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aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Inwieweit die Tat durch Unvorsichtigkeit, Not oder mit Uebereilung ausgeführt worden ist, vermag niemand zu sagen. Wie der erste so ist auch der zweite Mord in der Fabrik bis zur Stunde in rätselhaftes Dunkel gehüllt.

Ulm. Der seit dem 4. August vermißte Lehrer Bolz aus Ulm ist, wie schon kurz gemeldet, am 25. d. M. von dem Jagdgehilfen Riezler hinter EptelmannSau (bei Oberstdorf i. Allgäu) tot aufgefuuden worden. Bolz hatte am 4. August die Mädelegabel besteigen wollen, ist vermutlich vom Wege abgekommen und in die Wilde Klamm ge­stürzt. Der Leichnam war ohne Kopf und nur mit Schuhen und Strümpfen bekleidet; in den Strümpfen stand der Name. FuchSspuren hatten den Jagd­gehilfen nach der Stelle geführt, wo der Leichnam lag.

Laupheim, 28. Nov. Ein Handwerks- bursche, der von einem Bezirksorte hier beim Oberamt heute eingeliefert worden war, mußte behufs Rei­nigung in das Krankenhaus verbracht werden. Unterwegs verlangte er wiederholt Schnaps, und da ihm dieser verweigert wurde, wenigstens aus­ruhen zu dürfen. Dieser Bitte wurde entsprochen. Kaum aber hatte er sich auf ein Geländer nieder­gesetzt; fiel er bewußtlos zu Boden. Der alsbald herbeigerufene Arzt konnte nur den Tod konstatieren.

Berlin, 28. Nov. Der Reichstag wurde heute mittag 12 Uhr im weißen Saale des hiesigen königlichen Schlosses vom Kaiser mit einer Thronrede eröffnet, in welcher der Monarch zunächst des Abschlusses des Handelsvertrages der letzten Tagung gedenkt und dem Wunsche Ausdruck giebt, daß dem Landban und dem Gewerbe daraus Segen erwachsen möge. Alsdann berükrt die Thron­rede die Finanzlage und weist auf die Notwendigkeit neuer Einnahmequellen hin. Die Reformvorschläge der Regierung lassen den notwendigen Unterhalt des Volkes frei. Die Abgeordneten möchten sich bei der Prüfung des schwierigen Werkes von patriotischer Einsicht leiten lassen. Wetter erwähnt die Thronrede kurz die Flotten-Vorlage unter Hin­weis daraus, daß die stetig wachsende wirtschaftliche Verbindung mit allen Ueberseeländern dringend eine stärkere maritime Vertretung des Reiches im Aus­lande erfordert. Ferner kündigt die Thronrede die Regelung des Pensionswesens, die Wtedereinbringung der Börsengesetznovelle in einer umgrenzten Form sowie ein Gesetz über die Rechtsfähigkeit der ge­werblichen Berufsvereine au. Sodann wird an den Aufstand in Südwestafrika erinnert und der heldenhaften Tapferkeit der Schutztruppe gedacht. Die großen Opfer seien nicht umsonst gebracht. Die Unterwerfung der Witbois berechtigten zu der Hoffnung auf eine baldige Wiederherstellung der Ordnung. Der militärischen Sicherung müsse die wirtschaftliche Erschließung durch den Bau leistungs­fähiger Verkehrswege folgen. Ja der auswärtigen Politik stehe das deutsche Reich zu allen Mächten in korrekten, zu den meisten in guten und freund­schaftlichen Beziehungen. Mit hoher Befriedigung

erfülle eS den Kaiser, gemeinsam mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten erfolgreich für die Her­stellung des Friedens in Ostafien eingetreten zu sein. Der Kaiser begleitete den Eintritt Japans in die Reihe der Großmächte mit aufrichtigen Wünschen für eine friedliche Kulturmisston des hoch- begabten Volkes. Ebenso hege der Kaiser lebhafte Sympathien für die Anstrengungen der russischen Regierung, Rußland den inneren Frieden zu bringen. Möge eS dem Zaren vergönnt sein, als Bahnbrecher einer glücklichen Zukunft Rußlands die Dankbarkeit seines Volkes zu ernte». Auch beglückwünscht der Kaiser Norwegen zur Wahl des KönigspaareS mit dem er in freundlicher Gesinnung verbunden sei. Schließlich weist die Thronrede darauf hin, daß Deutschland fortdauernd mit Vorurteilen zu rechnen habe, indem der Schwierigkeit der Marokko Frage gedacht wird, welche aus der Neigung resultiere, Angelegenheiten, bei denen Deutschland interessiert ist, ohne deutsche Mitwirkung zu erledigen. Solche Strömungen könnten leicht wiederkehren. Es sei dem Kaiser heilig um den Frieden, aber die Zeichen der Zeit machten eS zur Pflicht, die Schutzwehr gegen ungerechtfertigte Angriffe zu stärken. Nachdem der Kaiser noch der friedlichen Ziele des bewährten Dreibundes gedacht, wünscht er den Arbeiten des Reichstages guten Erfolg.

