1441,01. Es fehlen also rund 60 000 Mark oder 03 Prozent. Mit 2 Prozent eingezahlter Betriebsmittel, das sind Pro Mitglied 60 Pfg., soll die Verwaltung den Mitgliedern die Waren für ihren Bedarf auf 4—6 Wochen zum voraus beschaffen bezahlen und bereit halten, ein Ding der Unmöglichkeit. Nichts wurde von der Verwaltung unterlassen, um wenigstens einigermaßen Geschäftsanteile herein zu bekommen. Die Genossenschafter wurden durch Reden in Versammlungen, durch Persönliche Bearbeitung, durch Flugblätter gepreßt — ohne Erfolg. Das sei, gelinde gesagt, eine Rücksichtslosigkeit. „Wenn es ans Opponieren geht, da sind Sie rasch bei der Hand", tagte Redner, „wenn es sich aber darum handelt, Taten sehen zu lasten, da schweigen Sie". Es handle sich um Sein oder Nichtsein, um das Ansehen der Genossenschaft. Wer echter, wahrer Genossenschafter sei, der müsse seinen Geschäftsanteil in der vorgeschriebenen Weise von wöchentlich einer Mark einzahlen, wer das nicht tue, dafür aber den Verein nach allen Richtungen ausnütze, ohne materiell etwas beizutragen, der Weiche von uns, und das eher heute denn morgen. Der Berichterstatter zählte die Versuche auf, um Betriebsmittel zu erhalchn. Man l.abe das gesamte Textilwarenlager einem 30prozentigen, das Schuhwarenlager einem 20Prozentigen Rabattverkauf unterstellt, um auf diese Weise schnell zu greifbaren Mitteln zu gelangen. Die laufenden Schulden wurden etwas geringer, dafür schrumpfte aber auch das Lager zusammen. Die Ausgabe dieser Artikel würde einen Rückschritt bedeuten, außerdem wünschten die Mitglieder diese Waren. Gerade in dem Artikel Textilwaren werde von den Mitgliedern viel gesündigt durch Käufe bei Hausierern, von welchen die Mitglieder, namentlich die Frauen, übertölpelt würden. Deshalb nichts bei Hausierern kaufen! Zur Erzielung eines großen Umsatzes habe man auch gute und billige Weine eingeführt, diese Weine seien sehr beliebt und billiger als Bier. Die im Ankerladen vor Augen geführte Warenausstellung sei ein weiteres Mittel, den Umsatz zu steigern und damit zur Erzielung von Betriebsmitteln beizutragen. Es liege einzig an den Mitgliedern, daß dies erreicht würde. Dazu beantrage die Verwaltung die Einführung einer Prämienverlosung auf Weihnachten wie folgt: eine Prämienverlosung an diejenigen, die ihren Geschäftsanteil bis zum 20. Dezember voll einbezahlten und unter jene, welche bis zum gleichen Tage eine Spareinlage von mindestens 50 Mark gemacht haben. Zahl und Höhe der Prämien würden vom Aufsichtsrat bestimmt. Die Prämie soll in einem auf den Weihnachtstisch kommenden Weihnachtspaket bestehen. Mit der Bitte, treu zur Genossenschaft zu stehen, und restlos den gesamten Bedarf an Lebensbedürfnissen im eigenen Geschäft, im Konsum-Verein, zu decken und diesem durch volle Einzahlung des Geschäftsanteils die erforderlichen Betriebsmittel zuzuführen, schloß der Redner seinen Bericht, um alsbald die Bilanz auf 30. Juni 1924 bekannt zu geben. Der Gesamtumsatz vom 1. Januar bis 30. Juni 1924 betrug Mark 152104,76. Von diesem Umsatz entfallen im einzelnen auf den Stadtladen Mark 13121.08, Ankerladen Mark 17 303.37, Birkenfelü Mark 14 068.41, Schömberg Mark 24 758.38, Gräfenhaujen Aiark 11144.05, Conweiler Mark 13 442.59, Feldrennach Mark 6331.65, Engelsbrand Mark 10 941.02, Grimbach Mark 10 884.70, Salmbach Mark 7213.44, Kapfenhardt Mark 8773.36, Lagerverkauf Mark 14123.71. Wenn man von diesem Gesamtbetrag nur einen Rohertrag von Mark 27 616— erzielt habe, jo liege dies daran, daß man nieder kalkulierte. An Umsätzen entfallen auf die einzelnen Monate: Januar Mark 13 400.