189.

Amts- und AuzeigrSlatt für dm Aezirk Kalw.

80. Jahrgang.

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Donnerstag, de« M. November 1905

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auf das Salwer Wochenblatt für Dezember ladet ergebenst ein

Sle Redaktion.

Tagesneuigkeiten.

2. Nagold, 28. Nov. Das am Sonntag abend von Mustkoberlehrer Schaffer veranstaltete Konzert übte eine solche Anziehungskraft aus, daß der Festfaal des Seminars schon V- Stunde vor Beginn der Aufführungen bis aus den letzten Platz gefüllt war und viele Besucher nicht einmal ein Plätzchen mehr zum Stehen erhalten konnten. Dieser für die Seminarkonzerte bestimmte Saal dürfte wohl dreimal größer sein; es könnten dann auch die recht primitiven Sitzvorrichtungen bequemeren weichen und die zusammengepreßten Zuhörer hätten von den Darbietungen einen um so höheren Genuß. Der Musikfreund jedoch nimmt derartige Unan­nehmlichkeiten gerne in den Kauf, wenn er durch das Gebotene entschädigt wird, wie e» diesmal in reichem Maße der Fall war. DaS Programm deS Abends bot eine Fülle interessanter Kompositionen für Instrumental- und Vokalmusik. Besonders reich vertreten warenLieder für eine Siugstimme" mit Klavierbegleitung von R. Franz, R. Reger nnd I. BrahmS, für welche die Solistin Frl. Helene Weber ans Cannstatt gewonnen war. Dieselbe verfügt über eine schöne, kraftvolle, wohl­tuende Stimme, die sich leicht in schwierigen Kolora­turen bewegt. Es wurde deshalb an Beifall nicht gekargt. Auch die Lieder für gemischten Chor und die Männerchöre der Seminaristen zeigten eine vor­treffliche Schulung und ernteten Beifall. Den

Schluß des Konzerts bildetedie heilige Nacht" für eine Solostimme und 8 stimmigen Chor mit Klavier- und Ocgelbegleitung von N. W. Gade. Die Begleitungen seitens der Seminarlehrer waren künstlerische Leistungen.

Herreuberg, 27. Nov. Auf dem heutigen Wochenmarkt waren zugeführt: 200 Mtlch- schwetne, Preis pro Paar 3050 «4L, 130 Läufer, Preis pro Paar 54115 «4L Verkauf ordentlich.

Stuttgart, 28. Nov. Der Württemb. Notariats verein zählt gegenwärtig 560 Mit­glieder nnd hat ein Vermögen Von 7000 «4L BereinS- vorstand ist Notar Siegle in Stuttgart. Vom Verein werden gegenwärtig angestrebt, die Gleich­stellung der Amtsgertchtssekretäre, mit den auf der 9. Rangstufe befindlichen LandgerichiSsekretären, die Zugehörigkeit zu Sekretärstellen im Reichsdtenst für geprüfte Notariatskandidaten und anläßlich einer Neuorganisation des Gerichtsvollzieherwesens die Ermöglichung der Uebertragnng von GertchtS- vollzieherftellen an solche Kandidaten.

Stuttgart, 28. Nov. Im Monat Oktober wurden in Württemberg von derSchweine « seuche in 28 Gemeinden und 88 Gehöften 217 Schweine betroffen. 147 Schweine find ge­fallen, 25 mutzte» getötet werden. Von Geflügel­cholera wurden befallen 59 Hühner, 16 Enten und 12 Tauben. 34 Hühner find umgekommen. Die Räude hatten Ende des Monats noch über 900 Schafe, den Bläschenausschlag 97 Rinder.

Kirchheim u. T,, 26. Nov. In letzter Zeit stad hier verschiedene Fälle zur Anzeige ge­kommen, daß Hunde einzeln nnd in Gesellschaft jagend angetroffeu worden find. In letzter Nacht ist auf der zur Stadt gehörigen Parzelle Schafhof

eine Schafherde von Hunden angegriffen worden; mehrere Schafe wurden zeriffen. Die Besitzer der Hnnde sind noch nicht bekannt.

Gmünd, 28. Nov. Das im Jahre 1832 gegründete hiesige Blindenasyl kann im Jahre 1907 sein 75jährigeS Jubiläum feiern. Ja der Anstalt befanden sich das letzte Jahr 50 männliche und 46 weibliche Blinde. 15 Pfleglinge verließen dis Anstalt, um selbständig zu arbeiten. Die Ein­nahmen der Anstalt beliefen sich auf 36 447 «^, die Ausgaben auf 40333 «^ Der Erlös aus Fabrikaten und Materialien betrug 12224 «4L Die Beiträge und milde Gaben erreichten die Höhe von über 9000 «4L. während sich der Aufwand für die Pfleglinge auf 20947 «4L, der ans daS Gewerbe auf 9552 «4L belief.

Hall, 28. Nov. Der seit 2 Tagen vermißte Finauzrat Schmtd wurde vorgestern lt.Vaterlands­freund" bei dm sogen,breiten Eichen" eulleibt anfgefanden. Schmid, der seit einem halben Jahr im Ruhestand sich befindet, zeigte Spuren von Geistesgestörtheit und wird die Tat wohl auch in diesem Zustande begangen haben.

