Ausführung bringen oder die Bildung einer Ge­nossenschaft notwendig wird, steht noch dahin.

Biberach, 6. Nov. Bet der gestern in der Turnhalle abgehaltenen, sehr zahlreich besuchten Luther-Feier brachte der Evang. Kirchenchor Kowpofitionen von C. Braun, Mendelssohn, H. Lang, H. Götz, F. Schubert, sowie eine neue ansprechende Komposition seines Leiters, Musikdirektor Buttschardt, Abendlied für Chor, Eolovioline und Klavier, zu Gehör. Stadtpfarrer Salzmann sprach über Luther auf dem Reichstag zn WormS. Die dreistündige Feier schloß mit dem von allen Anwesenden mit Posaunenbegleiiung gesungenen Lntherlied Ein feste Burg ist unser Gott!

Ein Eisenbahnunglück bei Kelster­bach. Ein Zusammenstoß, der in Anbetracht der Umstände noch verhältnismäßig gliwpfl'ch abgelaufen ist, ereignete sich gestern vormittag kurz noch 11 Uhr bei der Einfahrt in den Bahnhof Kelsterbach der Linie Frcnksu t-Mainz. Ein Vorzug des Pariser Schnellzuges, der wegen großer Verspätung deS letzteren von Metz abgelassen worden war, stieß auf einen rangierenden Güterzug, der das ans Halt stehende Auszugsfignal überfahren hatte; er befand sich gerade auf einer in das SchnellzugSgleis hinein- ragendeu Weiche, als der stark gebremste Schnellzug herankam. Der Anprall war so gewaltig, daß der Güterzug etwa 50 Meter zniückgeschleudert wurde. Der Schußwagen hinter der Maschine des Schnell­zuges und der nachfolgende Wagen gerieten in Brand. Der Führerstand der Schmllzugsmoschine war total zusammengeschoben, so daß der Lokomotiv­führer und der Heizer zusammengepreßt wurden. Der Lokomotivführer Wissenauer aus Mainz erlitt einen schweren Wirbelknochenbruch, auch ein Heizer und der zweite Lokomotivführer wurden schwer verletzt. Das Bremspersonal des Güterzugs rettete sich, als es den Schnellzug herankommen sah, durch Üeberspringen des Zauns auf die Straße. Von den Reisenden trugen vier Verletzungen davon.

Bochum, 6. Nov. Wie derBochumer Anzeiger" meldet, entstand heute morgen in dem Kontor des Warenhauses Gebr. Boetzen Feuer, das rasch um sich griff. Als die Feuerwehr ein­traf. wurde der Inhaber deS Warenhauses mit durchschossener Schläfe tot aufgefunden. Man vermutet, daß der Inhaber den Brand gelegt und Selbstmord verübt hat.

Dresden, 6 Nov. Am gestrigen Vormittag kam in großer Aufregung ein junger Mann in den Schloßhof deS hiesigen RefiderzschlosscS, stürmte auf den dort patrouillierenden Portier los und ver­langte in heftigen Worten, dem König, der mit den Privzensöhnen dem Gottesdienst in der nahen Hof­kirche beiwohnte, vorgeführt zu werden:Ich bin Königliche Hoheit von Preußen und muß unbedingt den König von Sachsen sprechen." Als ihm aber bedeutet wurde, daß der König nicht anwesend sei, verlangte er, den Kaiser zu sprechen. Als ihm auch jetzt eine verneinende Antwort zuteil wurde, zog er plötzlich einen Revolver aus der Tasche, eilte in den iunern SLloßhos und jagte sich eine Kugel ins Auge. Tödlich getroffen glitt der Unglückliche zu Boden. Wie sich herausstellt, ist der Bedauerns- werte der Sohn eines Generalmajors z. D. und war selbst Offizier. Wegen geistiger Gestörtheit mußte er verobichi det werden. Jedenfalls ist eS

als ein Glück zu bezeichnen, daß der Wahnsinnige nicht dem König entgegeutreten konnte, da er sonst leicht Unheil hätte anrichten können. Dem König wurde nach seiner Rückkehr aus der Kirche Meldung von dem Vorgefalleuen gemacht.

