«i» «-
l
Konstanz, 8. Sept. Der 2ljährige Sohn der Bäckermeisterswitwe Toms, der in München studierte und zur Durchführung von Ausflügen im Matterhorngebiet weilte, ist anfangs vergangener Woche auf dem Furggletscher verunglückt. Die nach ihm ausgesandte Rettungskolonne konnte ihn nur als Leiche nach Zermatt zurück- bringen.
Tödlicher Absturz an der Feldseewand.
Sonntag nachmittag ereignete sich an der großen Feldseewand «An Feldberg ein schweres Unglück. Drei Freiburger Herren versuchten, die steile Wand vom Feldsee heraufzuklettern, ein wages Stück, das, wie s. Zt. berichtet, schon vor einigen Wochen zum ersten Mal von zwei kühnen Kletterern erfolgreich durchgeführt worden ist. Der Vorderste der drei, Sohn des Postdwektors Maier, hatte bereits das Ziel nahezu erreicht, nur noch wenige Meter trennten ihn von der Höhe, als sich Plötzlich der Felsblock, an dem er sich gerade festhielt, löste und ihn mit in die Tiefe riß. Der Verunglückte blieb aus einer Geröllhalde oberhalb des Sees tot liegen. Das Seil, das ihn mit den anderen Herren verband, war bei dem Sturz sofort glatt durchgerissen worden.
Vermischtes
Die Leistung des Z. R. 3.
lieber die erste Probefahrt erfahren wir nach der Landung von maßgebender Seite folgendes: Das Luftschiff fuhr die etwa 900 Kilometer lange Flugstrecke in 8 Stunden 40 Minuten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 110 Kilometer pro Stunde und einer durchschnittlichen Höhe vno 200 Metern. Die Höchstgeschwindigkeit von 160 bis 180 Kilometer hatte das Schiff zwischen Stuttgart und Friedrichshafen, da Rückwind eintrat. Die höchste Höhe mit 1100 Meter erreichte es zwischen Nürnberg und Stuttgart. Die Fahrt verlief glänzend, Pro- grammäßig und zur vollsten Zufriedenheit aller Mitfahrer. Als Reichskommissar hat die Fahrt Prof. Hoff, Direktor der deutschen Versuchsanstalt für Luftschiffahrt und Professor der technischen Hochschule in Charlottenburg mitgemacht. Verschiedene neuartige Versuche wurden durchgeführt: Die Verwendung des Kreiselkompaß von Anschütz-Kiel im Luftschiff, die außerbarometrische Höhenmessung mit der Geschwindigkeitsmeßstarion der Askania-Werke in Berlin, verschiedene Messungen nach Versuchen des Diplomingenieur Klemperer der Versuchsabteilung des L. Z., luftelektrische Messungen durch Prof. Wiegand-Halle. Bei der nächsten Fahrt wird die deutsche Versuchsanstalt für Lustschiffahrt in Adlershos bei Berlin weitere Versuche machen. Sie werden sich «ruf Längsneigung und Staudruck, die Dr. Koppe veranstaltet, beziehen. Interessant dürfte für manchen die Nachricht sein, daß Besatzung und Gäste auf der langen Fahrt mit hochfeiner Ochsenschweifsuppe und echt schwäbischen Laugenbretzeln, gekocht und gebacken im elektrischen Ofen der Lustschiffküche, gespeist wurden. Die Besatzung mußte ihren Durst mit Wasser stillen, da Dr. Eckener für sie strengstes Alkoholverbot erlaffen hatte. Den Gästen dagegen war es vergönnt, auch geistige Getränke zu sich zu nehmen.
Zerstörung der Zeppelinwerft? Da nun die Abfahrt des für Amerika bestimmten Luftschiffs immer näher rückt, wird auch die Frage laut, was -aus der ältesten und größten deutschen Luftschiffwerst in Friedrichshafen werden soll. Nach dem Versailler Friedensvertrag müßte dies Werk nach Vollendung dieses letzten Reparationsluftschiffes abgerissen oder „friedlichen Zwecken dienstbar gemacht" werden. Die französische Regierung hatte ja seinerzeit versucht, den Vereinigten Staaten von Amerika in der Frage der Fertigstellung des Z. R. 3 Schwierigkeiten zu bereiten; doch zog man in Paris schließlich nach einer energischen Note aus Washington die erhobenen Einwände wieder zurück. Augenblicklich gibt man sich in Friedrichshasen der Hoffnung hin, daß inzwischen in Paris -eine vernünftigere Auffassung Platz gegriffen hat, und daß man dort nicht auf den Versailler Vertrag pochend die sinnlose Zerstörung der vom technischen Standpunkt bewundernswerten und vorbildlichen Anlagen der Zeppelin-Gesellschaft verlangen wird.
