Vertrag von Versailles angesehen werden muß. Wie der amt­liche englische Funkdienst meldet, tritt das Abkommen sofort in Kraft.

Llohd George über London.

London, 30. Aug. Llohd George veröffentlicht imDaily Chronicle" einen Rückblick ans die Londoner Konferenz und führt aus, in der ganzen Welt sei jetzt Zündstoff für konrmende Kriege. Auf Deutschland Bezug nehmend, sagte Llohd George, die während der feindlichen Besetzung begangenen Torheiten hätten viel Explosivstoff angehäuft. Die Londoner Regelung sei vielleicht gerade noch rechtzeitig gekommen. Um eine Kata­strophe zu verhindern. Es blichen aber noch die bitteren La­sten der Reparationen, die mit jedem Jahr schwerer wurden. Me lange werde dies getragen, wenn die deutschen Arbeiter merkten, daß die Reparationen aus ihrer Tasche bezahlt wür­den. Nach weiteren Betrachtungen über die Lage in Rußland, auf dem Balkan und in Australien schließt Llohd George, es dürfe keine Zeit verloren werden, um einen festen und dauerhaf­ten Damm gegen eine Rückkehr der großen Flut zu bauen.

Der Eindruck in Amerika.

New-Uork, 30. Aug. Die Reichstwgsabstimmung ist in New- Uorker politischen und Finanzkreisen mit großer Erleichterung ausgenommen worden. Die Anleihe für Deutschland wird jetzt bereits binnen weniger Wochen aufgelegt werden.

Günstige Auswirkungen des Dawesplanes.

New-Uork, 30. Aug. Der Präsident der amerikanischen Stahlgießerei A.-G. Lammont kehrte von einer Europareise zurück. In einem Interview äußerte er sich über die Folgen der Annahme des Dawesplans für die amerikanische Stahlindu­strie. Er behauptete, daß Deutschland, sobald es einige Jahre unter den Bedingungen des Dawesplans gearbeitet habe, indu­striell wieder aufleben würde, und dann hätten die amerikani­schen Stahl- und Eisengießereien eine scharfe Konkurrenz zu erwarten.

Auf dem Weg zum wahren Frieden".

New-Uork, 30. Aug. Aus Washington wird gemeldet: Harvey, der Hariptschriftleiter derWashingtoner Post", schreibt in einem Leitartikel unter der UeberschristDeutschland für die Annahme des Dawesplans" u. a.:Europa befindet sich jetzt auf dem Wege zum wahren Frieden und zum wahren Wohl­stand. Die Beschlüsse des Reichstags werden Deutschland in kürzester Zeit wieder auf die Beine bringen."

Aus Stadt« Bezirk und Umgebung-

Neuenbürg, 30. Aug. (Warnung.) Alljährlich werden von den Kindern anläßlich des Weidebetriebes Gittermasten der Hochspan­nungsleitungen bestiegen: dadurch sind bereits mehrere Unglücksfälle eingetreten. Ebenso wird von den Kindern zur Herbstzeit das be­liebte Drachensteigen vorgenommen, ohne daß sie sich der Gefahren bewußt sind, denen sie hierbei, falls Regenwetter eintritt und der Drachen in die Hochspannungsleitung zu liegen kommt, ausgesetzt sind.

Neuenbürg, 30. Äug. (Ein guter Rat.) Hin und wieder kommt es vor, daß Geflügel verendet, weil zur Fütterung schimmeliges Brot oder schimmeliger Oelkuchen verwendet wurde, was Kolik und Auf­treibung des Hinterleibs oder Entzündung und Brand der Einge» weide und dadurch den Tod verursacht. Wer schimmeliges Brot als Viehfutter verwenden will, koche es vorher, dadurch wird der schim­melbildende Pilz zerstört und das Brot kann ohne Schaden verfüttert werden.