Berlin, 28 Nov. Die Thronrede wird, soweit sie bereits in den Abendblättern be­sprochen wird, allgemein sympathisch ausgenommen. Ucbereinstimmend wird betont, daß der Passus über die auswärtige Politik den Ernst der Lage zeige. Ebenso ist man allgemein erfreut über die Offmheit und das Sclbstbewußtsein, mit welchem der Kaiser ohne zu sagen, an welche Adresse er sich wendet, sich über den Standpunkt der deutschen Politik äußert.

Berlin, 28. Nok Zur Kapitulation der Witbois schreibt die Tägl. Rundschau: Die Energie der Witbois ist also doch zusammengebrochen/sobald der alte Hendrik die Augen geschlossen hat. Das ist mehr, als man nach den Enttäuschungen der letzten Monate zu hoffen wagte. Aber noch steht unten am Oranje unser zähester und gewandtester Gegner Morenga, mit einer stattlichen und tapferen Horde. Auch wenn es bald gelingt, ste zu schlagen und zu zerstreuen, können die einzelnen kleinen, kaum zu fassenden Abteilungen unseren Truppen noch manchen Monat zu schaffen machen. Das soll uuS indessen die Freude an dem großen Erfolg der deutschen Waffen nicht trüben; eS ist doch wenigstens ein Ende des Aufstands abzusehen. Die Nat.-Zeitung schreibt: Die Art, wie wir die gefangenen Hottentottenführer behandeln, wird sicher nicht ohne Einfluß auf den Zusammenhalt und die ziffernmäßige Slärke der Banden MorengaS bleiben. Von den Offizieren unserer Truppen ist allgemein anerkannt worden, daß Morenga sich jederzeit als der anständigste unter allen Gegnern gezeigt hat. Möge eS darum dem neuen Gouverneur bald ver­

gönnt sein, durch seine Derhandlungskunst auch Morenga zur Kapitulation zu veranlassen, oder aber seinen Fall zu melden. Wenn in den nächsten Wochen der Draht die Nachricht bringen könnte: Friede in Deutsch-Südwestafrika eS wäre für unser Volk, dessen Söhne sich im ersten großen Kolonialkrieg unter beispiellosen Schwierigkeiten der Väter würdig gezeigt haben, wahrlich der schönste Zusammenklang mit der alten Friedensbotschaft, die bald aufs neue im Weihuachtsjubel um den Erd­ball klingt.

Moskau, 28. Nov. Nach Meldungen aus Sewastopol find die Meuterer vollständig die Herren der Stadt. Die Lokalbehörden find außer Stande, die Meuterer zu unterdrücken. Die Unterdrückung könnte nur durch die Entsendung einer großen Truppenmacht aus anderen Garnisonen erfolgen. Dies ist aber vorläufig eine äußerst schwierige Aufgabe. Man glaubt, die Regierung wird gezwungen sein, die Ruhe durch weitgehende Zugeständnisse an die Meuterer herzustellen.

Odessa, 28. Nov. Admiral Tschuktn belichtet aus Sewastopol: Die meuternden Matrosen haben sich mit den meuternden Soldaten des Regiments von Brest vereinigt und sich mit einer Anzahl G schütze in der Kaserne verschanzt. Ich habe sie jedoch- etngeschlosseu und werde sie an­greifen, sobald ich Verstärkungen erhalten habe. Ich befürchte jedoch, daß die Kavalleristen sich den Ausständigen anschließen werden. Dis Lage ist äußerst ernst. Mehrere Offiziere find getötet worden.

Athen, 27. Nov. Nachrichten vonMyti- lene zufolge find die großen Schiffe der Kund- gebungsflorte in den Hafen eingelaufen, ohne die Landeiflagge zu grüßt n; die kleinen Fahrzeuge waren gezwungen, wegen des Sturmes in der Bucht zu ankern. Es wurden 400 Mann ausgeschifft uud mit diesen das Zollamt, das Telegrapheuamt, sowie einige Punkte der Stadt besetzt. Die türkischen Truppen haben die Kaserne geräumt, die von einer östreichischen Abteilung bewacht wird.