Forchtenberg, 28. Nov. Gestern mittag hat sich in einem hiesigen Gasthaus auf dem Abort der 30 Jahre alte Versicherungsagent Heinrich Wolpert aus Heilbronu erschossen.

Oberndorf, 28. Nov. Schon wieder ist in der Fabrik Karlstal eia Mord verübt worden. Wie derSchwarzwälder Bote" aus Haigerloch meldet, wurde in der Nacht vom Samstag auf Sonntag der Fabrikarbeiter Stehle von Bittel- bronn von 5 Revolverkngeln getroffen, tot auf­gefunden. Der der Tat verdächtige Fabrikwächter Felix Beck wurde verhaftet, nach längerem Verhör

Das gnädige Fräulein.

Roman von W. v. Retten.

(Fortsetzung.)

DaS wird sich aller geben, liebe Niziedda, F-rnande ist übelnehmerisch aber ihre schlechte Laune verfliegt so schnell, wie sie gekommen; sie ist ein gutes Kind."

Naziedda plauderte heiter weiter, dabei nahm ihr Gesicht einen triumphierenden Ausdruck an. War das nicht der erste Schritt auf der ihr vorgeschriebenen Bahn, da saß sie zwischen Mutter und Sohn bei einer jener Dämmerstunden, von der ihr Fernande erzählt; in der jene Beiden stet» allein waren. Wenn ihre Mutter sie sehe» könnte, würde sie zufrieden sein mit dem Erfolge, den sie bereits errungen. Hätte sie nur wenige Tage in die Zukunft blicken können, das triumphierende Lächeln wäre rasch von ihren Zügen verschwunden.

3. Kapitel.

Viola v. Feldeck hatte ihr Frühstück vollendet, langsam schob sie die leere Taffe zurück und erhob sich.

Tante!"

Viola?" die alt« Dam« sah rasch von einem Brief« den sie erhalten, auf.

In einer Stunde werde ich Herrn v. Nordhrim hier in diesem Zimmer empfangen, Du bist vielleicht so gut, Deinen Stickrahmen für heute in ein anderes Zimmer stellen zu lassen."

Heute also, Kind, Du weißt, ich habe Dir meine Hilfe angetragen."

Und ich habe sie abgelehnt. sei nicht böse, Tantel" DaS junge Mädchen kam herüber und legt« schmeichelnd den Arm um die Schulter der alte« Dame, siehst Du, ich muß e» allein abmachen, wahrhaftig, e» ist besser so."

Gewiß, gewiß, ich bin gar nicht böse, mein Liebling, west davon. Wie schlecht du auSfiehst, Du solltest ein Glas Wein nehmen."

Viola schüttelte den Kopf, sie war bleich, unter ihren Augen lagen breite, dunkle Ringe, di« von einer durchwachten, wenn nicht durchweinten Nacht zeugten. Ihr« Lippen zitterten leise.

Mach mich nicht weich, Tante, eS darf nicht sein."

Dir alte Dame seufzte und wischte leise eine Träne fort, die ihr über die Wange lief, ihr lag nicht viel an dem ganzen Ott: das Schloß war schön, aber eS war hier all-S kalt und grau. Viola hatte sich wiederabgewandt; sie hatten ihr Frühstück in dem Salon eingenommen, in welchem die Ahnenbilder hingen, langsam schritt sie die lange Reihe herab, jedem schenkte sie einen Blick. Endlich blieb sie stchm, da war der Stifter de« Majorat«, HeribertuS, Leopold»», edler Herr zu Feldcck, 1390, dann sein Sohn, aber daneben da« Bild seiner Tochter Ludooika, Theresa o. Feldeck, vermählte Freiin v. Nordh-im. Viola starrt« empor, die Augen hatten einen sonderbaren, unstäten Blick, di« steife Halskrause, da» dunkle Kleid, eS war augenscheinlich von einem Künstler gemalt. Sie war eS, die all' da« Unglück auf sie herabbeschworen. Viola hatte in der allen Chronik nachgeschlagen und in der gefunden, daß Ludooika Theresa ihrem Vater, wie auch ihrem Ehegemahl viel Kummer und Herzleid angetan. Nun warm Jahrhunderte vergangen und Ludowika Theresa bereitete diesmal einem armen Mädchenherzen namenlose Qual; Ludowika Theresa? nein, Viola schüttelte da« Haupt, nicht sie war eS, ihr Nachkomme Hugo v. Nordhrim.

Gnädiges Fräulein," tönte da die Stimme de» allen Ecdmann an ihr Ohr,der Herr ist da und gnädige« Fräulein sehe» Sie nicht da» Bild an, sie wurde als Hexe verbrannt, wen sie ansah, dem brachte sie Unglück. Ihr Vater und ihr Gatte starben beide durch ihre Schuld. Doch da stehe ich und schwätze und der Herr in Uniform wartet draußen, soll ich ihn hereinbringen?*

Viola war sehr bleich geworden, eine finstere Falte legte sich zwischen ihr«