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8S Jahrgang.

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Mbettgeder und Ardettnehmee lehnen ab.

Berlin, 12. Jan. Da» Reichsarbeitsnrinisterium hatte auf l-cute die Spitzenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und einzelne Persönlichkeiten zu einer Aussprache über die Frage der Arbeitszeitdienstpflicht eingeladen. Staatssekretär Geib, der die Aussprache leitete, wies in seiner Eröffnungs­ansprache daraus hin, daß man sich bei dieser Aussprache nur mit der speziellen Frage der Arbeitsdienstpflicht befassen wolle, nicht aber, wie ein Teil der Presse vermutet hat, auch mit den bekannten Anregungen des Finanzministers Dietrich über eine produktivere Gestaltung der Arbeitslosenfürsorge. Bei der Behandlung der Frage der Arbeitsdienstpflicht wurden stets zwei Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt, der sozial­politische und der wirtschaftspolitische. Die Frage der Arbeits­dienstpflicht müßte aber auch von der sozialpädagogischen und von der finanzpolitischen Seite gesehen werden.

Ministerialrat Dr. Lehfeldt wies darauf hin, daß in der Arbeitslosenversicherung zurzeit je Kopf und Monat einschließ­lich der Verwaltungskosten rund 80 RM. gezahlt würden. Die Arbeitsdienstpflicht würde erheblich mehr kosten. Würden in der Arbeitsdienstpflicht auch nur 50 Psg. Lohn gezahlt, so stelle sich der Aufwand auf rund 1580 R.M. jährlich. Würde Tarif­lohn gezahlt, so ergäbe sich eine weitere Erhöhung um minde­stens 1350 RM. im Jahre. Besonders wichtig sei die Frage der Materialkosten.

Die Kosten eines Dienstpflichtigen würden sich bei günstig­ster Berechnung auf kaum weniger als 1» R.M. je Arbeitstag

stellen, also auf 3666 Mark im Jahr, mithin kosteten 166 666 jugendliche Dienstpflichtige mindestens 300 Millionen im Jahr gegenüber 72 bis 8o Millionen Unterstützungsaufwand. Ein Jahrgang jugendlicher männlicher Dienstpflichtiger, der abzüg­lich der zu Befreienden etwa 450W0 Mann umfassen würde, würde daher mindestens 1,35 Milliarden R.M. kosten.

In einer eingehenden mehrstündigen Aussprache lehnten die Vertreter der Wirtschastsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer insbesondere aus wirtschaftlichen und finanziel­len Günden ab. Die Ablehnung erfolgte aber auch aus dem Grunde, weil man sich erfahrungsgemäß von einer erzwun­genen Arbeit keine befriedigenden Ergebnisse versprechen könne. Außerdem bezweifelt man, ob überhaupt genügend Arbeits­gelegenheiten beschafft werden könnten, abgesehen von den schon erwähnten Schwierigkeiten der Kapitalbeschaffung. Allgemein wurde gefordert, daß das Material über die Frage veröffentlicht werde.

Im Anschluß an die Frage der Arbeitsdienstpflicht wurde die Frage erörtert, inwieweit die Bestrebungen auf Einführung eines freiwilligen Arbeitsdienstes insbesondere für jugendliche Arbeitslose gefördert werden könnten. Die meisten Vertreter hatten auch gegen diese Art des Arbeitsdienstes ähnliche Be­denken wie gegen die Arbeitsdienstpflicht. Die Bersmmnlung gab schließlich dem Wunsche Ausdruck, daß das Reichsarbeits­ministerium auch weiterhin den jugendlichen Arbeitslosen seine besondere Fürsorge angedeihen hasse.

Youngvlan-Vämmerung.

London, 12. Ja».In Kreisen der amerikanische« Hoch­finanz gewinnt die Ansicht immer mehr an Boden, daß die Streichung der Kriegsschulden zu erfolgen habe, um der Wirt­schaft einen Antrieb zu geben und die Weltwirtschaftsdepres- ston zu beenden."

