Beginn -er Etalberatung im wüett. Landtag

Stuttgart, 19. Febr. Zum erstenmal im neuen Jahr trat heute nachmittag das Plenum des Landtags wieder zusammen, um die Etatentwürfe für 1931 und 1932 zu beraten. Der Saal mit den Galerien war voll besetzt. Für den verstorbenen Zentrumsabgeordneten Gauß-Heilbronn ist Landwirt Kuhn von Marlach, OA. Künzelsau, und für die durch Mandats­niederlegung ausgeschiedenen sozialdemokratischen Reichstags- abgeordneteü Ulrich-Heilbronn und Dr. Schumacher-Stutt­gart sind Gewerkschaftssekretär Geiger-Heilbronn und Haupt- lehrcr Schneckenburger-Botnang iit den Landtag neu ein- aetreten. Landtagspräsident Pflüger eröffnete die Sitzung mit einem Nachruf für den verstorbenen Abg. Gauß sowie mit Begrüßungsworten an die neu eingetretenen Mitglieder des Hauses. Nachdem der Regicrungskommissar, Ministerialrat Köstlin, die Regierungsantworten auf 16 Kleine Anfragen bekanntgegeüen hatte und 2 Ausführungsgesetze zum Bürger­lichen Gesetzbuch und zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetz ohne weitere Debatte in erster Lesung fe dem Rechtsausschuß überwiesen worden waren, wurde mit der ersten Beratung der Etatentwürfe für UM und 1932 in Verbindung mit der Be­sprechung des Gutachtens des Reichssparkommissars und der Denkschrift der Regierung begonnen.

Finanzminister Dr. Dehtingcr leitete die Etatberatung mit einer großen Rede ein. Der Minister legte zunächst kurz die Finanzlage des Staates nach dem heutigen Stand dar. Er wies mit Genugtuung darauf hin, daß im Rechnungsjahr 1929 wie in-den 5 vorausgegangcnen Jahren 1924/26 der Ab­mangel abgedeckt und noch 1,2 Millionen Restmittel erspart werden konnten. Die Abschlußergebnissc des Jahres 1930, das in 6 Wochen zu Ende geht, sind erst im Lauf des Sommers zu übersehen. Es kann heute noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es mit Hilfe der gebliebenen Restmittel gelingen wird, den Abmangcl von 1930 ganz zu beseitigen, zumal ins­gesamt 4,1 Millionen Restmittel für die Jahre 1961 und 1932 abgezweigt worden sind. Der Minister ging dann auf die vorliegenden Etatentwürfe für 1931 und 1932 ein und erklärte, daß bei der Aufstellung dieser Entwürfe ganz gewaltige Schwierigkeiten zu überwinden waren. Diese gehen auf das Anwachsen von Ausgaben, auf Rückgänge bei den Einnahmen infolge der Wirtschaftskrise und auf die Eingriffe des Reiches zurück. Nm der Schwierigkeiten Herr zu werden, mußten tief einschneidende Maßnahmen ergriffen werden, die auch das Staatsministerium sehr schwer nimmt. Mit Mühe und Not gelang es, beide Haushaltpläne auszuglcichen. Von den Ab- strickien sind am meisten die Straßen- und Hochbaukosten betroffen worden, die nm etwa Ls zu kürzen waren. Sehr schwer zu nehmen ist die Herabsetzung der Mittel für den forstlichen Wegüau um 40 Prozent. Diese Abstriche schränken die öffentlichen Aufträge in großem Umfang ein und tragen