Neuenbürg, 30. August. (Käsergesahr im Walde.) Dieses Jahr ist in vielen Wäldern Käfergefahr, in denen die Waldbesitzer das in­folge von Schneedruck abgebrochene oder krumm gedrückte Holz, das nun dürr geworden ist, nicht aus dem Walde entfernt haben. Es ist den Waldbesitzern nicht dringend genug anzuraten, daß sie in ihren 'Wäldern Nachsehen, ob kein solches Holz vorhanden ist und gegebenen­falls solches sofort entfernen, damit sie vor großem Schaden bewahrt bleiben. Alles dürre Holz, das in der Rinde ist, muß unbedingt so schnell als möglich jetzt aus dem Walde entfernt werden. Wenn der Käfer einmal im Walde ist, so tritt er in den folgenden Jahren wieder auf und richtet meistens großen Schaden an.

WÜNtemverg

Stuttgart, 29. Aug. (Das Fischsterben im Neckar.) Vom Stadt. Nachrichtenamt wird uns mitgeteilt: Das in der letzten Woche auf­getretene Fischsterben im Neckar, von dem in der Tagespresse wieder­holt die Rede war, scheint nunmehr seine Aufklärung gefunden zu haben. Die verschiedenen Nachrichten, die von den Fischwasser­pächtern eingegangen waren, führten zu der Vermutung, daß der Herd der Verunreinigung in der Lauter und zwar in der Gegend von Kirchheim u. T. zu suchen sei. Bei einer Begehung des Neckar­users konnten schon oberhalb der Brücke von Plochingen und noch mehr in der Gegend von Psauhausen Oelrückstände im Ufersand und Teergeschmack an den Pflanzenwurzeln festgestellt werden. Ueber- raschend war das Bild, das die Lauter von ihrer Einmündung unterhalb Unterboihingen an flußaufwärts bot: Große Strecken wett zeigten an den Userrändern die Gräser etwa handhoch über dem Wasserspiegel einen 5 Zentimeter breiten schwarzen Teerstreifen. Die davon betroffenen Pflanzen sind gelb gefärbt, also im Absterben be­griffen und riechen stark nach Teer und petroleumartigen Produkten.

Wo man den Flußsand aufrührte, stiegen sofort Oeltropfen an die Oberfläche und bedeckten diese mit der bekannten schillernden Oel- haut. An der Brücke in Oellingen war der Ufersand gleichfalls mit teerartigen Stoffen durchsetzt und auch die Pflanzen zeigten Teer­und Oelstreifen. Das Flüßchen selbst ist in übelster Weise durch Abwässer verunreinigt, die es bald weinrot, bald gelb, bald grün färben. Die Einwohner von Oellingen teilten mit, daß noch vor 4 und 5 Jahren die Lauter hier ein gutes Forellenwasser gewesen, daß aber inzwischen unerträgliche Zustände eingetreten seien. Tage­lang müßten die Fenster der am Ufer gelegenen Häuser geschlossen gehalten werden, wenn man sich gegen den üblen Geruch, der aus dem Flüßchen aufsteige, schützen wolle. Kinder, die im Flusse baden, kämen rotgefärbt aus dem Wasser. Dieses Bild trostloser Ver­schmutzung und Verunreinigung der Lauter zieht sich talaufwärts bis zur Einmündung der Kirchheimer Abwasserdohle. Daß an dieser Stelle die Schmutzwelle, bestehend aus Teer- und Oelrückständen, in die Lauter und damit in den Neckar gelangt ist, ist deutlich wahr­nehmbar. Bis zur Kanaleinmündung ziehen sich an den Ufern die schwarzen Teerstreifen und im Flüßchen .selbst ist jegliches Lebewesen, auch die Kleintierwelt, abgetötet. Oberhalb der Kanaleinmündung aber hat die Lauter ihr normales Aussehen: das organische Leben im Fluß ist dort erhalten geblieben. Wie festgestellt ist, hat eine Kirchheimer Firma in der in Betracht kommenden Zeit einen Trieb­ölbehälter entleert und die darin verbliebenen Rückstände in den Kanal und in die Lauter abgeschwemmt. Es wäre dringend zu wünschen, daß die verantwortlichen Behörden sich dieses Falles an­nehmen. Ein großer Teil des Fischbestandes der Lauter und des mittleren Neckars ist durch die Schmutzwelle teils eingegangen, teils vor ihr flußabwärts geflüchtet. Es hat überhaupt den Anschein, als läge die Abwässerbeseitigung in diesem Teil des Lautertals im argen und würden die sonst üblichen Vorkehrungen zum Schutze der all­gemeinen Interessen der Flußanlieger nur wenig beachtet.

