Weich und duftig erklang die Volksweise „Waldvögelein" und das dem Schwaben besonders liegende „Rosestock, Holderblüh", das wir allerdings entsprechend der schwäbischen Eigenart etwas anders singen, immerhin war die jugendliche Sängerschar bemüht, ihr bestes hineinzulegen, um dem Charakter dieses schwäbischen Volksliedes gerecht zu werden, in einem Maße, daß sie sich zu einer Wiederholung herbeilassen mußte, wie auch der gespendete Beifall nach jeder Nummer die Zufriedenheit der Zuhörerschaft zum Ausdruck brachte. Die fränkische Volksweise „Die Spinnerin" bildete einen hübschen Abschluß dieses Vortragsabends. Daß bei den jugendlichen Sängerinnen und Sängern, deren Auftreten und Benehmen besten Eindruck hinterließ, auch der Humor eine Stätte gefunden unter Leitung des Ehrenmitglieds Wilhelm Vollmer ein Handballspiel zwischen den Knaben der Klassen 8g und 8b hat, zeigten die zwei Vorträge „Kopfarbeit" und „Die verschluckte Maus". Den Dank der jugendlichen Sängerschar an Rektor HäußIcr, der sich für das Zustandekommen des Konzerts und die Unterbringung der Gäste ein besonderes Verdienst erworben hat, stattete ein jugendliches Mitglied sowie Chordirektor Steffen in herzlichen Worten ab. Mit dem in Wort und Lied zum Vortrag gebrachten Wahlspruch des Chores „Frohe Lieder laßt uns singen, euch zur Freude, uns zur Lust, schönern Gruß kann keiner bringen, als ein Lied aus frischer Brust" klang die schöne Veranstaltung aus, die erhebende Eindrücke bei der ganzen Zuhörerschaft hinterließ.
(Wetterbericht.) Ueber dem Kontinent liegt ein Hochdruckgebiet. Eine nördliche Depression wird nur wenig Einfluß gewinnen, so daß für Donnerstag und Freitag vorwiegend heiteres und trockenes Wetter zu erwarten ist.
sivjühriges Jubiläum des Turnvereins Birkertfeld.
Birkenfeld, 10. Juli. (R e i ch s j u g e n d w e t t k ä m P f e.) Auch den Veranstaltungen des Montags war herrlick>es Wetter beschicken. Dies war umso erfreulicher, als Schule und Verein in schönem Einvernehmen in kurzer Zeit ein umfangreiches Programm zusammknstcllten, das unter voller Zufriedenheit aller Teilnehmer und Zuschauer restlos durchgeführt werden konnte. Der Montag Vormittag war aus- gefüllt durch die Austragung der Reichsjugendwettkämpfe. Die Durchführung dieser und die Leitung der Rachmittagsveranstaltungen lag in den Händen von Rektor Fauth. Dabei hatten die Eltern und Mitglieder des Turnvereins Gelegenheit zu sehen, daß in der hiesigen Schule gesunde Leibesübungen auf dem grünen Rasen allen Ernstes getrieben werden. Die Zuschauer sahen neben fröhlichem Spiel schöne Einzelleistungen, die jedes Turnerherz erfreuen mußten. Der den Reichsjugendwettkämpfen zu Gründe gelegte Dreikampf bestand aus Lauf, Weitsprung und Ballweitwurf; sämtlickre Schüler und Schülerinnen der hiesigen Oberklaffen hatten dabei wieder Gelegenheit, ihre Kräfte gegenseitig zu messen. Trotz höher gestellter Anforderungen gegenüber dem Vorjahr wurden sehr beachtenswerte Spitzenleistungen und recht schöne und befriedigende Durchschnittsleistungen erzielt. Dies zeigt sich vor allem darin, daß 58 Prozent aller Knaben und 30 Prozent aller Mädchen die vorgeschriebene Siegerpunktzahl 0^: 40) erreichten. Der Berechnung lagen besondere, nach Alter und Geschlecht verschiedene Anforderungen und Bewertungstafeln zugrunde. Nach Austragung der Kämpfe fand statt, das erstere mit 3:0 gewinnen konnte.
