Amts- und Auzeigeölatt für den Aezirk Halw.
80. Jahrgang.
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Dienstag, den Id. Dezember 1905.
Amtliche Aekannknachnrrgen.
Die Ortsbehörde»
werde« wiederholt angewiesen, Altertümer von kulturgeschichtlichem Wert z. B. Schwörstäbe, Wald- rottenfahnen u. dergl., nicht von den Rathäusern zu entfernen, ohne daß dem Herrn Landeskonservator vorher Anzeige gemacht wird. Vsrgl. Ministerial- Erlaß vom 27. März 1W2, Min.-Amtsbl. S. 153.
Calw, 14. Dezember 1905.
K. Oberamt.
Voelter.
Lagesneuigkeiten.
* Calw, 18. Dez. Der Jünglingsverein beging gestern abend im VereinShauS seine Weihnachtsfeier. Dieselbe bestand aus Gesängen, Btbelworten, Ansprachen, Deklamationen »ad einem Weihnachtsspiel. Letzteres Stück war betitelt „Die wahr« Weihnachtsfreude" und wurde von den Mitgliedern des Vereins sehr gut dargestellt. Ansprachen wurden von dem Vorstand des Vereins, Stadtpfarrer Schmid und von Pfarrer Burk gehalten. Die Feier war sehr zahlreich besucht und nahm einen sehr schönen, Herz und Geist erquickende« Verlauf. — Nar noch 8 Tage trennen uns von dem Weihnachtsfest. Ueberall gewahrt man große Vorbereitungen auf die fröhliche Feier, allenthalben steht man sowohl in der Familie wie in den Straßen Zurüstungen auf das Fest. Ja den Schaufenstern der Geschäftsleute zeigen die mit größter Sorgfalt vufgebauten prächtigen Auslagen das Herannahen des Festes zur Genüge an. Man trifft znm Teil sehr schöne Gegenstände und die Jugend wird nicht müde, stundenlang an den Schaufenstern zu stehen und die einladenden Gegenstände zu betrachten. Es lohnt sich aber auch ein abendlicher Gang durch die Straßen unserer Stadt;
bei hell erleuchteten Fenstern können alle Herrlichkeiten, die dem Beschauer der Ausstellungen verlockend entgegrnwittken, mit Muße bewundert werden. ES ist zu wünschen, daß die ausgestellten Sachen auch Käufer finden und daß von den hiesigen Einwohnern die WethnachtSgegeustände, die hier zu haben find, auch hier gekauft und nicht von auswärts bezogen werden.
^ Calw, 17. Dez. Unterm 7. Nov. 1894 haben erstmals der Gemeinderat und Bürgerausschuß in Stammheim an das Oberamt die Bitte gestellt, es möge in Anbetracht, daß in Folge der Feldbereinigung der Anbau von HandelSge- wüchsen in stärkerem Maße werde betrieben werden, mit der Stadtgemetnde Stuttgart Verhandlungen über Errichtung einer Latriuengrube in Althengstett einleiten, da von dort die Abfuhr und Absatzverhältnisse sich am günstigsten gestalten würden. Der landw. Bezirksverein hat hierauf diese Angelegenheit in die Hand genommen, Verhandlungen konnten aber erst im Jahre 1902 gepflogen werden, welche sich jedoch wieder zerschlugen well die Einwohner von Althengstett und Umgebung ein ganz geringes Interesse an der Sache betätigten. Inzwischen erkannten die Landwirte immer mehr den Wert der Latrine und stellten die dringende Bitte an den Vereinsvorstand Reg.-Rat Voelter wiederholt Schritte Hiewegen unternehmen zu wollen. ES wurde daher am 24. Nov. 1904 ein erneutes Gesuch an die Stadtgemeinde in Stuttgart seitens des Bez^-Vereins eingereicht. Die Stadtgemeinde stellte nun die Bedingung, daß die Gemeinden der Umgegend eine Abnahme von mindestens 30000 dl Latrine pro Jahr garantieren. Diese Garantie wurde in der Weise geleistet, daß hieran übernehmen die Gemeinde Althengstett 30 °/°, Gechingen 18 "/» Möttlingen 16 °/°, Neuhengkett 10 °/°, Ostelsheim 10 >, Ottenbronn 0,5 "/<>, Stmmozheim 14 "/<> und Stammheim 1,5 °/°. Die Stadtgemeinde Stuttgart
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garantierte ihrerseits die Zufuhr von mindestens 30 Eisenbahnwagen im Monat oder von 32 400 dl im Jahr. Diese Garantiezeit dauert 15 Jahre. Sollten weniger als 30000 KI bezogen werden, so find für den Ausfall 10 A pro dl an die Stadt Stuttgart zn vergüten, wobei sich eine Ausgleichung innerhalb einer 3jährigen Periode Vorbehalten worden ist. Der landw. Bez.-Beretn hat sich veranlaßt gesehen in das Mittel zu treten und eine Garantiesumme von 1000 zu zeichnen, welche in erster Linie für den Fall des Minderbezugs in Angriff genommen werden soll. Znr Regelung des Betriebs der Grube, soweit solcher die Verbauds- gemeinden betrifft, wird ein Ausschuß bestellt unter dem Vorsitz des Vorstands des landw. Bezirksvereins. Sollte die Stadtgemetnde Stuttgart den Betrieb der Grube verlassen, so fällt sie in das Eigentum der Gemeinde Althengstett zurück, welche den erforderlichen Grund und Boden hiezu znr Verfügung stellt; der Betrieb der Grube erfolgt sodann durch die 8 Ver- bandSgemeindeu unter Aufsicht und Leitung des landwirtschaftlichen Bezirksvereins. Am 16./30. November d. IS. wurde der diesbezügliche Vertrag von den Gemeindekollegie« in Stuttgart genehmigt und wird nun in Bälde der Bau der Grube, welche 14 400 kl fassen und 30 000 kosten wird, in Angriff genommen werden. Die Landwirte der Umgebung find über diese Errungenschaft sehr erfreut und hoffen zuversichtlich, ihren Betrieb intensiver gestalten und dem Boden dadurch größere Erträge abgewinnen zu können; insbesondere wird auch den Obstbäumen mehr Dünger als bisher zugeführt werden können, was deren Ertrag gewiß erhöhen wird. Am 30. November hielt Hr. Gutspächter Brenninger vom Hofgut Georgenau einen sehr interessanten Bortrag über den Anbau und die Pflege der Kulturpflanzen, wobei er auch die notwendigen Maßnahmen der Ackerkultur und Düngung, sowie die Beschaffung eines guten Saat-
Das gnädige Fräulein. »
Roman von W. v. Reiten.
