Deutschland nicht so ungünstig ist, wie vielfach angenommen wird. Trotzdem muffen wir bei der Beurteilung der Lage der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung zu einer erheblich höheren Arbeitslosenziffer kommen. Die Berechnungen beruhen jetzt auf der Durchschnittsziffer von 1,6 Millionen Arbeitslosen. Es ist von entscheidender Bedeutung, Latz diese Ziffer durch die Matznahmen der Reichsregierung im Laufe dieses Jahres tatsächlich durchgehalten wird. Mit der Weltwirtschaftskrise ist verbunden eine internationale Veränderung des Preisniveaus auf der ganzen Linie, am wenigsten allerdings in den Einzelhandelspreisen, die zu einer vollkommen veränderten Beurteilung der künftigen Entwicklung zwingen. Ich will nicht daraus eingehen, welche Gründe dafür vorhanden sind, auch nicht aus die Schätzungen und Ueberlegungen, daß dieses Preisniveau weiter noch für einige Zeit sinkend bleiben wird und daß diese Preise allgemein die Tendenz haben, wenigstens die Großhandelspreise, aus das Niveau der Vorkriegszeit zurückzugehen. Das sind zum großen Teil heute noch Vermutungen. Niemand kann sie richtig beurteilen. Ich darf aber daraus aufmerksam machen, daß für die gesamte Wirtschaftsentwicklung und damit auch für die finanziellen Einnahmen des Reiches diese Preisentwicklung von ganz ungeheurer Bedeutung ist. Tie Spanne zwischen Produktionspreisen, Rohstoffpreisen und Agrarstofsen ist ganz außerordentlich geworden. Es ist ganz klar, daß jede Reichsregierung und jede Regierung in irgend einem Lande der Welt angesichts dieser Tatsachen ganz plötzlich vor außerordentlich schwierige Ausgaben gestellt sein wird. Die Lage ist auch deswegen erschwert worden, weil eine Reihe von Ländern glaubte, auch bei industriellen Artikeln eine weitere Zollerhöhung vornehmen zu müssen, um damit ein Mittel zu finden, die drohenden Gefahren für ihre eigene Industrie abzuwehren. Alles in allem möchte ich fcststellen, datz wir es nicht mit einer normale» Krisis zu tun haben, sondern mit einer Krisis, die ungeheure Aufgaben auf allen Gebieten schafft und deren Uebcrwindung eine Lebensnotwendigkeit und Schicksalsfrage des deutschen Volkes ist. Deswegen sind wir dazu übergegangen, sofort unsere Schätzungen aüfzustellen und neue Deckungsvorlagen einzubringen. Wir glaubten dazu verpflichtet zu sein, angesichts der Tatsache, daß in den vergangenen Jahren aus Mangel an Einficht der Parteien oder aus außenpolitischen Rücksichten nicht sofort dann, wenn sich eine veränderte finanzielle Situation ergab, die Initiative ergriffen und energisch an ein Sanie- rnngsprogramm herangegangen wurde. Die neuen Vorschläge ergeben sich folgendermaßen: Der Mehrbedarf für die Krisenfürsorge beläuft sich auf 162 Will. Mark, die Mindereinnahmen konnten auf 150 Milk, geschätzt werden, bei der die Voreinsetzung des Etats, obschon sie dort nicht knapp bemessen waren; außerdem ist aus dem Etat noch eine Summe von 171 Mill. für die Zwecke der Arbeitslosenversicherung bereitzustellen, alles in allem also 186 Mill. Daß die Deckungsvorschläge der Reichsregierung nicht populär sind, darüber ist sich die Reichsregierung klar gewesen. Zusammenfaffend mutz ich erklären, datz die Reichsregierung an diesem Deckungsprogramm festhalten mutz, auch an seiner schnellen Erledigung.
