sind beteiligt das 2. und 3. Bataillon des 13. (württ.) Infanterieregiments aus Stuttgart und des 14. (bad.) Infanterieregiments aus Tübingen und Konstanz, die 3. (württ.) Abteilung des 5. Artillerieregiments (Ludwigsburg), Teile des 18. Reiterregiments, der 5. Nachrichtenabteilung, des 5. Pionierbataillons und der 5. Fahrabteilung.
Ludwigsbuyy, 28. Dez. (Unter den Rädern.) Am Weihnachtsabend fuhr der Eisenbahningenieur Hans Rüdt von Kornwestheim hierher. Als er sich während der Fahrt von einem Wagen in den andern begeben wollte, tat er offenbar einen Fehltritt. Er fiel und kam auf die Schienen zu liegen. Man fand seinen Körper in grälich verstümmeltem Zustand.
Eßlingen, 28. Dez. (Es gibt noch ehrliche Menschen.) Gestern wurde auf dem Marktplatz eine Tula-Uhr mit für dm Inhaber großem Erinnerungswert verloren. Als dieser den Verlust bemerkte und den Weg zurückmachte, war sie nicht mehr zu finden. Heute früh konnte er sie bei dem ehrlichen Finder wieder in Empfang nehmen.
Altenstädt-Geislingen, 28. Dez. (In Lebensgefahr.) In große Lebensgefahr kamen vor Weihnachten einige Telegraphenarbeiter, die im unteren Stadtteil die Leitungen ordneten. Ein Drahtstrang kam auf die elektrische Hochspannung zu liegen und setzte im Nu die mit dem Draht verbundenen Männer in ein Lichtmeer. Ein Arbeiter mußte mit äußerster Kraftanstrengung vom Draht gerissen werden. Ein vorbeifahrender Radler wurde vom Fahrzeug geschleudert, ohne daß er eigentlich mit der Leitung in Berührung gekommen war. Wie durch ein Wunder nahmen die Beteiligten aber weiter keinen bleibenden Körperschaden.
Tübingen, 28. Dez. (Beleidigungsprozeß.) Die Strafkammer hat den Tiefbauunternehmer Gustav Köhler in Dal- mühle wegen versuchter Amtsnötigung und Beleidigung des Vorstands des Bauamts für die öffentliche Wasserversorgung, Oberbaurat Groß, in zweiter Instanz zu 200 M. Geldstrafe oder 20 Tagen Gefängnis verurteilt. Köhler hatte sich um Arbeiter für die Neckar-Echazgruppe beworben, den Auftrag aber nicht erhalten. Ohne Berechtigung schrieb er die Schuld dem Oberbaurat Groß zu und schrieb diesem einen ^Beleidigungs- brief. Gleichzeitig hatte er ihm angedroht, daß er sich an die Presse und den Landtag wenden werde, wenn Groß ihn bei der Vergebung der Arbeiten nicht berücksichtige. Oberbaurat Groß übergab den Brief dem Ministerium des Innern, das Strafantrag stellte.
Aistaig, OA. Sulz, 28. Dez. Ertrunken.) Am Stephanstag bekam der verheiratete Wilhelm Sturm, der abends sich offenbar von dem Stand des Hochwassers im „Surrenbach" und Neckar überzeugen wollte, als er auf der Brücke des Baches stand, seinen sich fast regelmäßig wiederholenden epileptischen Anfall, stürzte über die nur sehr niedrige Brückenmauer in den Bach und verschwand in den meterhoch gehenden Wellen des Baches, der kurz darauf in den Neckar mündet. Die hereinbrechende Nacht erschwerte die Suche, sodaß an eine Rettung nicht zu denken war. Erst gestern konnte der Leichnam im Neckar zwischen hier und Sulz geborgen werden.
Schrmnberg, 28. Dez. (Stiftung.) Aus Anlaß des 50-jährigen Bestehens der Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik wurden den Kassen der Angestellten und Arbeiter von der Firma je 25 000 M., zusammen 50 000 M. überwiesen.
