Völkerbund und den Alliierten hinwendet, es mit dem Rapallovertrag breche. „Ist Deutschland", so fragt das „Oeuvre" weiter, „mit Rußland durch irgendwelche geheimen Bestimmungen gebunden, die dem Versailler Vertrag widersprechen? Unsere Diplomaten, die den Rapallovertrag nicht vorausgesehen haben, haben sich damit nicht genügend beschäftigt. Jedenfalls kann man aus der „Jswestija" klar erkennen, daß derartige Bindungen bestehen, das Reich hat sie aber immer dementiert. Es wird also nötig sein, so schließt das Blatt, „das Memorandum, das Herr von Hoesch übergeben hat, genau und mehrmals zu lesen."
Eine schwere Niederlage der Rebellen bei Tetnan.
Amtlich wird aus Madrid gemeldet: Die spanischen Ent- satzkräste für Tetnan haben in der Nähe des Ortes den Rebellen eine schwere Niederlage beigebracht. Der Feind ließ 120 Tote am Platze.
Aus StrrLl. Bezirk und Nmgebuny.
Neuenbürg, 1. Okt. (Der Oktober.) Nach zahlreichen, noch sommerlichen Septembertagen trägt der Oktober voll und ganz den Charakter des Herbstes. Die feuchten Nobel, die die Tage so düster machen können, stellen sich häufiger ein. Die Winde . werden rauher und die Kraft der Sonne läßt immer mehr nach. Die Bäume verlieren nun rasch ihren bunten Blärterschmuck .und recken bis zum Ende des Monats ihre Kronen kahl zum Himmel empor. Die letzten Erntearbeiten werden getan, die Felder für die Frühjahrsbestellung vorbereitet. Obst und Trauben vollends gepflückt und die letzten Nüsse von der Jugend von den zerzausten Bäumen gedengelt. Fast überall gibts in den ersten Tagen des Oftober neuen Süßen, der die Städter an den Sonntagen in Hellen Scharen in die benachbarten Dörfer lockt. — Der Landmann begleitet den Einzug des Oktober mit zahlreichen Wetterregeln: Ist im Herbst das Wetter hell, bringt es Wind und Winter schnell. — Sitzt das Laub noch fest auf dem Baum, fehlt ein strenger Winter kaum. — Wenn im Oftober das Wetter leuchtet, noch mancher Sturm den Acker feuchtet. — Bringt der Oftober viel Frost und Wind, io ist der Januar und Februar gelind. — Warmer Oktober bringt fürwahr uns sehr kalten Februar. — Hat der Oftober viel Regen gebracht, hat er die Gottesäcker bedacht. — Fällt der erste Schnee in den Schmutz, vor. strengerem Winter kündet er Schutz. — Oktober gewitzter sagen beständig, der künftige Winter sei wetterwendig. — Viel Nobel im Oktober, deutet auf viel Wind im Dezember. — Warmer Oktober, kalter Februar. — Oktober kalt, tötet's Ungeziefer bald. — Ist der Oftober kalt, so macht er für's nächste Jahr dem Raupenfraße halt. — Ist der Oktober kalt, so gibt's im nächsten Jahre wenig Raupen und Mäuse. — Wenn Buchenfrüchte geraten wohl, Nuß- und Eichbaum hängen voll, so folgt ein harter Winter drauf und fällt der Schnee mit großem Häuf! — Will das Laub nicht gern von Sen Bäumen fallen, so wird ein kalter Winter erschallen. — Baumblüten, die im Herbste kommen, haben künftigem sommer die Frucht genommen. — Fällt das Laub aus Leodsgar (2.), so ist das nächste ein fruchtbar Jahr. — Durch Oktobermücken laß dich nicht berücken. — Mit St. Gall (6.) bleibt die Kuh im Stall. — An Ursula (21.) muß das Kraut hinein, sonst schneien Simon und Juda drein. — Wenn zu uns Simon und Judas (28.) wandeln, wollen sie mit dem Oktober handeln. — Wenn Simon und Judä vorbei, so rückt der Winter herbei.
