Der Weg zu neuer europäischer Wirtschastspolitik
Der deutsch-österreichische Zollunionsplan im Dienste der Befriedung Europas
Berlin, S. Sept. Non einer sehr maßgeblichen Seite, die über die Entwicklung des Problems der Zollunionsfrage bestens unterrichtet ist, wird mitgeteilt:
Reichsaußenminister Dr. Eurtius hat seine Erklärungen, die er über die deutsch-österreichische Zollunion im Europa- Ausschuß in Genf abgab, mit den Worten eingeleitet: „In der Erwartung, daß. - -Was erwartet der Reichsaußenminister? Um dieses Problem zu übersehen, ist es notwendig, daß man sich noch einmal Rechenschaft über den bisher zurückgelegten Weg gibt.
In dem Protokoll über die deutsch-österreichische Zollunion hatten die deutsche und die österreichische Regierung diesen Gedanken von vornherein in den europäischen Rahmen gestellt. Sie hatten ihre Pläne aus einem Beitrag zur Verwirklichung eines verbesserten Wirtschaftseuropas bezeichnet und allen europäischen Staaten den Beitritt offengehalten. Der Gedanke, den die beiden Länder damit in Europa aufgegriffen haben, ist inzwischen Allgemeingut der maßgebenden Wirtschaftssachverständigen geworden.
Sowohl in dem von den Baseler Banksachverständigen erstatteten Bericht, wie auch in dem des vom Europakomitee eingesetzten Zehncrausschusses und in der heutigen Rede des Reichsautzenministers wird die rrnrtschastliche Solidarität Europas stark unterstrichen. Indem sich die europäischen Regierungen diese Ideen zu eigen machen, bekennen sie sich zum ersten Male zu einem Gedanken, der bisher nur in vagen und undeutlichen Formen in der europäischen Oeffentlichkeit erörtert wurde. „Das Ziel, das erreicht werden muß," heißt es in dem Bericht, „ist die weitestgehende Zusammenarbeit der Nationen Europas, um auf diesem Kontinent einen gemeinsamen Markt für die Erzeugnisse der europäischen Länder zu schaffen. Der Bericht geht natürlich davon aus, daß es nicht von heute auf morgen möglich ist, eine vollständige europäische Zollunion herbeizuführen, er steht vielmehr hiefür ein System der stufenweisen Annäherung vor mit dem Endziel, „aus Europa eine vollständige wirtschaftliche und zollpolitische Einheit zu machen". Dieses Ziel soll auf den drei Märkten des Personen-, Waren- und Kapitalverkehrs erreicht werden. Keinem Lande werden dabei Opfer zugemutet, denen nicht entsprechende Vorteile gegenüberstehen. Dabei müssen natürlich Formen gefunden werden, welche die Zusammenarbeit Europas mit anderen Kontinenten sicherstellen.
Die Erwartung, der der Reichsaußenminister in seiner Erklärung Ausdruck-gegeben hat, geht also dahin, daß es nicht nur bei Papieren und Beschlüssen bleiben darf, sondern daß in Ausführung der oben entwickelten Gedanken der Grundstein für eine neue europäische Wirtschaftspolitik gelegt werde. Hierzu hat der Plan, der im März zwischen der deutschen und der österreichischen Regierung verhandelt worden war, den entscheidenden Impuls gegeben. Der Kerngedanke des deutschösterreichischen Planes, dessen ursprünglicher Sinn durch Mißtrauen entstellt und politisiert worden ist, ist also nicht zerstört, sondern wird und muß den Anfang zu einer Wirtschaftsbefriedung Europas bilden.
