Parteivertreter einschließlich des Zentrums sollen sich vahln ge­einigt haben, den Mindestzoll für Getreide fallen zu lassen, aber für Vieh Mindestzölle einzuführen. Im übrigen soll die Re­gierungsvorlage im großen und ganzen angenommen werden. DemLokalanzeiger" zufolge wird heute nachmittag ein Unter­ausschuß die einzelnen Fragen regeln.

Die Bedeutung der deutschen Note.

Berlin, 21. Juli, lieber die Bedeutng der deutschen Note schreibt die diplomatische politische Korrespondenz, daß die gestern in Paris überreichte Note der Reichsregierung von der Feststellung ausgehe, daß die französische Regierung und ihre Alliierten grundsätzlich bereit sind, gemeinsam mit der deut­schen Regierung im Verständigungsweg auf eine Festigung des Friedens hinzuarbeiten. Da die französische Note formulierte Vorschläge und die Forderung nach einer präzisen deutschen Stellungnahme enthalten hatte, war für die deutsche Antwort die Notwendigkeit kritischen Eingehens auf Einzelpunkte gege­ben. Es sind also nicht bloß Rückfragen gestellt, sondern es ist zu den wichtigsten Grundproblemen deutscherseits Stellung genommen worden.

Im Abschnitt 1 komme das Empfinden zum Ausdruck, daß in der französischen Note in unnötig prononcierter Form alle Einzelheiten der Friedensverträge gleichfalls als Sakrosankt für alle Zukunft hingestellt werden. Das mache den Hinweis auf die an sich selbstverständliche Tatsache notwendig, daß jeder bestehende Vertrag unter veränderten Verhältnissen im Wege friedlichen Uebereinkommens abänderungsfähig sei und daß auch die Satzung des Völkerbundes (Art. 19 usw.) derartigen Notwendigkeiten Rechnung trägt. Zur Frage der Besatzungs­bestimmungen wird darauf verwiesen, daß ihre Abänderung zwar nicht zur Voraussetzung gemacht worden sei, das Zu­standekommen des Paktes aber eine wesentliche Veränderung der Lage, also auch des gegenseitigen Verhältnisses der Mächte, wie es für die Abfassung der Besatzungsbestimmungen maß­gebend war, bedeuten würde, sodatz davon auch auf diese Frage eine Rückwirkung erwartet werden müsse. In der Frage der Schiedsverträge werde darauf verwiesen, daß man unseren Vertragsthpus als den gegebenen Weg für schiedliche Beilegung von Staatenkonflikten ansehe, zumal er in genauester Analo­gie zur Völkerbundssatzung stehe. Dann werde sofort zum Kernpunkt der Sache übergegangen, nämlich zu den Ausnahme­fällen, in denen nach der französischen Note ein gewaltsames Vorgehen ohne vorhergehendes Schiedsverfahren möglich blei­ben solle. Die starken Bedenken leiten sich nicht nur aus der Notwendigkeit einseitigen Vorgehens gegen vermeintliche Ver­stöße in Reparationsfragen her, sondern auch gegen etwaige künftige Differenzen bezüglich des Rheinpaktes selbst her. In dem Pakt sollen ja auch die Demilitarisierungsbestimmungen verankert werden. Deshalb könnte irgend ein vermeintlicher Verstoß gegen Zahl oder Ausrüstung der Schupo, irgend eine angeblich für Mobilisierungszwecke brauchbare Verladerampe zum Anlaß für ein militärisches Einschreiten gegen Deutschland

- werden. Weiter werden in diesem Punkt die bereits in der ' Öffentlichkeit erörterten Gefahren einer Einführung vonGa-

- ranten" in das System der Schiedsverträge unterstrichen, und . der Nachteil für Deutschland, wenn ein solcher Garant dem

anderen Kontrahenten durch Sonderbündnisse verpflichtet ist und das Fehlen eines geregelten Verfahrens für die Feststellung einer Friedensstörung, wie es die Völkerbundssatzung für ana­loge Fälle ausdrücklich vorsieht.

, Im dritten Abschnitt wird der gesamte deutsche Stand­punkt in der Völkerbundsfrage in seinen wesentlichen Momen­ten noch einmal dargelegt. Wenn auch kein Widerspruch da­gegen erhoben werde, daß die beiden Probleme des Sicherheits- ^ Paktes und des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund jetzt zusammen erörtert werden, so werde doch betont, daß die Frage , des deutschen Eintritts noch nicht als geklärt angesehen werden dürfe. Dabei werde mit Bezug auf die Bedenken gegen Artikel , 16 der Völkerbundssatzung auf die mangelnde volle Gleichbe­rechtigung Deutschlands infolge seiner Entwaffnung und die Notwendigkeit einer Lösung verwiesen, die der besonderen Lage Deutschlands gerecht werde, bis die Durchführung der allgemei­nen Abrüstung erfolge.

