lands weltpolitische Lage nach Gens. Er erinnerte eingangs an die Rede des damaligen Reichskanzlers Dr. Stresemann in Stuttgart im Jahre 1923, in der er einen Appell an Frankreich richtete. Von dieser Rede über die Liquidierung der Ruhrbesetzung bis Locarno geht eine einzige gerade Linie. Heute ist das Prinzip des freien Rheines rechtlich gelöst. Freilich in der Praxis sind wir noch nicht so weit. Bei der Völkerbundstagung in Genf bestand keine Ehrlichkeit gegenüber Deutschland. Wir verlangen nur die Erfüllung der feierlich an Deutschland gemachten Zusagen, um die wir zudem gar nicht gebeten hatten. Die anderen stellten die Forderung auf, daß Deutschland Mitglied des Völkerbundes werden solle. Es ist Tatsache, daß die Großmächte in Genf auf das kleine Schweden einen ungeheuren Druck ausgeübt haben. Das brasilianische Veto, das alles verhinderte, hat eine neue Lage geschaffen. Aber diese Lösung ist immer noch besser, als irgend ein Äus- tauschgeschäft, das eine zeitlang im Vordergrund Mud. Deutschland will die Studienkommission beschicken und die grundsätzliche Linie der deutschen Außenpolitik nicht ändern- Aber es behält jetzt doch seine freie Hand. Auch uns erscheint eine Reform des Völkerbundes an Haupt und Gliedern dringend wünschenswert. Alle Staaten müssen Gelegenheit erhalten, im Völkerbund mitzusprechen. Das Hauptziel der andern, Polen als Gegengewicht gegen Deutschland in den Rat hineinzubringen, ist vorerst nicht erreicht. Für die Zukunft darf Deutschlands freiwillige Zustimmung dazu nicht erteilt werden, solange
Polen sich in dieser Art grundsätzlich gegen Deutschland ein- ' " - ..' ' - ' - et die Möglichkeit,
stellt. Der Völkerbund ist ein Mittel und bietet , .
die deutschen Interessen vorwärts zu treiben. Im Vordergrund unserer Interessen stehen die Fragen am Rhein und im Osten. Der Redner besprach dann noch die -Frage der Abrüstungskonferenz, des Dawesplanes, der internationalen Verschuldung und bezeichnete die Forderungen nach einer einseitigen Rechts- oder Linksorientierung als Unsinn. Der Redner schloß mit der Mahnung, alles zu tun, damit Deutschland in dem Ringen den Weg einschlägt, der am schnellsten den Tag der Freiheit herbeibringt. Nach der mit großem Beifall aufgenommenen Rede trat stürmisch begrüßt Reichsaußenminister Dr. Dtresemannan das Rednerpult. Der Minister knüpfte an die Vorrede an und führte aus: Als wir seitens der Reichsregierung zum Eintritt in den Völkerbund -Stellung genommen hatten, war die Kritik gegen uns sehr seltsamer Art. Einmal hat Deutschland den Wunsch ausgesprochen, in den Völkerbund einzutreten. Das war während der Friedensverhandlungen in Versailles. Wer die den Völkerbund bildeten, haben das abgelehnt. Nach Ablehnung dieses Gesuchs war es selbstverständlich, -daß, wenn der Völkerbund Wert darauf legt, Deutschland zu seinen Mitgliedern zu zählen, die Anregung und der Wunsch vom Völkerbund ausgehen muß. Macdonald hat in Gens zuerst ausgesprochen. Laß er im Völkerbund einen leeren Stuhl sehe. Damals kam Minsen nach Sigmaringen zum Besuch des Reichskanzlers Marx, der als Grundsätze festlegte: 1. Anerkennung der deutschen Großmachtstellung durch einen ständigen Sitz im Völkerbundsrat, 2. Anerkennung unseres Rechtes auf Verwaltung von Kolonien, 3. Keine Anerkennung der moralischen -Schuld Deutschlands am Ausbruch des Weltkrieges. Diese Bedingungen bestehen bis zur Gegenwart. Stresemann setzte sich dann mit -den beiden Einwürsen auseinander. daß der Völkerbund nur ein Instrument der Siegerstaa
