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stahls von Briefmarken zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war.
Ostende, 1. Okt. Der gestrige Sturm bat an der hiesigen Küste großen Schaden angerichtet. Eine Quaimauer stürzte in einer Länge von 600 Meter ein. Man befürchtet ernste Unfälle auf hoher See.
Kattowitz, 1. Okt. Hinter der Station Czernitz entgleiste gestern Abend kurz nach 11 Uhr der von Kattowitz kommende Perfonenzug. Der Lokomotivführer sowie ein Heizer find tot, Packmeister Fuchs ist schwer verletzt. Ferner sollen mehrere Passagiere der 4. Wagenklasse tot unter den Trümmern liegen. Von den Passagieren namentlich der 4. Wagenklasss wurden viele schwer verletzt. Das Unglück ist infolge falscher Weichsnstellung entstanden, indem der Zug auf ein totes Geieise fuhr, die Lokomotive den Prellbock umranute und der ganze Zug die Böschung hinunterfiel. Der Materialschaden ist bedeutend. Nach einer späteren Meldung wurden 7 Personen tot unter den Trümmern des verunglückten Zugs hervorgezogen.
Warschau, 30. Sept. Nach Mitteilungen aus amtlicher Quelle soll die Aufhebung des Belagerungszustandes in Warschau unmittelbar bivorstchen.
Petersburg, 30. Sept. Minister v. Witte ist in den Grafenstand erhoben worden.
London, 30. Sept. Dem Evening Standard wird aus Odessa telegraphiert. Nach einer dort eingetroffenen Privat-Depesche von einer „hohen Autorität" steht ein Dreibund zwischen Deutschland, Rußland und Frankreich als Gegengewicht gegen das englisch-japanische Bündnis bevor. Dies sei der Gegenstand der Verhandlungen Wittes mit dem Präsidenten Loubet und Ronvier in Frankreich und dem Kaiser und dem Fürsten Bülow in Deutschland gewesen.
Tanger, 30. Srpt. Die Jacht „Aidec", welche seit einigen Tagen im Hafen liegt, wird von den marokkanischen Behörden beschuldigt, Müssen und Munition an Bord zu führen. Die marokkanischen Behörden frugen deshalb bei der französischen Gesandtschaft an, ob sie die Jacht durchsuchen dürften, worauf ein ablehnende Antwort erfolgte. Nunmehr ist es den marokkanischen Behörden gelungen, zwei Boote zu beschlagnahmen, als sie mit Munition und Waffen beladen sich von der Jacht entfernen wollten.
Tunis, 1. Okt. Seit der Erdbeben- Katastrophe in Calabrien treffen hier zahlreiche calabrestsche Landwirte ein, welche ihre Heimat verlassen haben, um sich in Tunis eine neue Existenz zu gründen. Die Anzahl der Flüchtlinge ist jedoch so groß, daß viele von ihnen die bitterste Not leiden.
Po rt S a id, 29. Sept. DieSprengung des im Suezkanal liegenden Dynamitschiffs hat bedeutend weniger Schaden angerichtet, als man erwartet hatte. In den frühen Morgenstunden verließen die Bewohner Port Saids ihre Häuser, um sich an den Seestrand zu begeben, da sie befürchteten, die Erschütterung könne die Häuser der Stadt zum Einsturz bringen. Die Läden, die Bureaus und die Banken wurden geschlossen und die letzteren durch Polizisten bewacht. Ein Sonderzug brachte die Zeitungskorrespondenten in die Nähe der Stelle, wo die Sprengung stattfinden sollte. Die Herren waren jedoch vorsichtig genug, 9 km Zwischenraum zwischen sich und dem Schiff zu lassen. Um 9 Uhr 50 Min. erfolgte die Explosion. Eine gewaltige, mit Sand und Trümmern vermischte Wassersäule erhob sich 2000 Fuß hoch in die Luft, breitete sich dort aus und sank wieder zusammen. Die Kanalufer wurden 300 Meter weit mit Schiffs- trümmern und Sand bedeckt. In Port Said hörte man die Explosion nur als schwaches Rollen. Eine Besichtigung der Stelle, wo die „Chatham" gelegen hatte, ergab, daß das Schiff vollständig zerfetzt und das östliche Ufer des Kanals 600 Fuß weit zerstört worden war. Das westliche Ufer, die Eisenbahnlinie und der Süßwasserkanal waren unbeschädigt geblieben und der telegraphische Verkehr konnte nach 2 Stunden wieder ausgenommen werden. Die Kanalbagger und die Taucher gingen sofort an die Arbeit und man hofft, daß der Wasserweg bereits in 4 Tagen dem Verkehr wieder übergeben werden kann. In Port Said lagen am Donnerstag nur 4 Schiffe, die den Weg durch den Kanal zu nehmen wünschten.
