ausgegeben; der Ersatz des Reiches betrug in Goldmark gerechnet zwei Mark. Es sei alles zu tun, um zu erreichen, daß diese Ersätze des Reiches mit in die Aufwertung ernbezvgen werden.
Anders als mit dem Geld ging es mit dem Gecäudcver- mögerr. Dieses sei im wesentlichen erhalten geblieben. Schon im Hinblick auf die enorme Steigerung der Baukosten sei cs notwendig, daß diese Gebäudewerte bestmöglich vor Feuerschaden geschützt werden. Die Erfahrung lehre unwiderleglich. Laß unter Zuhilfenahme der modernen Feuerlöscheinrichtungen der Brandschaden gegen bisher stark vermindert werden könne. Die Anschaffung einer Automobilspritze für den Bezirk und die Errichtung von Weckerliuien mit Alarmeinrichtung sei daher anzustreben.
Die Lösung aller dieser Aufgaben erfordere große Mittel, die heute weniger denn je zur Verfügung stehen. Was sei zu tun? Resigniert die Hände in den Schoß legen und sich gelassen in die traurigen Verhältnisse schicken, wäre eines Deutschen unwürdig. Wir wollen auch in unserem Teil nnneu und schaffen, was in dieser Richtung zur Wiederbelebung des Wohlstandes und der Wirtschaft unseres Bezirks geschehen kann. Da gelte es vor allem, die Naturschätze unserer Gegend auszuwerten. Es gelte, die landschaftlichen Schönheiten unserer Gegend durch Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, insbesondere unserer Bezirksstraßen, immer noch besser zugänglich zu machen und den Fremdenverkehr zu heben Es gelte weiter, die Wasserkräfte des Bezirks besser auszunützen zu Nutz und Frommen der heimischen Industrie, zur Schaffung von Licht und Kraft für die ganze Bezirksbevölkerung. Alljährlich fließen rund 26 Millionen Kilowattstunden ungenützt das Enztal hinab. Könnte es verantwortet werden, tatenlos zuzusehen, wie Bezirksfremde sich an die Ausnützung dieser bisher ungenützten Wasserkräfte machen?
Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bezirk können gebessert werden Lurch Wiederbelebung des Svarsinns Erfreulicherweise sei bei den Bezirksangehörigen jetzt wieder das Vertrauen zu unserer Obcramtssparkasse zurückgeiehrt. Die Vertreter möchte er bitten, die in der Einrichtung befindlichen Jugend- oder Schulsparkassen der Oberamtssparkasse nach Kr ästen zu fördern und zu unterstützen. Die Hehung des Sparsinns sei eine wirtsachstlich und sittlich gleich wichtige Erziehungsauf- gabe. Die Spargelder haben den-Zweck, das Wirficliaftslebeu unseres Bezirks zu befruchten, den Geldmarkt zu stärken und Handel und Wandel mit dem nötigen Betriebskapital zu versehen. Je mehr aber die Wirtschaft des Bezirks in Schwung kommt, desto geringer werden die Aufwendungen iür die Erwerbslosenfürsorge. Bekanntlich werden die Beträge der Erwerbslosenfürsorge für die in Pforzheim beschärtiglen Arbeiter unseres Bezirks dort einbezahlt und verwendet, während fim Falle der Erwerbslosigkeit diese^Arbeiter die Amtskörperichast Neuenbürg für die Unterstützung aufzukommen hat. Für diese unbillige und rmgerechte Regelung gebe es keine Erklärung und Rechtfertigung. Sache der Amiskörperschaft sei es, nicht zu ruhen und zu rasten, bis diese Regelung avgeändert werde.
Was die Jugendfürsorge anlangt, >c> könne hier damit gerechnet werden, daß die Verhältnisse im Bezirk eine zweckmäßigere Gestaltung erfahren werden, wenn wir am 1. April 1925 ein eigenes Jugendamt bekommen.
Heute, wo Reich und Staat verarmt sind, gelte es, Selbsthilfe zu üben; eine tatkräftige, besonnene und zielbewußte Politik der Selbstverwaltungskörper sei darum nötig, treiben wir auch in unserer Amiskörperschaft eine solche, dann werde hoffentlich von Absplitterungsbestrehungen, wie üe auch in urfierem Oberamt vor Jahresfrist vorübergehend zu Tage traten, nichts mehr zu vernehmen sein.