Gegen Willkür — für Recht und Gerechtigkeit
Der Deutsche Beamtenbund zur gegenwärtigen Lage
Berlin, Z. Sept. Der Geschäftsführeude Vorstand des Deutschen Beamtenbundes trat heute zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, in der er sich mit der gegenwärtigen beamtenpolitischen Lage und den neuen Maßnahmen gegen die Beamtenschaft beschäftigte. Einstimmig nahm der Vorstand eine Entschließung an, die u. a. besagt: Der Beamtenschaft sind Lurch die Verordnung vom 5. Juni 1931 schwerste Belastungen auferlegt worden, deren in Aussicht gestellte Milderung immer noch auf sich warten läßt. Statt zu mildern hat man weitere Maßnahmen zu Ungünsten der Beamten getroffen und in Aussicht genommen. Einige Länder haben bereits über die Reichsregelung hinausgehende Kürzungen vorgenommeu. Die Verordnung vom 24. August 1931 gibt den Ländern in dieser Beziehung völlig freie Hand. Dieses Vorgehen, das den Ländern und Gemeinden bei ihrer finanziellen Abhängigkeit vom Reich Sondermaßnahmen gegen die Beamten nahelegt, mutz deutlich gekennzeichnet werden. Der Glaube an Recht und Gerechtigkeit, die der Staat in einer Zeit wirtschaftlicher Nkot
besonders beachten sollte, geht bei der angebahnteu Weise völlig verloren. Die Vorenthaltung der Alterszulagen bedeutet einen Einbruch in das Besoldungsfystem, die Beseitigung eines im Gesetz ausdrücklich festgelegten Rechtsanspruches, eine ganz unterschiedlich wirkende wirtschaftliche Benachteiligung. Außerdem muß festgestellt werden, daß diese Maßnahmen, wenn nicht die bisher gültigen und anerkannten Auffassungen rücksichtslos beiseitegeschoben werden, nicht durch Notverordnungen erlassen werden können.
Der Geschäftsführende Vorstand des Deutschen .Beamtenbundes, so fährt die Entschließung fort, verurteilt die bürokratische und fiskalische Art vermeintlicher Sparmaßnahmen. Die Beamten verlangen, daß weitere wirtschaftliche und rechtircye Schädigungen unterbleiben.
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Was StirMon in Europa erkannte
Der Staatssekretär mit den Ergebnissen seiner Reise zufrieden
Newyork, 3. Sept. Staatssekretär Dtimson, der heute von seiner Europareise zurückkehrte, erklärte bei seiner Ankunft Pressevertretern, die an ihn die Frage stellten, wie er die allgemeine Finanzlage der Welt beurteilt:
»Ich glaube, es besteht jetzt guter Grund zu der Annahme, daß die europäischen Staatsmänner unter Ausnutzung der durch das Hoovcr-Feierjahr gewährleisteten Ruhepause sowie der Empfehlungen der Londoner Konferenz beginnen, allmählich den Grund für einen politischen guten Willen zu legen, auf dem schließlich der sichere Bau des Friedens und des Wirt- schaftswohlstandcs ruhen kann."
Staatssekretär Stimsou führte iu seiner der Presse nach seiner Landung gegebenen Erklärung über die wichtigsten Ereignisse der letzten Monate in Europa u. a. noch folgendes aus:
Wir haben seit Beendigung der Londoner Siebenmächte- komerenz im vergangenen Monat Gelegenheit gehabt, uns ein Bild von dem Wert der Ergebnisse dieser Konferenz und der verschiedenen ihr vorangegangenen und gefolgten Konferenzen zu machen. Auf Grund meiner Informationen glaube ich, daß
Deutschland von einem neuen Geiste des Mutes und des Vertrauert beseelt
ist. Der Ausgang des Volksentscheides und die Tatsache, daß am Tage der Wiedereröffnung der deutschen Banken die Einzahlungen die Abhebungen überstiegen, sowie zahlreiche andere ähnliche Anzeichen weisen auf hoffnungsvollere Verhältnisse und eine optimistischere Stimmung hin. Noch ermutigender waren die Zusammenkünfte der französischen und deutschen Minister sowie der freundschaftliche und versöhnliche Geist, irr dem Laval und Brüning die Erörterung der ihre Länder trennenden lebenswichtigen politischen Fragen begonnen haben. Dasselbe gilt für die Besprechungen, die zwischen den deutschen und englischen sowie den deutschen und italienischen Staatsmännern stattgefunden haben. Derartige zwanglose Zusammenkünfte stellen das wirksamste Mittel dar, um sich mit diesen wichtigen politischen Problemen näher zu befassen und sie zu besprechen; ohne diesen Geist ist eine gründliche Wiederherstellung der Wirtschaft Mitteleuropas unmöglich. In jedem Lande, das ich auf meiner Europareise besucht habe, war es klar ersichtlich, daß der Hooverplan und der in ihm zum Ausdruck kommende Geist hoch gewürdigt worden sind und sich in vieler Hinsicht als nützlich erwiesen haben.