Aus Deutsch-Südwestafrika. Ueber die auf englischem Gebiet an der Ostgrenze unserer Kolonie befindlichen Herero erfährt die „Köln. Zig.": Im August hat sich ein Angestellter des Gouvernements einem Handelszug nach dem Ngamisee angeschlossev, um an Ort und Stelle Erkundigungen über die von der englischen Regierung — dieses Gebiet untersteht nicht der Kaprcgieruug — internierten Herero etnzuztehen. Er hat dabei festgestellt, daß sich auf englischem Gebiet insgesamt 1000 Herero, ausschließlich der Frauen und Kinder, befinden. Von diesen waren an dem Orte Nuchei, 80 km östlich von Rietfontein, 750 Köpfe, darunter 221 Männer und die Großleute: Willi Maharero, Traugott, Justus Kawiseri, Smitt, Bakoma, Baraijo, Haufitan. In Tsan halten sich 200 Herero, darunter 75 Männer, mit Samuel Maharero, Kajata, Mutate, Schulmeister Willy und andere auf. Nach den Minen in Kimberley find 70 Herero gegangen. Michael ist nach deutschem Gebiet entwichen. Salatiel und Timotheus, die Söhne Kambazembis, sollen nach Aussagen der Herero mit ihren Leuten bei
Herr Schweikhardt zeigte sich als gewandter Redner, der demokratische Prinzipien wohl zu vertreten weiß. Es wurde ihm daher aus der Mitte der Versammlung für seine Tätigkeit auch der gebührende Dank gezollt.
Stuttgart, 30. Sept. (Fürsorge für Lungenkranke.) Die Gemeindeverwaltung der Stadt Stuttgart beabsichtigt die Errichtung einer Fürsorgeonstalt für Lungenkranke. Zn diesem Zwecke ist von dem Aerzteverein ein Gutachten verlangt worden, der das Projekt warm empfiehlt. Es besteht Aussicht, daß die Einrichtung noch in diesem Jahre zur Ausführung gelangt.
Stuttgart, 30. Sept. Die heutige nichtöffentliche Verhandlung des Schwurgerichts wegen Verbrechens der Notzucht gegen den 41jähr. verheirateten Steinbrucharbeiter Gottlob Keck von Malmsheim endete mit dessen Verurteilung zu einer Zuchthausstrafe von 4 Jahren, wovon 2 Monate für Untersuchungshaft abgehen, nebst lOjährigem Ehrverlust. Es handelte sich bei dem Straffall um die brutale Mißhandlung einer im Armenhaus in Malmsheim untergebrachten 81jährigen Frau, die inzwischen gestorben ist. Zur Verhandlung waren 4 Zeugen und als Sachverständiger Med.- Rat vr. Köstlin geladen. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Cuhorst.
Stuttgart, 30. Sept. Kartoffel markt auf dem Leonhardsplatz. Zufuhr 1300 Ztr. Preis 1.70—3.30 per Ztr. Krautmarkt auf dem Charlottenplatz. Zufuhr 1000 Stück. Preis 16 bis 20 für 100 Stück. Mostobstmarkt auf auf dem Wilhelmsplatz. Zufuhr 400 Ztr. Preis 7—7.30 per Ztr.
Mergentheim, 30. Sept. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich gestern abend auf dem hiesigen Güterbahnhof. Mit dem Anschreiben eines Wagens beschäftigt, wurde der langjährige Güterbodenarbetter Karl Reinhard von einer Rangiermaschine erfaßt und ihm der Brustkorb eingedrückt. Der Bedauernswerte, ein in den 50er Jahren stehender fleißiger und freundlicher Mann, erlag noch heute Nacht den schweren inneren Verletzungen. Allgemeine Teilnahme wendet sich der schwergeprüften Witwe zu.
Frankfurt a. M., 30. Sept. Die internationale Ausstellung für Kochkunst und Hotelgewerbe wurde heute in Gegenwart der Protektorin Prinzessin Friedrich Karl von Hessen eröffnet. Die Ausstellung ist gut beschickt und interessant gestaltet.
Frankfurt a. M., 30. Sept. Aus der Frankfurter Gold- und Silberscheideanstalt wurde vor kurzem ein Packet mit Gold im Wert von 8000—10000 entwendet. Der Täter ist jetzt entdeckt worden. Es ist der Postgehilfe Schmitt aus Langenschwalbach, der vor kurzem wegen Diebrückhaltung vergessend, sich vorbeugend, erschreckt und erbleichend LaS Antlitz vor ihm neigte.