(Wetterbericht.) Im Südosten liegt ein kräftiger Hochdruck, während aus Nordwesten eine starke Depression vordrückt. Immerhin dürfte Süddeutschland vorwiegend im Einflußgebiet des Hochdrucks bleiben, so daß für Donnerstag und Freitag in der Hauptsache trockenes und auch vielfach heiteres Wetter za erwarten ist.
Württemberg»
^ Stuttgart, 30. Sept. (Das Rauchen im Gefängnis.) Nach einer Verfügung des Justizministeriums kann den Untersuchungsgefangenen der Genuß von Tabak vom Richter gestattet werden. Der Vorstand hat jedoch sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, ob durch das Tabakrauchen nach den örtlichen Verhältnissen nicht Feuersgefahr entsteht. Wo dies nach Ansicht des Vorstands der Fall ist, Hai das Rauchen zu unterbleiben. Anderen Gefangenen kann, soweit sie nicht eine Gefängnis- oder geschärfte Haftstrafe verbüßen, der Tabakgenuß vom Vorstand gestattet werden. Jugendlichen ist der Genuß von Tabak untersagt. (Sonderbare Verfügung. Wer durch eigene Schuld eine Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, muß auch auf die Freiheit des Rauchens als Gefangener verzichten. Schriftl.)
Stuttgart, 30. Sept. (Schluß der Gartenbauausstellung.) Aus Anlaß der heute erfolgenden Schließung der Gartenbauausstellung fand gestern im Stadtgarten eine Festlichkeit mit Preisverteilung statt. Die Ausstellung hat auch finanziell sehr günstig abgeschlossen, sodaß für spätere derartige Veranstaltungen ein Fond von 10000 Mk. angelegt werden kann. Silberne Staatsmedaillen erhielten Adolf Ernst- Möhringen, Wilhelm Pfitzer, Karl Eitel, Paul Groß, broncene Staatsmedaillen Föhrle-Gmünd und Faiß-Feuerbach, eine goldene
^ Ich hsb dich lieb.
Roman von Erich Eben st ein. Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentralc C. Ackermann, Stuttgart.
Durch den alten Michl, der ihm öfter vertraulichen Bericht über die Wirtschaft hatte erstatten müssen, erfuhr er, was sie drüben in der Oekonomie geleistet hatte.
Ohne sie hätte es wohl unheilbare Schäden dort gegeben, und alles wäre drunter und drüber gegangen. Der unfähige Verwalter bekam bereits die Kündigung.
Und hier? Gustav Flamm wälzte sich unruhig auf seinem Lager. Keine Mutter hätte besser, zarter für ihn sorgen können. Anfangs, als die Schmerzen noch sehr heftig waren, hatte nur Jellas linde Hand sie ihm erträglich gemacht. Jetzt, wo er schon stundenlang außer Bett sein konnte, wie bemühte sie sich, ihm Zerstreuung zu verschaffen! Unermüdlich! Aufopfernd!
Konnte er je daran denken, sie zum Dank für all' dies zu verlassen?
Und doch — und doch — zwischen ihm und ihr gaukelte wie ein farbenprächtiger Schmetterling das Bild der andern.
Gestern abend erst hatte er es wieder so recht gefühlt. Er hatte am Fenster gesehen, und Jella stand neben ihm. Tie Rosenglut der sinkenden Sonne umfloß ihre schlanke mädchenhafte Gestalt. Das blonde Haar leuchtete wie Gold, und der friedliche Glanz des Abendhimmels spiegelte sich in ihren tiefblauen Augen.
Sie trug ein weißes Kleid, und weiß schimmerten Arme und Nacken daraus hervor.
Da war ihm jäh durch den Sinn gefahren: Wie schön ist sie! Wie edel jede Linie! Und sie ist doch dein Weib!
Heiß wie einst in den ersten Zeiten ihrer Liebe überkam ihn die Sehnsucht, sie zu küßen. Schon breitete er
Medaille des Verbands württ. Gartenbaubetriebe der Gemüsebanverein Groß-Stnktgart und Umgebung, je eine silberne Karl Siegloch- Cannstatt und der Württ. Obstbauverein. An Ehrenpreisen errangen Wilhelm Psißer drei und Ernst-Möhringen zwei.