damit zur Vermehrung der Arbeitslosigkeit bei. Sic sind aber notwendig zum Ausgleich des Etats wie zur Durchführung von Notstandsarbeiten, also zur Bekämpfung der Arbeits­losigkeit. Das ist ein schwer lösbarer Widerspruch. Die ver­hältnismäßige Stabilität unserer Realsteuern kommt in erster Linie den württembergischen Gemeinden zugute, die an diesen Steuern weit mehr als der Staat beteiligt sind. Sie ist mit eine Ursache dafür, daß die württembergischen Gemeinden bisher von Erscheinungen verschont gebliehen sind, die in anderen Teilen Deutschlands wahrgenommen werden können und die einem wirklichen Zusammenbruch nicht mehr allzu ferne stehen. Allerdings befinden sich in Württemberg auch die Gemeinden genau so wie der Staat iu einer ernsten Lage. Der württembcrgische Finanzausgleich, der den Gemeinden in der Hauptsache die weniger konjunkturempfindlichen Steuern zuweist, hat sich durchaus bewährt. Die unbefriedigende Fi­nanzlage mancher württembergischen Gemeinden hat ihren Grund nicht sowohl in der Steuer- und Lasteuverteilung, als usstuoiimrimn mix ;cy§ mach ;>m uZquvstmnMi; noq ui wird wohl das Kapitel der Gebäudeentschuldungssteuer sein. Reichsgesetzlich ist der württembergiscbe Staat gezwungen, dem Wohnungsbau die Hälfte der ihm bisher zugewandten Ge- bäudecntschuldungssteuer-Mittel zu entziehen. Tie Mittel der Restverwaltung sind jetzt völlig erschöpft. Die sorgenvolle Entwicklung des Reichshaushalts ist für uns ein Warnungs­signal, die bedrohliche Auswirkung der deutschen Not wird für Württemberg noch verschärft durch eine Reihe besonderer Opfer, die durch die Maßnahmen des Reiches von Württem­berg verlangt werden. So liefert Württemberg aus der Ar­beitslosenversicherung monatlich 2 Millionen Mark an andere Reichsteile ab. Auch die Landesversicherungsanstalt lieferte 1929 und 1930 durchschnittlich 10 Millionen Reichsmark für andere Anstalten ab. Besonders benachteiligt ist Württem­berg bei der Vergebung der Reichsaufträge. Vom 1. April 1929 bis 31. März 1930 hat Württemberg nur 1,2 Prozent der Gesamtvergebung erhalten, während der schlüsselmäßige Soll- Anteil 4,5 Prozent beträgt. Auch der Rechtsanspruch auf Entschädigung für die Abtretung der Württembergischen Post an das Reich ist, abgesehen von einer Abschlagszahlung, noch nicht befriedigt. Ein freiwilliges Opfer nahm Württemberg noch auf sich, indem es der Reichsbahn 45 Millionen Mark Darlehen zu Bahnbauten gab. Der Minister schloß: Die Zukunft der Staatswirtschaft in Württemberg liegt außer­ordentlich düster vor uns. Solange wir mit den Kriegs­tributen des Uoungplans belastet sind, ist an eine Besserung nicht zu denken. Nach der Rede des Ministers wurde die Sitzung abgebrochen. Fortsetzung der Beratung Freitag nach­mittag. Die Generaldebatte wird von dem sozialdemokra­tischen Abgeordneten Winker eröffnet werden.

sichtigt. Richtig ist auch, daß eine generelle Einführung unserer Maßnahme auf alle Betriebe nicht ohne weiteres möglich ist, vielmehr in jedem Einzelsall zu prüfen ist, ob die betriebs- und produktionstechnischen Möglichkeiten dafür gegeben sind.

Wo aber eine solche Prüfung positiv ausfällt, da sollte u. E. kein Augenblick gezögert werden, durch Arbeitszeitverkürzung, wie von uns durchgeführt, 2«» v. H. Arbeiterfamilien mehr als bislang Arbeit und Brot zu geben und sie aus dem wirtschaft­lichen Elend und der seelischen Qual der Arbeitslosigkeit zu erlösen.

