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guts betonte; er ermohnte zur Vornohme geeigneter Versuche, um in der Bebauung deS Feldes Fortschritte machen und den alljährlich sich steigernden Anforderungen bezüglich der Stenern, Versicherungsbeiträge rc. gerecht werden zu können. Die Landwirte wurden oufgefordert, möglichst rationell zu Wirtschaften, die Dreifelderwirtschaft zu verlassen und eine zweckmäßige Fruchtfolge einzuführen. Um dies aber zu erreiche», müssen auch bessere Acker- bearbeitungswerkzeuge eingeführt werden uud empfahl er die Errichtung einer AuSkuuftstelle über Ankauf von landwirischvftl. Maschinen, Pflügen, Eggen 2 c. Bei der Frage der Düngung wies er namentlich auf die Notwendigkeit der Düngung mit Kalk, sowie darauf hin. daß gegenwärtig seitens der Härisfeld- werke in NereSheim Kalk zu Dungzwccken zu ganz billigem Preise angeboten werde, infolgedessen von mehreren Seiten Bestellungen hierauf gemacht wurden, so z. B. von der Darlehenskasse Neubulach. Insbesondere in den Waldgemeinden des Bezirks würde diese Düngung sehr vorteilhaft wirken und kann denselben die Anwendung von Kalk, sowie die Anschaffung von Düngerstreumoschtnen nicht genug empfohlen werden. Eine solche Maschine wurde bereits von den Laudwirten in Calw angeschafft und würde der landw. BezirkSverein gewiß Beiträge für die 3 ersten Maschinen verwilltgen. Der Vortrag wurde sehr beifällig aufgeuommen und stattete der Vereinsvorstand dem Redner für den sehr lehrreichen Vortrag, welcher gewiß zu neuen Versuchen und zur Vornahme von landw. Verbesserungen anspornen wird, den besten Dank ab.
Stuttgart, 16. Dez. Lebensmittelpreise in Stuttgart am 16. Dez.: Ochsenfleisch 80 A Rindfleisch 1. Qualität 75 II. Qualität 75 A Schweinefleisch 90 A Kalbfleisch I. Qualität 80 A, II. Qualität 75 Hammelfleisch I. Qualität 63 A, II. Qualität 53 A Rauchfleisch 1.10 gerauchier Sp-ck 1—1.20 Schweineschmalz (hieflgek) 80 A RinLschmalz 1.35—1.60 pr. -/, Kilo. Viktualien: süße Butter 125—1.30 saure Butter 1.10 bis 1.15 Erbsen 20—24 A Linsen 26—30 A Bohnen 20—24 A, Kartoffeln 3—5 ^.pr. V- Kilo, 10 frische Eier 80—85 A 10 Kalkeier 70 Ä; Wildbret und Geflügel:1Rehschlcge!3—5^L, 1 R-bziemer 5—7 1 Gans 4—5 1 Ente
2—2 50 1 Huhn 1.50—1.80 1 Taube
40—50 A Gemüse: Rosenkohl 15—20 Blumenkohl 20—50 A, Blaukraut 15—25 A, Wtnterkohl 12—20 A per Stück. Flußfische: Barben 70—80 A Beckfische 45—50 A Karpfen 90 A—1 Echuhpfijche 60—70 pr. Pfund.
Seefische: Schellfische 35 Kabliau 30 A Seeaal 30 A Seelachs 30 A Merlans 25 H per Pfund.
Stuttgart, 16. Dez. (Schwurgericht.) Ein Vorfall auf dem diesjährigen Volksfest bildete den Gegenstand der heutigen Verhandlung. Angeklagt eines V-.rbreckens des versuchten Todschlags war der 25jährige Schlosser Otto Thowä von Cannstatt. Der Angeklagte, der unbescholten ist, unterhielt mit einer Kellnerin ein Liebesverhältnis, das aber erkaltete, nachdem Thowä sein im Jahre 1901 ererbtes Vermögen von 11000 ^ durch- gebrachc hatte und zuletzt seine Geliebte mit Darlehen in Anspruch zu nehmen genötigt war. Am
Sonntag, 25. September, sprach er diese auf dem Volksfestplatz, wo fie in einer Wirtschaftsbude Dienste leistete, um ein Darlehen von 10 an, wurde aber abgewiesen. Nachdem er dem Mädchen wiederholt gedroht hatte, wenn sie kein Geld vergebe, steche er fie tot, zog er in der Tat sein Resser und versetzte ihr einen Stich in die Brust, der eine fünftägige Arbeitsunfähigkeit bedingte. Dessenungeachtet versöhnten sich die beiden sofort wieder und reisten miteinander in die Schweiz, wo der Angeklagte verhaftet und sodann auSgelief rt wurde. Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage nebst mildernden Umständen, worauf das Gericht auf 9 Monate Gefängnis erkannte, abzüglich 2 Monate Untersuchungshaft.