ten sei und daß Deutschland nur das fünfte Rad am Wagen bilde. Zum ersten Vorwurf bemerkte er, daß selbst, wenn der Völkerbund nichts anderes wäre, als eine Interessenvertretung der Welt, wir dock) alles Interesse hätten, dort mitzuwirken. Die -Frage, ob wir besser drin oder draußen seien, beantwortete er damit: Wir sind drinnen stärker. Amerika kann Wohl draußen stärker sein, weil es mit dem Gewicht seiner Weltstärke in jedem Fall gehört wird. Heute hat Europa den Frieden dringend notwendig. Dies Streben haben alle Völker, denn es gibt keine glücklichen Siegerstaaten. In der Zerrüttung der Währung ist nur die Zeitfolge verschieden, aber nacheinander sind Staaten und Völker in dieses Problem hineingerissen worden. Zum zweiten Einwurf, daß Deutschland im Völkerbund das fünfte Rad am Wagen sei, bemerkte der Minister, daß man die Vorgänge in Gens auch unter einem anderen Gesichtspunkt betrachten könne. Wenn die Gegenseite befürchtet, daß Deutschland im Völkerbünde eine Stellung erringen könne, die ihr -gefährlich sei, so ist -dies nicht vereinbar mit der Ansicht, daß wir das fünfte Rad am Wagen seien. Wenn der Polnische Ministerpräsident die Zuwahl -Polens als notwendig ansah, um das durch Locrno gestörte Prestige wieder herzustellen, dann kann der Locarnovertrag doch keine Ausgabe unserer Ostinteressen sein. Der Rückschlag in Genf ist keine Verschlechterung unserer außenpolitischen Lage. Briand sprach in Genf von der moralischen Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund. Stach Auffassung der am Rheinpakt beteiligten Mächte, ist dies so aufzufassen, als wenn Deutschland dem Völkerbund -bereits angehörte. Brian-d hat nun die Verringerung der Truppenzahl im Rheinland vom Eintritt Deutschlands in den Völkerbund abhängig gemacht. Dieser Zeitpunkt ist ohne unsere Schuld hinausgeschoben. Umso wichtiger war es für uns in Gens festzustellen, daß das Verhältnis so sei, als ob wir dem Völkerbund schon angehörten. Das ist die Grundlage für -die schwebenden Probleme der Aufhebung der Militärkontrolle, der Reduktion der Truppen im Rheinland und -der Luftsahrtver- handlungen. Mit Abschluß -des Locarno-Vertrags ist eine weitere Besetzung deutschen Landes nicht mehr vereinbart. Unser echtes Ziel ist die Souveränität Deutschlands auf dem ganzen Boden zu erringen. Von besonderem Interesse waren die Ausführungen Stresemanns zur Frage der deutsch-russischen Vertragsverhandlungen. Er bemerkte hiezu: Es ist für mich sehr schwer, über Vertragsverhandlungen zu sprechen, die noch in der Schwebe sind. Der Vorwurf, daß die Reichsregierung über diese Verhandlungen die ausländische Presse zuerst informiert hätte, ist abwegig. Eine solche Information ist nicht erfolgt, wohl aber eine Information der Mächte, die mit uns den Rheinlandpakt geschlossen haben. Wir hielten es für richtig,
diese auf dem Laufenden zu halten, ein System, dessen Gegen-
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seitigkeit sich durchaus empfehlen würde. Wer die Vertrags- Verhandlungen mit Rußland als eine Abkehr von der Locarnopolitik ansieht, verkennt den Grundgedanken dieser Politik. Die Verträge von Locarno bezweckten die Friedenssicherung in Europa und hatten keinen aggressiven Charakter. Wenn die russische Psychologie in den Verträgen von Locarno eine Art Kreuzzug gegen Rußland sieht, so darf ich darauf Hinweisen, daß diese Auffassung bei den Aussprachen in Locarno von Ghamberlain, Briand und Wandervelde ebenso zurückgewiesen worden ist wie von unserer Seite. Wenn Deutschland mit Rußland Vertra-gsverhandlungen führt, die für beide Mächte
darauf hinausgehen,
einen -der beiden Staaten nicht anzuschließen und im
wirtschaftlich freundschaftlichen und beiderseits
Verhältnissen zu bleiben, so ist das'ew'Grundaed>Ä^ auch andere Staaten ihrem Verhältnis zu Rußland
gelegt haben. Unsere ganze Politik muß sein, unter Anerkennung -deutscher Gleichberechtigung liche Befriedung Europas herbeizuführen und aus der läge des Friedens Deutschlands Fortentwicklung V,!-- Wenn die Verträge mit Rußland zum Abschluß komW»^
werden sie die natürliche Ergänzung zu Locarno -sein >,w d' - -- - -- "< -- ^ ^ ^
sen obersten Grundgedanken der deutschen Außenpolitik zum Ausdruck zu bringen. Der Rede folgte U Beifall.
