waren anläßlich des Jahresschlusses feierliche Gottesdienste; in der evangelischen Mrche wurde derselbe verschönt durchwein herrliches Gesangssolo von Frau Hauptlehrer Fleig. Die Sän­gerin überraschte durch ein wohlklingendes Organ, das vorzüg­liche Schule bei einwandfreier Aussprache aufwies. Als kurz vor 12 Uhr die Kapelle des Mnsikvereins welche bis dahin im Schiff" konzertierte, «»marschierte, belebte sich der Marktplatz, und an Len Fenstern der ihn umsäumenüen Häuser zeigten sich vielfach die Bewohner, um den Borträgen der Kapelle zu lau­schen. Mit dein Schlag 12 Uhr setzte feierliches Glockengeläut«: ein, allenthalben erfolgte die übliche Beglückwünschung. Leider wurde die Zuhörerschaft bitter enttäuscht, denn nach'nur einem Musikvortrag zog d>c Kapelle wieder ab, sehr zum Leidwesen derer, die ihr mit Aufmerksamkeit lauschten. Was wohl die Kapelle dazu veranlasse? Wir hörten, dag das Schießen sie zu dieser Maßname bewog; aber es war, wie schon bemerkt nicht übertrieben, und das muß nur diese' Zeit immer in Kauf genommen werden. Jedenfalls wavsn die Mitglieder des Musik- vereins und solche, die sich aubshem Marktplatz» eingefunden hatten, bzw. um den Marktplatz ysrum wohnten und sich auf die Borträge freuten, in ihren ^Erwartungen getäuscht. Der Gottesdienst in der evangelischst Kirche zeigte .starken Besuch. Altem Herkommen gemäß sang.derLiederkranz" und machte durch den schönen Vortrag des HüdesNäher mein Gott zu dir" (besonders bekannt durch dem»- seinerzeitigiem unheilvollen Untergang des englischen SchissesTitanfl'rtzckEn besten Ein­druck. Dekan Tr. Megerlin letzte nebelt -vem Predigttext Jes. 6, Vers 5, namentlich die;e Worte- seiner gehaltvollen Predigt zu Grunde, welcher die Gemeinde andächtig lauschte. Das nicht zu kalte Wetter ermöglichte kurze Spaziergänge. Nachmittags von -t Ul;r ab fand in der Turnhalle die Weih­nachtsfeier der katholischen Kirchengemeinde statt, auf welche wir noch zurückkommen.

Neuenbürg, 2. Jan; Weihnachten und Neufahr sind vor­über. Bei dieser Gelegenheit möchten wir nicht unterlaßen, auch derer zu gedenken, die ims das ganze Jahr hindurch mit anerkannter Zuverlässigkeit Briefe und Zeitungen ins Haus bringen: Der Briefträger und der Zeitungsträgerinnen. Un­entwegt und unbekümmert um die Unbilden des Wetters tun sie ihre Pflicht. Vielleicht geben diese Zeilen Veranlassung, auch ihrer durch eine Gab? dankbar zu gedenken.

(Wetterbericht. Die Wetterlage wird zwar augen­blicklich noch vom nördlichen Hochdruck beherrscht, Loch rückt von Island eine Depression heran. Die Temperatur wird deshalb steigen und für Dienstag ist bewölktes, auch zu Niederschlägen geneigtes Wetter zu erwarten.

x Birkenfeld, 1. Jan. Der Sylvesterabend ist hier in üb­licher Weise verlaufen. Um 8 Uhr war Sylvestergottcsdienst, welcher gut besucht war. Auch der voriges Jahr neu einge- sübrtc Brauch, die Abhaltung einer Sylvester-Andacht um die Zeit der .Jahreswende Beginn um )ft12 Uhr. wurde beibehal- Len. Vielleicht hat dieser Umstand dazu beigetragen, daß der Uebergang ins neue Jahr so ruhig verlief, wie wohl noch me. Außer dun Knusten von sogen. Fröschen und Schwärmern und einigen Schüßen erdröhnte nur ein mächtigerKanonen­schlag", dessen Knall weithin hörbar war. Die Feucrwehr- kapelle verschönte die Nacht durch Vorträge von Chorälen und andern passenLen Musikstücken. Mögen die feierlichen Klänge, Lie nun wiederum ein neues Jahr begrüßen, frohen Wider­hast wo immer sie tönen: ein gesegnetes, glückliches

neues Jahr!

Württemberg.