Metzingen, 30. Sept. (Vom Zug ersaßt.) Ein Reisender, der auf dem Bahnhof zu nahe am Gleis stand, wurde von der Lokomotive des einführenden Eilzngs erfaßt und auf die Seite geschleudert. Bewußtlos.wurde er ins Städt. Krankenhaus eiugeliefert.
Neidlingen, OA. Kirchheim, 30. Sept. (Ein Hungriger.) Im Laden des Sattiermeisters Stierie wurde nachts eingebrochen. Der Täter schnitt an der Hinterseite des Hauses eine Ocffnnng in die Scheibe eines Fensterflügels, öffnete so das Fenster und stieg ein. Im Zimmer erquickte er sich an Käse, Most und Brest und verschwand ivieder ohne weiteres mitzunehmen.
Tübingen, 29. Sept. (Doppelehe) Der Hotelpüchter Friedrich Klöpfer von Friedrichshofen wurde von der Großen Strafkammer in Tübingen als Berufungsinstanz wegen des Verbrechens der Doppelehe (H 171 St.G.B.) zu der Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis verurteilt. In erster Instanz hatte er acht Monate Gefängnis erhalten. Es wurden dem Angeklagten aber mildernde Umstünde in weitestem Maße zugebilligt. Der Sachverhalt ist kurz folgender: F. Klöpfer kam im Jahre 1887 als junger Kellner nach England und hat sich im Jahr 1895 in London mit einer Engländerin verheiratet. Da die Ehe unglücklich mar, schloß das Ehepaar Klöpfer vor zehn Jahren einen Vertrag, wonach sie von jetzt an getrennt leben wollten. Es kam der Krieg. Während desselben war Klöpfer auf der Insel Man interniert. Nach dem Kriege kam er wieder nach Deutschland und wurde als Geschäftsführer angestellt. Im Februar 1919 heiratete er eine Sekretärin und gab auf dem Standesamte an, daß er ledig sei. Später kam Klöpfer nach Nürtingen. Infolge Nachforschung seiner rechtmäßigen Frau in England durch Vermittlung der deutschen Botschaft kam die Bigamie an den Tag.
Rottenburg, 30. Sept. (Brandfall.) Das Karl Wiedmaiersche Haus, Ecke Auten- und Gartenstratze, brannte heute früh 4 Uhr vollständig nieder. In den Futtervorräten fand das Feuer seine erste Nahrung. Die im oberen Stockwerk wohnende Familie des Drehers Biesingec vermochte buchstäblich nur das nackte Leben zu retten. Die drei Kinder, von denen das jüngste ein Jahr alt ist, mußten aus dem Schlafe gerissen und im Hemdchen geborgen werden. Nicht weniger hart betroffen ist der Besitzer Karl Widmaier selbst, der ebenfalls nicht in bester Gesundheit und gar nicht versichert sein soll. Der zu unterst wohnende 81jährige Kern mußte aus dem Hause getragen werden.
Epsendorf, OA. Oberndorf, 30. Sept. (Verhaftete Einbrecher.) Nachts wurde im Gasthaus zur Staig eingebrochen. Die Täter hatten es auf den Weinkeller abgesehen: denn sie führten außer den Waffen eine große Korbflasche bei sich. Dem Landjäger gelang es, die beiden Einbrecher, zwei junge Burschen von hier, zu überraschen und zu verhaften. Einer der Täler wurde erst vor einigen Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen, um seinen Eltern bei der Bergung der Ernte behilflich zu sein. Einer der Einbrecher ist aus der Haft wieder entkommen.
Schwenningen, 30. Sept. (Verhaftet.) Der bekannte Einbrecher Hengster, der die Gegend von Tennenbronn unsicher machte, ist hier bei seinem Stiefvater verhaftet worden. Er stellt sich unzurechnungsfähig.