—, Februar Mark 18 500.—, März Mark 27 600.—, April Mark 29 895.—, Mai Mark 31547.—, Juni Mark 31062—, Juli Mark 32617.—. Die Bilanz, deren Einzelposten vorgetragen und erläutert wurden, zeigte an Aktiven und Passiven, ausgeglichen mit der Summe des Reinertrags von Mark 9.11 einen Betrag von Mk. 85 825.08, die Gewinn- und Verlust-Rechnung unter Berücksichtigung dieses Reinertrags ergab in ihren Endsummen Mark 27 616.78. Hervorgehoben wurde, daß die Gehälter der Angestellten sich in bescheidenen Grenzen bewegen. Der Mitgliederbestand betrug am 30. Juni 2049. Wenn die Bilanz kein erfreuliches Bild zeige, so mögen, schloß Redner, die Mitglieder durch restlose Einzahlung des Geschäftsanteils und Erfüllung ihrer sonstigen Verpflichtungen dazu -beitragen, daß hierin im neuen Geschäftsjahr eine Wendung zum besseren eintrete. (Schluß folgt.)
Neuenbürg, 31. Aug. (Drucksachenbestimmung.) Nach neuerer Verfügung des Reichspostministeriums sind Druckstücke (Briefbogen, Karten) mit vorgedrucktem Kopf, in denen der Text nachträglich aufgedruckt ist, entgegen den bisherigen Bestimmungen als Drucksachen nicht zu beanstanden, wenn der Kopf lediglich nach Z 7 Abs. 9 der Postordnung zulässige Absenderanga- ben enthält und der Vordruck auch sonst den Bestimmungen der Postordnung genügt.
Neuenbürg, 30. Aug. (Taschendiebe.) Taschendiebe machen sich in den Schnellzügen und auf den größeren Bahnhöfen bemerkbar. Die Gauner verursachen in -den Gängen und beim Aus- und Einsteigen künstliches Gedränge und Zusammenstöße der Reisenden, wobei sie mit geschicktem Griff fremde llhren und Brieftaschen wegnehmen. Vorsicht ist der beste und einzig sichere Schutz gegen solche Verbrecher.
Neuenbürg, 30. Aug. (Auflösung von Lehrverträgen.)
Vom Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband wird uns geschrieben: Es mehren sich die Fälle, -daß Lehrherren, besonders Kaufleute, Lehrverträge fristlos aufheben oder mit einer etwa monatlichen Frist „kündigen" und damit den Lehrlingen die Fortsetzung ihrer Lehre unmöglich machen. Als Veranlassung wird meistens die schwierige Geschäftslage genannt. Selbstverständlich ist kein Geschäftsinhaber berechtigt, ein Lehrverhältnis aus einem solchen Grunde aufzulösen. Ein Lehrvertrag ist regelmäßig ein Vertrag auf bestimmte Zeit, und er endigt erst mit dem Ablauf des Zeitpunkts, der für sein Ende vereinbart ist. Mir während der gesetzlichen Probezeit, die einen Monat beträgt, aber bis zu drei Monaten durch Vereinbarung ausgedehnt werden kann, kann -das Lehrverhältnis aus einem beliebigen Grunde gekündigt werden, und zwar ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Danach kann es nur aus einem wichtigen Grunde aufgelöst werden. Als wichtige Entlassungsgründe gelten nach ß 72 HGB.: Untreue, Vertrauensmißbrauch, Geschäfte auf eigene Rechnung, beharrliche Dienstverweigerung, unbefugtes Verlassen des Dienstes für erhebliche Zeit, anhaltende Krankheit, längere Freiheitsstrafe, Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Lehrherrn oder seinen Vertreter und ähnliche Gründe. Gekündigt werden kann das Lehrver- hältnis nach dem Tode des Lehrherrn innerhalb eines Monats, und zwar ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Unberechtigte Aufhebung des Lehrverhältnisses durch den Lehrherrn verpflichtet zum Schadenersatz.