Dürbhrrm, OA. Spaichingen, 28. Dez. (Totschlag.) Am Sonntag abend um 11 Uhr erlag im Bezirkskrankenhaus zu Spaichingen der 45jährige Taglöhner Gebhard Mattes Vater von sieben Kindern, wohnhaft auf dem Risiberg, den schweren Verletzungen, die ihm der 20jährige Taglöhner Johann Mattes am Montag, den 11. Dez., beigebracht hatte. — Ohne vorhergegangenen Wortwechsel hatte Johann M. dem Gebhard M. einen Schlag mit einem Prügel derart auf den Kopf versetzt, daß dieser bewußtlos zusammenbroch. Vier Tage lag der Bedauernswerte bewußtlos. Die Tat spielte sich auf dem Arbeitsplatz der Nisihalde ab, wo die Partie, zu der die beiden gehörten, mit Holzen beschäftigt war. Der Täter wurde sofort nach der Tat dem Amtsgerichtsgefängnis Spaichingen eingeliefert. Dieses Unglück hätte vermieden werden können, wenn der Täter schon im Frühjahr dieses Jahres zur Rechenschaft gezogen worden Wäre, nachdem er einem 30jährigen Mädchen einen Prügel über den Kopf gezogen hatte, so daß diese bewußtlos liegen blieb. Damals wurde von einer Strafverfolgung Abstand genommen.
Simmisweiler, OA. Biberach, 28. Dez. (Ein Unglück kommt selten allein.) Der Holzhauer Otto Gerner fühlte sich am 5. Dezember etwas unwohl. Am 7. Dezember fiel er vom Stühle und war tot. Ein Herzschlag hatte dem arbeitsreichen Leben ein Ende bereitet. Kurz nach der Beerdigung erkrankte der älteste Sohn an Lungenentzündnung und schwebte in Lebensgefahr. Das traf die Witwe umso härter, als sie noch fünf unmündige Kinder zu versorgen hatte. Und das Unglück nahm
seinen Fortgang. Am 22. Dezember wurde die Witwe von einer Kuh an der Stirne schwer verletzt. Die Verletzte mußte ins Bezirkskrankenhaus übergeführt werden. Ihr Zustand ist bedenklich.
Wolfess, OA. Waldsee, 28. Dez. (Ein kaltes Bad.) Vorige Woche vergnügte sich eine Schar Schulkinder auf dem vor dem Schulhaus befindlichen Feuerweiher, der vor kurzer Zeit erst abgeeist worden war. Plötzlich brach die Eisdecke durch und 23 Mädchen zappelten im Wasser. Alsbald eilten -die Itachbarn mit Stangen herbei und leisteten Hilfe. In kurzer Zeit waren die völlig durchnäßten Kinder aus ihrer gefährlichen Lage geborgen und im warmen Heizraum des Schulhauses untergebracht, sodaß sie keinen weiteren Schaden nahmen.
Bom Oberland, 28. Dez. (Wahlhumor.) Ein biederer Wähler erhält einen Wahlzettel in die Hand gedrückt, auf dem mehr Kandidaten stehen als gewählt werden dürfen. Er hält Aussuche und streicht soviel als nötig. Bei einem, der ihm offenbar zu jung erscheint, schreibt er die kurze Bemerkung dazu: „3 Jahre zurück".
Wasseralfingen, 28. Dez. (Betriebsstillegung.) Die Firma Boleh und Leinen hat ihren hiesigen Filialbctrieb, die frühere Eisengießerei Streicher, bis 11. Januar 1926 stillgelegt.
Pforzheim, 28. Dez. Gestern abend kam mit dem Zug ein völlig betrunkenes hiesiges Ehepaar hier an. Da der Mann nicht mehr gehen konnte, mußte er mit der Tragbahre nach der Polizeihauptwache gebracht werden, wo ihm ein Arzt mehrere , Einspritzungen machen mußte, da Alkoholvergiftung festgestellt ^ wurde. Sodann mutzte sowohl der Betrunkene wie auch seine
> Frau mit dem Sanitätsauto ins Krankenhaus eingeliefert ! werden.
