1928 bei der Kana­lisation südwestlich Gernsbacherstraße und Heuweg in 0,80 Meter Tiefe zu Tage und ist im Besitz von Architekt Kugele in Herrenalb. Es ist der erste derartige Fund in Herrenalb und steht vielleicht in Beziehung zu der römischen Straße, die, wie angenommen wird, von Baden-Baden aus über Gernsbach, Loffenau, Herrenalb, Neusatz usw. auf der Höhe einer noch älteren Straße im wesentlichen folgt und bei Brötzingen in die römische Steinerne Straße Ettlingen Pforzheim-Cannstatt einmündete.

Vergleicht man die gesicherten Feststellungen auf dem Neuenbürger Schloßberg mit Funden an anderen Orten, so ergibt sich, daß der Westsaum des Schwarzwaldes und des Odenwaldes in ur- und frühgeschichtlicher Zeit Wohl eine seß­hafte Bevölkerung gehabt hat und nicht bloß von schweifenden Jägern und wandernden Stämmen und Sippen durchzogen wurde. Es ist bestimmt zu hoffen, daß das bisher über den ältesten Menschheitsperioden in unserer Gegend liegende Dunkel etwas gelichtet wird, sofern alle Schichten der Be­völkerung die zufällig aus der Tiefe der Erde heraustretenden Gegenstände, seien es Münzen, bloß Tonscherben oder gar Gebrauchsgegenstände aus Stein, Bronze und Eisen, mit Sorgfalt beachten und bergen. Lieber sechsmal etwas Mo­dernes oder Mittelalterliches irrtümlich als etwas Urgeschicht- liches ansehen, als ein einziges Mal ein Fundstück, das sich nie wieder zeigt, beiseite werfen. Wem sich der Geist der Vor­zeit offenbart, der soll ihn auch herzhaft bannen. Nur Sonntagskindern offenbart er sich.

(Wetterbericht.) Bei Zufuhr von ozeanischen Luft­massen ist für Samstag und Sonntag aufheiterndes, mildes, zum Teil auch wieder bewölktes Wetter zu erwarten.

Birkenfeld, 30. Sept. (Aus dem Gemeinderat.) Direktor Keller vom Würm- und Enzgauverkehrsverband teilt dem Bürgermeisteramt mit, daß. die Autolinie Pforzheim Gräfenhausen, für die die Gemeinde eine Ausfallbürgschaft von 33 Prozent geleistet hat, im letzten Quartal eine Unter­bilanz ergeben habe. Der Gemeinderat vertritt den Stand­punkt, im Falle diese Linie weiterhin einen Aumangel aus­