Im Schlußabschnitt der deutschen Note werde der aufrich­tige Wille Deutschlands, eine baldige Regelung der Sicherheits­frage herbeizuführen, stark zum Ausdruck gebracht. Dieser ganze Passus mit seiner Hervorhebung einer bedeutsamen An­näherung der beiderseitigen Anschauungen zeige, daß bereits eine erhebliche Einigkeit über die Grundprinzipien herrsche, während es Aufgabe weiterer Erörterungen bleibe, in den noch offen stehenden Punkten zu einer Verständigung zu gelangen. Dabei werde die Notwendigkeit der Gleichberechtigung und der Gegenseitigkeit als Grundlage unterstrichen.Wenn den durchaus sachlichen und gegenständlichen deutschen Bedenken", so schließt der Kommentar,in gleichem Geiste Rechnung ge­tragen wird, in dem sie vorgetragen werden, so darf die Hoff­nung ausgesprochen werden, daß der Wunsch auch die Befrie­dung der Welt als erfüllbar betrachtet werden kann."

Berliner Preffestimmen zur deutschen Antwortnote.

In ihren Kommentaren zur deutschen Antwortnote be­tonen die Blätter aller Parteirichtungen, daß die Note in erster Linie eine Zwischennote sei, dazu bestimmt, den Gang der Handlung ohne Herbeiführung einer entscheidenden Wendung sachlich zu fördern. Nur dieDeutsche Tageszeitung" bezeichnet es als bedauerlich, daß durch die deutsche Antwort auf dem un­heilvollen Wege weitergeschritten werde, anstatt den ganzen Sicherheitsvorschlag in den Papierkorb zu werfen. DieKreuz­zeitung" und dieDeutsche Tageszeitung" äußern sich im all­gemeinen zustimmend, heben aber hervor, daß sie in mancher Hinsicht eine deutlichere Sprache gewünscht hätten. DieTäg­liche Rundschau" begrüßt es, daß man die Verhandlungsbasis nicht von vornherein allzusehr belastete. In wesentlichen Punk­ten bringe die Note eine Klärung der Situation. Auch der Berliner Lokalanzeiger" sieht den Hauptvorzug der Note da­

rin, daß sie erkläre, nur eine allgemeine Aeußerung zu den > grundsätzlichen Fragen sein zu wollen. Selbstverständlich müsse die deutsche Regierung alles tun, um zu versuchen, zu einer ' Einigung mit Frankreich zu gelangen. DieGermania" be- ^ zeichnet die Note als geschickt auf die Psychologie eines Ver^ ! tragspartners berechnet, bei dem erfahrungsgemäß die Form > größtenteils eine wesentlichere Rolle spiele als der Inhalt. Das ! Berliner Tageblatt" sieht in der Note einen weiteren Fort- schritt auf dem Wege zur Verständigung. Allerdings dürfe man nicht glaubt, daß nunmehr bereits die größten diploma- ! tischen Schwierigkeiten überwunden seien, aber Deutschland ! werde es an dem Willen zu einer Verständigung und damit! für die endliche Befriedung Europas nicht fehlen lassen. Der ^ Vorwärts", der dem ersten Teil der Note zustimmt, bezeichnet die Kritik der Reichsregierung an dem französischen Vorschlag, betr. die Schiedsverträge als negativ. Es sei doch naheliegend, i auch auf das formale Recht zu Gewaltmaßnahmen zu ver- ! zichten, die durchzusühren man nicht die Macht habe, und sich wenn auch nur theoretisch das Recht vorzubehalten, zn Gewaltmaßnahmen zu greifen, wenn der Versuch einer Schlich­tung ergebnislos ausgehe.

Chinesischer Boykott gegen England und Japan.

London, 21. Juli. Blättermeldungen aus Schanghai zu­folge beschloß die chinesische Handelskammer, britische und japa­nische Waren vom 30. Juli ab zu boykottieren und die Ge­schäftsbeziehungen mit britischen und japanischen Firmen z» lösen. Wer gegen die Beschlüsse verstößt, soll mit Geldbußen bestraft und seine Ware soll beschlagnahmt werden. Bei bri­tischen und japanischen Gesellschaften Versicherte müssen ihre Kontrakte lösen und durch die chinesische Handelskammer ihren Beitritt bei chinesischen Gesellschaften betreiben.

Abrüstung ein Traum.

Newyork, 21. Juli. General Sir Frederic Maurice, der 1915 bis 1918 Generalstabschef des amerikanischen Heeres war, erklärte gestern, die völlige militärische Abrüstung sei ein Traum, der nie in Erfüllung gehen werde. Im besten Falle könnte eine Beschränkung der Rüstungen zustande kommen.

AmerikanischeAbrüstung" zur See. j

Der Vorsitzende des Flottenausschusses hat dem Präsiden- , ten Coolidge die Pläne zum Ausbau eines großen Flottenstütz­punktes in der Bucht von San Franzisco unterbreitet. Da es , sich um eine sehr große Anlage handelt, werden 30 Millionen ! Dollar hierzu angefordert. Der Senat wird hierüber im Herbst beraten.

Das Urteil im amerikanischen Affenprozetz.

Der Lehrer Scopes, der beschuldigt war, die Gesetze des Staates Tenessce dadurch verletzt zu haben, daß er in der Schule die Darwinsche Entwicklungslehre vortrug, wurde vom Gericht schuldig gesprochen. Er wurde zu 100 Dollar Geldstrafe verurteilt.

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