Wrmstzeim OA. Lconberg, 31. Dez. (Gewissenlose Tierquälerei.) Metzger Friedrich Kohlstetter von Wimsheim, dessen Anwesen kürzlich zum zweiten Male zwangsweise verkauft werden mußte, hält sich nun chon etwa drei Tage in Pforzheim auf und ließ in der Zwischenzeit eine beiden vorher schon ausgehungerten Pferde ohne Wartung und Fütterung in einem großen kalten Stall ohne Streu stehen. Durch Zufall kam die Polizei auf die unglaublichen Zustände. Die Pferde waren am Verhungern, eines lag am Bode», elend, schwach, am ganzen Körper ausgefallen und aufgelegen, steif und halb erfroren, sodaf; die Orispolizeibehörde auf Veranlassung des Ortstierarztes die sofortige Notschlachtung agordnen mußte. Das andere Pferd, ebenfalls ganz abgemagert, erschöpft und am Verhungern, mußte einem Nachbarn in Wartung und Pflege gegeben werde», um es noch zu retten. Die T'ere hatten in der Verzweiflung ihren eigenen Kot gefressen und die Tröge abgenagt. Die La idjägermannschcßt hat sofort gegen Kohl­stetter Anzeige wegen schwerer Tierquälerei erstattet.

Stuttgart, 31. Dez. (Stcuereinzug durch Poftnachnahme.) Der Württ. Handwerkskamniertcig ist entsprechend eine»! Wunsch des Landesverbands Wiirtt. Gewerbevereine an das Landesfinanzamt bctr. Steuereinzug durch Postnachnahme hernngetreten. Das Landesfinanz­amt hat nf die Eingabe folgenden Bescheid erteilt:Die Einführung des Postnachnahmeverfahrens so!! keine Verschärfung des Eteuerein- zugs bedeuten; sie bezweckt vielmehr lediglich eine Vereinfachung der Erhebung für den Steuerpflichtigen und das Finanzamt, ins­besondere ist durch dieses Verfahren keine Aenderung in den Grund­sätzen iiber die Stundung von Steuern, deren sofort ger Einzug für den Steuerpflichtigen eine erhebliche Härte bilden würde, eingetreken. Es bleibt den Stevervsstckstaen auch fernerhin nnhe>-o nnien, Stun­

dung von Steuerbeträgen, zu dercn Zahlung sie im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht in der Lage sind, zu beantragen. Da jedoch dem Postauftrag eine Mahnung nicht vorausgeht, empfiehlt es sich, Stun- dungsgesuche alsbald nach Eintritt der Fälligkeit der Steuer bei dem Finanzamt einzureiche».

Stuttgart, 31. Dez. (Benachrichtigung bei Vergebung von Ar­beiten.) Echo» im Frühjahr hat sich der Württ. Handwerkskammer­tag mit dem Bund Deutscher Architekten in Verbindung gesetzt, weil Beschwerden darüber eingelaufen sind, daß Architekten bei Vergebung von Arbeit^den nicht berücksichtigten Handwerkern keine Antwort zugehen Daraufhin hat der Bund Deutscher Architekten Be­

zirk WüWMsserg mitgeteilt', daß auch er es für richtig halte, daß bei Vergebungen die nichtbeZicksichtigten Handwerker benachrichtigst werden. Es ist dies auch wohl bei den meisten besseren Firmen üb­lich, doch gibt es eine Menge Bnutrcibender, die nicht den» Verband angehören, die diese geschnstiiche Rücksichtnahme nicht nehmen. Diesen Herrn gegenüber können wir natürlich nicht auftreten und wäre es zu begrüßen, wenn die Handwerker und die Bauherrn bei Bauten auf die bei unserem Verband angcschloßenen Kolleg n Rücksicht nehmen würden.

Stuttgart, 31. Dezbr. (Ein Württemberger in Paris verhaftet.) Nach einer Blüttermetdung handelt es sich bei den» in Paris ver­hafteten Koch um einen jungen württ. Lehrer, der infolge der Ueber- füiiung in serncm Berufe in Württemberg nicht ankommen konnte und sich deshalb beurlauben ließ. Koch ist seit drei Fahren bei einer Firma von Weltruf beschäftigt und da er ausgezeichnete Sprach- kenntnisse besitzt, aus deren Pariser Büro tätig. Wie weiter bestätigt ivird, ist dem Verhafteten, der in seinen Bekanntenkreisen als red­licher, charaktervoller Mensch geschätzt ivird, eine Veruntreuung nicht zuzutraucn. Man versinkt also in Paris anscheinend wieder einmal auf de», Ilmwege über sog. Hnndelsfpionage die unangenehme Ge- schästskonkurcenz zu beseitigen.