Mit diesen Worten leitet der sonst gut informierte New- yorker Korrespondent desDaily Telegraph" eine längere Meldung über die Kriegsschuldensrage ein, die von dem Blatt an prominentester Stelle gebracht wird. Anlaß zur Wieder­aufnahme der Diskussion über diesen hochwichtigen Punkt gab der Jahresbericht des Aufsichtsratsvorsitzenden Wiggin von der größten Bank Amerikas, der Chaise National Bank, in der dieser rund heraus erklärt, daß es für Amerika eingutes Geschäft" bedeuten würde, eine Ermäßigung der internatio­nalen Schulden in die Wege zu leiten. Er wiederholte den Grundsatz, daß das Ausland nicht Dollars zur Begleichung seiner Schulden an Amerika habe und gleichzeitig amerika­nische Waren kaufen könne. Der Frage komme eine Bedeutung zu, die weit über die in Dollar ausdrückbare Höhe der Schulden hiuausreiche. Von Mitte 1924 bis 1929 hätten die Bereinigten Staaten die nachteiligen Wirkungen durch umfangreiche Käufe

ausländischer Schuldverschreibungen hinausgcschoben mit dem Erfolg, daß die von dem Ausland im Zusammenhang mit diesen Emissionen zu leistenden Zins- und Amortisationszah­lungen einen derartigen Umfang angenommen hätten, daß sie zu einer Verstopfung des amerikanischen Marktes für auslän­dische Bonds geführt hätten. Mit Bezug auf die gegenwärtige Weltwirtschaftsdepression ist man der Ueberzeugung, daß die nächste bedeutende Bewegung aufwärts sein werde.

Die vorstehenden Auslassungen des bekannten amerikani­schen Bankmannes nimmt derDaily Telegraph" zum Anlaß, den englischen Nationalökonomen und bedeutenden Wirtschafts- sührer Sir Josiah Stamp zu interviewen: Im Laufe des Interviews äußerte sich Sir Josiah Stamp dahingehend, daß Deutschlands Lasten unter dem Uvungplan erheblich größer geworden seien als ursprünglich beabsichtigt gewesen sei. Jeder Schritt Amerikas in der Richtung einer Ermäßigung der im Zloungplan festgelegten Schuldenbeträge würde nicht ohne Rückwirkung auf Deutschland sein und ihm Helsen, sich zu er­holen. Wieder einmal ist erkenntlich, daß England, das in seiner Eigenscimst als Durchgangsland für die Transakttonen nur mittelbar an dem gesamten Problem interessiert ist, trotz her Erkenntnis der Notwendigkeit einer Neuregelung, die Ini­tiative hierzu den anderen überläßt.

Der Ruhr-Schiedsspruch für verbindlich erklärt.

Berlin, 12. Jan. Der Reichsarbcjtsminister hat heute de« für den Ruhrbergbau ergangenen Schiedsspruch, der eine sechsprozcntige Lohnkürzung bestimmt, für verbindlich erklärt. Die vorhergehenden Nachverhandlungen waren ergebnislos, da Leide Parteien an ihrem bekannten Standpunkt festhielten. Mit der Verbindlichkettserklärung ist das neue Lohnabkommen bindend geworden. Die zum 15. Januar ausgesprochenen Kün­digungen gelten als zurückgenommen, so daß eine Unterbre­chung der Arbeit nicht eintritt.

Eine Schwierigkeit wird sich vielleicht noch dadurch er­geben, daß die Lohnsenkung vom 1. Januar ab rückwirkend ein­tritt. Das bedeutet für die Arbeiter, daß ihnen die zuviel ge­zahlten 6 Prozent bei der nächsten Lohnzahlung abgezogen werden. Diese Maßnahme, die erfahrungsgemäß immer Er­bitterung bewirkt, wird von der Gewerkschaftsopposition zwei­fellos zu neuer Hetze ausgebeutet Werden. Bei dieser Agita­tion wird der neugogründeteEinheitsverband der Berg­arbeiter Deutschlands" eine Hauptrolle spielen. Der Verband ist, wie schon gemeldet, von der kommunistischen Gewerkschafts- oppositton am Sonntag in einer Delegiertenkonferenz, aus der 134 Schachtanlagen vertreten gewesen sein sollen, gegründet worden. Der Verband hat sofort die Streikparole ausgegeben, die aber ohne jede Wirkung geblieben ist. Auf allen Zechen des Ruhrgebiets wird ungestört gearbeitet.

Schiedsspruch bei der Reichsbahn.