Berlin, 6. Nov. Der König von Spanien der heute mittag hier eintraf, wurde vom Kaiser, dem Kronprinzen, den Prinzen des K. Hauses, dem Reichskanzler und den Ministern empfangen. Der Kaiser und der König begrüßten und umarmten sich herzlich und fuhren in offenen Wagen, begeistert begrüßt, nach dem Pariser Platz. Dort hielt Oberbürgermeister Kirschner eine Be- glüßungsauspiache: König Alfons komme als Freund des Kaisers; durch Jahrhunderte sei sein Haus mit dem hohenzollernschen Fürstenhaus innig und fest verbunden. Die Stadt Berlin teile die Gefühle und Empfindungen des Kaisers für seine Freunde und Gäste. Er begrüße den König als Haupt und und V rtreter der edlen Nation, die großes für die Entwicklung deS Menschengeschlechtes geleistet und einen hervorragenden Platz unter den Völkern deS Erdreichs einnehme. Der König reichte dem Ober­bürgermeister freundlich die Hand und erwiderte in deutscher Sprache, er sei sehr erfreut, in Berlin weilen zu können. Schon vor zwei Jahren habe er, wie der Kaiser ja wisse, den Plan gehabt, die Rcichshavptstadt zu besuchen, doch habe sich die Absicht erst jetzt verwirklichen lasse». Er davkie der Stadt herzlich für den glänzenden Empfang. Abends fand im weißen Saal Galatafcl statt. Der König führte die Kaiserin, der Kaiser die Prinz sstn Friedrich Leopold. Bei der Tafel saß der König zwischen der Kaiserin und dem Kaiffr; gegenüber saß der Reickskonzler. Der Kaiser und der König brachten Trinksprüche aus. Die Tafel war mit dem grrßm goldenen Tafelge ät und mit Blumen reich g>schmückt. Der Kaiser trug die Uniform eines spanischen GeneralkopiiänS, der König die eines preußischen Generals der Infanterie. Die Majestäten pflogen bei der Tafel lebhafte Unterhaltung. Nachher wurde in der Bildergalerie Cercle gehalten. Zahlreiche Auszeichnungen wurden beiderseits verliehen.

Kiel, 7. Nov. Der Kaiser tritt im Frühjahr eine auf 6 Wochen berechnete Mittrlweer- reise nach Italien und Konstantinopel an. Der PanzerkreuzerAork" und das Depeschen- bootSle pner" begleiten die KviseryachtHohen- zollern", die der Kaiser für seine Fahrt benutzt.

London, 7. Nov. Morning Leader meldet aus Odessa, daß 3000 jüdifche Kinder in­folge der torltgen Unruhen verwaist sind. Diese Kinder find meistens bei wohliätigen Familien untergibrocht, bis es sich herausstellt, ob die Eltern bet den toten Opfern gefunden find.

Warschau, 7. Nov. Der bekannte polnische Schliffst. Iler SieroSz. wski ist verhaftet worden. Polizei ist auf den Straßen nicht zu sehen. Den Dienst versieht berittene Artillerie. Tie jüdischen Stadtviertel wurden nach Waffen durchsucht.

Kiew, 7 Nov. Ter gestern Morgen hier fällige Zug orS Odessa wurde in RoSdjelua ange­holten und von dev Pe ssogieren 12 Juden ge­tötet und viele verwundet. Die Eflnbohnver- waltung weigert sich, den Juden Eesenbahnkarten

nach Benderi, Odessa und RaSdjelna zu geben, weil sie ihnen keinen Schutz während der Fahrt ge­währen könne.

Odessa, 7. Nov. Graf Witte hat den Gouverneur telegraphisch aufgefordert, den Excesse« endgiltig ein Ende zu machen.