Nachmittags eröffnete ein prächtig und originell aufgebauter Festzug das schön verlaufene Kinderfest, über das noch ein besonderer Bericht folgen wird. Auf dem Festplatz angekommen, gab Rektor Fauth die Ergebnisse der Wettkämpfe des Vormittags bekannt. Die ersten Sieger der einzelnen Klaffen erhielten vom Turnverein Birkenfeld zur Erinnerung an das Jubiläum des 50jährigen Bestehens eine Ehrenurkunde mit Eichenlaubkranz; die zweiten Sieger erhalten dieses Mal die Ehrenurkunden des Reichspräsidenten, da die ersten Sieger fast durchweg schon im Besitz einer solchen vom Vorjahr her sind. Für die besten Leistungen in der Klaffe VIII wurden Arthur Ilg, Walter Müller l, Elfriede Fix und Hedwig Keller mit wertvollen Preisen bedacht. Die Sieger der einzelnen Klassen sind:
Mädchen
Klasse V: Emilie Ochner 61, Lore Spiegel 50, Lore Ströhäcker 49, Mina Rau 48, Ilse Bacher 43, Gertrud Vollmer 43, Hedwig Vollmer 43, Johanna Förschler 42, Anneliese Kusterer 41. Luise Ochner 41 Punkte.
Klasse Vi: Dora Förschler 50, Lore Müller 47, Lotte Bacher 42, Lisa Krämer 42, Johanna Stoll 41, Frida Bester 41 Punkte.
Klasse VII: Eugenie Kusterer 56, Melanie Hinkel 53, Erna Müller 49, Nellh Hüll 42 Punkte.
Klasse VIIIK: Lisel Hagenlocher 42 Punkte.
Klaffe VIIIs: Elfriede Fix 60 (beste Tagesleistung), Hedwig Keller 47. Hilda Bacher 41, Klara Ehinger 41. Elfriede Regelmann 40 Punkte.
Knaben.
Klasse V: Otto Burghardt 66, Walter Brenner 58, Helmut Stickel 52, Hans Knebelkamp 46, Herrn. Regelmann 44 Punkte
Klasse VI: Hans Vollmer 54, Ewald Brenner 52, Fritz Winter 50, Erwin Jösel 48, Hugo Müller 44, Fritz Senfsert 44, Wilhelm Stumpp 44, Willi Etzel 43, Richard Hüll 43, Artur Schroth 43, Richard Kull 41 Punkte.
Klaffe VII: Erich Keller 53, Hugo Förschler 46, Erich Linkenheil 45, Artur Bacher 41, Arno Fischer 41 Punkte.
Klasse VIIIK: Walter Müller I 74, Emil Morlock 63, Erwin Fix 54, Walter Eberle 52, Karl Denzinger 48, Hugo Müller 47, Otto Denzinger 44, Emil Becht 43, Fritz Schneider 42,. Otto Vinnai 42 Punkte.
Klasse Villa: Artur Jlg 75 (beste Tagesleistung), Werner Wessinger 70, Reinhold Roth 50, Karl Oelschläger 48, Erwin Brohammer 47, Kurt Wessinger 45, Anton Born 43, Hermann Vollmer 43, Robert Fieß (Gräfenhausen) 42, Kurt Bacher 41, Fritz Keller (Gräfenhausen) 40 Punkte.
Württemberg.
