rung. Der Zentrumoredrrcr Beck setzte sich für eine verstärkte ländliche Sicdtunqspolitik ein, in der er die Lebensfrage des deutschen Bottes sieht. Die Demokraten forderten im Inter­esse des selbständigen Gewerbes eine Revision der L adenschluß - zeit. Bei den zum Etat des Auswärtigen nachgeholten Ab­stimmungen wurde das von den Deutschnationalen und den Kommunisten gegen Dr. Curtius eingebrachte Mißtrauens­votum mit 283 gegen 121 Stimmen abgelehnt. Die Mittel für die Auslandsvertretungen wurden über die Vorschläge des Ausschusses hinaus um weitere 25 OM Mark gekürzt und die Regierung aufgefordert, über die Auslandsbesoldung alsbald eingehende Aufklärung zu geben. Mit 209 gegen 61 Stimmen bei 133 Enthaltungen der Sozialdemokraten wies das Haus das Mißtrauensvotum der Kommunisten gegen den Arbeits- Minister zurück. Der Haushalt wurde in der Ausschußfassung genehmigt und die Krankenversicherungsreform dem Ausschuß übergeben. Morgen soll dann die Amnestievorlage verabschie­det werden.

Die Ermächtigung zum Sparen.

Berlin, 1. Juli. Der neue Reichsfinanzminister legte dem Reichsrat und dem Reichstag nunmehr an Stelle der Moldenhauerschen. eineberichtigte" zweite Ergänzung zum Haushalt 1930 vor. In dieser berichtigten Ergänzung werden auch Ermächtigungen für die neuen Einsparungen in Höhe von IM Millionen gefordert. Darüber heißt es:Bei den Ausgaben des ordentlichen Haushalts sind Beträge in der Gefamthöhe von 100 Millionen Reichsmark abzusetzen, deren Höhe im einzelnen von der Reichsregierung festgestellt wird. Die hiernach verbleibenden Ausgabemittel treten für die Haus­haltführung und Rechnungslegung im Sinne der Reichshaus­haltordnung an die Stelle der im Reichshaushaltplan vor­gesehenen Ansätze. Sie sind dem Rechnungshof des Deutschen Reiches mitgeteilt worden." In der Begründung wird noch gesagt, daß die Abstriche, die sich naturgemäß auf eine große Zahl von Einzelposten erstrecken müssen, von der Reichsregie­rung festgestellt werden sollen. Der Demokratische Pressedienst behauptet, daß auch neue Einsparungen im Heeresetat und zwar in Höhe von mehr als 20 Millionen geplant seien.

Die Voruntersuchung in Lübeck.

Berlin, 1. Juli. Die Eröffnung der gerichtlichen Vor­untersuchung in Lübeck gegen den Obermedizinalrat Dr. Alt­stadt vom Gesundheitsamt, Professor Dr. Deycke vom AUgem. Krankenhaus, seine Laboratoriumsschwester und den Leiter des Kinderhospitals ist wegen dringenden Tatverdachts der fahr­lässigen Tötung erfolgt. In den geheimen Sitzungen des Bürgerausschusses ist nämlich eine furchtbare Tatsache bekannt goworden: Am 25. April war zum letzten Mal Fütterungs­material für die Kinder an die Hebammen und an Aerzte ausgegeben worden. Dieses Fütterungsmaterial reichte für drei Fütterungen, die in Zwischenräumen von je drei Tagen stattfanden, also am 25. April, 28. April und am 1. Mai. Am 26. April wurde die Obduktion eines der gestorbenen Kinder vorgenommen, wobei festgestellt wurde, daß der Tod unzweifel­haft auf die Fütterung mit dem Calmette-Serum zurück­zuführen war. Daraufhin wurde mit der Fütterung im Krankenhaus selbst aufgehört. Man hat es aber unterlassen, auch außerhalb des Krankenhauses die Fütterungen zu ver­hindern, die am 28. April und am 1. Mai stattfinden sollten. In dieser Unterlassung wird mit Recht eine furchtbare Fahr­lässigkeit der Aerzte gesehen. Die Aerzte machen jetzt zu ihrer Verteidigung geltend, sie hätten diese Fütterungen außerhalb des Krankenhauses nicht abgeblasen, um keine Unruhe in der Bevölkerung zu stiften. Vorher war immer davon die Rede, daß nach dem ersten Todesfall die Fütterungen mit Calmette gestoppt wurden. Man hätte den Hebammeneinen harmlosen Brei" für die Kinder gegeben, damit nach außen hin die Unter­brechung der Calmette-Fütterung nicht bekannt werde.