! Dietlingen, 27. Dez. In den Keller der Karoline Baumann ! Witwe wurde anfangs der Woche eingebrochen. Dabei wurden
> etwa 100 Liter selbstgepflanzter Wein gestohlen. Da die be- - stohlene Frau in den denkbar ärmsten Verhältnissen steht, muß « dieser Diebstahl als eine besonders niederträchtige Tät bezeich- , net werden. Dem Dieb, der übrigens noch mehr auf dem j Kerbholz haben dürfte, ist man auf der Spur.
! Freiburg, 28. Dez. Einige junge Burschen hatten eine ausgiebige Reise ins Glottertal unternommen und vollführten j in einer Wirtschaft einen derartigen Lärm, daß der Wirt sie ' hinauswerfen mußte. Einer von den Burschen, namens Mat- ! tes, aus -der Hinterkirchstraße in Zähringen, vollführte den : -größten Radau und äußerte, daß es noch einige Tote geben i würde. Bald darauf stach er den bisher nicht beteiligten ^ Schätzte, ebenfalls aus Zähring-en, mit einem Messer in den ! Hals, so daß die Schlagader verletzt wurde. Der Täter wurde i verhaftet. Schätzte ist seinen Verletzungen erlegen.
Tauberbischofsheim, 28. Dez. Von einem Pferdetransport , des hiesigen Pferdehändlers Bauer, der am ersten Weihnachts- j feiertage abends nach 9 Uhr ausgeladen wurde, rissen sich drei ! Tiere los. Sie gerieten auf den Bahnkörper und wurden von
> dem Wertheimer Zug erfaßt, eine Strecke weit geschleift und ! zermalmt.
i Breiten, 28. Dez. Zu dem Eisenbahnunglück wird noch ? weiter -berichtet: Am Donnerstag mittag hatte der Bahnwart ! Siegler auf Posten 68 der Strecke Breiten—Stuttgart Strecken- i dienst. Seine Frau brachte ihm zusammen mit dem 18jährigen j Sohn das Essen an die Arbeitsstätte. Die Beiden legten den ! Weg auf -den Schienen zurück. Der neben -dem Gleise führende ! -Fußpfad ist jedoch zur Zeit infolge Streckenumbaues nicht gangbar, da er als Lagerstätte von Eisenbahnschienen, Schwel- j len und dergl. -dient. Mutter und Sohn waren schon auf dem Heimweg zum Bahnwärterhaus, als sie einem aus Breiten kommenden Güterzug durch Uebertreten auf das zweite Gleis ausweichen wollten. Infolge -des vorbeirollenden Zuges überhörten sie den im Rücken ankommenden D-Zug Stuttgart- Frankfurt, der beide überfuhr. Während der Frau der Kopf vom Rumpfe getrennt und der Körper zu einer formlosen Masse zermalmt wurde — sie war sofort tot —, flog der 18jährige Sohn in weitem Bogen über den Bahndamm und starb bald an den erlittenen schweren Verletzungen. Die Wirbelsäule war gebrochen und der Kopf wies eine klaffende, tiefe Wunde auf. Der Schnellzug hielt sofort und das Zugpersonal leistete die erste Hilfe, bis durch telephonischen -Anruf Sanitäts- mannschaft-en aus Breiten zum Abtransport der Leichen eintrafen. — Die Familie war erst vor acht Tagen auf Liesen Posten -versetzt worden.