Berlin, 12. Jan. In dem schon seit längerer Zeit jchwebenden Arbeitszeitkonflikt bei der Reichsbahn ist bau der Schlichterkammer unter Vorsitz von Dr. VSlcker-Bremen ein Schiedsspruch gefällt worden. Er bestimmt auf Grund des

neuen Reichsbahngesetzes für die in den größeren Güterbüden und Werkstättenbetrteben beschäftigte Arbeitergruppc, sowie für weitere kleinere Gruppen von Arbeitern (insgesamt etwa 220<!aa Mann) grundsätzlich die 48-Stunden-Woche, anstelle einer Arbeitszeit, die bisher bis zu 58 Stunden ging. In drin­genden Fällen kann die Beichsbahnverwaltung eine Mehr­arbeitszeit bis zu 136 Stunden im Jahr verlangen, ebenso können die im Sonntagsdienst beschäftigten Arbeiter bis zu 56 Stunden herangezogen werden. Für die andere Gruppe, die im Betriebs- und Verkchrsdienst tätig ist, etwa 186 666 Arbei­ter, bleibt die Arbeitszeit wie bisher.

6 7 pcozbKime Eisenpreis-EenMigung.

Essen, l2. Jan. Heute fanden in Düsseldorf Sitzungen der Vorsitzenden und Geschäftsführer der verschiedenen Eisenver­bände statt, in denen die endgültigen Vorschläge für die am 14. d. M. in den Hauptversammlungen zu beschließenden Eisenpreissenkung ausgearbeitet wurden. Wie verlautet, wird man die Eisenpreise durchschnittlich um etwa 67 v. H. senken, und zwar mit Wirkung vom 1. Januar d. I. ab. Der Grund­preis für Stab- und Formeisen soll um 9 Mk., für Walzdraht um 9 und für Halbzeug um 4.50 bis 5 Btt. ermäßigt werden. Für Universaleisen ist eine Preissenkung um etwa 9, für Grob­bleche um 6, Mittelbleche um 9 und Feinbleckw um 10 Mark vorgesehen. Dazu kommt, daß die Eisenverbände in den Ueber- preisen weitere Konzessionen machen wollen, die eine Ermäßi­gung der Preise um bis zu 3 Mark die Tonne umsassen.

Volen spricht sein Bedauern aus.

Berlin, 12. Jan. Amtlich wird mitgcteilt: Die pol­nische Regierung hat durch ihre hiesige Gesandtschaft wegen Ueberfliegnng deutschen Gebietes durch polnische Militärflie­ger der Reichsregierung ihr Bedauern ausgesprochen.

VWow: Vönwürdigkiten lU

Die Voss. Ztg. veröffentlicht aus den Denkwürdigkeiten des Fürsten Bülow einen Abschnitt über die Ernennung Lichnowskys zum Botschafter in London. Copyright by Ull­stein A.G. Nachdruck verboten.

Wie LiHnowM Botschafter wurde.

Dasstetige Vorwärtskommen mit England" hatte nicht seinen Ausdruck in einem Arrangement über das Tempo der Schiffsbauten gefunden, das ich bei Wilhelm II. nicht mehr durchsetzen konnte, nachdem ich bei ihm in Ungnade gefallen war, das aber für meinen Nachfolger wohl erreichbar gewesen wäre. Herr von Bethmann Hollweg hatte auch leider die Schwäche gehabt, den Botschafter in London, Paul Metternich, der allzu einseitigen Betrachtungsweise des Staatssekretärs Tirpitz und einer plötzlichen Laune Seiner Majestät zu opfern. Ms Nachfolger für London waren nacheinander der Gesandte in Karlsruhe, Herr von Eisendecher, der Gesandte in Athen, Freiherr von Wangenheim, und der frühere Botschafter in Madrid, Ferdinand Stumm, in Frage gekommen. Schließlich wurde Marschall von Konstantinopel nach London geschickt, der, trotz der von ihm seinerzeit gebilligten und im Reichstag mit Schärfe vertretenen Krüger-Depesche, in London mit der aus gutmütiger Neugierde und einem gewissen Snobismus ge­mischten Freundlichkeit empfangen wurde, mit der die Eng­länder gern neue berühmte Erscheinungen begrüßen, möge es sich nun um einen italienischen Tenor, eine Pariser Schauspie­lerin, einen indischen Nabob oder einen bekannten kontinen­talen Staatsumnn handeln.