Odessa, 7. Nov. Der Vorsitzende der Handelskammer sandte ein dringendes Telegramm an den Ftuavzminister, worin er ihm mitteilt, daß die Plünd erun gen und die Verbrechen durch die der Handel schwer geschädigt würde, immer noch fortdauerten. Der vollständige Ruin des Handels sei unabwendbar. Eine Anzahl Ge­schäfte und Banken hätten gestern wieder geöffnet, mußten aber abends, als die Unruhen wieder be­gannen, die Geschäfte schließen. Ein zweites Tele­gramm sandte der Präsident der Handelskammer an Witte, indem er ihn bat, seine Vaterstadt zu retten.

DareS Salaam, 7. Nov. Leutnant v. Spiegel hat von Lindi aus das Obekurutal hinauf bis zum Jlulu-Plateau einen großen Streif- z u g gewacht und ist jetzt nach Lindi zurückgekehrt. Ec hatte in ungünstigem Gelände zahlreiche Gefechte mit einem wütenden zähen Gegner. Bei Warn- wirary wurde das Lager nachts angegriffen und beschossen. Bei Mtrupt südlich des MaivjabergeS kam es zu einem Handgemenge, in welchem Sani- tätS-Sergeant Lvdzrweit eine schwere Bißwunde davontrug. Sämtliche Gefechte verliefen siegreich. Der Feind erlitt durchweg schwere Verluste. Dies­seits wurde noch Handwerkslehrer Körner leicht verwundet, desgleichen eine Anzahl ASkart, Träger und HilfSlevte. Spiegel, der erst in diesem Jahre hinaus kam, kann auf seinen Erfolg stolz sein.

-mrrischks.

Unser Kolonialbesitz. Gegen die Geringschätzung unseres Kolonialbesitzes wendet sich dieKol Z irschr." in folgenden zutreffenden und angesichts unserer unerfreulichen Erfahrungen in Deutsch-Südwest- und Ostofrika berechtigten Aus­führungen: Obgleich die Neckeuschläge, die unsere Koioniaipolitik in letzter Zeit erlitten hat, geradezu niederschmetternd waren, so dürfen sie doch nicht die Wirkung hoben, daß nun der kolonialen Echwarz- seh.ret Tür und Tor geöffnet und diese nun unter- fchiedSIos auf unseren gesamten Kolonialbesitz über­tragen werde. Um die politische und finanzielle Zukunft unserer südwestafrikanischen Kolonie steht eS allerdings trübe genug aus, und die neuesten Nachrichten aus Ostofrika lauten sicherlich auch nicht ermutigend. Indessen darf doch nicht ver­gessen werden, daß wir in Kamerun und Togo tropische Kolonien ersten RaugeS besitzen, welche die Hoffnungen, die auf sie gefitzt wurden, zum Teil schon erfüllten, ohne hiermit aber den beiden vorher genannten Btsitzungen eine spätere wirtschaftliche Rentabilität absprechen zu wollen. Togo ist eine ff redliche Landbaukolonie, die finanziell auf eigenen Füßeu steht, und wenn auch im Hinter lande Kameruns hin und wieder Eingeborenenunruhen auSbrecheu, so ist doch die Ueberlegevheit der Weißen in dem für die Plontagenkulturen z. Z. allein in Frage kommenden Küstenlande so bedeutend, daß hier von einer Gefährdung nicht die Rede sein kann. Die

Darf «ch bitten, Herr Lübke?" fragte er, und erst der Name rief ihm in- Gedächtnis» was Blerke ihm von dem Umstande erzählt, daß Zsrnik dasselbe Hau» bezogen, in welchem . . .Also auch das trifft zu!" sprach er für sich.

Er reichte dem alten, gebrochenen Manne seinen A m und dieser riß sein Auge las von dem Souterrain nebenan, dessen Eingang und Schild in ihm so «ntsitzliche Erinnerungen wachriefen. Geistig, wie abw-s-nd nahm er den Arm, schaute an dem Hause hinauf und die neue Fassade desselben schien ihm Mut zu machen, auch da» Mißtrauen zu zerstören, daS er eben auch gegen diesen jungen Mann g> habt.

