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der Katastrophe sah es am letztgenannten Orte ans, wie wenn eine Belagerung oder ein Gefecht statt­gefunden hätte. Aehnliche Nachrichten kommen aus Adolzfurt, sowie namentlich aus Geddels - bach und Unterheimbach, wo das Unwetter besonders scharf gehaust haben soll. Auch der Murrhardter Wald wurde schwer betroffen von dem Hagel, der bis in die Crailsheimer Gegend niederging, hier aber weniger Schaden verursachte, da die Ernte zum größten Teil beendet und ein Obstertrag nicht zu erwarten war. Dagegen wurde in der Gegend südlich und westlich von Heilbronn großer Schaden angerichtet. Ja Kirchhausen und in Horkheim am Neckar ist die Tabak­ernte vollständig vernichtet worden; der hohen Prämie wegen ist diese leider nicht versichert. Weiter nennen wir in der Reihe der geschädigten Gemein­dend Neckargartach, Flein, Schwaigern und Bückingen. An letzterem Ort wurden ganze Dächer zerschlagen, Fensterläden und Jalousien herabgerissen und in verschiedenen Wohnungen sogar die Lampen, Wandbilder und sonstige Gegenstände vernichtet. Durch die einströmenden Wassermassen wurden zahlreiche auf den Bühnenräumen lagernde Mehl- und Fruchtvorräte total eingeweicht. Auch die in den betroffenen Scheunen aufgespeicherten Getreide- und Futtervorräte waren dem Unwetter preisgegeben. Schwer mitgenommen wurden ins­besondere die Gärtnereien von Fundus und von Bracher, die einer Oede gleichen, die Zigarrenfabrik von Gebrüder Sorg, die evangelische Kirche und das neue Knabenschulgebäude, in welchem allein ca. 120 Fensterscheiben total zertrümmert wurden. Auch in Meimsheim, das schon am Mittag von Schloßen heimgesucht wurde, sind auf der Wetterseite der Häuser viele Fensterscheiben zertrüm­mert worden. Der Schaden in den Weinbergen ist beträchtlich. Ein glücklicher Umstand kommt noch in Betracht, daß nämlich die Getreideernte in den betroffenen Gemeinden zum weitaus größten Teil beendigt ist und so den Landwirten und Wein- gärtneru, wenn sie auch große Verluste beklagen, wenigstens das tägliche Brot erhalten blieb. Zum Schluß sei hier noch der vielen Vögel gedacht, die bei dem Unwetter zu Grunde gingen. Der Redak­tion derNeckarzeitung" in Heilbronn brachte heute früh ein Junge einen ganzen Handkorb voll kleiner toter Vögel wohl 4050 Stück meist Stieg­litze und Zeisige, die in den Pappelbäumen an der äußeren Badstraße ihr Heim hatten und mit Tau­senden ihresgleichen den Massentod erlitten. In Willsbach wurden unter 3 Bäumen beim neuen Schulhaus allein 140 tote Vögel gezählt. Selbstredend war eS heute noch nicht möglich, auch nur einen genaueren Ueberblick über den angerich­teten Schaden zu gewinnen. In den Weinbergen wird sich der Schaden erst nach einigen Tagen richtig schätzen lassen. Zudem droht hier noch die Gefahr, daß von den verschonten Trauben in den

entblätterten Weinstöcken bei anhaltender Hitze noch viele zu Grunde gehen. Wegen der hohen Prämie einerseits und weil andererseits dem Weinstock so viele Gefahren und Schäden drohen, gegen welche eine Versicherung nicht existiert, sehen wohl die meisten Weingärtner davon ab, den süßen Preis ihrer sauren Mühe durch Versicherung vor Hagel­schaden sicher zu stellen, und so dürften wohl auch diesmal die enormen Schäden in den Weinbergen ungedeckt bleiben.

Stuttgart, 11. Aug. (Ferienstraf­kammer.) Ein KautionSschwindler, der led. Kauf­mann Max Kaiser von Friedberg, wurde heute dem Strafrichter ans der Untersuchungshaft vor­geführt. Der Angeklagte, der schon öfters wegen Betrugs vorbestraft ist, gab sich als anstellungs­berechtigten Generalbevollmächtigten einer auswär­tigen Firma aas. Zwei stellenlose Kaufleute, die sich auf ein von ihm erlassenes Inserat meldeten, stellte er als Generalagenten an. Von beiden ver­langte er eine Kaution in Höhe von 120 die er für sich verbrauchte. Außerdem beging der An­geklagte eine Zechprellerei. Nach Verübung weiterer Betrügereien in Nürnberg ging Kaiser zur Heils­armee, für die er eine Zeit lang tätig war. Doch trotz seiner Tätigkeit als Seelsorger wurde er verhaftet und vor die Schranke des Gerichts gestellt. Zu der heutigen Verhandlung erschien er in der Uniform eines Soldaten der Heilsarmee. Das Ur­teil gegen ihn lautete auf 1 Jahr 2 Monate Gefängnis.