Me Diktatur ohne Diktatur

Paris, 19. Febr. Während König Alfons in Madrid die größten Anstrengungen macht, mit Hilfe eines diktaturähnlichen Kabinetts die Monarchie zu erhalten, sitzen 3 spanische Politiker und gleichzeitig erbitterte Feinde der Monarchie in ihrem Exil in Paris und warten, bis ihre Stunde gekommen ist. Es handelt sich um den General del Lliano, den Fliegermajor Franco und den sozialistischen Deputierten Jndelicio Prieto. Alle 3 sind aus der letzten Aufstandsbewcgung bekannt. General del Lliano erklärte einem Vertreter derChicago Tribüne", daß seiner Ansicht nach König Alfons mit der sogenannten Regierung der Konzentration des Admirals Aznar einen ver­zweifelten Versuch unternimmt, die Fluten der Revolution zu hemmen.Aber es ist nur ein Sanddamm, der unter dem Druck des souveränen Volkes zusammenschmelzcn wird," so fügte der revolutionäre General hinzu.Ick war einst vor vielen Jahren ein enger Freund des Königs. Ich habe ihn jedoch nie wiedergefchen, nachdem er dem Volke gegenüber sein Wort gebrochen hat- Spanien hat die letzte Stufe vor dem Uebergang zur Revolution erreicht. Die Volksbewegung kann wohl aufgehalten werden, aber früher oder später wird das spanisckie Volk das Joch von sich werfen." del Lliano betonte zum Schluß, daß die revolutionären Elemente in Spanien, die sich aus den Gewerkschaften und verschiedenen anderen Ar­beiterverbänden zusammenietzen, stärker und besser organisiert seien, als allgemein angenommen würde. Der Grund für den Fehlschlag der letzten revolutionären Bewegung sei der Wort- brncb der Eisenbahner gewesen. In dem Kriegshafcu von Quarto Ventos sei man bereit gewesen, die Revolution in Madrid anzuzetteln, als plötzlich ein Flieger die Meldung brachte, daß die Züge wie üblich weiter Verkehren. General del Lliano wird mit seinen Freunden weiter in Paris ver­bleiben. Er steht eng mit seinen Gesinnungsgenossen in Spa­nien in Verbindung.

Domirlietlwiegsfchuldzahlririgen an Eirglarr-

London, 19. Febr. Für die weitere Entwicklung der Frage der Revision der Kriegsschulden kann es bedeutungsvoll werden, wie weit die Kriegsschuldcnzahlungen der Dominien an Groß­britannien in den Rahmen der Balfourdeklaration fallen.

Diese sieht vor, daß ein Land an Reparationen und sonstigen Kriegsschuldenleistungen nur soviel von seinen Schuldnern cintreiben soll, wie eS selbst an Amerika abzuführcn hat. Gelegentlich der Verhandlungen im Haag gelang es Snowden, durchzusetzen, daß ein etwa entstehender llcberschuß England zugute kommen sollte, um hiermit die Ausgaben Englands zu decken, die es durch die Kriegsschuldenleistungcn an Amerika hatte, wo noch keine Reparationen und inter­alliierten Zahlungen in vc llem Umfang an England eingingen.

Für das kommende Jahr muß England etwa 33,5 Milt. Pfund an Amerika aüführcn und erhält von Deutschland und von den Alliierten eine Summe von 31,5 Mill. Pfund. Aus Acnßcrnngen Snowdens im Unterhaus geht hervor, daß die Domiuien in der gleichen Zeit für Kriegsschulden an England die Summe von 7,6 Mill. Pfund abführcn werden, und daß der Schahkanzler anscheinend diese Summe völlig für England vereinnahmen will. Es ist auffallend, daß dieser Betrag bei den Verhandlungen im Haag vollkommen übersehen worden ist, und daß die Schuldnerländer Deutschland und die ehemaligen Alliierten Englans diese Frage niemals aufgeworfen haben.

Die ganze Angelegenheit kann nunmehr dadurch wieder mehr in den Vordergrund treten, als Australien eine Revision seiner Schuldenzahlungcn an England verlangt. Die For­derung, daß seine Amortisationszahlungen statt über 33 über 02 Jahre verteilt werden, wie dies bei den übrigen interalliier­ten Schulden der Fall ist, und daß der Zinssatz von 5 auf mindestens 3,5 v. H. herabgesetzt wird, was dem Zinssatz ent­sprechen würde, den England an Amerika zu zahlen hat, kann die Verknüpfung zwischen dem Schuldenzahlnttgssystem inner­

halb des britischen Weltreiches und dem übrigen internatio­nalen System geben. Bei einer Ausnutzung der Lage besteht sicherlich die Möglichkeit, eine neue Interpretation der Bal- wurdeklaration herbeizuführen, was unmittelbare Rückwir­kungen auf die Höhe der Rcparationsschulden haben würde.