Von der Ehrlichkeit. Die Meersburger sind im Allgemeinen gewiß ehrliche Leute. Trotzdem hält es das „M. Gemein- deblatt" nicht für überflüssig, sie durch folgende Zeilen über Fundsachen auf den Pfad -der Tugend zu weisen: „Wenn -einer schon in der Morgendämmerung Zigarrenstummel sucht, um sie nach erfolgter Trocknung in die Pfeife zu stecken, so ist das nur ein Zeichen von Sparsamkeit und guten Kutteln. Sachen von Wert und Ansehen sollten aber -aufs Rathaus -gebracht, oder wenigstens als gefunden gemeldet werden. Da kommen oft trostlose Kurgäste mit verweinter Wangenschminke, die Schirm oder Fernglas, Geldtasche oder Sitzkissen suchen, die über den Verlust von Armband oder Halskette schier aus dem Häuschen kommen. Die Freude über ehrliche Finder und wie- dergefnndenes Gut ist oft unbeschreiblich, kommt aber leider nur selten vor. Ein gut Gewissen, ist ein sanftes Ruhekissen, jedoch viele Leute schlafen -aus einem Reisbuschel gerade so gut. Oft sind es gerade -arme Leute, die gefundene Sachen abgöben, ob- schon sie es recht gut brauchen könnten. Bei gar vielen ist es leider aber anders. Solche Leute müßte der Teufel zur Versuchung nicht erst auf einen hohen Berg führen, sie fallen schon mn einen -blechernen Fingerring vor ihm auf die Knie."
„Beauftragter des Reichspräsidenten". Bezüglich eines in Schwabmünchen verhafteten angeblichen Beauftragten des Reichspräsidenten besteht der dringende Verdacht, daß er nicht nur in Augsburg und Schwabmünchen, sondern amh in anderen Orten Unterstützungen erschwindelt hat. Der Betrüger ist der Metzger und Schneider Ernst Mürdel, -der 1901 in Bellen- berg bei Jllertissen geboren ist. Er ist -wiederholt bestraft wegen Betrugs, Meuterei u. a., zuletzt mit 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus. Seitdem versah er sich mit einer Anzahl gefälschter Papiere und mit Adressen von Fabrikbesitzern und wohlhabenden Personen. Außer einem Fahrtausweis für alle Reichsbahnen und der Vollmacht des Reichspräsidenten, lautend «ruf den Namen „Freiherr von Diefenbach", besitzt er einen Entlassungsschein -der Festung Hohenasperg vom 15. August, wonach an diesem Tage der Oberleutnant Freiherr von Diefenbach nach Erstehung einer Festungshast von 3 Jahren in Sachen Kapp- Lüttwill zur Entlassung kam. An Hand dieser Ausweise versuchte er Unterstützungen zu erlangen, gab sich aber als Vertreter einer internationalen Kolonial- und Handelsgesellschaft aus. Mit Vorliebe bezeichnete er sich als ehemaliger Nachrichtenoffizier des 123. Regiments, der 1918 in Gefangenschaft geriet und erst 1920 zurückkehrte. Als Karl Riedel ist er in Stuttgart aufgetreten, wo gegen ihn ein Verfahren wegen seiner -gegen die bestehende Staatsform gerichteten Politischen Tätigkeit anhängig ist.