Stuttgart, 9. Juli. (Untreue im Amt.) Am 16. April 1928 hat die Strafkammer beim Landgericht in Stuttgart den Schultheiß von Steinenbronn, Friedrich Pröbstle, wegen Amtsunterschlagung zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt und hat ihm außerdem auf 3 Jahre die Fähigkeit aberkannt, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Dieser Schultheiß hat für seine Gemeindeangehörigen Baudarlehensgesuche angefertigt und hat sich für jedes dieser Gesuche 20 bis 25 Mark bezahlen lassen. Er war nicht berechtigt, eine solche Gebühr zu erheben. Dann hat er Diäten, die er anzusprechen hatte, nach einer ihm günstiger erscheinenden Bestimmung der Diätenordnung verrechnet, als sie ihm in seiner Eigenschaft als Ortsvorsteher zugestanden hätten. Ein ganz heiteres Stück hat er sich aber dadurch geleistet, daß er sozusagen als eigener Gerichtsherr in eigener Sache auftrat und das geschah wie folgt: Ein Steinenbronner hatte mit seinem Schultheiß, eben diesem Pröbstle, eine Flasche Wein getrunken. .Als die Flasche leer war. sagte er zu Pröbste: „Du, Schultheiß, jetzt mußt du eine Flasche bezahlen!" Der Schultheiß aber bezahlte nicht. Sein Freund nnd Mitzecher erklärte ihn darauf vor allem Volk als Lumpen. Der Schultheiß stand auf, ging in seine Kanzlei und schrieb einen Strafbefehl wegen Beleidigung seiner ehrenwerten Person in Höhe von 50 Mark. Der also Bestrafte kam ins Rathaus und bat um gutes Wetter; der Schultheiß lief; sich erweichen und erklärte sich mit 20 Mark „für die Armen" zufrieden. Weil er aber offenbar selber der ärmste Mann von Steinenbronn war, ließ er die 20 Mark in die eigene Tasche verschwinden. Vor Gericht machte er geltend, dazu sei er Wohl berechtigt gewsen, denn niemand anderes als er selber sei doch beleidigt worden, und wenn der Andere eine Buße für seine Tat gezahlt habe, so könne diese doch auch niemand anderem als ihm, dem Beleidigten, zugute kommen. Der Schultheiß hatte gegen das Urteil Revision eingelegt, die aber vom Strafsenat des Reichsgerichts verworfen wurde.
Stuttgart, 10. Juli. (Todesfall.) Am Montag nachmittag ist im Alter von 73 Jahren der Seniorchef und Mitbegründer der Fa W. Wolf L Söhne in Untertürkheim, Kommerzienrat Adolf Wolf, gestorben. Er war einer der hervorragendsten Industriellen des Landes und hat es in Verbindung mit seinen 3 Brüdern verstanden, die Firma zu der bedeutendsten Baum- woll- und Putzwollefabrik zu machen. Bekannt war seine große Mildtätigkeit. Im Krieg stiftete er einen vollständigen Lazarettzug.
Geislingen a. St., 9. Juli. (Das 32. württ. Landesschießen.) Einen ganz ausgezeichneten Verlauf hat das Landesschießen genommen. Am Samstag abend fand im festlich geschmückten „Sonnen"-Saal das Festbankett statt, das den Höhepunkt der gesellschaftlichen Festlichkeit bildete. Unter den Ehrengästen bemerkte man neben den Honoratioren der Stadt Kultminister Bazille, den Ehrenprotektor des Landesschießens, als Vertreter der württ. Regierung, Generalmajor v. Matter vom Württ. Kriegerbund, Landesschützenmeister Hengerer und zahlreiche Gäste aus Stadt und Land. Bei der Uebergabe des von den Geislinger Schützenschwestern gestifteten Ehrenbandes für die Fahne sprach Frau Marie Haegele einen weihevollen Prolog. Oberschützenmeister Karl Haegele begrüßte sodann mit freudig bewegten Worten die Festversammlung und entbot herzlichen Willkomm. Hierauf richtete Landesschützenmeister Hägerer eine in innigen Worten gehaltene Ansprache an die Festversammlung. Der Protektor, Kultminister Bazille, überbrachte die Grüße und Glückwünsche der württ. Regierung, Oberbürgermeister Harrer entbot als Vertreter der Stadt herzlichen Willkommgruß. Weitere Grüße und Glückwünsche überbrachte Generalmajor v. Watter im Namen des Württ. Kriegerbundes, Regierungsrat Rieger als Vertreter des Oberamts, Rechtsanwalt Dr. Fischer namens der militärischen Vereinigungen der Stadt, H. Vaihinger für die im Hohenstaufengau zusammengeschloffenen Sängervereinigungen, Härdtle für die Sportler, Weckerlinie und Sanitätskolonne, Flaschnermeister Kolb für das Handwerk, Dr. Henzler für die bürgerlichen Gesellschaften und Vereine und Schützenmeister Ludw. Ströhle für die verwandten Schießvereine. Eine eindrucksvolle Feier erlebte man am Sonntag morgen am Kirchplatz, die feierliche Uebergabe des Bundesbanners des Württ. Landesschützenver-