weist, die Haftung durch Vertragskündigung aufzuheben. Das Gesuch um Herabsetzung des Kaufpreises für Siedlungs­gelände bei derSonne" für auswärtige Kaufliebhaber wird bis zur nächsten Sitzung zurückgestellt, ebenso der Antrag auf Wiedereröffnung der Speiseküche, da während den Schul­ferien nicht begonnen werden kann. Waldmeister a. D. Hüll wurde zur Anschaffung eines jungen Zuchtbockes ein Beitrag von 15 R.M. verwilligt. Das Gesuch von Fräulein Marie Schmid um vierwöchentliche Teilnahme an einem Fachkurs für Kindergärtnerinnen beim Ev. Landesverband für Kinder­pflege in Stuttgart wird genehmigt. Durch den Zurückgang des Gewerbekatasters eines größeren Unternehmens hier er­leidet die Gemeinde einen weiteren Steuerausfall von rund 5000 R.M. Zur Sammlung einer Winterbeihilfe unter der Leitung des Bczirkswohltätigkeitsvereins Neuenbürg soll auch hier ein Ortsausschuß gebildet werden. Zu dem Ausschuß sollen insbesondere die Vereinsvorstände zugezogen werden. Die Feuerwehr hat am 3. Oktober d. I. Jnspektiousübung, es wurde ihr aus diesem Anlaß von der Gemeinde ein Be­trag von 75 R.M. verwilligt. Die Lieferung von 300 Stück Marksteinen wurde Ernst Denzinger hier übertragen. Ein Baugesuch zur Erstellung eines Anbaus außerhalb Ortsctters wurde abgelehnt. Aus Anlaß eines Stundungsgesuchs ent­wickelte sich im Gemeinderat eine lebhafte Aussprache über die Art und Weise der Beitreibung der Schuldigkeiten an die Gemeinde. Weil die Gemeinde solange zugewartet habe, werde ihr nachher von den betreffenden Schuldnern noch der Vor­wurf gemacht, daß sie an ihrem wirtschaftlichen Untergang Schuld sei. Es müssen daher unerbittlich lausend die Schul­digkeiten beigetrieben werden. Festgestellt wird dabei aber, daß die Gemeinde in dem vorliegenden Fall, in dem zur Zeit Zwangversteigerung durchgeführt wird, nicht an dem wirt­schaftlichen Untergang schuld ist, schuld daran sind vielmehr die außerordentlich hohen Hypotheken und sonstigen Schulden, die in der Zeit seit der Inflation neu gemacht wurden und, deren Zinsenlastcn von dem Betreffenden nicht mehr auf­gebracht werden konnten. Wäre der Gemeinde in dem betref­fenden Fall auch nur etwas bezahlt worden, so wäre sie wieder zufrieden gewesen. In dem andern Fall, wo es in der Oeffent- lichkeit heißt, die Gemeinde habe zum Konkurs getrieben, hat der Betreffende den Konkurs schon vor 8 Tagen selbst an­gezeigt und es kann daher die Gemeinde dafür nicht verant­wortlich gemacht werden. Die Verzugs- und Stundungszinsen nach den Notverordnungen werden in nächster Zeit berechnet werden. Wer glaubt, daß diese hohen Sätze an Zinsen und Verzugszuschlägen nicht zur Anrechnung kommen, geht in seiner Meinung fehl, da davon auf Grund der Gesetze nicht abgesehen werden kann.

Herrenalb, 1. Okt. (Abschied der Kurkapelle.) Mit dem letzten Tag des regenreichen Septembers sonnen­armen Gedenkens hat auch unsere Kurkapelle die letzte Ton­weise verklingen lassen. Schon das Sonderkonzert am vergangenen Samstag stand unter dem Zeichen des Abschied­nehmens; es brachte neben feinabgetönten Orchester- und Solostücken die prächtigen Gesänge der Karlsruher Konzert­sängerin Hildegard Leudle, die mit Blumenspenden und reichem Beifall beehrt wurde. Beide Veranstaltungen waren verhältnismäßig gut besucht. Kapellmeister Fried König-Wiesbaden darf beim Scheiden für sich und die Seinen die volle Ueberzeugung mitnehmen, daß seine gesamte Sommerarbeit sowohl bei der Kur- und Stadtver­waltung wie auch bei allen Musikfreunden des Kurvüblikums und der Einwohnerschaft volle Anerkennung gefunden hat. In diesem Urteil gehen alle einig, die regelmäßig oder ge­legentlich den Darbietungen auwohnen konnten. Die Vorzüge einer gefesteten, reichbegabtcn Persönlichkeit, die ungestörten Beziehungen zwischen Leitung und Geleiteten, die umsichtige Sorgfalt bei Auswahl und Durchführung der Konzertpro­gramme einigen sich zu einem Gesamteindruck wohltuendster Harmonie, jeden Dankes würdig. Die unsicheren Verhältnisse der Gegenwart und der nahen Zukunft ließen es als unmög­lich erscheinen, feste Bindungen für die kommende Kurzeit zu vereinbaren. Es darf jedoch die Hoffnung ausgesprochen werden, daß in besseren Zeiten weitereKönigsjahre" folgen. In diesem Sinne: Auf Wiedersehen! Wenn sich nun die Pforten des Kürsaalgebäudes schließen, so sei auch der gedie­genen Wirtschaftsführung durch Hotelier P. Zibold mit ungeteilter Anerkennung gedacht.