Stuttgart, 30. Aug. (Freigabe der Ausfuhr von Schafen.) Den wiederholten Pemühungen der Württ. Landwirtschaftskammer ist es gelungen, beim Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin die Freigabe der Ausfuhr von Zucht- und Schlachtschafen nach allen Ländern, und zwar ohne besondere Abgaben, zu erreichen. Bei dem großen Weidemangel in den letzten Jahren und der wirt­schaftlichen Notlage der württembergischen Schäfereien dürfte diese Verfügung in den Kreisen der Schafhalter besonderen Anklang finden.

Stuttgart, 30. Aug. (Die Entwicklung der Erwerbslosigkeit in Württemberg.) Die Zahl der Erwerbslosenunterstützung beziehenden Personen betrug in Württemberg am 15. Mai 3755, am 15. Juni 4585, am 14. Juli 7225 und am 15. August 11705.

Stuttgart, 31. Aug. Der frühere Besitzer derElsässer Taverne", Wilhelm Heritier, eine bekannte Persönlichkeit, ist im Atter von 82 Jahren gestorben.

Leonberg, 30. August. (Des Kindes Schutzengel.) Von einem Schutzgeist behütet wurde ein 3 jähriger Knabe, der aus dem zweiten Stock eines Hauses der Marktstraße herunterstürzte und ohne jede Verletzung daoonkam. Trotzdem die Fenster während der Abwesen­heit fest zugeschnllrt waren, verstand es der Knabe, die Verschnürung zu lösen und so ans Fenster zu gelangen.

Entringen, OA. Herrenberq, 31. August. (Erdrückt.) Während der Arbeiten im Stollen des Gipssteinbruchs löste sich ein ca. 100 Zentner schwerer Stein und begrub teilweise den von Breitenholz ge­bürtigen, 21 jährigen Eugen Noppel, Sohn des Straßenwarts Noppe! von dort. Obgleich sofort Hilfe zur Stelle war, starb der Unglück­liche nach einer Viertelstunde.

Horb, 30. Aug. (Vermißt) Am 22. Aug. hat sich die 27 Jahre alte Wilhelmine Lebold von Mühlen aus, wo sie vorübergehend zu Besuch weilte, nur ganz notdürftig gekleidet, in seelischer Depression befindlich, in unbekannter Richtung entfernt, ohne daß bis jetzt trotz aller Bemühungen etwas von ihr bekannt geworden ist.

Bodelshausen, O.-A. Rottenburg, 30. Aug. (14000 Mark rückständige Gemeindesteuern.) Nach der von der Oberamtspflege dem Oberamt übergebenen Uebersicht über die Steuerlieferungen der Gemeinden ist die hiesige Gemeinde mit Staatssteuer, Amtskörper­schaftsumlage, Gemeindeentschuldungssteuer und Prandschadenumlage in Höhe von rund 14 OM Mark im Rückstand.

Tübingen, 3l. Aug. (Fahnenflucht.) Das Schöffengericht hat den 31 Jahre alten Oberschützen von der Reichswehr, Paul Lorho, einen gebürtigen Elsässer, der sich einer Bestrafung durch Fahnen­flucht entziehen und sich in das besetzte Gebiet zu den Feinden be­geben wollte, aber zurllckgeliefert wurde, zu 6 Monaten Gefängnis und Dienstentlassung verurteilt.

Lustnau, O.-A. Tübingen, 30. Aug. (Ein langer Rettichschwanz.) Hier wurde ein Rettich gezogen, dessen Schwanz die seltene Länge von l,17 Meter hatte. Nach dem Polksmund sollen auf lange Ret­tichschwänze ein langer und strenger Winter kommen.

Besigheim, 30. August. (Vielbegehrt.) Um die erledigte Stadt­vorstandsstelle haben sich 20 Bewerber gemeldet. Tag der Vorstel­lung ist der 31. August, Tag der Wahl der 14. September.