ems zu Händen der Geislinger Schützengesellsckast fchützenmeister Deffner gab das Bundesbanner das' echt schwäbischer, treuer Schützenkameradschaft, das
linger Schützengilde seit dem 31. Landesschießen iM b-^t-
wahrung hatte, zurück an den Landesschützenmeister ^r° Fahne nahm und ausführte, daß die Reutlmger Sckiit^n?! Heiligtum treu bewahrt und es beim Bundesschießm München vorangetragen haben. Er sprach an Kultminm Bazille, an die Stadtverwaltung Geislingen und ihrem nü? Haupt, wie der ganzen Einwohnerschaft herzlichen Dan? und übergab sodann das Bundesbanner in die Obkiu»^ Schützengesellschaft Geislingen. Oberschützenmeister Karl ?? gele nahm das Banner entgegen und erwiderte, daß die linger mit Stolz es treu bewahren werden. Oberbürgermein- Harrer versicherte, daß der Fahne der würdigste Platz im Haus zugeteilt werde. Anschließend an die Uebergabe Es Bundesbanners fand im Hotel Sonne der übliche Scbük»»!v statt. H. Hengerer eröffnete die Versammlung, die in 2 ständiger Beratung das Geschäftliche erledigte. In AusM rung eines Beschlusses des letzten Schützentages erfolgte ems Verteilung von Ehrenurkunden an langjährige und verdien! Mitglieder und für hervorragende Schießleistungen. Das »i> Diplom erhielt der beste Schütze Württembergs, der let? jährige deutsche Meister, Wursterhausen-Cannstatt. Weit» Schriftführer Max Klein-Stuttgart, Schützenmeister Sontbei- mer-Tübingen, Oberveterinärrat Müller-Göppingen und Aet len-Heidenheim- Als nächster Festort wurde Jsnh, das i» nächsten Jahr ebenfalls sein 425jähriges Schützenjubilüu» feiern kann, gewählt. Ein Zeichen für den Geist und das M Einvernehmen, das bei den württembergischen Schutze- herrscht, ist die einstimmige Wiederwahl von Landesschütze«e meister Hengerer und des Landesausschusses. Anschließend aii den Schützentag fand dann ein gemeinsames Essen statt A« Nachmittag stellte sich der Festzug auf. Eine riesige Menschenmenge bildete in den Straßen Spalier und harrte erwartungsvoll des Zuges, der eine beträchtliche Länge hatte und großen Eindruck machte. Der Zug bewegte sich durch reich geschmückte Straßen von der Schul- und Eberhardstraße zum Schießhaus Beim Eintritt ins Lengental wurden die 23 Fahnen und Standarten mit einem Schützentaler am grünen Bande zur Erinnerung geschmückt. Auf dem Festplatz herrschte großer Betrieb. Der Schießbetrieb setzte am Samstag bei sehr reger Beteiligung wieder ein und hielt den ganzen Tag an. Meisterschütze von Württemberg wurde nach dem Ergebnis vom Sonntag u Gruppe A Robert Eblen von Stuttgart mit 430 Ringen und in Gruppe 8 Joseph Kohler-Calw mit 402 Ringen.
Metzingen, 10. Juli. (Tödlicher Unfall.) Sonntag abend ereignete sich auf der Straße Neuffen—Kohlberg ein Unfall, bei dem wieder einmal dem rücksichtslosen Fahren eines Motorradfahrers ein Menschenleben zum Opfer siel. Ein Wage» der Omnibusgesellschaft Hammer fuhr die fahrplanmäßige Strecke von Neuffen nach Kohlberg. Ein Motorradfahrer wollte den Omnibus überholen und lenkte sein Motorrad, weil die Straße zu eng und zu staubig war, auf das Bankett, so daß die Fußgänger gezwungen waren, auszuweichm. Zm gleichen Moment, als der Motorradfahrer nun den Omnibus überholt hatte und wieder auf die Straße fahren wollte, kamen 2 Radfahrer von Kohlberg her. Wilhelm Rehm, der eine der beiden Radfahrer, wurde von dem Motorradfahrer angefahren und auf die Straße direkt vor das daherkommende Auto geschleudert. Dem Lenker des Wagens gelang es aber, den Wagen sofort zum Stehen zu bringen, so daß der Gestürzte nicht mehr überfahren wurde. Dem Verunglückte» wurde jedoch bei dem Sturz aus die Straße der Schädel zertrümmert, so daß dadurch der Tod sofort eintrat.