Reichsfinanzminister Dr. Dietrich
führte aus: Zur Deckung des Fehlbetrags ist einmal vorgesehen die Reichshilfe der Personen des öffentlichen Dienstes. Darunter sind verstanden die Beamten nicht nur des Reiches, der Länder und Gemeinden, sondern auch die der öffentlich- rechtlichen Körperschaften, ferner die Dauerangestellten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die Pensionäre, aber nicht die Witwen und Waisen. Es ist eine Freigrenze gesetzt von 2000 Mark Jahreseinkommen, auch die Kinderzulage <210 Mi.) sind freigemacht. Bei den Dauerangestellten des Reiches und der öffentlichen Organisationen beginnt die Zahlungsverpflichtung erst bei 3600 Mark, weil diese Angestellten der Arbeitslosenversicherung unterliegen. Die Höhe der Reichshilfe ist auf 2 Prozent für die Bezüge festgelegt. Vom 1. August 1830 bis zum 31. März 1831 soll diese Reichshilfe einen Ertrag erbringen von 135 Mill. Mark. Der Zuschlag zur Einkommensteuer von allen Einkommen über MIO Mark soll 58 Millionen, der Zuschlag für die Ledigen 11« Mill. Mark erbringen. Aus der Verkürzung der Steuerfristen für die Zigarettenbanderolen und Verlängerung der Kontingentierung der Zigarettenfabriken erwartet man 18, aus den Haushaltersparnissen für 1929 35. für 1930 100 Millionen R.M. Insgesamt ergeben sich 180)4 Millionen für das Reich. Durch die einprozentige Bei
tragserhöhung und die Reform der Arbeitslosenversicherung
sollen von den: Defizit der Reichsanstalt 269 Millionen bis zum 1. April nächsten Jahres abgetragen werden. Am Haushalt des Reiches kann man nicht unbeschränkt sparen. Die Sparmöglichkeit beschränkt sich auf 2,14« Millionen, in denen eine Milliarde für soziale Zwecke enthalten ist. Sparen kann man zunächst nur an den 166 Millionen für die sachlichen Verwaltungsausgaben des Reiches, ferner an Bauten und Beschaffungen. Wie wird es Weitergehen? Zunächst kann das Reich in nächster Zeit keine anch noch so geringfügigen Ausgaben übernehmen, es mutz sich im Gegenteil auf weiteren Abbau besinnen. Ferner mutz die Arbeitslosigkeit bekämpft werden durch Sanierung der Finanzen und damit Wiederherstellung des Vertrauens in die deutsche Wirtschaft, durch Herstellung der deutschen Konkurrenzfähigkeit und durch Arbeitsbeschaffung. Das in die Wege geleitete Arbeitsbeschaffungsprogramm ist allerdings nur ein Notbehelf. Viel wichtiger ist die Sanierung der Preise und Produktionskosten, namentlich für die Bauten, die am stärksten überteuert sind. Am Weltmarkt scheint die Kaufkraft des Goldes den Vorkriegsstand wieder zu erreichen. Die Rückwirkung auf unsere eigene Wirtschaft kann nicht ausbleiben, wenn wir unsere Konkurrenzfähigkeit am Weltmarkt' behaupten wollen. In diesem Falle gehen wir einen schweren Gang. Wir müssen damit rechnen, datz trotz aller Anstrengungen die Arbeitslosigkeit anhält und die Gemeinden durch die Ausgesteuerten vielleicht noch stärker als bisher belastet werden. Wenn wir in den nächsten Monaten die Frage lösen müssen, wie wir den Gemeinden helfen können, so denke ich zunächst an die Einführung eines Vcrwaitungskostenbeitrags oder Schaffung einer Gemeindegetränke- oder Gemeindeverzehrsteuer. Ein Entwurf über die Besteuerung der öffentlichen Betriebe liegt dem Reichstag vor, es liegt am Parlament, ihn noch vor den Ferien zu verabschieden. Mit dem endgültigen Finanzausgleich dürfen wir die Erörterung der gegenwärtigen Vorlagen, die eilbedürf- tig sind, nicht belasten. Der Reichsminister weist dan darauf bin, daß der Reichsarbeitsminister nur noch für eine beschränkte Zeit in besonderen Härtefällen neue Kriegsbeschädigtenrenten bewilligen will.
Bedingungslose Räumung des Saargebiets gefordert.
Berlin, 29. Juni. Am Freitag trat das Gesamtpräsidium der Bereinigten Vaterländischen Verbände Deutschlands zu einer Tagung in Berlin zusammen. Der Vorsitzende, General Graf von der Goltz, gedachte der Wiederkehr der Unterzeichnung des Vertrags von Versailles und der bevorstehenden Räumung der besetzten Gebiete. Er betonte, daß neben dem Ruhrwiderstand die französische Politik im Rheinland an der Treue und dem nationalen Willen der Bevölkerung zuschanden geworden sei. In die Freude der Befreiungsstunde mische sich das bittere Gefühl, daß diese durch eine verfehlte Außenpolitik mit neuen untragbaren Lasten für das Reich erkauft und dabei nicht einmal die Saarfrage gelöst sei.