Württemberg
Stuttgart, l. Sept. (Arbeitsmarkt in Württemberg.) Die Zahl der Erwerbslosen ist von 4850 am I. August auf 5320 am 15. August gestiegen. Namentlich für die Angestellten aller Berufe hat sich die Lage durch ernste Kündigungen und Entlassungen weiter verschlechtert.
Stuttgart, 1. Sept. (Volksfestlotterie.) Das Ministerium des Innern genehmigte der Württ. Landwirtschaftskammer zu Gunsten des 77. Landw. Hauptfestes eine Lotterie. Die Loszahl beträgt 50 000 zum Einzelpreis von I Goldmark einschließlich Reichsstempelabgabe. Ziehungstag ist der 8. Oktober.
Lauffen a. N., 1. Sept. (Automobilunglück.) Im Talheimer Grund ereignete sich ein schweres Automobilunglück. Ein Auto aus Eßlingen, besetzt mit dem Chauffeur und drei Personen, Herr und Frau Blankenhorn mit ihrem Kind, nahm die scharfe Kurve zu rasch und stürzte um. Die Frau erlitt einen Schädelbruch und wurde tot ins hiesige Krankenhaus eingeliefert. Die übrigen Insassen blieben unverletzt.
Kochendorf, OA. Neckarsulm, I. Sept. (Ein gräßlicher Unglücks- fall.) Ein Arbeiter von Sulzbach bei Mosbach geriet unter einen Zug der Neckarkanalbahn. Die Lokomotive mit fünf Wagen fuhr über den bedauernswerten erst 23 Jahre alten jungen Mann, trennte ihm einen Arm und ein Bein vom Rumpfe und brachte ihm sonstige schwere Verletzungen bei. Man schaffte ihn sofort per Auto ins Krankenhaus nach Neckarsulm. Die Verletzungen waren so schwer, daß er ihnen bald erlag.
Möhringen, OA. Horb, I. Sept. (Gemeines Bubenstück.) Im Gemeindegarten, dem sog. Schwestergarten, dessen Ertrag den Schwestern zugebilligt ist, wurde einer der schönsten und ertragreichsten Obstbäume (ein Luikenbaum) am Boden abgesägt.
Ulm, I Sept. (Vorsicht beim Genuß von Trauben.) Eine hier wohnende Frau ist nach dem Genuß von Weintrauben, an denen scheinbar Spuren von der Kupfervitriolbehandlung verblieben sind, erkrankt.
Dornstadl, OA. Blaubeuren, 1. Sept. Mäscher Tod.) Pfarrer Franz Bechteler war eben im Begriff, sich zum Nachmittagsgottesdienste zu begeben, als er unter den Kastanienbäumen vor der Kirche sterbend niedersank und bald darauf seine Seele aushauchte. Der Verstorbene war erst 51 Jahre alt.
Buchau, I. Septbr. (Kirchturmspolitik.) Unter denen, die das Telegramm von der Annahme des Dawesgutachtens vor dem Re- daktionsgebüude besprachen, befand sich auch ein hübsches Mägdelein. Mit großem Eifer studierte sie die Zeilen und es schien ihr besonders zu gefallen, daß das Eisenbahngesetz im Reichstag angenommen worden ist. Also sagte sie: „Jetzt hält doch wenigstens d' Sattabeura dr Zug wieder."
Tettnang, 1. Sept. (Aus Eifersucht.) In Siggenweiler kam es zu einem tätlichen Zusammenstoß zwischen dem dort als Hopsen- brocker tätigen 39 jährigen Weber Karl Mammerle aus Dettingen O -A. Kirchheim und dem 48jährigen Korbmacher Georg Hof aus Schnaitheim O.-A. Heidenheim. Mammerle war vor etwa drei Wochen von Baienfurt mit der 36 Jahre alten Anna Schwenk aus Zürich zur Hopfenernte nach Siggenweiler gekommen. Hof hatte aber ältere Rechte auf die Schwenk und erschien heute, um diese Rechte geltend zu machen und die Untreue abzuholen. So kam es zwischen den Konkurrenten zum Streit und dabei versetzte H. dem M. mit einer Rebschere einen Stich in den Kopf. Die Verletzung ist nicht gefährlich. Auch der Scherenheld erlitt bei dem Ringen durch die eigene Schere eine Verletzung im Gesicht.