Keine Verhandlungen Edges mit Laval über die Verlängerung des Hooverjahres
Washington, 3. Sept. Staatssekretär Castle dementierte, daß der amerikanische Botschafter in Paris, Edge, bei dem französischen Ministerpräsidenten Laval Reparations-Fragen, insbesondere die Frage einer Verlängerung des Hooverjahres, besprochen habe. Schritte dieser Art würden zwar von gewissen Bankkreisen in anderen Fällen gefordert, die Regierung beabsichtige aber nicht, in den nächsten Monaten derartige Verhandlungen formell oder informell zu führen.
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Rio de Janeiro, 3. Septbr. Ueber dem Marineflugplatz in der Nähe von Rio de Janeiro stießen zwei kürzlich von Italien gekaufte Wasserflugzeuge zusammen und stürzten ab. Es gab sechs Tote und zwölf Verletzte. Der Ankauf erfolgte nach dem Südamerikaflug des Balbogeschwaders.
Hus Llatll unck l,sn6
(Wetterbericht.) Von Westen her dringt langsam ein Tiefdruckgebiet vor. Für Samstag und Sonntag ist unbeständiges, meist bewölktes Wetter zu erwarten.
Schömberg, 3. Sept. Das Schwäbische Silcherduett, Hofopernsänger Franz Jäger und seine Tochter Vannel, veranstalteten am vergangenen Montag einen Lustigen Abend im Saal des Kurhotels z. „Ochsen", der einen guten Besuch auf- wies. Geboten wurden Perlen schwäbischer Volkslieder, hauptsächlich die bekannten und immer wieder gern gehörten Silcher- lieder mit ihren lustigen Tanzwcisen- Die beiden Vortragenden vereinigten hohe Kunst mit natürlicher, ungezwungener Schlichtheit und Anmut. Beide in Tracht, Haltung und Ausdruck wirklich gute Vertreter des schwäbischen Stammes, denen zuzuhören ein Genuß war. Herr Jäger bot in eigenen Dichtungen und Darstellungen Züge und Einzelerlebnisse aus dem schwäbischen Volksleben, die uns in dieser stunde vergessen ließen, daß wir noch keinen schwäbischen Ludwig Thoma gehabt haben. An diesem Abend konnten Volkskunst und Stammeseigenart zu ihrem Recht kommen und die Darbietungen waren wie die auch in den Kuranstalten, ein voller Erfolg für die beiden schwäbischen Sänger. „i. z,
Schwann, 3. Sept. Die K le i n ka l i be r schü tze n abt. des Bezirks-Kriegcrverbandes Neuenbürg versammelten sich letzten Sonntag auf den Schießständen in Schwann, um sich in edlem Wettkampfe zu messen. Geschossen wurde in den Klassen L, 8 und Altersklasse (Schützen über 5ü Jahre alt).
Beim Gruppenschießen in Kl. L erhielten Preise: 1. Preis i und Bezirksmeister Dobel mit 418 R., 2. Schwann 376 R., 3. Wildbad 373 R., 4. Enztal-Enzklösterle 353 R., 5. Dennach W Ringe.
Kl. 8: 1- Preis und Bezirksmeister Dennach mit 318 R. 2. Wildbad 298 R.
Altersklasse: 1 . Preis und Bezirksmeister: Wildbad mit 295 R.