Konstantinopel, 28. Nov. Nachdem der Sultan gestern die offizielle Nachricht von der Besetzung des Zoll- und Tele­graphenamtes in Mytilene erhalten hatte, ging die zuverstchtliche Stimmung in Mdiz vollständig verloren. Der Sultan sandte noch gestern Abend den Minister des Aeußern, Tewfik Pascha zu den Botschaftern mit neuen Vermittlungsvor­schlägen. Darnach sollte die internationale Finanz­kontrolle abgelehnt, die Einsetzung von Zivilagenten aber acceptiert werden. Diese Vorschläge wurden von den Botschaftern durchweg abgelehnt. Maß- - gebende Kreise glauben jetzt, daß der Sultan unter Opferung einiger Minister als Sündenböcke ge­legentlich des morgigen BairamfesteS nachgeben wird.

Vermischtes.

(Der Untergang des Passagier­dampfersHilda"'.) Die Erzählungen der 6

feinen Brauen.Ja. hierher, und so lange der Herr hier ist, will ich nicht gestört sein."

Damit trat sie von dem Bilde fort, da» sie mit seinen unstäten Augen zu verfolgen schien, und an den Tisch.

Nordheim war eingetrete» und verbeugte sich tief und förmlich, sein» Sporen schlugen mit leisem, silbernem Klang aneinander. DaS junge Mädchen neigte kaum merklich doS Haupt, dann wie» sie mit einer leichten Handbewegung »ach einem Stuhl und sagt«:

.Herr v. Nordheim, Sie wünschen mich zu spreche»!; ich begreife nicht, wa« Sie mir zu sagen haben, dennoch habe ich Sir bitten lasten, zu mir zu kommen." Sie hielt «rwartunglvoll inne, und sah zu dem jungen Manne empor; »S war rin eisig kalter, verachtender Blick, der ihn traf. ES schien, al» Hab- er ihre Handbewegung von vorhin nicht gesehen, den» er blieb regungslos stehen, seine Mütze in der Hand, sich mit de, Linken leicht auf de« Säbel stützend.

.Gnädige» Fräulein, ich komm« im Aufträge meine» Vater» und Gott weiß, wie schwer e» mir geworden ist. hierher zurück,ukehren; ich hätte e» auch gewiß nicht getan, wenn nicht rin Mißverstände» vorwalten würde, welche« auf- zuklär«» ich hauptsächlich hierher gekommen bin. Drrf ich da« tnn?" Er sah zum ersten Mol-, seitdem er da» Zimmer betreten, nach ihr hin; sie hatte auf dem Kanapee Platz genommen; wie sehr sie ihn an da» Bild der heiligen Therefia erinnerte!"

.Ich begreife gar nicht, was Sie meinen können."

.Gnädige» Fräulein," NordheimS Stimme zitterte ein wenig, .Sie haben ein sehr hartes Urteil über mich gefällt nnd ich war ein unfreiwilliger Zuhörer, als Ste sagten, sie verachten uud verabscheuen mich. Damals konnte ich mir Ihre Worte nicht erkläre«, denn ich hatte keine Ahnung, daß der un­

glückliche Prozeß, den mein Vater führte, gegen Sie gerichtet war; glauben Ste mir das?" Er tat einen Schritt nach vor und sah sie fast flehend au.

Viola hatte sich erhoben, ein unendlich verächtliches Lächeln spielte um, ihre Lippen; sie antwortete nicht.

Glauben Sie wir das?"

Nein," kam es kalt und entschieden von ihren Lippen.

Er trat zurück, dann stützte er sich schwer auf die Lehne des ihm zunächst stehenden Stuhles, Letchenbläffe bedeckte seine Züge.

Weshalb diese ganze Komödie?" fragte Viola verächtlich,Sie haben mein Urteil über Sie gehört, ohne mein Wissen und Wollen. Doch lassen wir diese» unerqatckliche Thema. Was wünscht ihr Vater von mir?"

Sie wüss-u mir glauben!" er schien ihre Worte überhört zu haben, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Mann uud Kavalier, daß ich nichts von der ganzen unglücklichen Sache ahnte."

Müssen!" sie lachte spöttisch auf, doch meine Zeit ist kurz, ich bitte um das Geschäftliche, das Ste mir bis jetzt vorenthalten haben, ich denke, das ist entschieden von mehr Wichtigkeit «ud ersuche Sie dringend, nicht wieder davon abzuwetcheu."

Nordheim faßte sich gewaltsam und verneigte sich leicht.

Ich komme als Abgesandter meines Vater», der Sie ersucht, Felseneck nach wie vor als Ihr Eigentum zn betrachten uud darin zu Watten, solange eS Ihnen beliebt."

Ich danke für die Gnade Ihres Vater», e» ist nicht mehr mein, er hat mich vertrieben aus meiner Heimat, ich werde gehen, sobald e» mir möglich ist, uud doch würde ich aller tun, Alles, was ich besitze, hergebeu, um dies geliebte Schloß wieder mein Eigen nennen zu können." (Fortsetzung folgt.)