Ehingen, 30 Sept. (Saumseliger Steuerzahler.) Das Oberamt machte der Stadtverwaltung vor einiger Zeit wegen des Einzugs und der Ablieferung der Steuern an die Oberamtspflege die ernstesten Vorstellungen und drohte selbst mit Ergreifung anderer Maßnahmen gegen die betreffenden Beamten. .
Bade».
Karlsruhe, 30. Sept. Des bad. Staatsministerium hat Lern Metzgermeister Emil Rößler in Ueberlingen und dem Mühlenbesitzerssohn Edwin Riedlinger in Bohlingen die bad. Rettungsmedaille verliehen. Emil Rößler hatte am 7. Mai ein Kind, Edwin Riedlinger am 26. Mai zwei Frauen unter eigener Lebensgefahr vom Tod des Ertrinkens gerettet.
Karlsruhe, 30. Sept. Das badische Staatsministerium hat den Georg Jakob Keck von Weinhsim, der wegen der Ermordung der Elisabeth Kadel vom Schwurgericht Mannheim zum Tode verurteilt worden war, zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt.
Müllheim, 26. Sept. Daß man bei Preisforderungen den Bogen auch überspannen kann, lehrt das Ergebnis der vom Oberbadischen Weinbauverein veranstalteten Weinversteigerung, die vor einigen Monaten stattfand. Die Nachfrage war bei weitem nicht so, wie man gehofft hatte, auch die Erwartungen aus die hohen Preise gingen nicht in Erfüllung. Wer der Versteigerung anwohnte, erinnert sich noch gut, wie trotz wirklich annehmbarer Angebote die Produzenten den Wein nicht losschlugen, weil sie hofften, in ein Paar Wochen einen noch höheren Preis zu erzielen. Diese Hoffnung hat sich mcht erfüllt, im Gegenteil, die Weinpreise, besonders für 1922er, sind inzwischen noch mehr znrückgegangen. Ans dieses Ergebnis und die daraus zu ziehenden Lehren wurde auf der letzten Hauptversammlung des Oberbadischen Weinbauvereins ausdrücklich hingewiesen.
die Arme aus, um sie an sich zu ziehen, denn in diesem Augenblick stand nichts und niemand zwischen ihnen, alles war ausgelöscht, alles wie einst — da trat sie hastig zurück.
„Wie die Weißen Rosen duften!" stammelte sie, und die ganze Rosenglut der versinkenden Sonne schien sich auf ihrem Gesicht gesammelt zu haben. Ihre Augen aber sahen ihn an, groß und dunkel, voll beklommener Bangigkeit.
Die Weißen Rosen! Flors Rosen! Auch sein Gesicht überzog Purpurröte — er fühlte es — bis an die Haarwurzeln.
Die Sehnsucht versank. Der Friede in seiner Brust erlosch. Und mit der Unruhe, die ihn jäh packte, gaukelte Flors strahlendes Bild zwischen sie hin.
Jella ging. Und wie ihre Gestalt aus dem Zimmer verschwand, so auch schwand sie aus seinen Gedanken.
Bis sie jetzt, mitten in der Nacht, wieder da war und all die Erinnerungen an sie und die andere . . .
Unruhig wälzte der schlaflose Mann sich hin und her. Was sollte werden? Wie alles enden?
Im Gemach war es schwül. Bleich schien der Mond durch die Hellen Vorhänge. Und die Rosen — wie dufteten sie so unertäglich süß. «L stark .. .!
Flamm machte ein» «W-ukAge Bewegung». Dabei stieß er an das Tischch« »st» t«« Bett. Ein Klirren — die JardmiLre mit de« Nos« war «mgefallen.
Durch die offenstcheud» Tür d«» Näenjtmmrrs klang Jellas schlaft«»ke«e Stimmer
„Was ist? Brauchst du etwa-, Gustavs" : -
»Nein, daM?. bmtete die Antwmft.