Französische Blätter zur Rhcinlandräumung.
Paris, 29. Juni. Eine Anzahl Blätter hat Sonderberichterstatter nach dem Rheinland entsandt, die ihre Eindrücke zu schildern beginnen. Im großen und ganzen müssen die Berichterstatter zugeben, daß eine aufrichtige Freude über die Befreiung des Rheins festzustellen ist. Einige Blätter würdigen auch die politische Bedeutung der Rheinlandräumung. So schreibt „Ere Nouvelle": Den Rhein 5 Jahre vor dem durch die Verträge festgesetzten Datum verlassen und die europäischen Staaten gleichzeitig auffordern, sich zu einer föderativen Union zusammenzuschließen, das heißt nicht vom Frieden träumen, d. h. ihn lebendig machen, das ist eine Tat. „Oeuvre" führt aus: Die Rheinlandräumung ist der normale Abschluß der Bemühungen Stresemanns. Wenn die Nachfolger dieses großen Staatsmannes von seinem Werk lediglich den nationalen Charakter zurückbehielten und vergäßen, was er an realistischem Geist, an wirklich europäischem Geist besaß, dann würden sie sein Werk nicht nur verstümmeln, sie würden es vernichten. Das Blatt tritt im übrigen lebhaft für eine deutsch-französische Verständigung ein. Einen Mißton in die Betrachtungen bringt das Eoth-BIatt „Le Figaro", indem es sein Bedauern ausdrückt, daß man nach dem Siege Preußen am Rhein gelassen habe. Ein Vertreter der nationalistischen Zeitung „L'Ordre" hatte eine Unterredung mit dem französischen Öberkommissar im Rheinland, Tirard, der über die
Frage, ob die vorzeitige Rheinlandräumung der Annäherungspolitik zwischen Deutschland und Frankreich dienen könne, u. a. äußerte: Wir hoffen, oder dürfen mindestens wünsckien, daß die Ereignisse diese Frage in bejahendem Sinne beantworten.
Stalin auf dem Moskauer Parteikongretz.
Moskau, 28. Juni. Auf dem Moskauer Parteikongreß verwies Stalin in seinem annähernd zehnstündigen Bericht über die Politik der Parteileitung auf die wirtsclMtliche Krise die in säst allen kapitalistischen Ländern herrsche. Sie sei schwerer als je und werde zu scharfen Kämpfen um die Absatzmärkte führen sowie gewaltige Arbeitslosigkeit schaffen. In gleicher Zeit habe sich die Sowjetregierung trotz gewisser Schwierigkeiten der sozialistischen Umstellung stürmisch vorwärts entwickelt, was der Aufbau der Schwerindustrie und die Kollektivierung in der Landwirtschaft beweise. Die Sowjet- Union sei auf dem Wege, aus einem Agrarland ein Industrieland zu werden und sich durch eine eigene Industrie wirtsll-aft- lich unabhängig zu machen. In der Landwirtschaft sei das Getreideproblem grundsätzlich gelöst. Die landwirtschaftliche' Entwicklung gehe weiter in sozialistischen Bahnen zur Massen- kollektivisiernng und Liguidation des Kulakentums über. Dst Schwierigkeiten, welche die Sowjetunion gegenwärtig durchmache, seien Schwierigkeiten des Wachstums auf dem Wege zu einer besseren Zukunft. Bezüglich der Parteipolitik kündigte Stalin weiteren, energischen Kampf gegen die Reste des Trotzkismus und gegen die Rcchtsopposition, die im wesentlichen bereits besiegt sei, an, so daß die gegenwärtige Tagung der erste Partcikongreß sei, auf dem keine Oppositionsrichtung wage, gegen die Parteilinie aufzutreten.