Schömberg, 30. Sept. Willy Reichert, den berühm­ten und beliebten Schwaben und Stuttgarter Schauspieler hörten wir am Samstag und Sonntag als Gast der Kur­verwaltung in den drei großen Sanatorien und im Ochsen­saale. So etwas von sprühendem Witz und Humor hatten wir noch nicht erlebt. Wir kennen ja Willy Reichert seit Jahren vom Stuttgarter Schauspielhaus her und durch seine Schall­

platten und seine Darbietungen im Rundfunk. Wer ihn aber erst selbst einmal in seiner ganzen Lebendigkeit und Aus­druckskraft hört und sieht, ist ihm verfallen. Meisterhaft ver­steht er es, Freude zu machen und fröhliche Stimmung hervor­zubringen, und das ist heute doch so nötig, um nicht ganz z» verbittern. Ueberall rief er Helle Begeisterung hervor, aus dem Lachen kam man gar nicht mehr heraus- Stürmisch wurde als Zugabe immer wieder das bekannte und wohl a« meisten von ihm gesungene schwäbische Volkslied:I bin dei Jockele, dei Bua..." verlangt. In einem der Sanatorien lie­ßen die Kurgäste ihren Willy Reichert sogar hochleben un­nahmen ihm das Versprechen ab, bald wieder zu kommen. Die Kurverwaltung brachte damit zweifellos die beste unter den vielen Veranstaltungen dieses Jahres. Für den Künstler war sic ein glänzender Erfolg.

Württemberg

Heilbronn, 1. Okt. (Falsche Zehn-Mark-Scheine.) In dm letzten Tagen wurden auf dem Hauptpostamt in Abständen zwei falsche Zehn-Mark-Scheine eingezahlt.

Stuttgart, 1. Okt. (Abgesagte Reichsbanner-Aufmärsche.) In­folge der Verlängerung des Bersammlungsverbotes sind lt.N ckar- Echo" die für nächsten Sonntag geplanten Aufmä-sche und politischen Kundgebungen des Reichsbanners Schwarz-Rot Gold in Reutlingen, Tübingrn, Tuttlingen und Friedrichshafen abgesagt worden.

Stuttgart, 1. Okt. (Vater und Sohn als Generale.) Der bis» berige Kommandeur des 13. württembergischen Insawerie-R'giments. Oberst Muff, tritt heute seine neue Stellung als Irfanteiiesährcr V an. Gleichzeitig wird seine Beförderung zum G neralmojor bekannt- gegeben. Die außerordentlichen militärischen Fähigkeiten des erst 47 Jahre alten Generals erfahren damit, so schreibt dasStuttgarter Neue Tagblatt", ihre verdiente Anerkennung. Aber auch wett über die militärischen Kreise hinaus erfreut sich der jüngste General der R ichswehr großer Wertschätzung und B.liebtheit. Ein besonderes Eriignis bedeutet seine Beförderung aber ach deshalb, weil sein s tzt 86 Jahre alter Vater, der in Lorch lebende Generalleutnant a. I. Karl von Muff, diesen Tag noch erleben durfte. Vater und Sohn als General wahrlich eine Seltenheti!

Birkach, OA. Stuttgart, 1. Okt. (Ein Schutzmann vermißt) Als heute nacht ein hiesiger Schutzmann angeblich ein Geschrei Hörle, brgab er sich von seiner Wohnung aus die Straße, um nach den Un­ruh stistern zu sehen. Seitdem wird der pflichteifrige Beamte vermißt. Die Landjägermannschast fahndet eifrig nach dem Vermißten. Ins Verschwinden des Beamten ist, so schreibt das Stuttgart r Neue Lg- dl tt», in völliges Dunkel gehüllt. Bis heute nachmittag war noch nicht f stzust lim, ob es sich um einen Anschlag ooer um eigenwilliges Ver- jchw nden handelt. Der angebliche Lärm wurde von der Anwohner­schaft der betreffenden Straße nicht gehört. Der Familie des Schutz­mannes ist dos Verschwinden völlig unklar, da das freundliche Wesen des Mannes sich in den letzten Tagen keineswegs geändert hatte.