Bückinge», OA. Hellbraun, 30. August. (Abtreibung.) Wegen Vergehens gegen das keimende Leben wurde eine 17 jährige Arbeiterin, sowie eine jüngere Ehefrau wegen Beihilfe festgenommen und dem Gericht übergeben. Das Mädchen hat ein volles Geständnis abgelegt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß noch wettere Personen in die Affäre verwickelt sind. Die Ehefrau täuschte bei ihrer Vorführung Ohnmacht vor, was sie aber nicht vor der Verhaftung schützte. Sie soll seit Jahren einen nicht einwandfreien Lebenswandel führen.

Murr, OA. Marbach, 30. Aug. (Eisenbahner-Los.) Beim An­kuppeln eines Wagens auf dem Bahnhof kam der 31 Jahre alte

Bahnagent Karl Mäule unter einen Rollschemel und wurde so schwer verletzt, daß er nach wenigen Stunden den Verwundungen erlaa.

Gmünd, 30. August. (Schlechte Zeiten.) Nach Mitteilung der Arbeitsamts ist in der Edel- und Schmuckwarenindustrie der Geschäfts­gang und der Beschäftigungsgrad gegenüber dem Vormonat zurück­gegangen. Die Kurzarbeit in der Gmünder Hauptindustrie erstreckt sich auf etwa 45 Betriebe mit zusammen 2100 Arbeitskräften. Ver­schiedene Anzeichen lassen darauf schließen, daß die Kurzarbeit vor­läufig noch andauern wird.

Aldingen, O.-A. Spaichingen, 30. Aug. (Verhaftung.) Der Besitzer der Brauerei zur Rose, Karl Kopf, wurde wegen Urkunden­fälschung und Betrugs in das Gefängnis in Rottweil eingeliesert. Er soll durch Radierungen in den von seiner Kundschaft unterschrie­benen Lieferungsbllchern nachträglich Aenderungen zu deren Schaden oorgenommen haben.

Ulm, 31. Aug. (Eine Riesenlokomotive? Eine neue Riesen- lokomotioe der Reichsbahn erregte vor einigen Tagen auf der Durch­fahrt in Ulm infolge ihrer außergewöhnlich großen Ausmaße begreif­liches Aussehen. Die mit Kränzen und Guirlanden reich geschmückte Maschine läuft auf zwölf Rädern und besitzt eine Heizfläche von 302 Quadratmetern. Es handelt sich um einen Lokomotiventyp. der von den Linke-Hofmann-Leuchhammerwerken in Breslau hergestellt wird und der besonders bei Strecken mit großen Steigungen Verwendung finden soll.

Ulm, 3l. Aügust. (Ein Motor-Kreuzer auf der Donau.) Der Firma Ulmer Bootswerft Friedrich Balkheimer ist es gelungen, einen Motorkreuzer zu konstruieren, der den Erfordernissen der Donau Rechnung trägt und mit dem man unsere schöne blaue Donau nach allen Richtungen befahren kann. Die Versuche sind abgeschlossen und der Kreuzer kann nunmehr dem Verkehr übergeben werden. Der Kreuzer ist 12 Meter lang, 2,40 Meter breit, ausgerüstet mit einem 60 PS.-Schiffsmotor, Vor- und Rückwärtssteuerung und bietet 25 Personen Platz.

Dielenheim, O.-A. Läupheim, 30. Aug. (Sprengung durch Pi­oniere.) Ulmer Pioniere nahmen an dem Steinpfeiler, der infolge des Hochwassers eingestürzten Brücke bei Dornweiler eine Sprengung vor. 10 Pioniere unter Leitung eines Offiziers hatten die Vorbereitungen getroffen, sodaß die Sprengung planmäßig nachmittags vor sich ging. Hoffentlich nähert sich die Brücke baldigst der Fertigstellung, da der Weg neben der Brücke infolge des anhaltenden Regenwetters kaum mehr passierbar ist.