VesteiNW-Riern in Land »nd Reich.

Ulm, 1. Juli. Auf dem Münsterplatz war gestern abend die Rheinlandbefreiungsfeier der Reichswehr. Der Münster­turm strahlte in seiner majestätischen Größe das Licht der Scheinwerfer wider. In exakter Feierlichkeit marschrerle oas Militär vor das Hauptportal auf. Nach dem Niederländischen Dankgebet folgte der eigentliche Zapfenstreich. Dann wurde das Deutschlandlied angestimmt. Begeistert stimmten die Viel­tausend Menschen ein und die Münsterglocken sandten ihren ehernen Schall über Platz und Häuser. Infolge des Andrangs wurden verschiedene Personen ohnmächtig, so daß sie weg- getragen werden mußten. In Münsingen fanden ähnliche Feiern der dort liegenden Reichswehr und Marine statt.

Wiesbaden.

Wiesbaden, 1. Juli. Wiesbaden erlebte heute nacht eine ganz große Stunde. Zu Tausenden ballten sich die Massen vor­dem Rathaus, wo die Befreiungsfeier stat-tfand. Unzählige Lichter verschönten das festliche Bild. Feierlick)es Glocken­geläute, unterbrochen von dem Beifall der jubelnden Menge, kündete die Stunde der langersehnten Freiheit an. Posaunen- und Männerchöre umrahmten die Ansprachen der Redner. Äiach dem Oberbürgermeister Krücke sprach für die Reickssregie- rung Freiherr Langwerth von Simmern. Er wünschte, daß der heutige Tag ein Meilenstein sein möge auf dem Wege zur Befreiung der Welt. Hierauf sprach der preußische Minister­präsident Braun. Alsdann brauste das von der Menge begei­stert gesungene Deutschlandlied über den Platz. Auf den Höhen ringsum leuchteten Feuer zum Himmel empor, weithin kündend, daß Wiesbaden wieder eine freie Stadt ist. Zum ersten Mal wieder seit der Vorkriegszeit fand auf dem Nieder­wald eine Beleuchtung des Nationaldenkmals statt, an die sich ein Fackelzug nach Rüdesheim anschloß. Auch in anderen hes­sischen Städten wie Worms, Oppenheim, Bingen, Groß-Gerau wurden Befreiungsfeiern abgehalten, wobei Mitglieder der hessischen Regierung die Festansprachen hielten.

Trier.

Trier, 1. Juli. Auf der mitternächtlichen Befreiungsfeier der Stadt Trier, die in Anwesenheit von etwa 3035 000 Menschen auf dem Marktplatz stattfand, sprach nach einem ge­meinsamen Gesang und einem Männerchor-Vortrag der Ober­bürgermeister der Stadt Trier, Reichsverkehrsminister.Dr. von Guerard und der preußische Handelsminister Dr. Schreiber, v. Guerard überbrachte den Tank der Reichsregierung und führte u. a. aus: Heute sei eine geschichtliche Stunde, denn Frankreich hätt sich hier zum dauernden Aufenthalt eingenistet gehabt. Noch beim Abzug der französischen Truppen habe man oie Geste des Siegers in der Zerstörung der Trierer Zeppelin- Halle empfunden. Dieser Spuk sei vorbei. Die Jahre des Leidens vom rheinischen Volke sollten aber nicht vergessen sein. Dankbar gedenke er aller der Männer, die Wegbereiter für Deutschlands Freiheit gewesen seien und besonders derer, die in diesem Kampf gefallen seien. Weiter gedachte der Mini­ster der deutschen Brüder an der Saar. Die Saar müßte wie­der werden, was sie gewesen sei: das starke Wirtschaftsrückgrat des Trierer Landes. Anschließend gedachte Handelsminister Dr. Schreiber Dr. Stresemanns, dem ein allzufrüher Tod es versagt habe, die Früchte seiner Lebensarbeit zu sehen. Auch er rief den Saarländern einen herzlichen Gruß zu und betonte unter Hinweis auf die Saarverhandlungen, es sei selbstver­ständlich, daß nur solche Vereinbarungen in Frage kommen könnten, die die Interessen des Saargebietss und jeden Teiles seiner Bevölkerung nach jeder Richtung hin voll wahrten.