Friedrichshafen, I. Sept. (Vom Amerika-Luftschiff.) Die nächste Probefahrt soll nicht vor Donnerstag stattsinden. Die Fahrten sollen dann rasch hintereinander folgen und auch die Schweiz berühren. Auf der großen Probefahrt soll das Luftschiff quer durch Deutschland zur Ostsee fahren, Skandinavien berühren und auf dem Rückweg auch über Lübeck und wahrscheinlich auch über Hamburg Weggehen.
Friedrichshafen, 1. Sept. (Offizierszusammenkunft.) Die Offiziere der Bodcnsce-Userstaaten gaben sich gestern, zum erstenmal nach dem Kriege, hier wieder ein Stelldichein. Im Rahmen der Tradition gehalten, nahm cs den gewohnten kameradschaftlichen Verlauf. Nach der Ankunft der Offiziere aus Konstanz und Lindau marschierte man in geschlossenem Zuge zum Kurgartenhotel, 'woselbst zwei Regimcntskapellen konzertierten. Die veranstalteten Platzkonzerte hatten zahlreiche Besucher angelockt. Nach dem Rückmarsch zum Hafenbahnhof trennte man sich dort nach angenehm verbrachtem Beisammensein.
Wadeü.
Pforzheim, l. Sept. Die Annahme der Londoner Abmachungen durch den Reichstag wurde auch hier mit Erleichterung begrüßt. Eie löste alsbald in der Industrie eine greifbare praktische Wirkung aus. In einzelnen Schmuckwarenfabriken, wo Kurzarbeit herrscht, wurde den Arbeitern mitgeteilt, daß in dieser Woche die Arbeitszeit wieder verlängert wird.
Ettlingen, 30. August. In Auerbach brach in der Nacht zum Donnerstag in der Scheune des Landwirts Gustav Müller ein Brand aus, dem Scheune und Wohnhaus zum Opfer fielen. Das Vieh und die meisten Fahrnisse konnten gerettet werden. Die Entstehungsursache ist unbekannt.
Kehl, 29. August. Ein charakteristisches Zeichen unserer Zeitverhältnisse ist es, daß in jeder Gemeinderatssitzung Armenzeugnisse bewilligt iverden müssen zur Durchführung von Ehescheidungsprozessen oder Unterhaltsklagen.
Aus dem Schwarzwald, 1. Aug. Die vor einiger Zeit zum Ausdruck gebrachte, damals wohlbegrllndete Hoffnung der Imker auf ein gutes Honigjahr durch Eintritt der Tannentracht hat leider das anhaltend schlechte Wetter dieses Sommers zunichte gemacht und die Imker verzeichnen im allgemeinen nur mäßige Erträgnisse, die vielfach einer Mißernte gleichkommen. In den meisten Fällen zehrten die Bienen in den regenreichen Wochen wieder auf, was sie an wenigen schönen Tagen eingetragen hatten. Die Imker sind deshalb jetzt schon vielfach auf künstliche Fütterung angewiesen.
DermÜchLes.
Entsetzliche Roheit. In München in einem Hause an der Augustastraße wurde ein Maschinist beim Fußbodenstreichen unabsichtlich von der Sozialrentnersfrau Therese Frank gestreift. Der Maschinist versetzte der Frau mit einem Hammer wuchtige Schläge auf den Kopf und verletzte sie so schwer, daß sie im Krankenhaus verstarb. Der Täter wurde verhaftet und erklärte, er habe die Frau im Zorn erschlagen wollen, weil sie so bös gewesen sei.
Doppelmord. Freitag nacht drang ein kürzlich entlassener Knecht in das Gehöft des Gutsbesitzers Pilling in Dahlsen bei Iserlohn ein und tötete einen schlafenden Knecht und erschoß Len Hofbesitzer durch Kopfschuß mit einer Armeepistole. Die Leiche des Besitzers schleppte er in ein nahe gelegenes Kleefeld. Die Tochter des Besitzers wurde durch einen Beckenschuß schwer verletzt. Auf die Hilferufe der Verletzten floh der Täter und konnte bisher noch nicht gefaßt werden.