Der Mannheimer Rattenkrieg. Die Stadt Mannheim hat in -den letzten Tagen eine großartig angelegte Razzia auf Rat
ten, aus deutsch wohl die Nagenden, abgehalten. Die Rattenjagd hat eine reichliche Strecke der Nager ergeben. Die hierbei gemachten Erfahrungen beanspruchen Interesse, da auch andere Städte vielfach von einer Rattenplage sprechen können. Die zur Auslegung kommenden Köder -sind nicht mit -den Händen zu berühren, da die Ratten über eine gute Nase verfügen, wie der Jäger sagt, gegen Menschengeruch sehr mißtrauisch sind und die feinsten Leckerbissen liegen lassen, wenn sie Verdacht schöpfen. Der Meerzwiebel- und Phosphorbrei, die in erster Linie zur Vertilgung dieses Ungeziefers in Betracht kommen, sollen mit -einem Holzstäbchen auf Scheiben von Brot, Speckschwarte oder Fleisch wie dicke Butter aufgestrichen werden. Diese bestrichenen Brotstellen werden auf Brettchen festgenagelt, damit die Ratten die Vesperle an Ort und Stelle verzehren und nicht zu eingelagerten Kartoffeln, Gemüse und dergleichen verschleppen, wodurch die zubereiteten Speisen den Menschen gefährlich -werden könnten. Die Lockspeisen sollen in Kellern, Speichern, Kanälen und vor Rattenlöchern ausgelegt werden. Auch das Einwickeln der Vesperle in Papier empfiehlt sich, da -die Ratten den Drang zum Stehlen besitzen und verbotene -Früchte die Ratten reizen. In einer Bäckerei empfiehlt sich das Auslegen von Brot picht, in einer Metzgerei sollte kein Fleisch gegeben werden, da die Ratten die Abwechslung lieben. Es empfiehlt sich überhaupt nicht, nur einerlei Futter auszulegen, sondern von verschiedenem etwas, da die Ratten Abwechslung in der Speisekarte wünschen, wodurch die Freßsucht der Ratten erhöht wird. Um die Wirkung des Giftes zu erhöhen, sind Gefäße mit Wasser aufzustellen, da durch -das Trinken der Tod der Ratten beschleunigt wird. Auch „Epfelmoscht" soll den Ratten zuträglich sein. Alle Haustiere, wie Hunde, Katzen und Hühner müssen unbedingt fern von dem Ort -der Auslegung der Delikatessen gehalten werden. Alle ausgelegten Brocken müssen nach Anzahl, Ort und Stelle gebucht werden. Die Apotheken und Drogerien sind jedenfalls gern bereit, weitere Auskunft über Giftbrocken zu geben.
Aufwertung. Ein erfreuliches Weihnachtsgeschenk konnte die Allgäuer Volksbank ihren Stammeinlegern in diesen Tagen bereiten: die Aufwertung der früheren Stammeinlagen. 30000 Mark können zu diesem Zweck verwendet werden.
Ein seltener Fall. Das Regensburger Landgerichtsgefängnis beherbergt' zurzeit drei zum Tode Verurteilte, was in den Annalen des Gefängnisses noch nicht zu verzeichnen war. Es handelt sich um drei entmenschte Mörder, nämlich den Metzgergehilfen Berthold von Burglengenfeld, der auf grausame Art seinen unehelichen Knaben zu Tode geguält hatte, um den Ausgeher Max Meiringer -von Regensburg, der seinen wehrlosen Freund mit einem Beil zerstückelte, und um den Dachschindel- nmcher Sachsenhauser von Niederrummelsdorf, der einen bestialischen Lustmord an einer Äjährigen Greisin verübte. Die Genannten dürften in der nächsten Zeit hingerichtet werden, wenn das bayerische Gesandtministerium keine Begnadigung ausspricht.
Mord. Wie aus Höchstädt berichtet wird, wird die 24jährige ledige Dienstmagd Wally Zangel vom nahen Schwenningen, die in letzter Zeit in der Gastwirtschaft zur Glocke in Höchstädt beschäftigt und als ein braves bescheidenes Mädchen bekannt war, seit Freitag abend, wo sie sich entfernte, in der Absicht, Weihnachtseinkäufe z-u machen, vermißt. Nun wurde das Mädchen auf einem Kiesbett in der Donau tot aufgefunden. Am Kopfe waren drei große klaffende Wunden, von Berlhieben her- rührend, wahrzunehmen. Die -gerichtliche Sektion ergab, daß der Tod durch Gehirnlähmung -eingetreten ist. -Einwandfrei steht fest, daß nur Mord in Frage kommt. Nach dem Täter, der aus der Umgebung von Höchstädt sein muß, wird eifrig gefahndet. Es wurde bereits eine Verhaftung vorgenommen; der Festgenommene ist aber, da seine Unschuld klar vor Augen lag, -wieder freigelassen worden.