Stuttgart, 1. Jan. (Breuninger baut ein Hochhaus.) Die Fa. E. Breuninger A. G. will auf den, 1911 erworbenen früheren Böh- ringerschen Besitz, der mehr als ein halbes Dutzend Häuser an der Markt-, Karl- und Wagnerstraße umfaßt, einen Hochbau erstellen. Sobald das- Projekt genehmigt ist, soll mit dem Abbruch der Häuser ln gönne» werden. Zu den Häusern, die abgebrochen werden müssen, gehört, wie der Schwäbische Merkur berichtet, auch das bekannte Gasthaus zur Glocke.

Heilbr im, 31. Dez. (Angefrorcne Fische.) Ein außergewöhn­liches Naturschauspiel konnte ge iern morgen am Neckar entlang gegen Neckargartach zu beobachtet werden. Infolge der Kälte sind die Ränder des Stauwerks zugefroren. Durch die föhnwarme Witterung an den Weihnachtstagen haken zum Teil verschiedene Züge Karpfen ihr Winterlager verlassen und kamen an die flachen und warmen Ränder der Niederungen, wo sie bei dem plötzlich einsetzenden Frost­wetter mit den Flossen festfroren. Die noch dünnen Eisschollen wurden durch die Wellen der Schiffe zum Teil an Land geworfen und ganze Scharen von Raben machten sich nun mit viel Gekrächze daran, die dranhängenden Fische zu ergattern, auch fünf Wildenten wurden be obachtet, die bei Näherkomiven mit lautem Fitigelrauschen davonstobcn.

Tübingen, 1. Jan. (Amtseinführung.) Der neue Stadtvorstand Schees wurde am letzten Tage des Jahres in Gegenwart des Ge- meindernts, der städt. Beamten, sowie von Vertretern der Universität und sonstiger Behörden feierlich in sein Amt eingesetzt. Oberrcgie- rungsrat Hasel von der Ministerinlabteilung für Bezirks- und Kör­perschaftswesen vollzog die Veeidigung und Amtseinsetzung. An diesen feierlichen Akt schlossen sich Glückwunschansprachen. Oberbür­germeister Schees dankte'und versicherte, er werde stets bemüht sein, die auf ihn gesetzten Erwartungen nach Kräften zu erfüllen. Er schloß mit herzlichen Wünschen für Tübingen und seine Zukunft.

Tübingen, 31. Dez. (Zum Oberbürgermeister ernannt.) Durch Entschließung des Staatsministeriums ist dem Stadtschultheißen Schecf anläßlich seiner Amtseinsetzung der Titel Oberbürgermeister verliehen worden. Der Stnatspräsideüi hat den Bczirksnotar in besonders wichtiger Stellung Schees seinem Ansuchen gemäß aus dem Staats­dienst entlassen.

Tübingen, 31. Dez, (Altmeister Fohannes Henne gestorben.) Ain 20. Dez. starb in Tübingen im Alter von über 80 Jahren der Altmeister des Tübinger Schuhmacherhandwerks und Ehrenmitglied der Schuhmacher-Innung Johannes Henne. Er war der Vater des Landtagsabgeordneten Finschncrmeister Henne.

Schömberg, OA. Rvtnveil, 1. Jan. (Tod in der Fremde.) Aus Amerika kam dieser Tage die Nachricht, daß die 58 Jahre alte Sophie Riedlinger, Tochter des verstorbenen Richard Riedlinger in­folge eines Unfalls (sie wurde von einem Auto überfahren) gestorben ist. Die Verunglück!? ist schon mehr als 30 Jahre in Amerika, hat sich ein bedeutendes Vermögen crivorben. Man spricht von zirka 200000 Dollar. Ais Erben kommen ei» verheirateter Bruder und drei verheiratete Schwestern, die alle hier in Schömberg ansässig sind, in Betracht.

Schelklingen» OA. B'aubeuren, 31. Dez. (Zündelnde Kinder.) Gestern nachmittag brach in der Feldscheune des Joses Dreher hier Feuer aus. Wie Augenzeugen berichten, spielten zwei Knnben von vier bis fünf Jahren in. der angebauten Wagenremise mit Feuer. Sobald das Gebäude in Flammen stand, suchten die Knirpse das Weite. In der Scheuer hatte Dreher die meisten Futtervorräte, Wagen und Maschinen. Nur das Wern,sie an Inventar konnte gerettet werden. Als die Feuerwehr erschien, stand alles in Flammen und man konnte nur noch die gefährdeten Nachbarhäuser retten, Lie bereits aeräumt wurden.