Ein Haarmann in Aachen? In Aachen wurde die Nachricht verbreitet, daß die Leichen der seit einiger Zeit verschwundenen beiden Schülerinnen gefunden worden seien. Es besteht Wohl kaum ein Zweifel, -daß sie einem Wüstling zum Opfer gefallen sind. Ein Gärtner von Langenturm wollte einen .Haufen Reisig forträumen, als er die grausige Entdeckung machte, -daß unter dem Reisighaufen zwei Mädchenleichen versteckt waren. Die Leichen können erst in einer der letzten Nächte hier verscharrt worden sein.
Räuber in Rheinlands Not. Vaterlandslose Burschen, Deutsche vom Stamm, haben sich des Rheinlands Not zu nutze gemacht. Sie sind in Bonn, Düsseldorf, Dortmund und Aachen, der Sprache mächtig, als französische Kriminalbeamte aufgetreten. Haben im Kassenraum der Reichsbankstellen aus Opfer gelauert, sind ihnen nachgogang-en, mn sie festzuhalten und ihr empfangenes Goldgeld zu ^beschlagnahmen". Das war zu Anfang und im Lenz 1924, und viele hundert Mark kamen so in ihren Besitz. Auch wurden mehrfach Kassenboten in ein leeres Zimmer -der Kommandantur in Düsseldorf eingeschloffen und erst später wieder durch dritte -befreit. Als Anführer -dieser Räuberbande wurde der Kaufmann Voßler ans Wiesbaden und mehrere gleichartige Genossen vom französischen Kriegsgericht exemplarisch ab geurteilt. Noch zur rechten Zeit flüchtete ins unbesetzte G-obitt ein vierter Helfer, der vierunddreißigfährige Buchhalter Vötsch -aus Cannstatt. Er hatte als -stellungsloser in Bonn den Voßler kennen gelernt und sich willig dem Frei- beuterzug angeschlossen. In Bonn und Düsseldorf tat er mit und erbeutete zweitausend Goldmark als seinen Anteil. Ein gleiches Unternehmen auf eigene Faust in Dortmund und Aachen schlug fehl, teils auch, weil der offenbar Verführte nicht genug verbrecherische Energie zur Ausführung anwandte. Nun hatte -das Schöffengericht über den Abwesenden zu urteilen, -der in flehentlicher Bittschrift ersuchte, ihn vor -dem französischen Kriegsgericht zu bewahren. Vötsch ist schon einmal wegen Betrugs und auch wegen Unterschlagung mit Gefängnis bestraft. Dennoch verfuhr man milde mit dem Angeklagten, weil er als
Ich had dich lieb. l
Roman von Erich Eben st ein. I
Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentrale C. Acker- :
manu, Stuttgart. §
Es läßt mir ja Tag und Nacht keine Ruhe, ! daß es so geworden ist zwischen Gustav und mir! Ich ! habe ihn so rasend lieb, Mama! Und er hatte mich doch ! auch lieb! Warum hätte er mich sonst geheiratet, arm wie ich war?"
„Gewiß hatte er dich lieb, Jella . . .!" tröstete die alte Frau. „Und wahre Liebe stirbt nicht so rasch. Nur mußt du eben Geduld haben ..."
„O, Mama, wie sprichst du heute anders, als sonst! Wenn Bernd dich, hören könnte! Er sagte doch auch
immer
„Du sollst in diesem Punkt nicht so viel auf Bernd hören. Er hetzt dich gegen deinen Mann auf und das ist nicht gut."
„Aber das ist doch sicher, daß Gustav mich hintergeht!"
eißt du darüber denn schon etlnas Bestimmtes?" „Nein, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe, ihn zu ertappen, seine Korrespondenz, überwache, ihm heimlich
wenn es nur irgend angeht usw.-, aber er weiß das
und ist darum wobl doppelt vorsichtig. Em einziges Mal, vor zwei Tagen, Habs ich ihn mit einer sehr eleganten ame im Auto fahren sehen. Letder war sie verschleiert, und ich konnte ihr Gesicht nicht deutlich sehen. Aber schließlich — brauche ich denn noch Beweise? Wo sein kaltes, liebloses Wesen und mein Instinkt es mir doch jede Minute auf's deutschste beweisen, daß er mich betrügt!" Frau Dr. Haller sah ihre Tochter kopfschüttelnd au
aoei smger
schrotten herabgleiten, als ein leise knisterndes Geräusch dabei hörbar wurde.