Einzelschietzen Kl. L: 1. Preis und Bezirksmeister: MH. Dchöttle-Dobel-Eyachmühle mit 94 R., 2. Ehr. Neuweiler-Den- nach 90 R., 3. E. Duß-Schwann 88 R., 4. F. Heiner-Wildbad 87 R., 5. E. König-Dobel 83 R-, 6. R. König-Dobel 82 R., 7. V. Nester-Wildbad 81 R., 8. R. Gall-Dennach 81 R., S. L. Treiber-Dobel 79 R., 10. W. Kaufmann-Wildbad 78 R, 11. A. Neuweiler-Dennach 77 R., 12. K. Dieckhoff-Wildbad 76 R., 13. E. Höll-Feldrennach 73 R., 14. W. Mohrlock-Dennach 72 R., 15. E. Hörter-Dennach 72 R., 16. K. Rapp-Conweiler 72 R.
Kl. 8: 1- Preis und Bezirksmeister: Gustav Hörter-Deii- nach 69 R., 2. A. Lutz-Dennach 62 R.
Altersklasse: A. Gockeler-Dobel-Eyachmühle 1. Preis und Bezirksmeister m. 72 R., 2. Macco-Schwann 72 R-, 3. F. Krauß- Wildbad 71 R-, 4. G. Eitel-Wildbad 70 R.
Bei dem damit verbundenen Brrcinspreisschießen haben folgende Schützen Preise erhalten: 1. W. Schöttle-Dobel-Eyach- mühle 60 R, Nester-Wildbad 59 R., R. König-Dobel 58 R., Treiber-Dobel 58 R., Mohrlock-Dennach 57 R., Dieckhoff-Wildbad 56 R„ Sager-Calmbach 56 R., Fix-Birkenfeld 56 R., Gocke- ler-Dobel-Eyachmühle 56 R., Walter-Tobel 56 R., Wurster- Enzklösterle 55 R., Knapv-Wildbad 55 R„ Girrbach-Enz- klösterle 55 R.. Nenweiler-Dennach 55 R., Grammel-Enzklö- sterle 55 R., Gall-Dennach 55, Hörter-Dennach 55 R., Pflmmn- Wildbad 54 R., Gehweiler-Wildbad 54 R.
Jungschützen: Pfeiffer-Dennach 55 R., Hörter-Dennach 49 R., Dnß-Conwerler 39 R.
Die Herbstzeitlose blüht
Die öhmdleere Wiese blüht auf zu letztem Schmuck. Der Sommer welkt mit jedem Tage mehr. Der Herbst schickt seine Boten aus. Auf den Wiesen erblühen in sehr zartem Blaßlila Tausende von Herbstzeitlosen. Eolchicum autnmnale nennt der Botaniker den letzten prächtigen Blüher des absterbenden Jahres. Wie eine Umkehrung der natürlichen Regel erscheint die seltsame Lebensweise dieser Blume. Im Herbste blühen, im Frühling Blätter treiben und Fruchtkapseln reisen, das ist fürwahr ein biologisches Rätsel. Kein Wunder, wenn die Herbstzeitlose es dem Gemüt des deutschen Volkes angetan hat, und von allen bewundert, angestaunt, aber auch gefürchtet wird. Giftig wie viele Lilienpflanzen enthält die Zeitlose das Kolchizin, ein sehr giftiges Alkaloid. Von den Weidetiercn darum gemieden, ist sie den Landleuten als Wiesenverderber und Futterstehler verhaßt. — „Blük die Zeitlose im Herbste
Der Weg der Brigitte Andreas.
Noman von Otfridvon Han st ein.
'Hopzwight: 1927 Karl Köhler L Ec».. Berlin-Zehlendorf.
18> (Nachdruck verboten.)
„Ist es denn wirklich wahr? Du kommst mit?"
Schubert war eben aus dem Zimmer gekommen.
„Natürlich fährt Hlima mit. Es wird eben eine Kabine in der zweiten Kajüte auf dem Dampfer .Lützow' bestellt."
Schon wieder huschte ein Schatten über Hilmas Gesicht.
„In der zweiten? Und Fräulein Andreas?"
Jetzt erst faßte Robert jein Glück: „Brititte fährt in der ersten. Desto besser. Dann sind wir für uns, Hilma! Jetzt machen wir unsere Hochzeitsreise."
Ton Hilario kam zu ihnen und hielt Hilma die Hand hin.