Eine bemerkenswerte Anregung

Stuttgart, 1. Okt. Von der Fürsorgeabteilung des Württ. Kriegerbundes wird uns mitgeteilt: Zu der Frage der Be­rücksichtigung sozialer und sonstiger Gesichtspunkte bei not­wendig werdenden Entlassungen von Arbeitnehmern hat der Deutsche ReichskriegerbundKyffhäuser" eine beherzigenswerte Anregung gegeben. In einem Schreiben an die Zentralstellen der öffentlichen und privaten Arbeitgeberorganisationen setzt er sich u. a. mit den folgenden Ausführungen für Kriegs­teilnehmer, Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene ein: Man darf Verpflichtungen der Gesamtheit, insbesondere gegenüber den Kriegsbeschädigten, nicht mit dem Hinweis auf deren Versorgungsrenten ablehnen, denn den Kriegsbeschä­digten ist durch die Notverordnungen so viel genommen, daß sie vielfach heute Renten erhalten, von denen sie die durch die Kriegsdienstbeschädigungen entstehenden Mehrausgaben kaum noch bestreiten können. Daß die Kriegshinterbliebenen, die den Ernährer oder Erzieher verloren haben, besondere Rück­sicht verdienen, bedarf nur dieses Hinweises. So entsprechen alle Behauptungen einer übelwollenden Propaganda, welche die im Arbeitsverhältnis stehenden Kriegsbeschädigte^ als Doppelverdiener hinzustellen versucht oder durch Ausschlach­tung von einzelnen Grenzrällen es handelt sich hier mei­stens um arbeitsunfähige Schwerbeschädigte mit einer großen Anzahl von Kindern die Rentenbezüge als außerordentlich hoch darstellt, nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Die Zeit ist nunmehr gekommen, wo endlich alle Kreise des deutschen Volkes den Kriegsteilnehmern, ganz besonders aber den Kriegsbeschädigten, den Dank für ihre im Weltkrieg vollbrach­ten Leistungen und Blutopfer abstatten sollten. Deshalb bit­ten wir, soweit Teile der Angestellten- und Arbciterüeleg- schaft von den bei Ihnen angeschlossenen Verwaltungen oder Betrieben in Zukunft zur Entlassung kommen müssen, auf diese Betriebe in Ihnen geeignet erscheinender Weise hinzu-

GDI ^

OopvrtZtN blLl'tia keuotNnririZer, Malier

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Auf dem Wege zum Schlosse ging Saschi dicht neben ihm. Sie hatte es so einzurichlen gewußt, und sagte:

Was sollte das heißen, Harald? Hast du wirklich Freude daran, mich vor den anderen allen bloßzustellen, oder lockte dich tatsächlich ein Abenteuer mit dem kleinen Mädel?"

Beides!" Grausam, scharf kam es von seinen Lippen.

Saschi sagte nichts mehr. Sie durfte nichts mehr sagen, wenn sie nicht noch das Letzte verderben wollte. Zwei Stunden später hatten alle Gäste das Schloß verlassen.

* * *

Als Schloß Hagenhöhe längst in tiefer Ruhe lag, stand Harald Kardorf noch immer am Fenster seines Schlaf­zimmers und rauchte. Er sah in die schweigende, duftende Nacht hinaus. Einmal dachte er:

Das ist die geschmackloseste Sache, die mir in meinem ganzen Leben vorgekommen ist. Direkt albern!"

Aber Harald Kardorf konnte es nicht ändern, daß ihn ein unbehagliches Gefühl überlief, wenn er an die blauen Mädchenaugen dachte, die ihn mit so unverhohlener Ver­achtung angesehen hatten.

* *

Es war gegen Mittag. Kardorf kam eben vom Felde geritten, als der Diener ihm Besuch meldete.

Herr von Hagen!

Ein kurzes Aufblitzen in Kardorfs Augen. Was wollte denn der von ihm? Etwa einen liebevollen Gegenbesuch abstatten in der Hoffnung auf einen stattlichen Pump? Das hatte er nun davon, daß er den ganzen Landjunkern Gelegenheit gegeben hatte, ihn kennenzulernen.

Mißmutig wollte er sich umziehen, als Johann sagte:

^ »Herr von Hagen wartet seit zwei Stunden!"

Donnerwetter noch einmal! Na, dann muß ich wohl so bleiben, wie ich bin."

Die kraftvolle, braune Hand strich das Haar zurück. Im Reitanzug ging der Schloßherr von Hagenhöhe in den Salon. Dort erhob sich ein alter Mann und blickte ihm mit müden, eingesunkenen Augen entgegen.

Kardorf streckte dem Besucher die Hand entgegen, was dieser aber übersah.