Er habe im Bezirksrat immer viel Arbestssreudigkeir und reiche Erfahrung bei den Herren feststellen dürfen. Ebenso freue er sich, mit besonder tüchtigen Beamten der Ämtkörper- schast zusammen arbeiten zu dürfen; wenn ihm diese Mithilfe und diese Unterstützung erhalten bleibe, hoffe er in ruhiger, planvoller Arbeit seinen Posten so ausfüllen zu können, daß etwas herauskommt zum Wohl des Bezirks; diesem Wohl des Bezirks Neuenbürg werde sein oberster Leitstern sein.
Namens der Amtsversammlung dankte Ttadtschultheiß B ätz ner - Wildbad dem neuen Oberamtsvorstand für die schönen Begrüßungsworte und entbot ihm herzlichen Willkomm. Er glaube. Len Gefühlen der Amtsversammlung Ausdruck zu verleihen, wenn er sage, wir freuen uns, in unserem neuen Oberamtsvorstand einen Mann bekommen zu haben von Jugendfrische und Tatkraft, einen Beamten, der nicht nach altem Schema zu arbeiten gedenkt, sondern aus eigenen Idealen und Gedanken heraus zu schaffen beabsichtigt. Er glaube ausipre- chen zu dürfen, daß die Amtsversammlung mit dem Programm, Las er für seine Tätigkeit aufstellte, vollauf einverstanden sein könne und Laß sämtliche Ortsvorsteher ihn in der Ausführung dieses Programms nach Kräften unterstützen werden. Daran knüpfe er den Wunsch auf eine langjährige, ersprießliche Zusammenarbeit im Interesse des Bezirks Neuenbürg.
Die Feststellung der Anwesenheftsliste ergab die vollzählige
Anwesenheit der 26 stimmberechtigten Vertreter. Die ncucin- tretenden Mitglieder (Keim-Loffenau, Stellv. Neuweiler-Dennach und Gemeinderat Walter-Herrenalb) wurden auf ihren - im Gemeindedienst abgelegten Diensteid hingewie'cn. i Es folgten als erster Punkt der Tagesordnung eine Reche ! von Wahlen, welche entsprechend den Vorschlägen des Bczu ks- ' rats bezw. durch Zuruf erledigt wurden.
! Punkt 2 der Tagesordnung, Bau einer Wasfirversorgurrgs- ^ und Wasserkraftanlage durch die Amtskörperschaft, verursachte ! eine vierstündige Beratung, ungemein reich an den verschicden- ! artigsten Ausführungen. Einleitend teilte der Vorsitzende j mit, daß die Stadt Stuttgart beabsichtige, gemeinsam mit i der Stadt Pforzheim im Bezirk Neuenbürg Talsperren und ! ein großes Kraftwerk zu erbauen und Wäger aus dem ! Enzgebiet nach Stuttgart toegzuleiten. Er kennzeichnen- die ? großen Gefahren, die diese Pläne für die Lebensinteressen des Bezirks, insbesondere für die Thermen Wildbads und für die Wasserversorgung einer Anzahl wasserarmer BefirksKmemden j links und rechts der Enz bedeuten und schlug vor, daß die s Amtsversammlung das bisherige von ihm näher dargelegtc j Vorgehen des Bezirksrats gutheiße und außerdem selbst flam- ! wenden Protest in der Bezirks- und Stuttgaeet Tagespreise erhebt
Stadtschultheiß Knödel schlug unter allgemeinem Beisoll vor, die Versammlung möge ihrer Einmütigkeit im Protest gegenüber den Stuttgarter und Pforzheimer Pläne:: dadurch den stärksten Ausdruck geben, daß man ohne jegliche Debatte sowohl der mitgeteilten Rechtsverwahrung zustiinmen, als auch den Protest der Amtsversammlung und seine Veröfientlichung gutheiße. Und so wurde von der Amtsversammlung einstimmig ohne Debatte beschlossen, die Rechtsverwahrung der Amiskörperschaft, der Stadtgemeinde Wildbad und deS Verbands der Wasserwerksbesitzer des oberen Enztales gegen das Vorhaben der Städte Stuttgart und Pforzheim wegen Errichtung von Talsperren im Gebiet der oberen Enz und der Wegleitung von Wasser au dem Enztal vom 12. Dezember zuzustimmen, sowie einen eigenen Protest der Amtversammlung in der Bezirks- und Stuttgarter Presse zu veröffentlichen (den Wortlaut des letzteren veröffentlichten wir bereits in unserer Freitags- Nummer. Schriftl.).