„Das ist ja eine Freude, gnädige Frau", rief er aus. „Auf gute Kameradschaft während der Reise!"
Hilma wußte selbst nicht, warum sie jetzt selbst so froh war. Well sie mit Robert reiste? Oder weil Don Hilario an Bord war?-Sie wußte es nicht. —
Viertes Kapitel.
Das große Schiff „Lützow" war mit frohen Menschen besetzt, bie meist einer Vergnügungfahrt in den Süden entgegengingen. Am Ufer war ein ganzes Heer von Photographen und Kinovpe- rateure aufgestellt. Jetzt mußte es doch gelingen, diese erste weibliche Ingenieurin zu photographieren, diese interessante Frau, von der die Zeitungen soviel Widersprechendes berichtet hatten, die in das Ausland zog, um Schleusen und Talsperren zu bauen.
In langem Zuge gingen die Passagiere an Bord, eifrig huschten die Stewards mit dem Gepäck über die hohe Landungsbrücke. Die Schiffskapelle spielte vergnügte Weisen, und in bestimmten Abständen heulte die Sirene des Dampfers. Jedes weibliche Wesen wurde gemustert, aber in der schlanken, unscheinbar in ein ganz einfaches Reisekleid gehüllten Dame, die selbst ein Handkösferchcn trug, hätte niemand die Vielgesuchte vermutet.
Das Schiff wurde von ein paar Schleppern aus dem Hafen gezogen, dann begann die Schraube ihre Umdrehungen, und langsam wurden die Häuser von Bremerhaven kleiner und kleiner.
Brigitte Andreas stand an Deck. Sie hatte die ganze Zeit über dort gestanden, unter allen den Menschen, die von ihr weiter keine Notiz nahmen. Sie hatte es nicht einmal geahnt, daß das Heer von Photographen ihr galt! Sie war sehr ernst, wie die Heimat vor ihren Augen verschwand. Und wie ihr jetzt richtig zum
Bewußtsein kam, daß sie nun in die Welt hinauszog, um das große Werk zu vollenden, wuchs in ihr das Gefühl der Verantwortung. Eie dachte daran, daß sie jetzt wirklich allein war, daß der kluge Prokurist, der sie bisher geleitet, ihr nicht mehr zur Seite stand. Daß Millionen, die fremde Männer in das Werk gesteckt hatten, auf dem Spiel standen. Ein Gefühl der augenblicklichen Schwäche überkam sie, und sie empfand so deutlich wie nie in all den vergangenen Wochen, daß sie ein Weib, eine Frau war, daß sie nun daran ging, ein Werk der Männer zu vollenden.
Robert und Hilma hatte sie an diesem Morgen nur einen Augenblick gesehen. Sie wußte auch, daß sie sich sernhalten würde von ihnen. Trotz der großen übertriebenen Freude und säst Zärtlichkeit, die Hilma geäußert, als sie sie zur Mitreise einlud, hatte sie die Empfindung, daß Hilma ihre Feindin sei. Sie hatte sich längst gesagt, daß sie Robert niemals mitgenommen hätte, wenn sie von vornherein entschlossen gewesen wäre, selbst zu reisen. Nicht daß sie sich selbst mißtraute. Aber Robert hatte in ihren Augen unendlich verloren. Er war ihr säst unangenehm geworden, seit sie gesehen, wie verliebt er in diese Frau war! Das war nicht Eifersucht! Höchstens Scham, weil sie geglaubt hatte, diesen Mann, dem eine Hilma genügte, zu lieben.
So stand sie, in tiefe und durchaus nicht triumphierende Gedanken versunken, an Deck, sah auf das leicht bewegte Meer hinaus und achtete auf niemand. Eine Stimme riß sie aus ihren Träumereien.
„Gestatten Gnädigste, daß ich Sie begrüße."
Don Hilario stand vor ihr. Sie begrüßte ihn ernst.
„Ich bitte Sie, während der Reise in jeder Weise über mich zu verfügen," sagte er höflich.
In diesem Augenblick freute Brigitte sich wirklich. Sie war also nicht vollkommen allein.