Er ließ sich auf den Rücken des Pferde» falle», ritt noch einmal an der Barriere herum, die Loge wieder suchend ... Sie war leer!
35. Kapitel.
Anstatt in den CirkuS zu gehen, hatte Blenke inzwischen da» Hotel aufgesucht, in welchem Dagobert bereit» eingetrvffen sein mußte. Er fand ihn im Zimmer, unruhig, aufgeregt, in tiefster Verstimmung, seinen Gruß kaum erwidernd.
„Die schleunige Abreise der Frau von Rothenhelm hat in Wien die unangenehmste Sensation erregt!" rief er zerstreut . . . „Jeder wußte einen anderen Gund zu ersiinen. Man hätte glauben können, di« Nachricht davon sei schon wirklich durch die Stadt gelaufen, ehe st« wirklich abgereist war."
Blenke verstand, daß da» ein Vorwurf für ihn sein solle; er hört« nicht darauf.
„Ich erwartete Sie mit Sehnsucht," sagte er, in der Bruststasche suchend. „Setzen Sie sich und lasten Sie sich erzählen, wa» seit meiner Ankunft hier geschehen. Zunächst hat r» sich herau»grstellt, daß unsere schöne Frau wirklich ein Vorleben gehabt, wie ich e» mir gedacht, wenn auch nicht ganz ebenso. Sie ist von guten Eltern, ich weiß freilich noch nicht von welchen. Die Jrländerin hat mir gebeichtet, daß Frau Afra mit sechzehn Jahren dem elterliche» Hause entlaufen und unter die Kunstreiter gegangen ist, wo sie ihren späteren Gatten, wie ich vermute, den Herrn von Rothenhrlm kennen gelernt hat . . . Ihr« Bravour al» Amazone erklärt sich somit."
Dagobert blickte gedankenschwer vor sich hin.
„Da» hat nun allerding« zunächst für unsere Zwecke keine große Bedeutung." führ Blenke fort. „Jntereffant ist nur, daß gerade der Kunstreiter, ein noch hübscher, junger Man», der sie in seine Schule nahm und sich dabei in sie verliebt«, heute hier zum ersten Male im Cirku» auftritt und e« mir gelungen ist,
sie zu ihrer Zerstreuung in den letzteren zu schicken, wo sie ihn wieder sehen wird. E» gehört auch das eigentlich nicht direkt zur Sache; aber e» kann auch noch von Bedeutung werden, wenn er erfährt, daß sie eine reiche Witwe ist. Als ich heute Nachmittag in einem Restaurant speiste, las ich in einer Zeitung, dieser Zerbone sei von aristokratischer Herkunft, Leutnant in einem ungarischen Kavalleriereg ment gewesen und in seiner Carrier« entgleist, etwa wie unser Freund Wiedenstein. So lange sie den Grafen Tests liebt, wird er bei ihr allerdings wenig Chance haben."
„Ist das alles?" fragte Dagobert, als Blenke eine Pause machte.
„Doch nicht! Ich habe hier noch dm Kommissionär Lübke, au» dessen Verhalten ich noch nicht klug geworden bin. Vorläufig bin ich gespannt, welchen Eindruck diese» Wiedersehen im Circa» auf sie macht, und werde, wenn nicht heut« Abend, jedenfalls morgen zeitig darüber erfahren. ES kann nicht schaden, der schönen Frau einige Aufregungen zu bereiten, um sie zu beschäftigen . . . Also sitzt zur Sache! Ich habe vielleicht eine eilige Mission für Sie, di« Sie ganz allein auSführrn müssen, da ich hier unentbehrlich bin und die Aufgabe habe, Frau Afra bi» zu Ihrer Rückkehr zu unterhalten."
Dagobert blickte überrascht auf.
„Ich erwarte eine Depesche; von derselben wird e» abhängen, ob Sir eiligst und auf dem kürzesten Wege nach Irland reisen müssen, nach Dublin. E» hat sich nämlich herauSgestellt, daß wir in ganz entgegengesetzter Richtung gesucht haben. Hier, dieser in dem Koffer der Jrländerin, der abgefeimtesten Person, die ich hinter Schloß und Riegel gesetzt Hab«, gefundene Zettel beweist, daß da» unglückliche Mädchen vor drei Jahren — da» Datum stimmt merkwürdig, jedenfalls durch di« Vertraute der schönen Frau und Gott weiß, durch welche Mittel — einer Anstalt zur Pfl-ge übergeben worden ist, über deren Charakter ich nicht im Zweifel bin.
(Fortsetzung folgt.)
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