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Flor Siebert war wütend. Durch eine» Irrtum — oder wie sie es nannte: eine »Eselei" deS Gärtners, der die weißen Rosen nach Eberswalde geliefert hatte, — war
Waldshut, 27. Sept. Ab 1. Oftober d. Js. soll in den Lon- zawerken Kurzarbeit eingeführt werden. Das Bürgermeisteramt Waldshut hat sich nunmehr sowohl mit den Lonzawerken als auch mit dem Arbeitsministerium in Verbindung gesetzt, um die Frage nochmals zu Prüfen, ob keine ausreichende Menge Strom aus der Schweiz bezogen werden kann. Das Bürgermeisteramt hat ferner vorgeschlagen, die Vorarbeiten für den Ausbau des Kraftwerks Reckingen in Angriff nehmen zu las- sen.'um so wenigstens in gewissem Umfang für die Aroeiter in den Wintermonaten Beschäftigung zu schaffen.
ÄeeMtichres
Blutvergiftung durch schmutziges Papiergeld. Eine Geschäftsfrau in Landshut hat sich, infolge Infektion durch schmutziges Papiergeld, eine Blutvergiftung zugezogen. Sie feuchtete, um die Scheine leichter zählen zu können, Daumen und Zeigefinger mit dem Munde an. Kurze Zeit darauf schwollen ihre Gliedmaßen so stark an, daß sofort ärztliche Hilfe nötig wurde. Die Patientin schwebte längere Zeit in Lebensgefahr. Doch ist inzwischen eine Besserung in ihrem Zustande eingetreten.
Mädchenschutz an der holländischen Grenze. Der von der Evang. Deutschen Bahnhofsmission im Mai 1922 ins Leben gerufene holländische Grenzdienst hat nach der soeben bekannt werdenden Uebersicht eine umfassende, überaus verdienstvolle Tätigkeit zum Schutze der nach Holland in Stellung reisenden oder von dort zurückkehrenden deutschen Mädchen entfaltet. Durch Gepäckhilfe, Verschaffung von Nachtlagern, Beratungen und Warnungen wurden die jungen Mädchen auf den verschiedenen Grenzbahnhöfen vor den Gefahren der Reise bewahrt. In dem Grenzbahnhof Emmerich—Elten war dieser Grenzdienst im Jahr 1922 10 344 jungen Mädchen bei der Ausreise, 2314 bei der Rückkehr behilflich und hat außerdem 9319 Beratungen erteilt; im Jahr 1923 kam seine Arbeit dort 7836 ausreisenden, 3166 zurückkehrenden Mädchen zugute, wozu noch 7927 Beratungen hinzukommen. Im Laufe des Jahres 1924 änderte sich Las Bild durch den immer wachsenden Zustrom von zurückwandernden Mädchen, der allein in Bentheim am 1. April die Zahl , von 500 erreichte. In den letzten Monaten konnte die wichtige Arbeit noch weiter ausgebaut werden. Ihr voller Wert erhellt freilich noch nicht aus der Statistik, sondern erst aus der Vergegenwärtigung der vielen Einzelfälle, in denen das Eingreifen der Bahnhofsmission geradezu eine Rettung bedeutete.
Ueberfall auf einen blinden Anstaltsleiter. In Cannes wurde der Direktor der Blindenanstalt, Gninot, der selbst blind ist, von einem entlassenen Zögling überfallen und mit einem Rasiermesser verletzt. Der Täter ist ein 18jähriger Bursche namens Josef Fonrnet, der nur halbblind ist und in der Anstalt nntergebracht war, um dort ein Handwerk zu erlernen. Er mußte wegen schlechter Streiche entlassen werden. Freitag vormittag erschien Fonrnet in der Wohnung des Direktors und bat um Wiederaufnahme in die Anstalt. Die Gattin des Herrn Gninot, die ihrem blinden Manne als Führerin dient, war bei der Unterredung zugegen. Als Gninot erklärte, daß er die Rückkehr Fournets nicht gestatten könne, verließ Fonrnet ruhig das Zimmer. Madame Gninot begleitete ihn hinaus, um ihn nach der Tür zu führen. Im Korridor packte Fouruet die Frau am Halse und versuchte, ihr mit einem Rasiermesser die Kehle zu durchschneiden. Aus ihre Hilferufe eilte der blinde Direktor zur Unterstützung herbei und wurde dann selbst von dem rasenden Burschen angegriffen. Blutend schleppte Gninot sich ans Telephon und benachrichtigte die Polizei, während Fonrnet aus die Straße entkam. Er wurde einige Stuu- /den später in einer Bar ergriffen. Die Verwundungen des Ehepaares Gninot sind schwer.