Baderr.

Heidelberg, 31 . Dez. Das Schöffengericht verurteilt« de« Schutzmann. Jakob Winter von Nußloch wegen Körperverlet­zung im Amte und seinen Sohn Ludwig Winter wegen Beihilfe zu vier Monaten Gefängnis bzw. 150 Lstark Geldstrafe oder li» Tagen Gefängnis, Winter hatte im Oktober bei einem nächt­lich?» Rundgang angebliche Ruhestörer, darunter. einen Ge­meinderat, in straft.-er Weise mit dem Gummiknüppel trak­tiert, wobei ihm sein Sohn BeistanL leistete. Die Beweisaufnah­men der 17 Zeugen ergab, daß Winter von seinen Rechten z« viel Gebrauch machte und auch auf Unschuldige einschlug, waS hauptsächl.ch eine Folge seines angetruntenen Zustandes war.

Ocdsbacy <Oberkirch), 31. Dez- Im hiesigen Bergwerk wurde der Bergmann Michael Hoferer vom OeLsbach-Dörfle tu einem Stollen von einer einstürzenden Wand hängenden Ge­steins verschüttet und so schwer verletzt. Laß er nach einer stunde verschied. Ein mit ihm arbeitender Kamerad namens Kimmig aus Lautenbach konnte sich mit knapper Not durch einen geschickten Sprung über den Fürderkarren hinweg aus der Gesahrzone retten. Sein gleichzeitiger Warnungsrus an de« Kamerad Hoferer kam leider zu spät.

500 Einbrüche etngcstmrdsn. Als vor etwa drei Wochen die Berliner Kriminalpolrzei zwei Verbrecher verhaftete, glaubte sie, zwei Aken scheu von der Durchschnittesorte dieses Schlages vor sich zu haben. Die Vernehmung der beiden, des 32 .Jayre alten Polen Burskl und des 36jäyrigen Russen Novikow, ha­ben jedoch zur allgemeinen Ucverraschung ergeben, daß man da zwei Einbrecheryäuptlinge allergrößten Kalibers dingfest gemacht hatte. Ihr Sündenregister ist so umfangreich, daß man auf dem Polizeipräsidium gar nicht so schnell vereil war, dem Geständnis der beiden Verbrecher zu glauben. Die in­zwischen erfolgten Ermittelungen haben jedoch bestätigt, daß die Einbrecher nicht renommiert haben. Es handelt sich um die Anführer von Verbrecherkolonnen, die ihr Gewerbe durch viele Jahre betrieben. Oft genug wurden Mitglieder der Kolonne verhaftet, doch gelang es stets, Lie entstandenen Lücken rasch wieder aufzufüllen. -Mehrere Male wurden die beiden Häupt­linge ergriffen, verurteilt und in das Zuchthaus eingeliefcrt, doch gelang es ihnen immer wieder, sehr schnell auszubrechen. Sie beschränkten sich bei ihrer Beute durchaus nicht auf Ber­lin, sie zogen vielmehr durch das Reich, dehnten ihre Fahrten sogar bis nach Polen aus. Heute wissen sie selbst nicht mehr, wo sie überall Einbrüche verübt haben. Novikow beschuldigte seinen Komplizen, in Schlesien vor etwa einem Jahre eine alte Frau beraubt und getötet zu haben. Ob diese Beschuldigung zu recht erhoben wurde, wird zur Zeit von der Kriminalpolizei geprüft. Jedenfalls haben Lie beiden Einbrecher-Häuptlinge schon jetzt freiwillig gestanden, daß sic innerhalb der letzte» sechs Jahre an die 500 größere und kleinere Einbrüche verübt haben.