Neues Hochwasser in Sachsen. Das neue Hochwasser, das durch -die starken Regengüsse der letzten Woche hervorgerufen wurde, hat in Sachsen allerorts beträchtlichen Schaden angerichtet. Am Dienstag nachmittag -gegen 4 Uhr ging an der Wasserscheide zwischen Ottendorf und Altmittweida ein Wolkenbruch nieder, der in beiden genannten Gemeinden und den angrenzenden Fluren großen Schaden anrichtete. In Ottendorf trat der Ortsbach binnen zehn Minuten über seine Ufer; das Wasser stürzte wie eine Wand vorwärts, riß Gartenzämi-e und bei einem Grundstück -den Schweinestall mit sich; das Schwein siel dem nassen Element zum Opfer. In Altmittweida hatte Nachmittags gegen 5 Uhr der Dorfbach eine -derartige Höhe erreicht, Laß er größtenteils zu beiden Setten aus seinen Ufern'
trat. Alle Wiesen und angrenzenden Gärten wurden in ziemlicher Höhe überschwemmt. So gewaltige Wassermengen hatte Altmtttweida fett vielen Jahren nicht gesehen. Fall vollständig unter Wasser stand die Webersche Gärtnerei. Desgleichen wurden -die am Dorfbach liegenden Keller stark in Mitleidenschaft gezogen. Die alarmierte Feuerwehr griff bei den Räumungsarbeiten tatkräftig mit ein. Die Folgen des Hochwassers machten sich naturgemäß sehr bald auch in Mtttwei-da bemerkbar. Zwischen und )47 Uhr wurde die gesamte Feuerwehr alarmiert, da in den Stadtteilen Waldheimer Straße, Brühl, Malzgasse und Weberstraße Hochwassergefahr durch den stark angeschwollenen Altmtttweiidaer Bach eingetreten war. Das Hochwasser hatte den Stand vom Jahre 1897 erreicht. Die anliegenden Grundstücke, Läden und Wohnräume wurden zum Teil 1-6 -bis ss Meter unter Wasser gesetzt. Die Feuerwehr wurde nach der Weißthaler Spinnerei und Weiberei A.-G. in der Bahuhofstraße gerufen, -wo Kesselhäuser und Maschinenräun« vorübergehend unter Wasser gesetzt waren. Gegen ?/l8 Uhr war die Hauptgefahr behoben und es wurde überall ein Rückgehen des Wassers bemerkt. In später Stunde wurde die Feuerwehr noch nach Len unteren Häusern -der Bahuhofstraße gerufen, in die infolge Ue-berlaufens des Schwanenteiches -größere Wassermengen eingedrnngeu waren. Die Überschwemmung hat besonders großen Schaden an den Ufern -der Bäche angerichtet. In der Malzgasse mußte ein großes Schwein nach den Dachräumen -gebracht werden, da es sonst dem nassen Element zum Opfer gefallen wäre. Von -den Brücken in der Stadt mußte eine am Rahmenberge gelegene gesperrt werden, da dort Unterspülungen stattgefunden hatten. Auch die Zschopau führte infolge -der starken Regengüsse Hochwasser mit sich, dessen Eintreten vorher von Wolkenstein aus an -die zuständigen Stellen gemeldet wurde. Zum Glück hatte das Hochwasser nicht die Ausmaße angenommen, die ursprünglich befürchtet wurden.
Raubüberfall auf eine Bahnstation. Nach Abfahrt des letzten Personenguges in der Richtung Eisleben wurde 'gegen 9 Uhr durch drei maskierte Räuber ein Ranbüberfall auf die S-tationskasse in Wansleben ausgeführt. Die Räuber drangen in -das Diemstigekbäude, stellten den Beamten unter Bedrohungen mit Revolvern an die Wand und stahlen den Inhalt -der Kaffe mit etwa 200 Goldmark. Die sofort angcstellten Ermittlungen blieben erfolglos. In einem Stoppelfeld in der Nähe des Bahnhofes wurde ein Mann aus Magdeburg mit einem schweren Oberschenkelschuß aufgefunden, der behauptet, von drei Räubern überfallen worden zu sein. Man nimmt daher an, daß die Täter aus Magdeburg stammen. Auf die Ergrei fung hat die Reichsbahndirektion eine Belohnung von 500 Mk. ausgesetzt.
Ein Ruhrneger in Ungarn verhaftet. In Schützen bei Oe- denburg in Ungarn wurde von -der Gendarmerie ein Neger gefangen genommen. Es stellte sich heraus, daß der Schwarze von den französischen Besatzungstruppen im Ruhrgebiet desertiert ist, um nach seiner Heimat in Afrika heimzukehren. Der Deserteur wählte den Weg über Ungarn und Kleinafien. um nicht wieder in französische Hände zu gelangen. Er wurde nach Raab gebracht.
Konkurs Amundsens. Zu dem bereits gemeldeten Bericht Wer den Konkurs des Polarforschers Amundsen ist noch nach- zutragen: Die Ausgaben zu seiner geplanten Flugzeugexpedition nach dem Nordpol haben die ihm von privater Seite und von der norwegischen Regierung zur Verfügung Mittel wett überschritten. Ein letzter Versuch Amundsens, Mittel für eine im nächsten Jahre vorzunehmende Nordpolexpedition aufzutreiben, ist mißglückt, so -daß dem verdienten Forscher kein anderer Ausweg blieb, als den Konkurs anzumelden.