Warum „Prosit Neujahr"? Die Dorfleute sagen Wohl noch auf deutsch „Glückliches -Neujahr" oder „Gesegnetes Neujahr". Die Städter indessen würden sich nach ihrer Meinung etwas vergeben, wenn sie das Wort „Prosit Neujahr" oder gar das abscheuliche „Proscht Neujahr" nicht anbringen können. Jsts nicht so? Was das Wort „Prosit" heißt, wissen 90 vom Hundert nicht, aber sie rufen es gedankenlos, weil es die -anderen auch rufen. Der Zuruf „Prosit" oder „Proscht" entstammt trinkfesten Kreisen und ist von dort in -die Allgemeinsprache
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Bedarf in Anzügen, Winter-Mänteln, Schweden- und Gummi-Mänteln, Lodenjoppen, Windjacken und Arbeitshosen der mir decke», krrmx kratr, UsM ü.8MMmiIMW. kkorrdöim, I-WMH?g
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Vom Glück vergessen.
Roman von Fr. Lehne.
67. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Maria Christin« war voll überströmender Herzlichkeit und Ergriffenheit; sie war stolz auf ihren Schützling. Sie wehrte die innigen, bewegten Dankesworte Ewen- dolines ab
„Ich muß mich freuen, daß es mir vergönnt ist. ein jo begnadetes Eesangstalent zu protegieren."
Und der Herzog sah mit heißem, verzehrendem Blick auf das schöne Mädchen.
„Unter zehn Jahren wird der Kontrakt mit meiner Bühne nicht abgeschlossen, Fräulein von Reinhardt!" scherzte er; seine Stimme klang etwas erregt, „Berlin oder München oder Amerika gar soll meiner Residenz diesen Singvogel nicht entführen." Und begeistert stimmte ihm die Herzogin zu.
Noch spät in der Nacht schrieb Ewendoline an Hanna Likowski, um ihr übervolles, beglücktes Herz zu erleichtern, und die Kritiken des nächsten Tages, die ausnahmslos lobend waren und ihre Stimme, Darstellungskunst und Erscheinung rühmten, wurden dem Briefe an Hanna mit bsigefügt.
Wenn sie geahnt hätte, daß Axel von Kronau diesen Brief und die Besprechungen zu lesen bekam! Er hatte eine Einladung zu Tische bei dar Kammerzienrätin angenommen.
Wichtig erzählte ihm Hanna von Ewendolines Erfolgen, ihm alles zeigend. Er nahm den Brief und las, las lhre jubelnde Freude über den Erfolg, über die große Huld des Hergogspaares und über ihre glänzenden Zukunftsaus- sichteu! Und keine Frage nach ihm war da zu lesen — er war wohl ganz ausgeschaltet aus ihrem Erinnern! Sie hatte damals im Herbst den Bruch wohl nur gesucht, um ihre ehrgeizigen Pläne verfolgen zu können. Diese Gewißheit festigte sich immer mehr in ihm. Gar schlau hatte sie es angefangen und ihm hatte sie Beweggründe unterschoben, von denen sein Herz nichts wußte. Wenn ihn Mißtrauen, Eifersucht hin und her gerissen, so war das durch ihre Heim
lichten entschuldbar — nicht entschuldbar war es von ihr, daß sie das zu ihrem Vorteil ausgenutzt hatte!
Ihr kalter, kurzer Abschiedsbrief damals hatte es ihm unmöglich gemacht, nochmals eine Aussprache herbeizuführen -er war nicht der Mann, der dem Weibe nachlief,
und wenn er es bis zur Besinnungslosigkeit liebte! Er hatte wirklich nicht gelaubt, daß ihre Worte ihr bitterer Ernst waren; er hatte sie für einen raschen Ausbruch ihres Temperaments gehalten! Aber dann war sie gleich abge- reist und von Likowskis hatte er erst erfahren, wo sie sich aufhiclt. Im Stillen hoffte er immer noch, ohne es sich direkt einzugestehen, auf ein Lebenszeichen von ihr. Aber nichts dergleichen kam; sie blieb trotzig, gönnte ihm kein gutes, entgegenkommendes Wort, und eine große Erbitterung bemächtigte sich seiner, wenn er öfter durch Hanna
von ihren Zukunftsplänen hörte-und heute hatte er
das erste glänzende Resultat ihrer Studien gelesen!