(Fortsetzung.)
„Sie wissen ja, ich bin Wachs in ihren Händen. Sagen Sie mir nur, wen können Sie nicht nach Belieben um den Finger winden; giebt es solch einen Menschen in der Welt?"
Viola erhob sich. Ihre Füße zitterten. Zum erstenmal kam ihr der Gedanke, daß ihrem Gatten die Fesseln, die sie täglich bejammerte, auch lästig sein könnte». Sie warf noch einen Blick auf die beiden, dann schritt sie mit schwellendem Herzen davon. Im nächste» Augenblicke aber bemächtigte fich ihr eine gewisse Schadenfreude. Nicht sie allein litt und kämpfte, auch er. Sie hatte fich längst etngestauden, daß sie ihm mit jenem Vorwurfe unrecht getan, bitter unrecht, aber was lag daran, war es nicht besser sie lebte» getrennt von einander? Sie liebte ihn nicht, sie haßte ihn und er sie. Sie hatte genug gesehen, anch er sehnte fich nach seiner Freiheit um jenes Mädchens willen mit dem rotgoldig schimmernden Haar und den braunen Kinderangen.
Mein Gott, Viola, was ist Dir zngestoßeu; hast Du einen Geist gesehen?"
Sie fuhr aus dem Gedanken empor, denn Tante Lea hielt sie am Arm fest und Herr v. Bieneck blickte besorgt in ihr blasses Gesicht.
„Du stürmst wahrhaftig an uns und Deiner Wohnung vorüber; wohin wolltest Du denn?"
„Pardon, Tante, ich war in Gedanken, ich hätte wohl gleich meinen Irrtum bemerkt und wäre zurückgekehert. Guten Tag, Herr v. Bieneck!"
„Sie find krank?" Botho erfaßte ihre Hand. „Dann unterbleibt wohl die Fahrt «ach dem Lenchtturm, die Ihre verehrte Tante und ich eben besprochen haben?"
„O nein, ich bin ganz wohl und sehne mich schon lange, den Leuchtturm zu besteigen. Auf Wiedersehen!"
„Viola, hast Du ihn gesehen; hat er Dich erkannt?"
„Nein, ich bitte Dich, Tante, Du behandelst mich als hätte ich etwas Irrsinniges getan!"
Tante Lea schwieg; im nächsten Augenblicke aber bereute Viola ihre ungeduldigen Worte.
„Vergieb mir, Tante, ich bi» so schlecht, so launenhaft geworden, habe Geduld mit mir!"
„Aber Kind, rege Dich nicht auf!" Die alte Dame strich zärtlich über ihre Wange. „Man wird doch nicht jedes Wort auf die Goldwage legen."
„Du bist so gut!" Viola erfaßte ihre Hand und zog sie an ihre Lippen. „Aber noch eine Bitte l nicht wahr, Du läßt mich nicht allein mit Bieneck, ich fürchte mich vor ihm."
Der Nachmittag war beinahe verflossen; Tante Lea war aus den Leuchtturm hinauf gekeucht. Dann hatte Botho propouiert: „Gehen wir die weiße Düne nach dem gegenüberliegenden Strande, dort kann der Wagen ans erwarten."
Viola hatte fich heute fast nicht am Gespräche beteiligt, wie in den ersten Bekanntschaften mit Botho v. Bteneck. Dieser hatte sie anfangs verstohlen beobachtet, dann hatte er fich ganz Tante Lea gewidmet.
Die weiß« Düne war ei» hügeliger, mühevoller Weg. Viola verlangsamt« ihren Schritt und endlich blieb sie einen Augenblick stehe». Sie war hier in «inen kleinen Kessel eingeschlvssrn von allen Sitten. Tante Lea und Bieneck waren längst ihren Blicke« entschwunden. Plötzlich stand der letztere wieder vor ihr.
„Ihre Tante sendet mich; wir habe« den Strand erreicht, der Wagen ist