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den 24. September, im sogen. Remikreis auf dem Wasen eine Vorführung und ein Preis - Wettrennen von Arbeitspferden stattfinden. Zugelassen werden nur erstklassige, seit mindestens einem halben Jahre in Württemberg zum Zug verwendete Pferde. Handelspferde find ausgeschlossen. An Geldpreisen find von der Stadtgemeinde Stuttgart für die Vorführung 1125 und für das Rennen 1005 ausgesetzt. Die Anmeldungen zur Beteiligung an der Vorführung wie auch am Wettrennen sind, je abgesondert bis längstens 10. September 1905 an Stadtpfleger Bürkle in Cannstatt unter Angabe der Zahl der Pferde und deren Farbe und Geschlecht und unter Nachweisung der Zeit der Verwendung zur Arbeit, sowie unter Beifügung des Einsatzes zum Rennen von 5 pro Pferd einzureichen. Die Veranstaltung bezweckt, ein Bild des Standes der einheimischen Arbeitspferde zu geben.
Ludwigs bürg, 18. Aug. Zu einer beklagenswerten Ausschreitung kam es der Ludwigs- burger Zeitung zufolge am letzten Sonntag Abend in einer MannschastSstube der 8. Kompagnie des Jnf.-Reg. Nro. 121. Nachdem Streitigkeiten voraus- gegangen waren, wurde der Musketier Friedrich Ade, Sohn der Maurerswitwe Ade in Asperg und Zimmermann von Beruf, von einem Kameraden, dem Musketier Palmer von Ditzingen, mit einem Bodenwischer derart auf den Kopf geschlagen, daß er einen Schädelbruch und eine Verletzung des Gehirns erlitt. Die Aussichten für das Wicderauf- kommen des Mißhandelten find gering. Der Täter ist in Haft.
Hall, 18. Aug. Gestern abend wurde an einem vom Feld heimkehrenden Fuhrwerk in der Nähe der Stadt ein Pferd scheu und rannte davon. Eine Frau mit ihrer Dienstmagd versuchten während der Fahrt abzuspringen, kamen aber dabei zu Fall und zogen sich erhebliche Verletzungen zu. Die Magd, Christine Bahn von Eutendorf, ist noch gestern ihren Verletzungen erlegen; die Frau erlitt verschiedene bedAltende Verletzungen, dis jedoch nicht lebensgefährlich find. Der gleichfalls auf dem Wagen sich befindliche Knecht blieb unverletzt.
Ellw angen, 16. Aug. (Viehmarkt). I. Schlachtvieh: 1. Ochsen: vollfletschige, ausgemästete Ochsen, höchsten Schlachtwerts, im Alter bis zu 6 Jahren (Preis geschätzt per 50 üx Schlachtgewicht) 70 (Preis ermittelt per 50 Lx Lebendgewicht, nach Schluß des Marktes gewogen 37 ^L), junge, fleischige, nicht ausgemästete Ochsen, auch ältere ausgemästete Ochsen — ^ (35 ^.), mäßig gemästete junge Ochsen und gut genährte ältere Ochsen —
(32 ^L). 2. Kalbeln und Kühe: vollständig aus- gewästete Kalbeln, auch junge Kühe 68 (33 bis
35 -^L). —II. Arbeitsvieh, je per Paar: Zugochsen schwerer und bester Qualität 900—1030 ^., Zugochsen mittlerer Qualität 750—850 Zugochsen leichterer Qualität 650—750 ^, Zugstiere im
Alter von 3 Jahren 550—650 — III.,Zucht
vieh, je per Stück: Farren im Alter von 9—18Mon. 220—375 Jungvieh, Stiere und Kalbinuen Ijährig 120—160 Jungvieh, Stiere und Kal- binnen '/'jährig 90—130 Kühe, neumelkend und bochträchtig, auch hochträchtige KoNflnnen, bester Qualität 325—420 desgleiche, mittlerer Qualität 270— 300 sonstige Kühe, sogen. Handelskühe 65—240 Der Markt war befahren mit 28 Farren, 425 Ochsen, 483 Stieren, 278 Kühen und Kalbeln und 405 Stück Jungvieh, zusammen 1619 Stück. Der heutige Markt war mit Vieh aller Gattungen überführt und war wegen der Verlegung desselben nicht viel Händler am Platz. Diese Umstände drückten naturgemäß auf die Preise, die bei Fettvieh etwas, bei Zugochsen und Stieren pro Paar um 30—50 und bei Jungvieh verhältnismäßig am meisten zurückgingen. Da im östlichen Teil des Bezirks die Oehmdernte ganz schlecht auS- fällt, so gaben die Verkäufer mit den Preisen nach, wodurch ein nennenswerter Umsatz erzielt wurde. Zugvieh ging, da norddeutsche Händler fehlten, nach Baden und Bayer», Jungvieh nach Oberschwaben und ins Unterland. Mit der Bahn gingen ab 38 Wagen mit 801 Stück und zwar Richtung Nörd- lingen 6, Stuttgart 18, Mergentheim 9, Crailsheim 5 Wagen.