Mit Ergebung, aber geschloffenem Auge, überschritt er die Schw'lle. Da­gobert stützte seine müden Glieder und stand alsbald am Ende der Treppe einer lieblichen Mädchengestalt in weißem Gewände gegenüber.

Aber nicht ihm allein galt da» Lächeln, galten di« auSgebreiteten Arm«.

Papa Lübke!" rief eine Helle Silberstimme au» aufjauchzendem Herzen, Ich habe ihn wieder . . . endlich, endlich wieder!"

Dagobert sah, wie zwei kleine Hände den Greis umschlangen, wie die frischen, rote» Lipp«n ihn liebkost«», wie Zia mit freudestrahlendem Antlitz ihn betrochtete; er sah aber auch, wie da» Lächeln dem Ausdruck der Trauer Raum gab, während sie die Hände de» keine» Worte» Mächtigen ergriff und auSrief:

O, du hast viel Kummer gehabt; vielleicht mehr al» ich ahne!... Aber wir wollen jetzt nicht daran denken, nicht j'tzt, da ich so glücklich binI... Und Sie. . . nicht wahr, ich darf Sie ja Herr Dagobert nennen? Der andere Name klingt mir so fremd! Haben Sie tausendfachen Dank, den ich Ihnen heute erst so aussprechen kann, wie ich möchte, für all' die Sorge, die Sie um mich getragen haben!" Sie reichte auch ihm die Hand und schaute ihm mit kindlicher Herzlichkeit in» Antlitz. Aber da» ihrig« erglühte dabei und fi, ließ e» geschehen,

al« Dagobert ihre Hand an seine Lippen führte; sie zürnte ihm auch nicht, al« er diese Hand in der seinigen preßte.

Kommen Sie!" bat fi- mit einem glückstrahlenden Aufleuchten ihrer Augen, Dagobert'» Hand haltend.Er ist r och Jemand bei un», dem ich heute Morgen auf der Promenade begegnete, der Sie wieder zu sehen verlangt, der gute Pfarrer Behrend! Frau Woll-nthin gehört ja leider schon lange nicht mehr zu dm Lebenden!" Im Zmmer trat ihnen der Pfarrer entgegen, der mit herzlichen Begrühungswortin und innigem Wohlgefallen ihn anschaute und dann da» Mädchen, da» vor diesem Blicke jäh die Farbe wechselte.

Gott hat all,» wohlgelenk»," sagte e, mit Salbung;seine Hand wird auch ferner schützend über unserer Zia sein!"

Die eben erscheinende Baronin von Zermk «wpfing Dagobert mit freund­lichem Lächeln; während fi« mit ihm plauderte, flüsterte Zia ihrem Papa Lübke zu:

Ich habe dir so viel zu erzählen und du mir!"

Eie führte ihn in ihr Z mmer, und hier erst, wo Niemand sie sah, fiel sie ihm um den Hals, küßte ,hn, lehnt« dann die Stirn auf seine Schulter und fragte, warum er denn so traurig sei.

Ich habe schwer zu büßen, mein Kind," sprach er mit Tränen in de» Auge», ihre Hände in d«n seinigen haltend und gramvoll die Stirn senkend. Später erst wirst du erfahren, wa» heute geschehen ist, «he ich di« Freude hatte, dich in die Arme zu schließen. Ich habe ein Kind verloren, da» ich durch eigene Schuld und Schwäche nie besiffen; du wirst wich verdamme», wenn du dereinst und vnlleicht bald di« Geschichte meine» armen Leben» erfährst und deshalb soll da» heute nicht geschehen . . . Erzähle, Kind! Erzähle mir nur, wie die Bor" sehung dich vor dem g>schützt, wa» ich abzuwenden nicht vermocht«; da» Andere..." Er wandte trauernd da» Antlitz ab. (Fortsetzung folgt.)