Ein früherer polnischer Finanzminister ermordet. Warschau 18. April. Der ehemalige Finanzminister
seit einigen Tagen vor dein Warschauer Bezirksgericht ein fahren stattfindet, wurde gestern beim Verlassen des Ger1chtsmb°!Ü' von einem Soldaten ermordet. Linde sank, von mehreren Rev»^ kugeln durchbohrt, sofort tot zu Boden. Der Attentäter der Polizei und erklärte, daß er Linde ermordet habe, weil « ü Ueberzeugung sei, daß Linde dem polnischen Staat einen aewM^ Schaden durch die Unterschlagungen verursacht habe und nind2 Ausführungen der Verteidiger wahrscheinlich sreigesprochen'w2 wäre. Der Mord hat in Warschau größtes Aufsehen hervmgmA
Italiens Kolonialziele. 1
Rom. 18 . April. Mussolini wurde bet seiner Ankunst wie ein Sott gefeiert. Ungeheuere Volksmassen fiilllen die-Stu^ vom Bahnhof bis zu Mussolinis Wohnung. Militär und !M,A Miliz bildeten Spalier. Dir Häuser waren illuminiert. M! ^ Bahnhof war die gesamte amtliche Welt versammelt. sämtliche M ster, Generäle, Admiräle. Als Faschisten ihm -uriesen, zur M«, zu sprechen, machte der Duce eine verneinende Handbewegung « sagte: „Die Faschisten sprechen nicht mehr, sondern sie haM Das Kolvnialfiebec greift immer mehr um sich, und man dräng,,, raus, daß nach den „Erfolgen" in Tripolis und den „glänzenden f gebnissen" dec Reise Mussolinis der Kolonialaklion Italien; ä neuer Impuls gegeben wird. Das kommt auch im römischen,.T« zum Ausdruck, der den Gedanken seines Herrn und Meisters a« zulegen denkt, wenn er im Leitartikel schreibt, Mussolinis Dipols fahrt habe auch den Blinden in Italien die Augen geöffnet und s, gar in Frankreich beginne man die Notwendigkeit einer Koloniale dehnung Italiens einzusehen. In Pariser Blättern spreche reits das Bedauern aus, daß man Italien nicht seinerzeit Lstchl als Mandat übergeben habe. .Teuere" stellt mit BesriediMg Sh ..Einkehr der Franzosen" sest und meint, ein Wechsel mit dn Weisung der Mandate sei juristisch nicht ausgeschlossen, wenn mm kr Ungerechtigkeit des Vertrages von Versailles einsehe.
Das Rückgabegesetz vertagt.
Rewyork, 18. April. Infolge sensationeller Anlage», d der Abgeordnete Garner von Texas gegen das RückgäbM und seine Urheber Mills und Mellon erhob, teilte Mills« Samstag dem Plenum des Repräsentantenhauses mit, es aufgeben müsse, das Rückgabegesetz weiter zu verfolg! Eine Erledigung des Gesetzes in dieser Session ist nicht m zu erwarten. Alle dahingehenden deutschen Hoffnungen mW daher auf-gegeben werden.
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