Zorn stieg in dem Jüngeren aus.

Was sollte denn das heißen?

Darf ich fragen, was Sie zu mir führt?" fragte er, und jeder Zoll war bereits Ablehnung.

Ich habe die ganze Zeit über auf Sie gewartet. Seit drei Stunden warte ich auf Sie, Herr Kardorf!"

Der andere trat einen Schritt zurück.

Was soll das heißen? Ich wüßte nicht, daß ich mich mit Ihnen verabredet hätte."

Nein gewiß nicht! Aber denken Sie nicht, daß, weil wir arm sind, wir uns eine derartige Kompromittierung gefallen lassen müssen!"

Kardorf blickte ihn mit weit geöffneten Augen an.

Hägens Jüngste, die er noch nicht kannte sie hatte er geküßt! Schwelgen herrschte im Zimmer. In Kardorfs Brust arbeitete es, und in seinem Hirn jagten sich die Ge­danken. Endlich sagte er:

Ich bin selbstverständlich zu jeder Genugtuung bereit, Herr von Hagen."

Es gibt nur eine, Herr Kardorf!"

Der zuckte zusammen. Was wollte der denn von ihm?

Sollte er etwa die kleine-Haha, das war ja zum

Lachen. Er, Harald Kardorf, der Gatte dieser kleinen Land­pomeranze! Er, den das Geringste an einer Frau stören konnte, er sollte täglich diese kleine Landpomeranze als seine Frau neben sich dulden, nur weil er in einer dummen Laune sie geküßt hatte? Fein ausgedacht von dem ver­armten Kerl da, diesem Herrn von Habenichts, der die Situation so wunderschön für sich auszunützen verstand. Aber das sollte ihnen nicht gelingen das nicht!

Kardorf richtete sich hoch auf.

Ich habe Ihr Fräulein Tochter nicht gekannt! Habe auf mein Wort nicht gewußt, wen ich vor mir Ham. Ich bedanre den ganzen Vorfall auf das tiefste und bin zu jeder Entschädigung und Genugtuung bereit. Was Sie jedoch vorhin andeuteten, scheidet aus! Völlig aus, Herr von Hagen. Das kann mir unter keinen Umständen zu- gemuter werden."

Ohne ein weiteres Wort, ohne Gruß verließ .Herr von Hagen das Zimmer. Gleich darauf sah Kardorf ihn drüben zwischen den Feldern dahingehen.

Achselzuckend trat Kardorf vom Fenster zurück. Etwas Tolleres hatte die Welt wahrhaftig noch nicht erlebt! Nun, die dort drüben würden sich schon beruhigen. Er würbe eine hübsche Summe auf einen Scheck schreiben, und dann würde die leidige Angelegenheit eben doch erledigt sein.

* * *

Einige Tage später kam sein Vater. Groß und aufrecht schritt er neben seinem Sohne, der ihn freudig überrascht empfing, die breiten Stufen Ver Freitreppe hinauf. Er war wie immer herzlich und humorvoll, und Harald Kardorß der für den ersten Augenblick den Besuch des Vaters auch mit der albernen Angelegenbeit, wie er das ganze Vor­kommnis noch immer bei sich nannte, in Verbindung bringen zu müssen glaubte, atmete erleichtert auf.

Ihm tat das kleine, schöne Mädel auch ein bißchen leid. Gewiß, das wollte er doch auch gar nicht abstreiten. Aber das andere! Nein, das war doch zu grotesk! Das war ein­fach unmöglich.

Die beiden Kardorfs saßen sich dann im alten, schönen Herrenzimmer gegenüber, und bei ssiner guten Zigarre und einem Glase Rüdesheimer tauschten sie gegenseitig di letzten Erlebnisse aus. Sie hatten sich einander immer gu verstanden, Vater und Sohn. Herr Kardorf senior Ham jederzeit Verständnis für die Bedürfnisse eines jungen reichen Mannes gehabt. Harald war ja bereits ohne lyn reich, denn er besaß schon von seiner verstorbenen Mutte her ein großes Vermögen. Und Herr Kardorf hatte nl ein Wort darüber verloren, wenn er auch erfuhr, daß de Sohn etwas toll gewirtschaftet hatte. (Forts, folgt.)