Reutlingen, 17. Dez. Dem Schafmarkt waren 4500 Schafe Angeführt. Der Handel war bei hohen Preisen lebhaft. Die Preise betrugen für Hämmel 65—73 per Paar, für Mutterschafe 60—65 per Paar, Lämmer 45—50 per Paar.
Heilbronn a.N., 15.Dez. (Schafmarkt.) Zufubr in 31 Herden mit zus. 3587 Stück. Davon verkauft 2473 Stück mit einem Gesamtwert von 62467 unverkauft blieben 1114 Stück. Bezahlt wurde für 1 Paar Lämmer 36—56 Hämmel 50—70 Göltschafe —, Brockschafe 50 50 A
Ebingen, 17. Dez. Ein Lehrling, der aus Versehen eine Petroleumlampe umgeworfen hotte, stürzte vorgestern abend gegen 10 Uhr, am Unterkörper brennend, auf die Straße. Er hatte jedoch die Geistesgegenwart sich in den Markt- brunnen zu werfen, worauf das Feuer verlöschte. Der Lehrling hat ziemlich starke Brandwunden davougetragen.
Ludwigshafen, 15. Dez. Zu dem Brandunglück ist nock folgendes zu berichten. Die Ablöschungsarbeiten find immer noch nicht beendet. Am meisten macht den Löschmannschaften die Stelle zu schaffen, wo der Meblspeicher gestanden hat. Unaufhörlich werden aus 3 Hydranten große Wassermassen in den gewaltigen Trümmerhaufen geschleudert, ohne daß eine merkbare Abnahme der Glut fetzzustellen wäre. Zu verwundern ist dies nicht, wenn man bedenkt, daß in dem Mehlspeicher 7000 Sack Mehl und 2000 neue Säcke gelagert haben sollen. Das Kesselhaus ist gleichfalls unversehrt geblieben, ebenso die abgesondert ausgestellte Maschine der Graupenmühle. Dagegen ist das Maschinenbaus für die eigentliche Mühle mit den großen wertvollen Dampfmaschinen zu je 1000 Pferdekräften und ein Elektromotor von etwa 3000 Volt Spannung, der vor kurzer Zeit ausgestellt wurde, durch ein gestürztes Mauerwerk vollständig zerstört. In dem abgebrannten alten Silo haben 60 000 Zentner Mehlgetreide gelagert, von dem nur die obersten Schichten vernichtet find. DaS übrige wird jedenfalls noch zu Fmterzwccken Verwendung finden können. Selbst in Mannheim macht sich heute noch ein durchdringender Brandgeruch bemerkbar.
Berlin, 16. Dez. Gouverneur v. Lindequist meldet aus Deutsch-Südwestafrtka, daß der
Witboigroßmaun Sebulon mit 105 Männern, 102 Weibern und 70 Kindern sich in Gibeo» eingestellt hat; eS find dabei von den Hottentotten 49 Gewehre, meist Modell 98, 21 Reittiere uud 105 Stück Kleinvieh abgegeben worden. Das Leben wurde nur denjenigen zugestchert, die nicht des Mordes überführt werden. Weitergehende Versprechungen feien den Leuten nicht gemacht worden.
Berlin, 16. Dez. Gouverneur Graf Götzen telegraphiert: Ssougea wurde am 29. vor. Mts. durch Mcjor Johannes mit der 8. und 13. Kompagnie entsetzt. Aus Mahenge liegen neue bedenkliche Nachrichten nicht vor. Die Detachements Frhr. v. Wangenheim und Graweit, zusammen 160 Mann, beabsichtigen zum Vormarsch auf Mahenge am 12. ds. die Vereinigung in Kungulis am mittleren Rufidji. Die 15 . Kompagnie unter Havptmonn Wunderlich marschierte am 12. ds. von Daressalam ab aus Morogoro mit Major v. Schleinitz, der mit der 5. und 15. Kompagnie eine endgültige Beruhigung des Berglands südlich Kilossa übernehmen wird. Oberleutnant Klinghardt ist nach BtSmarckburg zurückgekehlt.
Paris, 17. Dez. Gerückte von einem Attentat gegen den P ästdenten Loubet gingen gestern Abend durch die Stadt. Tatsache ist, daß auf der Etsenbohr-strecke von Merly, welche der Präsident von einem Jagdausflnge kommend, passierte, eine 500 Gramm schwere und 12 om lauge Büchse in einem Abteil zweiter Klasse gefunden wurde. Die Büchse war mit einer abgebrannten Zündschnur versehen und wurde den Behörden zur Untersuchung übergeben. Auf der Präfektur erklärte man, keine Information zn besitzen.