Mergentheim, 17. Aug. Heute Vormittag, brach im benachbarten Edelfingen Feuer aus. Um 11 Uhr ging mit der Eisenbahn der erste Zug der hiesigen Feuerwehr ab. Auf erneutes Stürmen der Feuerglocke folgte die gesamte Schlauchmannschaft nach. Es brannten vier Scheuern und einige Nebengebäude ab. Die Löscharbeiten waren erschwert, indem das Wasser aus der 500 m vom Brandplatze entfernt vorbeifließenden Tauber herbeigeschafft werden mußte. Die Ursache des Brandes ist noch nicht bekannt.
München, 18. Aug. Von dem Automobil des Großfürsten Kyrill wurde heute mittag der Geistliche Cycciali überfahren. Er erlitt einen schweren Schädelbruch.
Mannheim, 17. Aug. Eine hochherzige Stiftung wurde den Arbeitern der Firma Benz u. Cie. durch die Witwe des kürzlich verstorbenen Direktors Jul. Ganß zu teil. Unter dem Namen Julius Gariß-Stiftung testierte sie lt. Vst. 50000 aus deren Zinsen alljährlich einer Anzahl Arbeiter eine 14tägige Erholung gewährt werden soll.
Metz, 17. Aug. Heute nacht 1 Uhr 42 Min. liefen die beiden Maschinen des Schnellzugs Osteude-Basel in den hiesigen Bahnhof mit solcher Schnelligkeit ein, daß sie, alle Hindernisse überrennend, über den Perron gegen die Wartesäle des Bahnhofsgebäudes fuhren. Erst die Mauer der Wartcsäle, welche einen großen Riß erhielt, konnte die Maschinen zum Stehen bringen. Die Ursache liegt wahrscheinlich in nicht rechtzeitig verminderter
Geschwindigkeit. Die Bremsen waren in Ordnung. Personen find weder im Zug noch auf dem Perron oder in den Wartesälen zu Schaden gekommen. Der Materialschaden ist gering; es wurde nur der Prellbock zertrümmert und das Perronpflaster aufgertssen. Der Verkehr wurde in keiner Weise gestört. Der Schnellzug konnte nach fünf Minuten seine Fahrt fortsetzrn.
Leipzig, 17. Aug. Heute früh, zwischen 4 Uhr 20 und 25 Min., wurde hier in allen Teilen der Stadt, sowie in den Vororten und in der Umgebung ein erhebliches Erdbeben verspürt, das etwa 10—15 Sekunden dauerte und in der Richtung SW.-N.O. verlief. Ueberall wurden die Leute aus dem Schlaf geweckt; in mehreren Wohnungen klirrten Gläser aneinander, Nippsachen und andere Gegenstände fielen um, Uhren blieben stehen und die Fenster klirrten, als wenn ein schwerer Lastwagen über das Pflaster führe. Als man den Seismometer in der geologischen Landesanstalt in Augenschein nehmen wollte, logen beide Schreibstifte am Boden, so heftig war die Erschütterung gewesen. Teilweise bemächtigte sich des Publikums großer Schrecken, und einzelne liefen sogar in der Angst vor einer Katastrophe auf die Straße.
Genf, 18. Aug. Infolge Sturzes von Eisblöcken am Mont Blanc wurden 2 deutsche Touristen, Frisch aus Heilbronn und Müller aus Baden, die sich in Gens aufhielten, getötet. Die Leiche Frischs ist bereits gefunden worden.
— Aus Turin wird der N.Z.Z. berichtet: Erst nach und nach erfährt man Einzelheiten über die furchtbare Katastrophe, welche am 31. Juli die Hochtäler Val Pelline und Val d'Entre- mont heimgesucht hat. Im äußersten Westen der Penninischen Alpen, über den Quellgründen des Val Pelline, Val d'Ollomont, Val d'Entremont, Val Sorey und Val de Langnes erhebt sich der Grand Combin (4317 w) mit dem Mont Velan (3709 w), Mont Gels (3530 m) und anderen mächtigen Vorgipfeln. Diese wilde, reich beglstscherte Gegend, verrufen ob ihrer plötzlichen Schneestürme und großartigen Lawinenstürze, war am 31. Juli der Schauplatz einer schrecklichen und eigenartigen Elementarkatastrophe. Gegen 5 Uhr abends, nachdem sich der Himmel bei offenbar starkem Höhensturm mit einem bleigrauen Wolkenschleier bedeckt hatte, sahen Hirten von Ollomont über die Firnkuppe des Mont Velan einen dunklen Nebelballen, der zu rotieren anfing und ungeheure Schneemassen emporzuwtrbeln schien, also geradezu eine Regen- und Schneehose zwischen den Wolken und dem Gletscherberge bildete. Die kolossale Wetterhose begann nun alsbald auf dem Höhenrande gegen die Amianthe hinüberzuwandeln und verschwand dann in dem Gewitterregen, der die Berggipfel den Blicken der Talbewohner entzog. Die Wetterhoss scheint nun, dem Höhenzuge folgend, bis zum Mont Gel« weitergewandert zu sein und sich hier als Wolken-
Seusarion beobachtete, welche ihr Erscheinen doch stets hervorrief. Man sah sie im Theater seltener, um so mehr ward sie bemerkt und angestaunt.