Erdbebengebenktag in Japan. In Japan -gedachte man am 1. September im -ganzen Lande in einer feierlichen Zeremonie des Jahrestages des großen Erdbebens, bei dem 90 000 Menschen, darunter auch viele Europäer, getötet oder verletzt worden sind. In Tokio waren die Läden geschlossen. Tic Fahnen auf -den öffentlichen Gebäuden waren mit schwarzem Flor umkleidet, und Hunderte von kleinen Prozessionen fanden zu den Tempeln statt. Ueberall im Lande -wurden Gedenkgottesdienste gehalten, und als es 12 Uhr war, gaben Sirenen über ganz Tokio dc^ Zeichen für ein allgemeines Stillschweigen von einer Minute. Es war ein ergreifendes und zugleich unheimliches Schauspiel, als auf den gellenden Schrei der Sirenen hin die ganze Bewegung und der Lärm -der Großstadt stockte und sich ein feierliches Schweigen Wer Tokio senkte.
Anstotzen. Bei einer fröhlichen Tafel fragte man einen Witzbold, -warum man gerade mit dem Weine anstoße, und nicht mit dem Bier -usw. Der Gefragte erwiderte: „Weil tm Weine Wahrheit liegt, und mit der Wahrheit stößt man innn-er an."
Handel und Verkehr»
Stuttgart, 8. Septbr. (Landesproduktenbörse.) Obwohl die amerikanischen Notierungen in den letzten Tagen etwas ruhiger waren, hat sich die feste Stimmung auf dem Getreidemarkt erhalten. Greifbare gute Ware bleibt gesucht und die Preise dafür sind höher. Es notierten je IM Kg. Weizen: 22—26 kam 4. September 22 bis 25,5), Sommergerste 20,5-24,5 (20,5 24), Roggen 18—20'/, (18 bis 21-/,). Hafer 15—19 (15-17-,,). Weizenmehl Nr. 0 36',,-38-/, (36-/,-37-',,. Brotmehl 32-,,—34 (31-,,—32-/,). Kleie 12—12-/, (ll-/, bis 12), Wiesenheu 5,5 6 5—5,4), Kleeheu 6,5—7 (6—6,4), drahtgepreßtes Stroh 4-5 (3°/<-4-/,). Der diesjährige Herbstsaatfruchtmarkt findet am Montag, den 22. September im Börsenlokal statt.
MeusAs Machxichren
München, 8. Septbr. Reichstagsabgeordneter Behrens, Berlin, eröffnete die Tagung des Gesamtverbandes der Krankenkassen Deutschlands, Sitz Essen, woran 500 Delegierte teilnehmen, sowie eine große Anzahl von Vertretern der Reichs- und Staatsbehörden, darunter Ministerialdirektor Grieser und Neigert vom Reichsarbeitsministerium. Im Mittelpunkt der Verhandlungen der ersten Tagung stand das Referat Griesers über Zeitfragen und Zeitaufgaben in der Sozialversicherung. Weitere Referate wurden erstattet über die Bekämpfung der Tuberkulose, Erwerbslosen- und Arbeitslosenversicherung und die Frage der Röntgenbehandlung bei Krankenkassen und Krankenkassenoerbänden.
Essen, 9. September. In der ersten Septemberwoche mußten im Ruhrkohlenbergbau infolge Absatzmangels 113 435 Feierschichten eingelegt werden. — Der Zechenverband stimmte dem am 2. September gefällten Schiedsspruch über die Lohnregelung auf den südlichen Randzechen zu.
Dortmund, 8. Sept. Als der kommunistische Führer Kirch am Sonntag abend verhaftet werden sollte, schoß er -ans zwei Pistolen auf die verfolgenden Schutzleute und Zivilpersonen. Ein Kriminalbeamter und ein Schuljunge wurden durch die Schüsse verletzt. Eine Frau wurde durch einen Schuß in den Unterleib sofort getötet. Die Verfolgung des Verbrechers der sich auf ein Fahrrad -geschwungen hatte, wurde im Automobil fortgesetzt und Kirch wurde schließlich verhaftet.
Berlin, 8. Sept. Graf Pückler-Klein-Tschirne, der als „Dresch-Graf" seinerzeit viel von sich reden machte, ist 64jährig in einem Breslauer Sanatorium an den Folgen einer Operation -gestorben. Graf Pückler ist als ein Vorläufer der Nati- on-alfozalisten anzusprechen. Er hat es in Len neunziger Jahren versucht, das deutsche Volk auf seine Art in -der „Judenfrage „aufzuklären". Massenversammlungen, die er in allen Teilen Deutschlands veranstaltete, und die gewaltigen Zulauf hatten, endeten gewöhnlich mit Radau und Prügeleien.