Moskau, 16.Dez. DieGährung unter der Moskauer Garnison führte infolge der schlechten und urzureichenden Kost und mehreren Verhaftungen zu offener Meuterei des Rostow'schen Grenadier-Regiments. Die Grenadiere befreiten gewaltsam die Verhafteten, versahen sie mit Waffen und Munition und stellten vor der Kaserne ein Maschinengewehr auf. Der Regimeutskommandant nahm seinen Abschied. Das Kommando übernahm ein von der Mannschaft gewähltes Komitö das aus 20 Personen bestand. Das Astrachansche Regiment schloß sich den Meutererd an. Die Kosaken lehnten es ab, die Revolte mit Waffengewalt zu unterdrücken. Obwohl der Telegrophen- und Postverkrhr fast vollständig hergestellt ist, wurde dennoch in der Nacht das gesamte neugewählte Bureau des Verbandes und des Dklegierten-Korigressks der Tklegrcphen- und Postbeamten verhaftet. Ebenso etu Dr. Stolkiud, in dessen Wohnung sich die Beamten bisher versammelte».
Petersburg, 16. Dez. Unter dem Vorfitz des Zaren fand gestern in der Zarskoje Selo ein MiuisterraL statt, in welchem wie es heißt, beschlossen wurde, die Durchführung der ange- kündiglen friedlichen Reformen zu beschleunigen, jedoch außerordentliche Maßnahmen zur Unterdrückung der revolutionären Bewegung zu ergreifen. Da der Regierung die Namen und der Aufenthalt der Führer der revolutionären Bewegung bekannt sind, dürfte deren Verhaftung bereits in der nächsten Zeit erfolgen.
da und sie ängstigt sich um Ihretwillen." Er sprach Mürrisch und mit gesenktem Blick.
„Gehen wir!"
.N-ir», erst sollen Sie mir sagen, was Hab« ich getan, Viola, was habe ich verbrochen?"
Er sprach leidenschaftlich und erfaßte ihre beiden Hände.
„Herr v. Bieneck I" 8« versuchte sich zu befreien; in demselben Augenblicke c-»er bedeckte Leichenblass« ihre Wangen, denn hinter ihr klang ein« tiefe, vorwufssoll und staunende Stimme zugleich: Viola!" Bieneck fuhr empor; er hotte ihre Hände freigelasim und wandte sich gegen Nordheim, denn er war eS, der eben den Kessel erreicht hatte.
„Woher kennen fie diese Dame?" fragte er hochmütig.
Nordheim stand mit zwei Schritten neben seiner Gattin.
„ES ist Frau v. Nordheim, meine Gemahlin."
Biencck taumelte zurück, als habe ihn ei» Schlag getroffen.
„Ist doS wahr? wandte er sich an Viola. „Nein eS kann ja nicht sein."
Diese stand regungslos mit gesenktem Haupt. Bieneck zögerte einen Moment.
„Dann muß ich nur um Vergebung bitten, gnädig« Frau." Er verbeugte sich und ging.
Nordheim hatte kein Auge von seiner Gattin gewandt. Er stand stumm neben ihr, ober namenloser Vorwurf sprach aus den dunklen Augen, die auf ihr ruhten.
Jetzt wandte sie sich ihm zu.
„Tante Lea wartet auf mich," sprach sie mit zitternden Lippen, dann brach sie in einen Tränenstrom aus. „ES ist nicht meine Schuld, warum ließest Du
mich allein. Ich konnte nicht wissen, wie schwer, ja unhaltbar die Stellung einer Frau in meiner Lage ist, Du aber konntest es wißen und hättest nicht ein- willigr» sollen."
Er antwortete noch immer nicht; dann, als sie erschöpft schwieg, reichte er ihr seinen Arm. „Ich will Dich zu Tante Lea führen."
Sie legte gehorsam ihre Hand auf seinen Arm. Nach einigen Schritten sah er, daß sie kaum gehen konnte. Schweigend legte er seinen Arm um ihre Gestalt und führte fie so langsam vorwärts. Endlich, ihr schien eS, alt seien Stunden verflossen, erreichten sie den Ort. wo Tante Lra geduldig harrend am Strande saß. Nordheim führte ihr Viola zu.
„Tante, Viola ist übermüdet, sie konnte kaum bis hierher gelangen, bitte bringen Sie sie sorgfältig nach Hause. Sie find wohl so gut, mir anzugebe», wo Sie wohnen."
Viola sah auf.
„In dem letzten der Bremer Häuser." Ihre Stimme war vollständig gebrochen.
Er lüftete den Hut, dann wandte er sich ohne «in weiteres Wort ab und schritt den Weg entlang, den sie eben gekommen waren.
Tante Lea war sprachlos. Wo war Bieneck geblieben? was war mit Viola vorgegangen?
Diese hatte sich aufgerofft. Ihre Züge waren bleich, die großen Augen sahen trostlos vor sich hin.
„Komm, Tante," sagte fie endlich, „die Flut steigt, wir müssen nach Hause." Damit schritt fie dem Wagen zu. Stumm verbrachte» Sie di« Fahrt; keine von Beiden hatte ein Auge für die prachtpolle Natur, die sich vor ihnen auSbrritrte.
(Fortsetzung folgt.)