„Vielen Dank, Don Hilario."
„Ich war bereits etwas indiskret. Es wird gleich das Signal zum Gabelfrühstück ertönen. Sie sind am Kapilänstisch untergebracht, und es ist mir gelungen, auch einen Platz daran zu erobern. Sie werden zwischen mir und dem Kapitän, der übrigens ein reizender älterer Junggeselle ist, sitzen. Ich hoffe, Sie sind mit dieser Ordnung der Dinge zufrieden."
„Natürlich. Ich muß Ihnen gesehen, abgesehen von einer kleinen Nordlandfahrt, die ich mit meinem Vater unternahm, ist es meine erste Seereise."
-»
Funchal tauchte in aller Herrlichkeit aus dem Meer auf. Brigittens Koffer standen bereits an Deck, auch die Gepäckstücke des jungen Bolivianers, der gleichfalls das Schiff verlassen mußte.
Sie waren in den herrlichen Hafen eingefahren. Vor ihnen
lag amphitheatralisch das schöne Stadtbild von Funchal, die wc.g- leuchlenden Häuser und das üppige Grün der Palmen, es zog sich, aus dem Meer von Blüten auftauchend, an der Lehne des Monte empor. Brigitte und Don Hilario standen an der Äce- ling., Sie blickte fröhlich auf die Boote hinunter, die wie cm Bienenschwarm den Dampfer umkreisten. Diese Boote, die Herr- gestapelt herrliche Früchte herbeibrachten, ganze Warenlager von Decken, Stickereien, Papageien und vor allem schreiende, lärmende, gestikulierende Männer. Nackte Knaben, die nach den Münzen tauchten, die man ihnen in das Wasser warf und sie im Munde zurückbrachten, und Händler, die gewandt, ihre Packe aus dem Rücken, die Schiffswand an Strickleitern erkletterten und sofort darangingen, das ganze Promenadendeck in einen lustigen Jahrmarkt zu verwandeln
Dazwischen die schreienden Rufe der Hotelkommissare, der Matrosen, das Rasseln der Anker, das Arbeiten der Krane, die die Koffer emporwanden, und das Lachen der Reisenden. —
Auf den Rat des Kapitäns hatte Brigitte das erste Drängen abgewartet. Jetzt saßen sie zu dreien, der Kapitän, Brigitte uiw Don Hilario, in dem schnellen Motorboot des Dampfers und fuft ren zur Anlegestelle der Insei Funchal. ,
Vor dem Hotel „Golden Gate" saßen bereits viele der W- sagiere der „Lützow" im Freien an kleinen Tischen und tranken Madeira. Der Kapitän winkte ein Auto heran, während Brigitte mit erstaunten Blicken die schwerfälligen Ochsenschlitten den himmelbettartigen Aufsätzen musterte, in denen sich bereits eine Zahl vergnügter Reisender unter der lachenden Sommersonne über das spitze Steinpflaster der Straßen bergauf Men ließ, um schnell von der Zahnradbahnstation aus einen Ausflug zum Monte zu machen. Das Auto fuhr eine lange Strecke durH enge Straßen bergan, zwischen hochragenden Palmen hmdurG, an lachenden Blumen vorüber. Dann hielt es vor einer kleinen Steintrepp:, die anscheinend nur zu einem baufälligen Häuschen emporführte.
Kapitän Winter lachte.
„Ich denke, hier werden Sie wohnen."
„Hier?" fragte Brigitte ein wenig verwundert.
„Ja, es wird Ihnen schon gefallen." <-.
Sie schritten die Steintreppe empor, sahen dann aNr, > neben dem unscheinbaren Steinhäuschen sich ein von --Zaren Z., radezu überwucherter Laubengang öffnete. Bald daraus Isaa-^ sie in einem paradiesischen kleinen Garten von geradezu wara-- Hafter Schönheit, standen vor der Treppe eines fast N Blumen überdeckten Hauses, aus dessen Tür,, begleitet von »- in grelle Farben gekleideten Berberin, eine freundliche Dame .
(Fortsetzung folgt.)