Trotz der Nachsicht der Polizei mußte schließlich an dem gesunden Geisteszustand des Grafen -gezweiselt werden, und seine Freunde >brachten ihn in einem Sanatorium unter. Seitdem ist er von der politischen Bildfläche verschwunden.
Berlin, 9. Septbr. Bei einer Fahnenweihe der Ber. Verbände heimattreuer Oberschlesier, Ortsgruppe Berlin-Ost, wurde eine Entschließung gefaßt, in der erneut auf die Unhaltbarkeit der durch die unsinnige Grenzziehung in Polnisch-Oberschlesien heroorgerufenen Zustände hingewiesen wird. Die Leiden der oberschlesischen Bevölkerung würden von Tag zu Tag größer und Polnisch-Oberschlesien müsse an Deutschland wieder angegliedert werden.
Berlin, 8. Septbr. Der Parteitag der deutschen demokratischen Partei des Wahlkreises Köln und Aachen faßte gestern eine Entschließung, worin er die Parteileitung auffordert, sich die Bildung eines Bürgerblocks zu versagen und nach wie vor ihre ganze Kraft für die Bildung der großen Koalition der staatserhaltenden Mitte einzusetzen. Ein Bllrgerblock unter Ausschaltung der Sozialdemokratie würde eine ernste Bedrohung der republikanischen Verfassung bedeuten.
Berlin, 8. Sept. Wie der „Vorwärts" berichtet, fanden gestern in den thüringischen Orten Schweina, Steinbach und Bad Liebenstein die Neuwahlen zum Gemeinderat statt. In Schweina erhielten die Sozialdemokraten 7 Sitze, die Bürgerlichen 4 und die Kommunisten keinen. In Steinbach entfielen auf die Sozialdemokraten 6, die Bürgerlichen 4 und die Kommunisten 1 Mandat. In Bad Liebenstein wurden 7 Bürgerliche, 3 Sozialdemokraten und 1 Hausbesitzer gewählt.
Berlin, 8. Sept. Die Entscheidung über die Absendung der Kriegsschuldnote wird erst Anfang nächster Woche in einem Kabinettsrat fallen. — Der frühere Kommandierende der amerikanischen Rheinarmee, General Allen, traf in Berlin ein. In Hamburg war er Gast des früheren Reichskanzlers Enno. — Zu der Behauptung, der bekannte Pazifist, Graf Harry Keßler sei vom Auswärtigen Amt als „offizieller Beobachter" nach Genf geschickt worden, teilt die „Zeit" mit, daß daran kein wahres Wort ist und daß Keßler, falls er sich wirklich als eine Art offizielle Persönlichkeit gebärden sollte, dazu keine Berechtigung hat. — Der Eisenbahnsekretär Krüger wurde vom Schöffengericht Schöneberg wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung im Amte und Transportgefährdung zu 4 Monaten Gefängnis unter Zubilligung einer 3 jährigen Bewährungsfrist verurteilt. Es handelt sich um das bekannte Potsdamer Eisenbahnunglück. — Zusammenhängend mit der Bluttat an dem Tischler Müller, der aus der Charlottenburger Wohnung einer Straßendirne auf den Hof gestürzt wurde, wurden die Straßenmädchen Tränkwald und Ott, der Inhaber der Wohnung Wardanowski und der Athlet Luft verhaftet.
Wien, 8. Sept. Die „Reichspost" meldet aus Belgrad, daß die Entscheidung des Haager Schiedsgerichts, wonach das alte Kloster Raum Albanien zugesprochen wurde, dort große Erregung heroorge- rufen habe. Jugoslawien werde aus dem Völkerbund austreten, falls der Schiedsspruch nicht rückgängig gemacht werde.
Rom, 8. Sept. Im faszistischen Parteibüro zu Florenz platzte gestern eine Handgranate, wodurch 2 Iaszisten getötet und 5 verwundet wurden.
Genf, 8. Septbr. In der Plenarsitzung des Völkerbunds am Montag plädierte Hofmeyer-Südafrika nachdrücklich für die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund. In der Völkerbundskommission' für Abrllstungssragen sprach sich der italienische Abg. Schanzer gegen den Garantievertag aus.