Seinem Vieh in den Tod gefolgt. Ein 67 Jahre alter Landwirt aus der Bretagne machte in diesen Tagen seinem Leben ein Ende, indem er sich mit einem Messer die Kehle durch- schnitt. Zu diesem verzweiflungsvollen Schritte triev tyn der Jammer um sein Vieh, in dessen Reihen eine Seuche große Lücken riß. Diese Verluste konnte er nicht ertragen.
Die fliegende Chinesin. Bei der Armee Tschang Tsu Lins ist eine junge Dame, Fräulein Sigeno Kibe, als freiwillige Kampffliegerin eingetreten. Die unternehmungslustige Amazone ist die Tochter eines reichen Holzhändlers in Korea und steht im Alter von 22 Jahren. Die kriegerische Dame hat dieser Tage ihr Examen in einer Fliegerschule mit Auszeichnung bestanden und ist auf ihren speziellen Wunsch, einem Bomben- abwurfgeschwader zugeteilt worden.
Handel und DerLebr.
Stuttgart, 30. Sept. Dem Dienstagmarkt am Vieh- und Schlachthof waren zugesiihrt: 32 Ochsen, 14 Bullen, 160 Iungbullen, 160 Iungrinder, 45 Kühe, 405 Kälber, 731 Schweine, 34 Schafe. Verkauft wurde alles. Erlös aus je 1 Pfund Lebendgewicht in Goldpfennigen: Ochsen 1. 41—45 (letzter Markt 40—45), 2. 30—38
die Rechnung darüber nicht an sie direkt, sondern an ihren Mann gerichtet. Darüber hatte es natürlich wieder eine Szene gegeben. Siebert begriff absolut nicht, wie feine Frau dazu kam, Herrn Flamm jeden zweiten Tag Rosen ins Haus zu schicken.
Er begriff es selbst dann noch nicht, als sie mit dem duldenden Augenaufschlag einer gekränkten Madonna vorwurfsvoll sagte:
„Aber, mein Gott, er ist doch ein Bekannter von uns, und das Haft du ja in den Zeitungen gelesen, daß er verunglückt ist! Nichts ist doch natürlicher, als daß man einem Kranken Blumen schickt!"
Selbst dann noch war Herr Siebert so begriffstutzig, es nicht natürlich zu finden. Und als er sich gar anmaßte, ihr Vorwürfe zu machen, befahl sie wütend ihren Wagen und fuhr M Tante MadAeine.
Dort wurde sie zunächst nicht Vorgelasien, denn wie Fanny berichtete, sei der Arzt bei dem gnädigen Fräulein. Es handle sich, wie sie glaube, um irgend eine Badekur, die Fräulein Rehmen gebrauchen wolle.
Flor wartete also im Wohnzimmer. Und während sie sich eine Beruhigungs-Zigarette anzündete, kamen ihr allerhand gute Einfälle. Flamm war wieder gesund, gottlob! Mit dem wollte sie jetzt wieder einmal einen netten Abend verbringen und sich endlich ein bißchen amüsieren. Nun gerade, Siebert zum Trotz! Da waren z. B. die Wiesenthals, die gerade jetzt im „Orpheum" auftraten. Die konnte man sich anfehen. Siebert war ja nirgends mehr hinzubringen. Ganz umgewandelt war er.
Als Dr. Merold, von Tante Madeleine begleitet, aus Idem Nebenzimmer trat, flog Flor mit ihrem bezauberndsten Lächeln «uf den alten Freund der Familie zu, den sie seit Jahren als ihr gefügiges Werkzeug kannte.
(Fortsetzung folgt.)