Als der ehrgeizige Marschall, der schon hoffte, über London sein Lebensziel, das Rcichskanzlcrpalais in der Wilhelmstraße zu erreichen, bei einem kurzen Besuch seiner badischen .Heimat ebenso Plötzlich starb wie vor ihur Herbert Bismarck und nach ihm Kiderlen, alle drei Opfer der Arbeit wie des Bacchus, verfiel der Kaiser aus die Idee, den seit acht Jahren aus dem diplomatischen Dienst ansgeschiedenen Fürsten Lichnowsky nach London zu senden Die geistreiche Frau von Muchanow pflegte zu sagen:Jl saut demander au bon Dien, de ne Pas exaucer nos prieres". Die Griechen drücken das noch schöner aus:Me Götter strafen uns durch die Erfüllung unserer Wünsche." Lichnowsky, der unter mir in Bukarest als Legationssekretär gearbeitet hatte, dann von 1899 bis 1904 mein Pcrsonaldezer- nenb im Auswärtigen Amt gewesen war, weilte im Herbst 1912 gleichzeitig mit mir in Hamburg im Hotel Atlantic, das unter der Aegide von Ballin und durch die Unterstützung des kleinen Pfordte, des großen Gastronomen, eines der besten Hotels der Welt geworden war. Ich war im Begriff, zu Bett zu gehen, als Lichnowsky freudestrahlend in mein Zimmer stürzte:Es ist erreicht!" In der Hand schwenkte er einen eigenhändigen Brief des Kaisers. Es hieß in dieser Epistel ungefähr: Der Kaiser habe Lichnowsky zu Allerhöchstseinem Vertreter in Lon­don auserseheu. Dieser dürfe nie vergessen, daß er solche Aus­zeichnung seinem Allcrgnädigstcn Herrn verdanke, nicht den Räten vom Auswärtigen Amt. Die ihm von seiner Masestät gestellte Aufgabe bestehe darin, viele und gute Diners zu geben, sich in Schlössern und auf Rennen zu zeigen kurz, als a jolly good sellow" zu gelten und sich aus solche Weise recht beliebt zu machen. Er solle der Paravent sein, hinter dem der Kaiser seine Flotte zu Ende bauen könne. Wäre dies erreicht, so sei der Weltfriede gesichert, dem die Lebensarbeit seiner Majestät gelte. In Paranthese ist zu bemerken, daß eine spon­tanere Bekundung der Friedensliebe Wilhelms !!., der sich in Briefen an persönliche Freunde ohne Hemmungen auszudrückcn Pflegte, kaum gedacht werden kann.

Als Lichnowsky sich am nächsten Tage in Berlin beim Reichskanzler und beim Staatssekretär meldete, wurde er nicht freundlich empfangen. Bethmann war esttsetzt, daß auf den schwierigen Botschasterposten in London ein Diplomat gesetzt werden sollte, der bisher nicht einmal eine Gesandtschaft ge­führt hatte. Kiderlen sprach von einem Botschafter, der geistig ein Baby" sei. Das war ungerecht- Aber gefährlich war die Wahl.

Lichnowsky war als Mensch ein vornehm denkender Kava­lier, dabei herzensgut, das, was man im alten Berlin eine Seele von Mensch nannte. Er hatte auch bisweilen ganz nette Einfälle. Aber er war durch und durch Dilettant und unter­schätzte als solcher die Schwierigkeiten des diplomatischen Ge­werbes wie seine Gefahren. Er war sich nicht genügend darüber klpr. daß in der Politik zwar die Gedanken leicht beieinander wohnen, nicht aber Menschen und Dinge. Holstein, der Lich­nowsky persönlich mochte und der ihir Protegierte, sagte von ihm:Der gute Lichnowsky glaubt, daß über eine Sache schwätzen, schon so viel bedeutet, als die Sache machen." Lich­nowsky war alles in allem mehr Kannegießer als politischer Kops. Er war auch nicht immer taktvoll. Er war vor allem, und das war das Gefährlichste an dieser Wahl, sehr nervös, ein Neurastheniker. Und gerade nach London gehörte ein Ver­treter mit festen Nerven und kaltem Blut.

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Die Deutsche Tageszeitung bringt einen Artikel von Lega­ttonsrat a. D. H. v. Behr, in dem gegen die Bestrebung Bükows Protest erhoben wird, den Kaiser für den Mißerfolg der aus­wärtigen Politik Deutschlands verantwortlich oder auch nur mitverantwortlich zu machen. Der Hauptverantwortliche war nach Ansicht des Kritikers eben Bülow.

Me Denkwürdigkeiten des Fürsten Bülow find, erklärt der sozialdemokratischeAbend"das Selbstporträt eines Erbärm­lichen, der sein Leben in Gesellschaft von Erbärmlichen ver­bracht hat".