Freilich, Fürstengunst und künftiger Künstlerinnenruhm hatten mehr gelockt als das einfache Leben einer schlichten Offiziersfrau — sie hatte mit ihm gespielt, hatte zwei Eisen im Feuer haben wollen, und als die Herzogin winkte, ließ sie den Geliebten fallen — kaltherzig! So war es gewesen — trotzig verbiß er sich in den Gedanken — o, sie war nicht wert, daß er noch einen Gedanken voll Liebe und Sehnsucht für sie hatte!
Während Hanna sich noch voller Freude über Gwen- dolines Erfolge erging, warf Blanka ironische Bemerkungen dazwischen.
„Nun brauchen uns die Reinhardts nicht mehr!" Sie nahm aus der Konfektschüssel einige ausgewählte Stücke und legte sie auf Axel» Teller. „Mir tut nur das schöne Geld leid, das Mama zu Ewendoline» Ausbildung als Lehrerin ausgegeben hat! Damit hätten wir ein anderes armes, würdigeres Mädchen glücklich machen können! — Aber das liegt einmal in den Reinhardts — sie sind alle berechnend, undankbar, gewissenlos —" setzte sie unbedacht hinzu.
In Hannas hübschem Gesicht zuckte und arbeitete es; mühsam zerdrückte sie eine Träne. Blankas flinkes Zünglein hatte eine noch immer wunde Stelle in ihrem Innern
berührt, die sich auch nie schließen würde! Niemand ahnte ja von den Stunden tiefster Verzweiflung, von den durchweinten Nächten des armen Mädchens, in denen sie mehr als einmal daran gewesen, sich das gewaltsam zu nehmen, was die Natur ihr neidisch versagte — die ewige Ruhe, in der man nichts mehr weiß von des Daseins Leiden und Schmerzen!
Doch der Lebensdrang war dann wieder so mächtig in ihr, daß sie zu anderen Zeiten schaudernd solche Gedanken weit weg wies und froh war. daß sie noch atmete und die Herrlichkeiten der Welt sah.
Und sie ging den Weg, den ihr Ewendoline gezeigt — sich der Mühseligen und Beladenen anzunehmen! Sie suchte die Behausungen der Armen und Kranken auf; ihr gütiges, mildes Lächeln, ihre warmen Worte brachten Trost, und sie empfand bald, was die Freundin ihr gesagt: in anderer Glück sein eigenes finden, ist edler Seelen Seligkeit. Sie übte eine fast unbegrenzte Wohltätigkeit und mit Verehrung und Bewunderung nannte man ihren Namen in der Stadt.
Zweiundzwanzig st es Kapitel.
Ewendoline war so verblüfft über Mattes Dreistigkeit, sie im Schloß au§zusuchen, daß sie kein Wort fand, als er vor ihr stand im eleganten Besuchsanzug. Zylinder, feinfarbigen Handschuhen — — dem ihn anmeldenden Diener schon auf dem Fuße folgend.
„Ich komme, Ewendoline, dir meine Bewunderung und meine Glückwünsche zugleich auszusprechen über deine Leistung gestern abend! Ich war überrascht, dich auf den Brettern, die die Welt bedeuten zu sehen — du bist eine große, eine herrliche Künstlerin/
Sie wehrte seinen begeisterten Worten.
„Ich will wenigstens danach streben, es zu werden —" entgegnete sie kühl.
Da sie ihm nicht gleich einen Platz angeboten, setzte er sich ohne weiteres in einen Sessel. „Du erlaubst?" Er sah sich um in dem sehr behaglich und geschmackvoll eingerichteten Raum. „Recht gemütlich und hübsch hast du es hier — besser als zu Hause bei Mama." (Forts, folgt.)