Tübingen, 10. Juli. (Vom Zug überfahren.) Kaufmann Sontheimer aus Tübingen, der schon seit vielen Jahren Gan- oberschützenmeistcr des Schwarzwaldgaus und Vorstandsmitglied des Württ. Landesschützenverbandes ist und dem Gm- schießen in Ebingen noch vor wenigen Wochen Vorstand, beteiligte sich auch bei dem am Sonntag in Geislingen stattgefundenen Württ. Landesschießen. Auf der Heimfahrt von dort ist er Sonntag abend auf dem Bahnhof Plochingen dadurch tödlich verunglückt, daß er beim Verlaßen des Ulmer Zuges ein Gepäckstück liegen ließ, das er aus dem bereits rollenden Zug jedoch holen wollte. Er kam dabei unter die Räder, wurde geschleift und so schwer verletzt, daß nach etlichen Stunden der Tod eintrat. In Geislingen ist ihm noch die Ehre zuteil geworden, zum Ehrenschützenmeister ernannt zu werden Die ihm hierüber ausgehändigte Ehrenurkunde soll das zurückgelassene Gepäckstück gewesen sein und so ist diese ihm nun zum schrecklichen Unglück geworden. Der Verunglückte stans im Alter von 69 Jahren. _—
WWiWWWiW
M b i! llgzten PW ZenF
NN . . bei -
MEKM 0 UV.
äesl-edens
von, ». LlUii-isi^Ei'-k-ör'SU.
I.
Mit leisem Ton schlugen die silberhellen Regentropfen gegen die Verschalung des Außensimses und purzelten von dort aus den gepflegten Kiesweg. Ihrer Tausende aber impften von der breiten Freitreppe nach dem großen Rondell und küßten übermütig die Perlen, welche der mächtige Springbrunnen nach allen Seiten schleuderte.
Der Park lag in fröstelndes Grau gehüllt. Undeutlich verschwommen zogen sich die Taxushecken den ihn umfriedenden Wald entlang. Schloß Frauenstein lag abseits für sich auf einer Anhöhe. Weiter unten, etwa eine Viertelstunde entfernt, lag das Dorf gleichen Namens, langhingestreckt, mit einem unregelmäßigen Häusergewirr und einem Durcheinander von Gaffen und ELßchen, ln denen man bei Regenwetter fast bis a'n die Knöchel versank.
Sehenswertes gab es soviel wie nichts. Kirche und Schulhaus waren so eintönig als nur möglich. Auch das Kloster der Englischen Fräulein, welche die weibliche Dors- lugend unterrichteten, hatte mit seinem kahlen, nüchternen Steinbau so gar nichts Augenfreuendes an sich.
Nich:«desiov?eniger satz der kleine Perron des Bahnhofes bei Beginn der Ferienzeit ein buntes Gemisch von bleibenden und durchreisenden Sommergästen, denn Frauenstein war der Knotenpunkt für die herrlichsten Tagesausflüge Und da das Leben in den drei Gasthäusern immer noch billig zu nennen war gegenüber den teuren Hotels der benachbarten Stadt Paßourg, so zogen viele es vor, sich hier in Frauenstein für den Sommer häuslich einzumieten.
Trotz des Maien fröstelte man heute, und auf Schloß Frauenstein hatte der Diener den Kamin mit der Jahresuhr und der mächtigen Wolfsgruppe aus schwarzem Marmor aus dem Sims geheizt.
Eberhard von Hechingen erhob sich aus dem tiefen Klubsessel, in dem seine Gestalt ganz verschwand, ging nach der Ecke, in welcher die Feuerstelle' eingebaut war, und warf ein klobiges Buchenscheit in die Glut.