Wegen Kmdernwrdes verurteilt. Vor dem Hamburger Schwurgericht hatten sich der Drogist Augustin Inst und deßen Ehefrau unter der Anklage zu verantworten, am 23. 'April d. I. ihre beiden Kinder vorsätzlich und mit Ueberlegung getötet zu haben, als sie beschlossen hakten, gemeinsam durch Giftselbst- mord aus dem Leben zu scheiden. Als die beiden Kinder tot waren, hatten auch die Eltern Gift genommen, doch stellte sich Erbrechen ein, so daß sie selber am Leben blieben. Die Ver­handlung gegen die beiden Angeklagten heckte schon ein­mal am 27. August stattgefunden, konnte aber nicht zu Ende geführt werden, weil das Gericht die Einführung eines Ober- gutachtens über den Geisteszustand der Angeklagten beschloß. In der heutigen Verhandlung bezeichnet« der Obergutachter Professor Dr. Wehganü es als möglich daß die Angeklagten sich zurzeit der Tat in einem geistigen Zustand befunden haben könn­ten, der die klare Ueberlegung ausgeschlossen habe. Trotz dieses Gutachtens beantragte der Oberstaatsanwalt gegen Lie Ange­klagten Gefängnisstrafen von je vier -Jahren unter Hinweis darauf, daß die von dem Gutachter angedeutetcn Einflüsse nicht geistige Störungen im Sinne des 8 51 seien. Das Urteil lautete aus je 18 Monate Gefängnis unter Zubilligung mildernder Um­stände im weitesten Sinne. Auf ine Strafe wurde ferner die Untersuchungshaft von acht Monaten voll angerechnet und das Ehepaar Just vorläufig aus der Hast entlassen, wobei die Ge­legenheit zur Erreichung des Gnadenerlasses gegeben ist.

Schweizer Antrag auf weibliche Dienstpflicht. Ein vergnüg­liches Lächeln auf die Gesichter der Schweizer Ratshcrren z« legen vermochte ein biederer Züricher Bürger, der eine Petition einreichte mit der Grundforderung, es seiAufgabe des Staa­tes, dafür zu sorgen daß die Frauen wieder ins richtige Geleise kommen". Zu diesem Zwecke unterbreitete er dem Parlament den Antrag, -die weibliche Rekrutenschule, auf gesetzlicher obliga­torischer Grundlage einzuführen. Dabei dachte sich der Verfasser die Sache so: Allen Schweizer Mädchen siebt die Rekruten­schule ohne Unterschied des Standes usw. sin Alter von 20 bis 22 Jabren offen, und es werden ihnen unentgeltlich die Nah­rung, die Kleidung Wohnung und Unterkunst auf Kosten des Staates gegeben. Dabei könne es sich aber nur um kerngesunde.

VON» U.S st! ci S.

1. Fortsetzung. Nachdruck verboten.

Piniidcrnd schritten sie dem Ausgange zu. Dort trafen sie Lnchwoldt mit seiner Tvch'er. die damit beschäftigt war. dem Pferde vor ihrem Jagdwagen Zucker zu geben und es zärtlich zu klopfen Wohlgefällig betrachtete Freesen das anmutige Bild, dann jagte er:Na, Buchwaldt. meine Gerda will euchguten Tag" jagen! Tag auch, Kathrin- chen, gute Einkäufe gemacht? Mädel, Sie verwöhnen >a den alten Schimmel, der ist schon jo fett und jaul! Aljo Gerda, du kennst doch Käthe Buchwaldt noch? Ihr habt doch früher zusammen gejpielt!"

Prüfend sahen sich die beiden Mädchen an. Gerda musterte etwas geringschätzig das einfache, dunkelgraue Lo­denkostüm der andern.

Natürlich kenne ich die braunlockige Gerda wieder! Wie es mich freut, dich wiederzusehen." jagte Kathrine mit ihrer klangvollen, tiefen Stimme, und streckte Gerda herz­lich ihre große, aber schön geformte Hand entgegen Etwas zögernd legte diese ihr fein behandschuhtes Händchen hinein und entgegnete:

Auch ich erkenne Fristet« von Buchwaldt wieder übrigens sahen wir uns in Halle nicht schon auf dem Bahnhöfe?"

Sehr wenig herzlich klangen diese Worte auf das freundliche Entgegenkommen der andern, in deren weißes Gesicht eine dunkle Röte stieg Sie preßte verletzt die Lip­pen einen Augenblick fest zusammen, ehe sie sehr ruhig und sehr höflich erwiderte:Allerdings auch ich sah Fräulein von Freesen Sie fuhren aber erster Klaffe, während ich die dritte WagenNaffe benutzte!" Dann in ganz anderm Tone:Hast du alles, Vatting? Dann können wir ja fah­

ren" Mit einem stummen, sehr kühlen Gruß verabschiedete sie sich von Gerda, während sie deren Vater herzlich die Hand gabmeine Empfehlung zu Hause!" Das große, schöne Mädchen bestieg ohne Hilfe'dest Wagen, ergriff die Zügel, ein leiser Schlag mit der Peitsche, und eilig rollte das Gefährt davon.