Cannstatt, 11. Aug. Im Magazin der Kolonialwarenhandluug von W. Relling explo­dierte gestern nachmittag eine Benzinflasche mit starkem Knall. Der entstandene Brand konnte von der Feuerwehr alsbald gelöscht werden. Ein Lehr­ling, der sich im Magazin befand, blieb unversehrt.

Tübingen, 11. Aug. In der zur Heil- und Pflegeanstalt Martenberg gehörigen Mühle ist vorgestern Abend ein Brand ausgebrochen, der von den Anstaltsinsassen gelöscht werden konnte, che er größere Ausdehnung annahm.

Erlenbach, 11. Aug. Bei einem heute nacht niedergegangenen Gewitter wurde unsere Gemeinde abermals von einem schweren Hagel­schlag heimgesucht. Obwohl der Hagel nur etwa 34 Minuten lang in der Größe von Taubeneiern niederging, dürfte am Hauptberg jenseits der Snlm sogar die Hälfte der zn erwartenden reichen Weinernte vernichtet sein. Auch an den BLimen wurde erheblicher Schaden angerichtet.

Heiden heim, 10. Aug. Ein djähriger Knabe namens Heinle, dessen Papierdrache an einer elektrischen Leitung hängen blieb, erkletterte trotz der Warnung des Bahnwärters die Stange und berührte den Draht. Der unvorsichtige Knabe wurde heruntergeschleudert und erlitt so schwere Verletzungen, daß er bald darauf starb.

Ulm, 11. Aug. Auf der hiesigen Bahn­station wird seit Beginn ds. IS. Sodawasser zum Preise von 2 A und Limonade zu 5 A pro Flasche an das Bahn- und Postpersonal abgegeben. Wie sehr diese Einrichtung benützt wird, ergibt sich sich daraus, daß bis 1. August nahezu 100000 Flaschen Sodawasser und 3000 Limonaden abgesetzt wurden.

VomBodensee, 11. Aug. Die Reise­saison steht auf ihrem Höhepunkt. Auf dem Boden­see sind täglich alle Dampfschiffe gut besitzt. Die Bodenseestädte freuen sich des guten Fremdenver­kehrs. Sehr viele Fremde giebt es auch zurzeit im Engadin. Dis Züge der Räthischen Bahn bringen täglich Hunderte von Sommerfrischlern ins sonnige Land des oberen Inn. Leider find hier die Preise, namentlich für die Passanten sehr hoch. Dem weniger bemittelten Reisenden ist es kaum möglich, sich längere Zeit dort aufzuhalten. Obwohl jede Saison neue Gasthöfe bringt, mangelt cs doch an solchen, die bei mäßigen Preisen etwas Gutes bieten. Bei einem Ausfluge von Pontrestna an einen Platz der Berntnastraße bezahlten Touristen für 2 Eier 40 A, für kalte Milch 40 A für Suppe 60 A für Hahnen (gebraten) 4 und für eine Flasche ge­wöhnlichen Bieres, V« Liter enthaltend, 1 60 A,

Pilsener 2

Vom Bodensee, 11. Aug. (Obstaus­sichten). Die Obstausstchten stad Heuer in der Bodenseegegend keine guten. An vielen Plätzen dürfte kaum der eigene Bedarf der Besitzer gedeckt werden. Hohe Preise, namentlich für Mostobst, stehen deshalb in sicherer Aussicht. Eine ganz ge­ringe Obsternte wird Heuer namentlich auch das Thurgau liefern. Hier trifft'man Gärten, deren Ertrag sich diesen Herbst auf kaum einige Zentner belaufen wird.

Pforzheim, 11. Aug. Gestern nachmittag vergiftete sich hier eine in einem Silberwaren­laden bedienstete Ausläuferin auf dem Grabe ihres Kindes, das vor 3 Wochen gestorben war. Als Grund der Tat wird angegeben, daß bet der Ver­storbenen wegen Veruntreuungen eine Haussuchung stattfinden sollte.

Pforzheim, 10. Aug. Heute vormittag schlug der Blitz in die Scheuer des an der Wolfs­bergstraße einzeln gelegenen Anwesens des Landwirts G. Fr. Schneider, wodurch Scheuer und Stallung und später auch das Wohnhaus ein Raub der Flammen wurden. Das Vieh und Mobiliar konnten gerettet werde». Die Erntevorräte ver­brannten. Wegen Wassermangels konnte die Feuer­wehr wenig ausrichten. Das Anwesen war erst vor 3 Jahren neu erstellt worden.