Weiterhin führte der Vorsitzende aus, daß es durch das Vorgehen Stuttgarts nahegelegt sei, zur Wahrung der Interessen des Bezirks die Ausnützung der noch ungenützten Wasserkräfte des oberen Enztales unmittelbar durch die Amtskörperichast in -die Hand zu nehmen, um so die Verwertung dieser Naturschätze des Bezirks durch ein großzügiges, gemeinnütziges Unterneh- men für alle Zukunft zugunsten der Bezirksbevölkerung sicher- szustxllen. Er beschrieb die vom staatlichen Wasserkrartamr gefertigten generellen Pläne und empfahl zunächst, an die Ausführung des wirtschaftlich wichtigsten Teils dieses Planes an der unteren Ehach und der Enz heranzutreten. Wetter «rläuterte er die vorliegenen Spezialpläne des Kraftwerks Ober-Enz und legte die großen damit verbundenen Vorteile dar Die sich oei Durchführung des Planes ergebenden Nachteile müssen un Interesse des Ganzen als minder bedeutungsvoll in Kauf genommen werden. Seine Ausführungen >chlotz er mit dem Hinweis auf die große Verantwortung, die die Amtversammlung bei der zu treffenden Entscheidung zu tragen habe, und auf die Wichtigkeit, daß der Bezirk im Hinblick auf die gefahrvolle Lage unter Zurückstellung von Sonderintecessen einheitlich und geschlossen handle.
Nach längeren Beratungen wurde beinahe einstimmig beschlossen, die Ausnützung der noch nicht verwerteten Wasserkräfte des oberen Enzgebietes unmittelbar durch die Amt-Körperschaft in die Hand zu nehmen, die Ausführung der unteren Ehachstuse mit Elektrizitäts-Wasserkraftwerk an der Enz aus den Markungen Calmbach u. Höfen nach den vorgelegten Plänen unter Zugrundelegung eines Kostenaufwands von Mk. 2560 000— zu genehmigen, sobald die Wirtschaftlichkeit der Anlage nach dem Gutachten des Staat!. Wasserkraftamts völlig gesichert erscheint, eine Schuld in dieser Höhe aufzunehmen, die Aufstellung des Tilgungsplans aller bis nach erfolgter Bauabrechnung zurückzustellen, sowie das Wass-erkrastamt beim Ministerium des Innern, Abteilung für Straßen- und Wasserbau, um Ueber- nahme der Bauleitung des Kraftwerks Ober-Enz zu erinchcn.
Der Voranschlag über den Haushalt der Amtskörperschaft im Rechnungsjahr 1924, in seinen Einzelheiten von Oberamtspfleger Külller vorgetragen, ergab bei .'>17 300 Mark Ausgaben und 237 300 Mark Einnahmen eine Unzulänglichkeir von 280 000 Mark. Es wurde beschlossen, diese Unzulänglichkeit durch eine Umlage in gleicher Höhe zu decken. Unter den Ausgaben sind zu erwähnen Betriebskapital der Obecamtspflege 14 000 Mark (1914 20 000 Mark), Umlage des Landesfürsorgeber- bands 37 000 Mark (25 000 Mark), Straßeuauswand 45 000 Mark (23 000 Mark), Dienstwohugebäude der Amiskörperschaft 5000 Mark, Gesamtkosten 43 000 Mark, Aufwertungsiond 20 000 Mark, Kosten des Bezirksarbeitsamts 9900 Mark, Jugendfürsorge 14 000 Mark, Wohnungsfürsorge 2000 Mark,
Wohlfahrtspflege rund 100 000 Mark, wovon 50 Prozent ersetzt werden.
Die Aenderung der Satzung über die Dienstbezüge der Amtskörperschaftsbeamten wurde gemäß dem Beschluß des Bezirksrats gutgeheißen und in geheimer Wahl unter vier Bewerbern Albert Pfannkuch als zweiter Geometer auf unbestimmte Zeit mit halbjähriger Kündigungsfrist gewählt.
Verschiedene Bezirksratsbeschlüsse erhielten ohne nennenS werte Anssprache die Zustimmung der Amtsversammlung, womit nach beständiger Dauer die bedeutungsvolle Tagung beendet war.