Das ist doch unerhört," stieß Gerda hervor.

Nicht ohne Verlegenheit stand der Baron da; jetzt aber sagte er ernst:Nicht so unerhört, mein Kind, du bist sehr wenig freundlich gegen Kathrine gewesen."

Auch noch Vorwürfe Kathrine, wer ist Kathrine? Und wie sie geschmacklos angezogen war! Ich habe nicht Lust, mit jeder ersten besten Brüderschaft zu halten," snt- gegnete sie, hochmütig die Achseln zuckend.

Kathrine von Buchwaldt ist keine erste beste, mein Kind! Im Gegenteil, sie als Freundin zu haben, kann sich jeder glücklich schätzen; ich erzähle dir mehr von ihr. Jetzt steige auf, dein Gepäck muß ja gleich kommen da ist's schon so. nun kann's losgehen. In einer halben Stunde sind wir zu Hanse!"

Etwas verstimmt noch saß das junge Mädchen neben , ihrem Vater, der mit sicherer Hand die Füchse lenkte. Der frische Märzwind riß und zerrte an Gerdas Schleier und Hut, den sie mit beiden Händen festhalten mußte.

O weh, da hätte ich doch lieber den geschloffenen Wagen nehmen sollen, wie Mama riet aber ich wollte gern, daß du Lie Heimat vßji allen Seiten sehen und die Heimat­luft frei fühlen solltest. Warte nur, wenn wir nachher durch die Tannen fahren, wird es schon bester. Willst du nicht so lange deinen Kragen umtun?"

Laß nur, Pa', ich bin keine Zierpuppe, wie du zu denken scheinst," entgegnete sie etwas kurz. dann famose Gäule! Warum siehst du mich so verwundert an? Glaubst du, ich verstehe nichts von Pferden?"

Wirklich, Gerda, hast du Interesse dafür?"

Aber natürlich! Wundert dich das? Hab' ich mich so verändert?"

Ja. Kind, du hast dich verändert, wenn du mich fragst? Vielleicht weißt du es selbst nicht. Und laß dir sagen, es war ein Fehler von mir, daß ich dich so lange der Hei­mat serngehalten habe."

Ich wäre aber hier vor Langeweile gestorben."

Nein, Gerda; wenn du richtig hättest hier leben kön­nen. nicht! So bist du nur ausschließlich im Elternhauie gewesen hast selten mit andern Kindern ipielen dürfen: du könntest dich schmutzig machen! Leider Gottes Hab' ich der Mama immer nachgegeben, und so ist es gekommen, daß wir uns innerlich so fremd geworden sind, ich glaube gar. du hast deinen Vater nicht mehr lieb; er ist dir zu einfach, zu bäuerisch."

Aber Papa, wie kannst du so reden" sie bog ihr reizendes Gesicht zu ihm und sah ihm lächelnd in die Augenich Hab' dich sehr lieb! Aber siehst du. ich bi» nun verwöhnt und Hab' einen Widerwillen gegen alles Unschöne, Niedrige, Ordinäre ich liebe den Komfort, die Eleganz, gerade wie Mama, die sich doch auch nicht wohl aus dem Lande fühlt. Bei ihr ist's allerdings kei« Wunder, da sie Hofdame gewesen ist."

Nun ja. mit Mama ist das etwas anderes! Deshalb brauchst du doch nicht ebenso in dieser Hinsicht zu suhle». Auf dem Lande gibt es nichts Unschönes und Ordinäres da ist alles Natur und Natur ist nie unichön Mit Absicht will ich gleich jetzt mit dir über verschiedenes rede», damit du darüber Nachdenken kannst. Mama ist lehr zart und nervös, wie das weiß ich nur zu genau" er seufzte bei diesen Wortensehr sehr still ist es iw> solgedessen bei uns, und ich Hab' den Zeitpunkt herbei» gesehnt, der dich mir wiederbrachte. Immer bist du tort- gewesen. immer auf Reisen! Was Hab' ich denn da von dir gehabt, und du von deiner Heimat? Nur deine Mutter nicht aufzuregen. Hab' ich ihr darin den Willen getan, Hab' euch fortgelaffen und währenddem einsam zu Hause ge- jessen. Sag' mal. Kind, hat dich das so sehr befriedigt?"

(Fortsetzung folgt.)