Berlin, 11. Aug. Die deutschen Verluste in dem jetzt 19 Monate dauernden Auf­stand in Deutsch-Südwestafrtka betragen

er nur noch Stich halten! Vielleicht finde ich vor dem Abend noch di« Nachrichten von meinem Ch.f! . . ."

Blenke beobachtete Wiedenstein scheinbar unaufmerksam, ward aber un­ruhig, als derselbe sich entfernen zu wollen schien.

Sie verzeihen, Herr v. Bodenberg," damit trat dieser eilfertig wiedcr zu ihm.Eine wichtige Angelegenheit ruft mich fort. Ich stehe Ihnen immer zu Diensten, wenn Sie mir einen Wink geben."

Blenke war weil entfernt, dies zu verzeihen, aber er durfte sich nicht verraten.

Schade," sagte er, Leo'S Hand nehmend," Sie unterbrachen sich an der intereffantesten Stelle und haben mir eigentlich nichts erzählt; dazu brauchte ich Ihnen kaum mein Ehrenwort der Verschwiegenheit zu geben."

Leo schien in der Tat diese Unterbrechung gesucht zu haben, an Afra denkend, mochte ihn gereuen, was er zu tun begonnen hatte. Er in seinem Leicht­sinn hatte jetzt wieder Geld, und das gab ihm neuen Lebensmut, nachdem er den schlimmsten seiner Gläubiger durch ein« Abschlagszahlung gebändigt hatte. Er wollte lieber noch warten, ob Afra ihm morgen schreibe. Blenke aber sich eben­falls erhebend, hielt seine Hand fest.

Ich bitte Sie nur um Eins, auf das Sie mich neugierig gemacht haben. Dieses Häuschen . . . Sahen Sie nicht auch eine ältere Frau darin?"

Möglich! Wahrscheinlich sogar!" Leo war zerstreut und unruhig; «S zog ihn mächtig fort.

Ich habe ja das Vergnügen Ihnen morgen um diese Stunde hier wieder zu begegnen?"

Mit Freuden! Ich erwarte Sir!" Leo drückt« ihm die Hand und eilt« hinaus.

Blenke nahm seinen Platz wieder ein, legte di« Hände im Schoost zusammen und fuhr fort, di« Daumen um einander zu drehen.

Da hätten wir den Z-pfel deS Geheimnisse«!" sprach er zufrieden vor

sich hin.Jenes alte Weib habe ich selbst als Hehlerin verhaftet, aut dem kleinen, unbeachtet im Sande liegenden Hause Habs ich das dort geborgene Diebsgut ausgeräumt; die Jüngere aber, di« ich jetzt auch an ihrer Sprache wieder erkenne, mit der sie sich damals herauSzulügen sucht« und erklärte, sie sei rbrn erst auS England gekommen und Habs ein vorläufiges Obdach bei der Frau gefunden, die Jüngere wußte ich nicht zu fassen, sie entwischte mir. Man wollte später noch des Abends wiederholt ein mattes Licht in dem verlassenen Hause gesehen haben, aber die Nachsuchungen führten zu keinem R sultat. Wir nun di ser Wiedenstein vor oder nach der amtlich vollzogenen Ausräumung dcS Hauses in demselben? Man hatte nicht mehr Acht genug auf dasselbe, als eS polizeilich geschloffen worden; es müssen noch andere Schlüffe! zu demselben vorhanden gewesen sein. Sie hat mich heute nicht wieder erkannt; sie soll dem Trunks ergeben sein, und der schwächt das Gedächtnis.

Blenke versank in Nachdenken, aber das Spiel seiner GesichtsmuSkeln ver­riet, daß eS ein befriedigendes war. Dann dachte er an Dagobert und was auS diesem geworden sei.

Es ist himmelschreiend, ein so schönes Weib! Ein Meisterwerk der Schöpfung! Aber wie ich'S auch zu ihren Gunsten hin und her zu wenden suche, da« Ein« bleibt undenkbar: dost sie nicht wenigstens ahne» sollte, wen sie in dieser schlechten Person um sich hat! Möchte Dagobert nur auch seinerseits so viel tun, daß er horchte, zu »erraten sucht-; aber ein blutjunger Mensch wie er, g-- blrndct durch ihre Schönheit! ... Ich muß ihm Zeit lassen und Wiedenstein zu beschäftigen suchen. Vorläufig will ich sehen, ob er zurückkehrt. Diesen Wiedenstein fass« ich morgen, heute ist er mir entglitten; es ist auch besser nicht» zu übereilen! Nur dieser Jrländerin must ich mich versichern, ohne daß ihre Herrin davon erfährt, wohin sie gekommen ist; sie könnt« mir sonst auch hier »och einmal entwischen!"

(Fortsetzung folgt.)