Das Ausland und die Räumung.

Der Widerhall in Italien.

Rom, 1. Juli. Die Räumung des Rheinlandes findet in der italienischen Oeffentlichkeit lebhaften Widerhall. Alle

Blätter berichten an erster Stelle von dem Abzug der fran­zösischen Truppen und den eindrucksvollen Feiern der Bevöl­kerung. Der Mitarbeiter desEorriere Hella Sera" erklärt man könne die allgemeine Ergriffenheit nicht milerleben, ohne von ihr berührt zu werden. DerPopolo di Roma" bestätigt daß die Bevölkerung, obgleich von einem schwer zu unter­drückenden Jubel erfüllt, es doch verstanden habe, schweigend dem letzten Akt der Räumung beizuwohnen, der ihr lanaes Martyrium beendete.

Zweierlei Stimmen aus Paris.

Paris, 1. Juli. Anläßlich der Räumung des Rheinbundes hat Briand an den bisherigen französischen Rheinlandkommis­sar Tirard ein Telegramm gerichtet, in den: er ihm im 9kamen der Regierung dankt und dann fortfährt:Während der Zeit die Sie an der Spitze des hohen Komitees verbrachten, hatten Sie reichlich Gelegenheit, der Bevölkerung des linken Rhein- ufers zu beweisen, daß wenn auch Frankreich an der Vertei­digung seiner Rechte festhielt, es doch dem Wunsche treu sein wollte, mit dem Feinde von gestern eine Atmosphäre der prak­tischen Zusammenarbeit und des moralischen Einverständnisses zu schaffen, wie sie für die Ausrechterhaltung des Friedens un­entbehrlich sind. Zur Durchführung der Politik habenSie sich immer die eifrige Mitarbeit Ihrer alliierten Kollegen ge­sichert." Tirard äußerte sich selbst vor seiner Abreise zu einen: Mitarbeiter desMatin":Während dieser 12 Jahre habe ich mit zahlreichen Deutschen gesprochen, alle wiederholen mir. daß die Besetzung, die den nationalen Stolz verletze, das einzige Hindernis für eine Annäherung zwischen den beiden Völkern sei. Die Schranken sind jetzt aufgehoben. Wir wollen nun sehen, was geschieht." Eine ganz andere Sinnesart ver­rät der Präsident der Nationalen Liga für die Rettung des französischen Volkes, der anläßlich der Rheinlandräumung eine Kundgebung veröffentlickst, die ein sehr treffendes Licht auf die Gesinnung der Nationalisten französischen Kreise wirft. In der Kundgebung wird u. a. erklärt, daß sich Vertreter der

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icherheit und des europäischer: Friedens am Rhein" zum Denkmal der Stadt Straßburg am Konkordienplatz in Paris bcgeberr hätten, um dieses Denkmal mit einem langen Trauer- Flor zu umgeben, so wie es während der letzten 50 Jahre vor dem Weltkrieg zum Zeichen der Trauer Frankreichs um dm Verlust des Elsaß verhüllt war.

England sieht klar.

London, 1. Juli. Lange Berichte in Len führenden Lei­tungen schildern den Abzug der französischen Truppen und dev Jubel der rheinischen Bevölkerung über die endlich wieder ein­getretene Vereinigung mit dem Vaterland. Das Manifest des Reichspräsidenten wird zum Teil in vollem Wortlaut gebracht, dieTimes" nimmt das Ereignis der Rheinlandräumung in bc- merkenswerter Weise zum Anlaß, um in einem ausführlichen Leitartikel die schnelle und reibungslose Bereinigung der Saar­srage zu wünschen- Sie macht geltend, daß die diesbezüglichen Bestimmungen des Friedensvertrags, die Frankreich für den Ausfall seiner Gruben im Pas de Calais entschädigen sollte, mehr als erfüllt seien. Man habe, da der französische Kohlen­ertrag 1919 nur auf die Hälfte der Vorkriegserzeugung ge­sunken sei, es für notwendig gehalten, für die 15 folgenden Jahre eine weitere Produktionsquelle zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich aber habe das französische Wiederausbauvermögen der französischen Industrie alle Erwartungen übertroffern"

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