„Du wütest dich etwas weiter hierher setzen, Ruth! Hier ist es bedeutend wärmer," sagte er halb nach dem großen Erker gewandt, an dessen einem Fenster ein junges Mädchen saß.
„Ich friere nicht," gab ihre klangvolle Altstimme zurück.
Er zuckte die Achseln und nahm wieder seinen Platz neben Ruth im Erker ein Sorgsam tippte er die Asche seiner Zigarre in den Silberbehälter auf dem kleinen Rauchtisch vor ihm ab und verfolgte nebenbei, wie die schmalen Hände des jungen Mädchens die Seide durch den feinen Batist zogen.
Ein Lächeln zuckte um seinen Mund. Halb Wehmut, halb Sarkasmus. Er schüttelte den Kopf, wie um einen lästigen Gedanken abzuwehren, und schlug wahllos die Seite eines Buches auf, das auf dem Tisch lag.
Wieder trat dieses Lächeln in sein Gesicht.
„Höre. Ruth, was ein Weiser über die Frauen schreibt!"
Sie nickte, ohne aufzusehen oder auch nur die Hände ruhen zu lassen
„Hörst du auch, Ruth ?"
Abermals ein Nicken, aber sie sah, wie zur Bekräftigung desselben, eine Sekunde flüchtig zu ihm hin.
Mit scharfer Betonung las er: „Es gibt nichts An- ersorschlicheres als eine Frau. Wenn sie dich heut« liebt, bist du nicht sicher, ob sie dich nicht morgen schon Haffen wird. Sie spricht von Liebe; aber in hundert Fällen ist diese Liebe fünfzigmal Berechnung. Sie schwört dir Treue, entbindet sich aber skrupellos ihres Schwures, sobald er anfängt, ihr unbequem zu werden. Wenn sie die Arme um deinen Hals schlingt und dir finnbetörende Liebesworte zuflüstert, denkt sie womöglich an einen anderen, den sie vor dir geküßt oder nach dir küssen wird. Läßt du sie eine Stund« aus den Händen, so bist du nicht sicher, ob sie, wenn sie zu dir zurückkehrt, noch ganz oder nur zu einem Teil dein eigen ist."
Ruth hob den feingeschnittenen Kopf. Ihre Augen blitzten geradewegs in die des jungen Mannes.
„Wenn ich den Schreiber unter die Finger kriegte
Sie machte eine kaum merklich« Bewegung mit der Rechten.
Eberhard von Hechingen lachte belustigt aus.
„Aber es ist so. Ruth!"
Ihre Brauen zogen sich zusammen.
„Sprich du nicht von Frauen! — Oder ja! — Hat dih schon eine geliebt, die dich andern Tages haßte? — Nicht?
Gut. Hat dir schon eine die Treue gebrochen?"
„Ja!" sagte er und bohrte seinen Blick in den ihren.
Sie senkte wie schuldbewußt den Kops. „Wenn du das Treubruch nennst," sprach sie leise. „Leg' das Buch weg, Eberhard, ich will nichts mehr daraus hören."
Er klappte es gehorsam zu und trat an eines der hohen Bogenfenster. Die Stirne gegen die Scheibe gedrückt, sah er in das undurchdringliche Grau, das draußen vor ihm lag.
„Kennen möchte ich ihn doch!" sagte er, ohne sich nach Ruth umzuwenden, die wieder ihre Seidenfäden durch den Batist zog.
„Wen?" fragte sie.
„Den andern!"
„Welchen andern?" Ihre Stimme klang nicht ganz sicher.
„De« deine Kinder einmal Vater nennen werden!"
Er wandte sich plötzlich um und sah eine brennende Rote auf Ruths Gesicht.
„Du erlaubst dir etwas viel!" sprach sie, ohne ihn anzusehen.
„Bruderrecht!" warf er sarkastisch ein.
Eine Strähne ihres Haares hatte sich gelöst und ringelte sich eigenwillig um ihre Schulter. Er griff danach, wickelte sie um seinen Zeigefinger und bog sich daraus herab.
„Laß das!" wehrte sie unwillig.
(Fortsetzung lotgl^