Englands Pläne mit Dentsch-Ostafrika

London, 19. Febr. Das gemeinsame parlamentarische .Komitee über die Ostafrikafragc hat wieder einmal nach den üblfclien periodischen Unterbrechungen getagt. Sir Hilton Boung setzte sein Plädoyer für die Zusammenlegung der briti-, scheu Gebiete Kenia und Uganda mit dem früheren Teutsch- Ostafrika, und zwar begründet er die Notwendigkeit mit dem Hinweis auf das Eingeborenen-Problem, fort. Die Gefahr der verschleierten Annexion der alten deutschen Kolonie dauert also fort.

Spiorrageaffären in der Tscheche!

Prag, 19. Febr. lieber zwei Fälle von Industriespionage, die in Brünn und in Prag zu Verhaftungen von insgesamt 7 Personen geführt haben, wird von der Polizei nur ein kurzer Bericht ausgegeüen. Es handelt sich aber zweifellos um einen groß angelegten Versuch, Patente der Brünner Wafsen- fabrik ins Ausland zu bringen. Die Patente sowie wichtige Korrespondenzen sollen durch eine Wiener Spionagezentrale

von den Verhafteten einem ausländischen Staate, und zwar Rußland, geliefert worden sein. Der als hauptverdächtig ver­haftete Wiener Journalist Leo Soudek bestreitet bisher jede Schuld, doch spricht gegen ihn der Umstand, daß man in seinen Taschen außer großen Beträgen in ^.schecheukronen auch Bank­noten amerikanischer und englischer Währung fand.

Auch in Prag wurden 2 Personen verhaftet, die bei der Spezialfabrik zur Herstellung von Gasmasken in Prag an- gestellt waren. Beide Personen, ein ehemaliger Beamter und der Fabrikportier der Firma, hatten das neue Patent eines Schutzmittels gegen Giftgas einer tschechischen Konkurrenz­firma verkauft. Der Chef dieser Firma wurde bereits verhaftet und ins Prager Kreisgefängnis eingeliefert.

Mit diesen beiden Affären wurde eine dritte Affäre auf- gedeckt, in die allen Anzeichen nach das kommunistische West­europäische Bureau, Zentrale in Berlin, verwickelt ist. In Theresienstadt wurde dieser Tage eilt Reichsdeutscher verhaftet, der einigen Unteroffizieren und Soldaten Geld und goldene Uhren geschenkt haben soll, worauf er die Adresse eines reichs- deutschcn Staatsangehörigen namens Tictze in Prag angab, an den sie sich um weitere Geldbeträge wenden sollten. Tictze ist in Radotin bei Prag durch Gendarmen verhaftet und dem Kreisgericht eingeliefert worden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Aktion der beiden Verhafteten mit den Vorbereitungen ',u den Demonstrationen vom 25. Februar in Beziehungen steht.

rum stand nicht er als Verkäufer in Silberschwangs Büchern aufgeführt? Warum hatte mau diesen Verkauf dann mit Hauptmann Jarovitzkis Namen zu vertuschen versucht? Außer­dem war Silberschwang nicht im geringsten darüber erstaunt, daß ich ihn auf russisch anrief, als ich die Rolle des Mannes spielte, der ihm den Stirnreif verkauft hatte. Mijnheer van den Bosch mußte also Russisch können. Dieser Holländer, der Russisch konnte, und dessen Name Silberschwang in seinen Büchern nicht haben wollte, war also immerhin eine etwas fragwürdige Gestalt. Draußen in der Vorhalle schrieb ich schnell eine Depesche, die ich sofort aufgab.

Wie schon vorher erwähnt, bin ich der Leiter von The llncas Machine Company in Detroit. Die von mir abgesandte Drahtnachricht war an die Vertretung unserer Firma in Amsterdam, Haase öi Co., gerichtet und hatte folgenden Wort­laut:

Drahtet gefälligst Auskunft Kaufmann van den Bosch Amsterdam zur Zeit Hotel Continental Paris. Voraus besten Dank. Boris Sorin Hotel du Louvre."