Neuenbürg, 21- Dez. Der Mangel entsprechender Lokalitäten zwang auch Heuer wieder den Turnverein, seine Weihnachtsfeier an zwei Tagen zu veranstatten, um all seinen Mitgliedern und weiteren Kreisen Gelegenheit zur Teilnahme zu geben. Sowohl der Samstag wie der Sonntag füllten die Räume im „Bären" bis auf den letzten Platz. In seiner Begrüßungsansprache wies Vorstand Schönthaler darauf hin, daß infolge der -baulichen Veränderungen in der Turnhalle die Gelegenheit zu genügender turnerischer Vorbereitung mangelte, so daß bezüglich des turnerischen Teiles auch im Hinblick- auf die ungenügenden Lokalitäten eine gewisse Einschränkung nicht zu umgehen sei. Dennoch hoffe er, daß die Anwesenden durch das, was geboten werde, auf ihre Rechnung kommen. Die Stücksolge bot neben prächtigen Männer- chören des Turner-Gesangvereins, der unter Leitung seine- tüchtigen Dirigenten, Herrn Dittus, wirklich gediegen,: Chöre zum Bortrag brachte, Frei- und Blitzstabübungen der Zöglinge, Stützhantelübungen durch die Aktiven und Marmorgruppeu. Was vorgeführt wurde, zeugte von reger, turnerischer Durchbildung und fleißiger Arbeit und erntete wohlverdienten Beifall. An Theaterstücken sind zu nennen „Dr Oichhofbauer", „Eine vom Stand" und „Im Lichtkarzer, Svirrnstube". War elfteres ernster Natur, so zeugten die beiden letzteren von echt schwäbischer Gemütlichkeit und Derbheit, von schwäbischem Humor und schwäbischer Bodenständigkeit, die ihren Eindruck aus die Anwesenden nicht verfehlten und wiederholt Anlaß zu stürmischer Heiterkeit gaben, zumal die Mitwirkenden sich trefflich in die ihnen zugeteilten Rollen eingelebt hatten und sich mit natürlicher Lebendigkeit und Frische auf den Brettern bewegten. Auch Las fidele Trio ließ nichts zu wünschen übrig, ebenso der einer gewissen Tragik nicht entbehrende Kostüm-Vortrag „Der arme Lazaroni". Sehr ansprechend war auch Las Gesangsduett „Die Waldkatze oder die Rosel und der Sepp", deren beide Träger durchaus aus der Höhe waren. So darf auch von er diesmaligen Weihnachtsfeier gesagt werden, daß der Turnverein mit seinen Darbietungen allgemein befriedigte, nur wäre bei der Fülle des Gebotenen eine etwas flottere Abwicklung zu wünschen gewesen. Mögen dem Verein, der im kommenden Jahr die Feier seiner Fahnenweihe verbunden mit dem Gauturnfgst begeht, recht viele neue Freunde und Gönner, die Angehörigen aber zum treuen Festhalten an der edlen Turn- sache gewonnen sein!
(Wetterbericht. ) Der Hochdruck über dem Kontinent hält -der nordwestlichen Depression stand. Für Dienstag und Mittwoch ist trockenes, zeitweise bedecktes, frostiges Wetter zu erwarten.
Herrenalb, 19. Dez. (Von der Rheinischen Kredit-' welche auf einen günstigen Ausgang der Vorverhandlungen bank.) Die Anzeige im „Enztäler" über die Wiedereröffnung -des Bankgeschäftsverkehrs bestätigt jene Darlegungen, welche auf einen günstigen Ausgang der Vorverhandlungen schließen ließen. Die Geschäftswelt des Kurorrs begrüßt cs mit lebhafter Genugtuung, daß ein Institut erhalten bleibt, welches für einen Platz von der Bedeutung der Stadt Herrcn- alb schlechterdings nicht mehr hinwegzudenken ist. Auch die schlimme Inflationszeit hat -das allgemeine Vertrauen zur Rheinischen Creditbank nicht zu erschüttern vermocht, und wir dürfen ohne weiteres annehmen, daß die alte, beträchtliche Kundschaft sich alsbald wieder um den Namen der Firma sammeln wird.
Ermäßigung der Postgebühren.
Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichspost beriet die Vorlagen über die Gebüh ren-er mäßigungen und die dazu gestellten Anträge des Arbeitsausschusses des Verwaltungsrats. In seiner Begrüßungsansprache betonte der Reichspoftminister, daß das Bestreben der deutschen Reichspost vor allem daraus gerichtet sein müsse, die Einrichtungen technisch 'o auf die Höhe zu bringen, daß das deutsche Wirtschaftsleben sich voll entwickeln könne. Es gehörten dazu aber große Mittel, die eine Herabsetzung der Tarife unter die Friedenssätze nicht gestatteten. Von den Beschlüssen des Verwaltungsarts sei folgendes mftgcteilt: Die Vorlage über Aenderung des Auslieferungsverfahrens und Ermäßigung der Gebühren für telegraphische Aufträge deS Geldverkehrs wurde angenommen. Für Briese über 250—500 Gramm wurde eine Gebühr von 30 Pfg. festgesetzt. Im Postscheckverkehr werden künftig für die Einzahlung mrt Zahlkarte erhoben: bei Beträgen bis 25 Mark 10 Pfg., bis 100 Mark 15 Psg., bis 250 Mark 20 Pfg., bis 500 Mark 30 Psg, bis
Frauerchatz.
8 )
Geschichtliche Erzählung aus dem 15. Jahrhundert von Felix Na bor. »
(Nachdruck verboten.)
Walter hörte nicht mehr auf die letzten Worte, die ihm, hätte er sie vernommen, zu denken gegeben hätten. Er stieg auf, winkte nochmals dem Kriegskameraden zu und trabte zum Torc hinaus. Lind und würzig stieg der Duft auf von Len blühenden Bäumen, und die goldenen Sonnenstrahlen spiegelten sich in den klaren Fluten des Neckars. Da hob sich auch ihm das Herz und er richtete sich höher auf dem edlen Rosse. Er zog die Feldbinde, die ihre lieben Hände gestickt und wohl auch ihr Mund heimlich berührt hatte, an seine Lippen und blickte noch einmal nach dem Schlosse, das im Sonnenschein schimmerte. Da sah er aus einem Fenster ein Weißes Tüchlem wehen und er jauchzte freudig auf bei diesem Liebeszeichen. Er ließ die Feldbinde flattern und schickte einen Gruß nach dem Fenster, von dem das liebe Zeichen wehte- Tann gab er seinem Rosse die Sporen und ritt froh und mutig in den taufrischen Morgen hinein.
3.
Am westlichen Ende der schwäbischen Alb erhebt sich in einer weiten Ebene ein hoher Berg, der einem mächtigen Phra- midenrumpfe gleicht. Von drei Seiten steht er frei, und nur gegen Süden hin ist er durch einen niedrigen Gebirgsrücken mit demjenigen Teile der Alö verbunden, auf dem einst die stattlichen Burgen Hohen-Urach und Hohen-Neuffen standen.
Mag man vom Bodensee, vom Rhein oder vom Unterland Herkommen: überall imponiert er dem Auge durch seine majestätische Schönheit.
Das ist der Hohenzollern, die Wiege eines Kaisergeschlechrs!
Heute erhebt sich auf dem Zollern eine stattliche Burg von fast zierlicher Schönheit und einem Reichtum der Formen, welche das Auge entzückt. Sie ist in mittelalterlichein Stile erbaut und zeigt so recht den Charakter eines hochadeligen Sitzes der stolzen Ritterzeit.
Wenn die Strahlen der Sonne am Morgen auf die Mauern und Türme der Burg fallen, dann leuchtet und funkelt es von -v, -- -- ' ' ' von lauter blitzenden Sternen.
Und wenn die letzten Boten des Tagesgestirns die Burg mit glühendem Rot überfluten, während das umliegende Gelände mit seinen stattlichen Dörfern und schmucken Städtchen noch im bläulichen Halbdunkel liegt, dann umgibt die Zolleruburg ein magisches und geheimnisvolles Licht, ein wundersames Leuchten, man kann von ihr sagen, was schon die Zimmerische Chronik von der alten Stammburg ums Jahr 1422 schreibt:
.Kobile 2olce cs5tcum llactemn kulgens ut sstrum.' *)
Zur Zeit, da unsere Geschichte sich ereignete, stand noch die alte Stammburg auf dem massiven Kalkfelsen, der nur zum Teil bewaldet war. Die zerrissenen, fast senkrecht abfallenden Felswände des Berggipfels starrten bäum- und itrauchlos zum Himmel empor; am Fuße des Berges zog sich streckenweise dichter Wald gegen die Höhe hin und deckte der Schluchten zerrissenes Gestein mit seinem dunklen Mantel.