Der einsame, alte Mann, der da Ellenbogen an Ellenbogen zwischen seinen Nachbarn im Parterre saß, hatte mechanisch, verleitet durch diese, das Antlitz nach der Loge gewendet und mit wie erstarrten Zügen regungslos, die Lippen geöffnet, schaute er zur Seite hin, bis endlich sein Kinn auf die Brust sank, seine Augen sich schlossen und seine Hände machtlos in den Schooß sanken.
Minuten vergingen, bis er wieder zu sich kam.
„Es ist ein Gesicht, eine Vision!" flüsterte er vor sich hin, furchtsam noch immer die Augen geschlossen haltend und die Hände ineinander krumpfend. „Ich bin blöde und irre geworden, es kann nicht sein!"
Und langsam mit Zittern die Augen wieder öffnend, wandte er nochmals das Antlitz in derselben Richtung, lange, lange schaute er hin, regungslos, keinen Blutstropfen im Gesicht.
„Sie ist es! O, es gibt ja eine solche Täuschung nicht! . . . Meine Ahnung, die mich hierher führen mußte." Und den Kopf wieder senkend, die Hände wieder krampfhaft im Schooß faltend, saß er da, leise in dem melo- dramischen Lärm der Vorstellung ««gehörte Worte vor sich hin flüsternd.
„Ich bin am Ende!" hauchte er, als der Vorhang nach dem Akte fiel und alles um ihn her so lebendig wyrde, als das ganze Haus in tollen Applaus ausbrach und die Nachbarn danach von ihren Sitzen aufsprangen und hinaus stürmten.
Er saß allein. Aber furchtsam blickte er vor sich hin, um nicht gesehen zu werden. Seine Nerven zitterten, er hätte nicht vermocht, sich aufzurichten, und ebenso wenig hatte er jetzt den Mut, noch einmal hin zu schauen.
Wie betäubt und dennoch in tiefem, traurigem Grübeln saß er auch, als der neue Akt begann, inmitten der heiteren, geräuschvollen Menge. Was
um ihn her vorging, glitt an ihm ab, er wagte nur zuweilen einen schüchternen, ängstlichen Blick hinauf zu tun und sank dann wieder in sich zusammen.
Inzwischen hatte Blenke seinen Freund Dagobert, den er, von seinen Geschäften überhäuft, erst gegen Abend vergeblich gesucht, in Foyer aufgefangen und ihn fast gewaltsam bei Seite geführt.
„Sie find mir Rechenschaft schuldig!" flüsterte er ihn bei einem Knopfe festhaltend, als er sah, daß Dagobert, sehr zerstreut, ihm nicht Rede stellen wollte. „Ich habe Wiedenstein gesprochen und könnte Ihnen etwas Mitteilen, aber es ist noch nicht reif; er entzog sich mir. Dieser Wiedensteiu dürfte uns eine wichtige Person werden."
Dagobert horchte schweigend in derselben Zerstreutheit, seine Blicke flogen über das Foyer und die in demselben sich hin und her Bewegenden.
„Ich habe ihn noch nicht bis zum Rasen bringen können, das müssen Sie tun. Die schöne Afra ist in ihrer Loge.
„Ich weiß es!" Dagobert's Antwort klang so abweisend.
„Auch er ist im Hause; er läßt sie nicht aus den Augen; er wagt sich nicht in ihre Nähe und wartet, fleht sogar mit den seintgen um einen Wink von ihr. Sie müssen ihr die Honneurs mache«. Wiedenstein wird es sehen, alle Leute werden es sehen, wie die schöne Witwe Sie so vertraulich empfängt, was sie absichtlich tun wird, und unser Wiedenstein hat dann auch öffentlich seine Entlassung bekommen, was ihn außer sich bringen wird, und dahin muß ich ihn haben ... ^ xroxoo, wie fanden Sie die schöne Frau heute?"
„Später! Nur jetzt nicht!" rief Dagobert, immer noch in derselben Unruhe.
„Ich darf wohl sagen, ich bin auf einer mir ganz sicher erscheinenden Spur!" Blenke sah scharf forschend in Dagobert's vom aufsteigende» Blute sich immer mehr erwärmendes Antlitz. (Fortsetzung folgt.)