Als ich die Depesche aufgegeben hatte, teilte ich Hauptmann Jarovitzki das vorläufige Ergebnis mit und sagte, daß ich nähere Untersuchungen über den Holländer anstellen würde Tann verplauderten wir noch einige Stunden im Speisesaal des Hotels.

Während dieses Zusammenseins machte mich Hauptmann Jarovitzki mit seinen und seiner Frau Erlebnisse bekannt, die sie seit unserer Trennung im HotelRoyal" in Stockholm vor jetzt zehn Jahren durchgemacht hatten. Sie hatten ein ziem­lich buntes Leben geführt, doch nicht viel eigenartiger als das so vieler anderer Russen auch.

Einige Zeit nach meiner Abreise ging Hauptmann Jaro­vitzki als Offizier zur weißen Armee nach Murman und Frau Olga begleitete ihn als Rote-Kreuz-Schwester.

Als das Weiße Heer dort zusammenbrach, entkam Haupt­mann Jarovitzki mit seiner Frau nach vielen Abenteuern end­lich nach London.

Während des Aufenthaltes im Murmangebiet war ihr durch Schmuggelei erworbenes Vermögen, das in einer Stock­holmer Bank vorwiegend in russischen Banknoten verwahrt lag. auf Grund des Wertverlustes der Rubel fast völlig zu- sammengeschmolzen. Vielleicht hatte auch die Lust des Haupt­manns an teuren Vergnügungen die Herbeiführung dieses Ergebnisses beschleunigt. Jedenfalls kamen Jarovitzki und seine Frau damals als arme Leute nach Paris. Hier hatten sie dann alles mögliche versucht. Es war ihnen verhältnismäßig besser als anderen gegangen. Frau Olga war Inhaberin einer kleinen Schreibstube. Mein Freund, der Hauptmann, war unter anderem in einem der russischen Nachtkabaretts auf dem Montmartre als kaukasischer Tänzer und Messerkünstler ausgetreten. Im Augenblick war er aber stellungslos.

(Fortsetzung folgt.)

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29. Fortsetzung.

Wie mir schien, kam die Antwort, ohne daß Silberschwang auch nur einen Augenblick zögerte.In zwanzig Minuten bin ich bei Ihnen." Ich dankte und hängte ein. Aus Silber- schmangs Antwort entnahm ich, daß er wirklich von einem anderen gekauft hatte, und daß der Händler selbst darum un­schuldig war. Als sein Wagen an der Brücke nach rechts abbog, wußte ich, daß Leiba Silberschwang jedenfalls nicht zu Ihnen fuhr. Der Verdacht Ihnen gegenüber fiel also fort. Wir wissen jetzt, daß Silberschwang auf dem Wege zu dem Manne ist, der ihm den Diamantenreif verkauft hat. Und das war die Absicht bei meinem Anruf. Silberschwang sollte uns den Weg zu seinem Verkäufer zeigen. Wir wissen, daß er Russe ist und hier in Paris wohnt. Wenn unser Wagen sich hinter dem Sil­berschwangs halten kann, werden wir bald mehr wissen.

Während des Gesprächs waren wir in den dichtesten Ver­kehr der Stadt vorgedrungen. Mein Versprechen von hundert Franc veranlaßtc unseren Chauffeur, sich mit wahrer Todes­verachtung zwischen Autobussen und Straßenbahnen hindurch­zuwinden. Mehrfach entgingen wir fast wie durch ein Wunder einem Zusammenstoß, und jedesmal fuhr unser Chauffeur nur eifriger. Seine Augen hafteten an dem Wagen vor uns wie die eines Stieres am roten Tuch. Plötzlich hielt er mit einem Ruck an.