Auf dem Plateau erhoben sich die gewaltigen Mauern einer Burg, die durch ihre massiven Formen einen großartigen Eindruck machte. Mächtige Türme überragten die spitzen Giebel des Herrenhauses und gestatteten einen weiten Ausblick ins Land.
Terrassenförmig erhoben sich hohe, breite Mauern und bildeten einen neunfachen Ring um die eigentliche Burg; starke, mit Eisen beschlagene Tore wehrten destr Feinde den Eingang. Stattlich schaute die Burg ins Land hinaus und wer sie von der Ebene aus vor sich sah mit den festen Mauern und Türmen und den starken Schanzen, der mußte zu der Entscheidung kommen, daß sie uneinnehmbar sei.
Dreifache Tore mit einem einzigen engen Zugang führten vor den Außenwerken zu dem Vorhofe, von dem aus man zu dem durch sechs aufeinanderfolgende Tore geschützten Haupteingang gelangte. Ein weiteres Tor führte in den inneren Burghof, inmitten derselben erhob sich eine riesige Linde und unter ihr ein tiefer Ziehbrunnen, der die Burgbewohner mit Wasser versah. Rechts davon stand ein großes Vorratshaus, in welchem mehrere Mühlen, die teils durch Pferde, teils mittels Treten oder mit der Hand in Bewegung gesetzt wurden, sich befanden. Daneben war das Zeughaus, das mit Waffen aller Art gefüllt war. An dieses stießen, im Halbkreise bis zur Kirche sich hinziehend, die prunkvollen Wohnungen des Burg-
*) Die hehre Zollernburg, glänzend bis heute wie ein Stern.
Herrn. Diese selbst waren hochangesehen im ganzen Schwaben
lande, ja sogar noch weit über dasselbe hinaus, und eine Menge von Dörfern und Städten stand unter ihrer Ober-Herrlichkeit.
Auf der staubigen Landstraße, die sich erst in anmutigen Windungen durchs Ncckarta-l und von Tübingen ab durch das Tal der Steinlach gen Hechingen zog, trabten zwei Reiter, deren ermüdete Rosse auf einen langen scharfen Ritt schließen ließen.
Zwar beträgt die Entfernung von Nürtingen bis in den Zollern für einen Reiter nur etwas mehr als sechs Wegstunden; allein die mannigfachen Umwege, zu denen die Reiter gezwungen worden waren, hatten den Weg verdoppelt; denn die Reichsstädter hatten bereits ihre Truppen rings um den Zollern zusamm-engezogen und schickten nach allen Seiten Streifkorps aus, welche den Zuzug und die Verstärkung der Burgbesatzung hindern sollten.
Nichtsdestoweniger gelang es dem mutigen Sianffencckrr, das war der eine der beiden Reiter, sich nach manchem kleinen Strauß tagsüber durch die Kette der Städter zu schlagen und mit heiler Haut vor dem Städtchen Hechingen auzulaugen. Sein scharfes Schwert hatte ihm immer Bahn gebrochen und wo die Uebermacht zu groß gewesen war, da harte das gute Roß seinen Herrn mit Windeseile aus dem Getümmel getragen. Freilich wäre dabei -beinahe sein getreuer Knappe, der lange Heiner, vom Pferde gestochen worden; er hatte sich mit einem riesigen Larrzknecht ins Handgemenge eingelassen und war von diesem so hart bedrängt worden, daß sein Arm zu müden begann; allein eben, als die Stöße zu dicht fielen und er von der hinzugcströmten Uebermacht vom Pferde gerissen zu werden drohte, fuhr sein Herr wie ein Donnerwetter unter die Angreifer und zeichnete blutige Male auf ihre Köpfe. Wie Spreu stoben die Knechte auseinander und ehe sie Zeit gehabt hatten, sich zu erholen, waren die beiden Reiter davon.
„Mord und Tod", brummte der Anführer, „ein wackereS Herrlein, aus dem noch etwas werden kann. Dem Langen aber muß ich einen Abschiedsgruß nachsenden." Und sein kurzer Speer schwirrte wie ein Pfeil durch die Luft und faßte den Langen an einem Körperteil, dessen Verwundung nicht gerade lebensgefährlich ist, den man aber zum scharfen Ritt notwendig braucht.
(Fortsetzung folgt.)