Madrid, 8. Sept. Der Präsident und drei Generale des Direktoriums sind am Freitag abend nach Marokko abgereist. In einer offiziellen Note wird erklärt, der König sei mit der Reise Rioeras einverstanden, die bezwecke, an Ort und Stelle die Lage zu prüfen, um sofort etwa erforderliche neue Pläne ausführen zu können. Der König bleibe in Madrid, ebenso die Regierung unter dem Vorsitz des Kontreadmirals Magaz. Die Note bemerkt weiter, kein wahrer Patriot dürfe es wagen, unter den gegebenen Umständen den Frieden zu stören. Regierung und Behörden hätten genügend Autorität, um eventuelle Störungen zu verhindern.
Minister Bolz über Wirtschastsfragen.
Stuttgart, 8. Sept. In der letzten Sitzung des Handels- und Jndustriebeirats der Württ. Zentrumspartei sprach Minister Bolz in längeren Ausführungen Wer -die Annahme des Daw-es-Gutachtens und über die kommende Regierungsbildung. Er wies dalbei darauf hin, -daß die Industrie fast insgesamt die Annahme verlangt habe, ebenso die Landwirtschaft, ohne Unterschied der Partei, auch der Deutschnationale LandbuuL. An diese Ausführungen reihten sich Besprechungen über Wirtschastsfragen. Es wird der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Regierung nach Lösung der außenpolitischen Frage nunmehr energisch zur Lösung der innerwirtschaftlichen Frage beitrage. Die Leipziger Messe zeigt, daß die Kreditnot ein Wiederaufblühen -des Wirtschaftslebens hemmt; der Zinswucher muß mit Men zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden; die Reichsbank darf Kredite durch die Banken nur mit angemessenen Zuschlägen westergehen lassen, sonst Entziehung des Girokontos; Wiedereinführung von Dreimonatwechseln. Die heutige Kroditsitnation erfordert eine allgemeine Kredit- freudig keil; die Sparkassen sollten wieder langfristigen Kredit gewähren. Garantieverträge mit der Reichsbank könnten die Liquidität sicherstellen. Weiter wird auf die Dringlichkeit der sofortigen Herabsetzung der Gütertarife hingewiesen. Die rohe Gewerbesteuerveranlagung bringt noch außerordentliche Ungleichheit und muß der veränderten Wirtschaftslage angepaßt werden. Die Wirtschaft ist nur dann bereit, ihr Möglichstes zur Erhaltung des Staates -beizutragen, wenn äußerste Sparsamkeit in Staat und Gemeinden gesichert ist. Die heutige Umsatzsteuer vernichtet den Mittel- und Kleinbetrieb und zwingt zu einer volkswirtschaftlich ungesunden Konzentration der Betriebe. Die Wohnnngswirtschast sollte durch den sozialen Mieterschutz ersetzt -werden. Die Wohnungskreditanstalt schädigt den Holzhandel, ohne für den Wohnungsbau Bedeutendes zu leisten. Auch baut der» Staat viel teurer als Private. Die Sozialversicherung muß mehr auf die Verantwortlichkeit der Arbeiter gestellt -werden.
Kommunistische Jugend.
Stuttgart, 8. Sept. Die Kommunistische Jugend hatte gestern in Metzingen eine Zusammenkunft mit ettva 600 Teilnehmern. Es fand ein Umzug durch die Stadt mit etwa 25 roten Fahnen statt. Deser Umzug war nach der Verordnung des Reichspräsidertten unstatthaft. Nachmittags fand auf dem Marktplatz eine ebenfalls nicht genehmigte Versammlung statt, von wo in geschlossenem Zuge nach -dem Sportplatz marschiert wurde. Inzwischen war Schutzpolizei eingetrofsen, da die örtliche Polizei zu schwach war, um die Demonstrationen zu verhindern. Es wurden eine Reihe von Festnahmen vorgenommen. Die Verhafteten werden sich wegen Teilnahme an dem verbotenen Umzug zu verantworten haben. — Auch in Bietigheim und Bessingen fand am Samstag und Sonntag eine Zusammenkunft von etwa 800 jugendlichen Kommunisten statt. Auch hier kam es zu unerlaubten Umzügen und Versammlungen. Die Polizei schritt ein und die Versammlung löste sich ohne weitere Störung -auf.
Erpresserische Maßnahmen gegen die deutschen Regie- Eisenbahner.
Essen, 9. Sept. Die französisch-ibelgische Eisenbahnregie
6
Reue Bestell«,!«
auf den t s «lich erscheinenden „Enztiiler" werden fortwährend von allen Postanstalten, Agenturen und unseren Austräger« entgegengenommen.