Warten Sie hier einen Augenblick," rief ich Jarovitzki zu. Eine Sekunde darauf stand ich auf dem Bürgersteig. Wir hielten vor dem HotelContinental". Ich kam gerade noch im rechten Augenblick, um Leiba Silberschwang feinen Wagen bezahlen und durch die Drehtür des Gasthofs verschwinden zu sehen. Ohne mich einen Augenblick zu besinnen, folgte ich ihm in die Vorhalle nach. Wie immer in den Vorraumen eines großen Hotels war auch hier lebhafter Verkehr. Gäste eilten ein und aus oder gingen plaudernd auf den Marmorfliesen hin und her. Die großen Klubsessel waren von Leuten besetzt, die in vertraulichem Gespräch beieinander saßen, auf andere warteten, oder in ihre Zeitungen vertieft waren. '

Ein nur einigermaßen ordentlich gekleideter Mensch erregt im Vorraum eines großen Hotels keinerlei Aufsehen. Ich brauchte nur so zu tun, als ob ich auf jemanden wartete.

Leiba Silberschwang stand an der Schranke und unter­hielt sich mit dem Portier. Ich ging langsam vorbei und näherte mich ihm. so weit es mir zulässig erschien.

Der Portier war anscheinend ungeduldig geworden.Ich sage Ihnen ja, daß der Herr bereits vor mehreren Stunden fortgegangen ist," antwortete er.Hier hängt ja der Schlüssel."

Was Leiba Silberschwang antwortete, konnte ich nicht verstehen, aber gleich darauf rief der Portier seinem Helfer zu:Rufen Tie mal Nummer 192 all und hören Sie, ob der Herr zu Hause ist."

Als ich die Nummer 192 verstanden hatte, wußte ich, was ich wissen wollte. Ich brauchte nicht länger Gefahr zu laufen, mich von Leiba hier in der Vorhalle plötzlich wiedcrerkennen zu lassen. Ich wünschte auch nicht, daß er beim Verlassen des Hotels Hauptmann Jarovitzki träfe, der draußen wartete. Er kannte ihn ja sehr gut. Still und unbemerkt glitt ich auf die Straße hinaus.

Hauptmann Jarovitzki wartete im Wagen. Ich beauftragte den Chauffeur, uns zu meinem Gasthof, demHotel du Louvre", zu fahren. Als unser Wagen anfuhr, erschien Leiba Silberschwang wieder in der Drehtür. Er sah wie eine Ge­witterwolke aus. Der Herr auf 192 war anscheinend immer noch nicht nach Hause gekommen.

Als wir in mein Hotel kamen, gab ich dem Chauffeur die versprochene Entlohnung und entließ ihn.

Ich hatte Hauptmann Jarovitzki eingeladen, eine Weile bei mir zu bleiben und mit mir zusammen eine Flasche Wein zu trinken. Aber ich ließ ihn in der Vorhalle erst einen Augenblick warten, während ich mich selbst in die Fernsprech­halle begab.

Ich rief das HotelContinental" an und bat, mit dem Empfangschef zu sprechen.Ich heiße Harrison", sagte ich, Mr. Harrison aus Detroit. Ich stehe mit einem Herrn in Ihrem Hotel in Geschäftsverbindung, aber ich habe seinen Namen vergessen. Ich habe mir aber seine Zimmcrnummer ausgeschrieben. Es war Nummer 192. Würden Sie nicht so freundlich sein, mir den Namen zu nennen? Ich brauche ihn für eine Drahtnachricht, die gleich aufgcgeben werden muß."

Bitte, einen Augenblick!" Ich sah den Empfangschef ordentlich über diese Amerikaner lächeln, die große Geschäfte mit Leuten abschließen, deren Namen sie vergessen Haben. Ein paar Minuten darauf war er wieder am Fernsprecher. Jetzt war die Stimme, wenn möglich, noch ergebener.Der Herr auf Zimmer >92 ist Mijnheer van den Bosch aus Amsterdam."

Ich dankte und läutete ab.

Ehrlich gesprochen war ich tief enttäuscht. Einen Hol­länder konnte ich nicht gut verdächtigen, mit einem in Rußland begangenen Verbrechen in Verbindung zu stehen. HöclKwahr- scheinlich war der Mann ein anständiger Diamantenhändlcr aus Amsterdam und meine Diamanten waren durch viele Hände gegangen, bevor sie in den Besitz dieses Holländers gelangt waren. Aber gleich stutzte ich wieder! Wenn dieser Holländer wirklich ein anständiger Juwelenhändler war, wa-