Der Brief! Ach Gatt, der Brief, den sie heute morgen bekommen hatte . . . Wenn ihre Kinder davon wüßten!
Und doch — er hatte so vieles in ihr klar gemacht, so viel längst Begrabenes wieder aufgeweckt . . .
Manches von dem, was in ihr selbst langsam als Erkenntnis emporgereist lvar, hatte er bestätigt, und es könnte Jella jetzt nützen, wenn . . .
„Woran denkst du denn, Mama? Hast du gar keinen Trost für mich? Keinen Rat?"
Da raffte die alte Frau sich in plötzlichem Entschluß auf.
„Doch, mein Kind. Vor allem sieh — ich meine, du bist auf dem falschen Weg! Dies Nachspiouieren entwürdigt dich und muß deinen Manu immer weiter von dir entfernen. Du wirst damit nichts erreichen, als daß du deine Ehe ganz zertrümmerst, wie ich einst — die meine!"
„Mama!" schrie die junge Frau auf und starrte die Mutter bestürzt an .
„Du — du sagst mir dies? Du klagst — dich an, wo es doch Vater war, der Schuld an allem trug und dich schmählich verließ?"
„Er hätte es vielleicht nie getan, wenn ich klüger und — geduldiger gewesen wäre! Sie —"
Die Stimme der alten Frau wurde immer hastiger und erregter.
„Ich tat ja dasselbe, was du heute tust. , Ich schlich ihm nach und lauerte ihm auf, wenn er jene Frau aussuchte, die seine Patientin gewesen war, und die es nachher mit ihrer Koketterie so gut verstand, ihn festzuhalten. Ilnd wenn er daheim war, machte ich ihm das Haus zur Hölle mit Klagen, Trotz und Vorwürfen. Keine friedliche Stunde hatte er mehr, kein freundliches Gesicht bekam er zu sehen. War es ein Wunder, daß er immer öfter zu ihr
ging, wo er nur angenehme Eindrücke fand? Hätte ich nicht so viel an mich gedacht, ihm ein freundliches Gesicht gezeigt, ein behagliches Heim geboten, voll Liebe unc> Frieden, es wäre wohl nie so weit gekommen! Sein Herz gehörte doch anfangs noch mir, und die andere beschäftigte nur seine Phantasie. Und er war im Grunde so gut und weich ..."
„Das sagst du, Mama?" fiel Jella, die immer erstaunter aufgehorcht hatte, erregt ein. „Und all die Jahre her hast du geschwiegen, wenn Bernd ihn einen Ausbund von Schlechtigkeit nannte, so daß ich glauben mußte, es sei auch deine Ansicht!"
„Weil ich nicht anders — durfte!" sagte die Mutter mit scheuem Blick, und ein Ausdruck tiefer Bitterkeit glitt über ihr verhärmtes Gesicht. „Du kennst doch Bernd! Bei dem gibt es kein Verstehen und also auch kein Verzeihen. Da gelten nur die Tatsachen. Vom ersten Tag an, als ihn damals mein Teelgramm aus dem Institut heimrief, bestimmte er alles in seiner schroffen, unjugend» lichen Weise: Unsere Uebersiedlung nach G., um dem Gerede zu entgehen, unsere Lebensweise, jeden Schritt, den wir machen durften oder nicht durften, unsere innere Stellung zu den Dingen, ja selbst unsere Gedanken! Papa war der Verbrecher, ich die Märtyrerin, ihr die Opfer! Und anfangs, so lange ich noch ganz betäubt von Schmerz und Scham war, da schien mir diese Auffassung ja auch natürlich und gerecht. Aber später .. ., als ich erst wieder selbst zu denken anfing, erschien mir doch vieles in anderem Licht. Und glaube mir, Jella, das Bitterste meines Lebenß, das Härteste all' die Jahre her war mir, nie von ihm sprechen zu dürfen, kein gutes Wort über ihn zu hören, ihn nicht verteidigen, ja nicht einmal nachforschen zu dürfen, waS aus ihm geworden war!"
„Warum ließest du es dir von Bernd verbieten?"
(Fortsetzung folgt.)