Achtzehn Tage im Flugzeug. >
Newhork, 29. Juni. Die Chicagoer Flieger John unk Kenneth Hunter brachen Sonntag 6.01 Uhr Ncwyorker Zeit ! auf dem Flugzeug „Stadt Chicago" den Dauerflugrekord von ! >2l Stunden und 21)4 Minuten, der im letzten Jahre von O'Brien und Jackson in St. Louis ausgestellt worden war. Die Flieger hatten am 17. Tage ihres Fluges noch aufregende Ueberraschungen. Nachdem bereits am Tage zuvor der Gas- tank im linken Flügel ein Loch bekam, begann gestern der Oeltank zu lecken, konnte jedoch repariert werden. Eine Abwurfmeldung berichtete weiter, daß einer der Piloten an heftigen Zahnschmerzen leide. Darauf stieg ein Tankflugzeug aus i und warf eine Flasche mit schmerzstillenden Tropfen hinüber ! In der Luft wurde zum 151. Mal getankt. Trotz der frühen j Morgenstunden hatten sich Tausende von Menfäien auf dem Chicagoer Flugplatz eingefunden, die in wilde Begeisterungs- rttfe ausbrachen. Die Flieger strichen in einer langgezogemn Kurve ganz niedrig über den Flugplatz hinweg und winkten den Menschenmassen zu. Sie nehmen fast nur noch schwarzen .Kaffee zu sich, denn sie fallen gelegentlich trotz vierstündiger I Ablösung in Schlaf, konnten aber jedesmal noch das Flugzeug rechtzeitig auffangen. Sie sind entschlossen, solange weiter- I zufliegen, bis sie aus technischen Gründen niederzugehen gezwungen sind. ^
Sportecke.
Fußball. Bei dem gestrigen Entscheidungsspiel um den Aufstieg zur Bezirksliga siegte in der Gruppe Württemberg der F.V. Zuffenhausen über die Eßlinger Sportfreunde mit 1:2 Toren. Zuffenhausen ist damit Aufstiegsmeister geworden.
Kreisliga. Das Entscheidungsspiel nm den Aufstieg zur Kreisliga des Kreises Enz-Neckar gewann Dietlingen über Huchenfeld mit 3:2 Toren. Dietlingen wird nun in der kom- , wenden Saison die Kreisliga ergänzen.
Internationales Fußballturnier in Genf: Servette Genf — Vienne Wien 0:7, F.C. Shte — Sp.Vgg. Fürth 3:1 (nach Verlängerung).
Privatspiele: A.S.V. Botnang — F.C. Birkenfeld Ick, Sp.Vg. Göppingen — F.C. Birkenfeld 1:2, F.C. Freiburg - ' F.C. Pforzheim 1:1, V. f. R. Pforzheim — F.C. Mühlburg ^ 1:2, Sportfreunde Lauffen — Sportklub Heilbronn 1:3, Mün- ^ ster — V. f. B. Stuttgart 1:8, Ulmer F.V. 91 — Eintracht Neu-Ulm 12:0, Werbespiele in Schwann: Schwann — Niefern Res. 8:1, Engelsbrand — Wildbad 1:2. M.
Faustball. Gaugruppenspiele in Tübingen: Nach harten! Kampf ging Feldrennach als dritter Sieger sowie Obernhauseu als Gaugruppensieger von 6 Gauen hervor, und und hat letzterer noch bei den Südgruppen zu spielen.
Sleinfprengnngen.
Bei der Ausführung von Straßcnbauarbeiten im Eyachtal von der Lehenfägmühle bis zum Lehmannshof, Markung Wildbad, werden durch den Unternehmer Adolf Schanz, Baumeister hier, vom 1. Juli ds. Zs. an bis auf weiteres, täglich vorm. 6—8,11—1 Uhr und nachm. 5—7 Uhr Steinsprengungen vorgenommen.
Wildbad, den 24. Juni 1930.
Stadtschultheitzenamt.
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Oberamtsstadt Neuenbürg.
Sitzung d.G«mderals
am Dienstag den 1. Zuli, nachm. 6 Vs Ahr.
Tagesordnung:
1. Voranschlag der Stadtpflege 1930.
2. Sonstiges. Stadtschultheiß Knödel.
U Zur Abholung der
» IR Kapelle des Musik- Vereins sammelt sich der Verein heute abend Vs 7 Ahr im Lokal „Schwanen".
Der Vorstand. Dienstag abend Boll- Singstunde.
Freundschaft.
Zusammenkunft der Sänger heute abend Vs 7 Uhr im Grün. Baum.
Der Borstand.
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Schwan«.
Das Heidelbeerfammel«
in den hiesigen Gemeindewaldungen ist für Auswärtige verboten.
Schwann, 29. Juni 1930.
Schultheitzenamt.
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