Friedrichshofen, 30. August. (Schauspieler und Seekrankheit.) Daß ein Schauspieler auch fest gegen Seekrankheit sein soll, bewies die letzteWendelgard"-Aufführung. Infolge bewegter See konnte dasSchiff" nicht gleich anlegen. Die Schwankungen des Schiffes hatten zur Folge, daß dem jungen Herzog übel wurde. Bor dem hundertköpfigen Publikum konnte der Jüngling seinen Gefühlen na­türlich nicht freien Lauf lassen und so befand er sich geraume Zeit in einer höchst ungemütlichen Situation. Schließlich gelang es doch, den Herzogssohn hinter eine etwas umfangreiche Statistin zu bugsieren, so daß er wenigstens freier aufschnaufen konnte.

Heidenheim, 31. August. (Fremdenfteuer.) Auf ein Gesuch des Bezirkswirtsvereins wird die Fremdemvohnsteuer auf 10 Prozent herabgesetzt. Der Gemeinderat spricht die Ewartung aus, daß die Wirte nun die Preise für die Fremdenzimmer ermäßigen.

MichelSbach a. B., O.-A. Gaildorf, 30. August. (Jäher Tod.) Oberlehrer Friedr. Beiz wurde nach 13 jähriger Wirksamkeit in der Gemeinde im Alter von 53 Jahren mit erschütternder Plötzlichkeit aus seinem Wirkungskreis abgerusen. Am Abend noch im Kreise der Schüler freudig seines Amtes waltend, hatte ihn in der Frühe des kommenden Morgens ein Herzschlag plötzlich auf das Totenbett gelegt.

Welzheim, 30. Aug. (Aufteilung des Oberamts.) Die Ge­meinden Plüderhausen und Wäschenbeuren haben dem Antrag auf Zuteilung zu einem anderen Oberamtsbezirk gestellt. Das Oberamt erhielt deshalb vom Ministerium des Innern den Auftrag,, sestzustellen, ob noch andere Gemeinden des Oberamtsbezirks Welzheim die Zu­teilung zu einem Oberamtsbezirk beantragen. Die Gsmeinderäte der Bezirksgemeinden haben deshalb in den nächsten Tagen zu dieser Frage Stellung zu nehmen. .

Baden

Pforzheim, 31. Aug. Zu unwürdigen Szenen Kam es in der letzten Bürgerausschußsitzung, die sich mit Geländeverkäusen, der Wiedereinführung der Schlllerbäder usw. zu befassen hatte. Zu Be­ginn der Sitzung brachte der kommunistische Stadtverordnete Doll in geschäftsordnungswidriger Weise trotz Ordnungsruf des Vorsitzenden einen Dringlichkeitsantrag zur Verlesung, der sich mit der Lage der Erwerbslosen beschäftigte. Es entstand ein derartiger Tumult, daß die Sitzung auf 10 Minuten unterbrochen werden mußte An dem Radau hatte sich auch die Galerie beteiligt, die nach Wiederauf­nahme der Sitzung ihre Kundgebungen wiederholte. Der Vorsitzende ließ darauf die Galerie durch ein Schutzmannsaustzebot räumen, was von ungeheurem Lärm begleitet wurde. Nach dieser zweiten Unter­brechung der Sitzung wurde dann zur Erledigung der Tagesordnung geschritten, nachdem zuvor die Kommunisten gegen das Vorgehen des Obmanns protestiert hatten. Die Tarifverhandlungen im Einzelhandel sind gescheitert. Die Gewerkschaften haben den Schlich­tungsausschuß angerufen.

Offenburg, 31. August. In der kurzen Zeit seit dem Abzug der Franzosen hat der Fremdenverkehr schon eine recht erfreuliche Be­lebung erfahren. Es haben in den hiesigen Gasthäusern in der ver­gangenen Woche 943 ortsfremde Personen übernachtet.

trauten Gemach fremd. Aber diesmal nicht verklärt, wie nach Bernd Hallers Besuch, sondern entweiht, unheimlich verändert . . .

Und sie atmete erst auf, als sie beide Fenster weit geöffnet hatte und die herrliche Luft des Frühlings herein- strömen konnte.

IV. ' "

Frau Dr. Haller und ihre Tochter Jella saßen seit zwei Stunden in erregtem Zwiegespräch im Erker des Hallerschen Wohnzimmers beisammen.

Wie so oft in der letzten Zeit war Jella gekommen, der Mutter ihr Herz auszuschütten. Klagen und Ankla­gen wechselten mit Tränenströmen. Frau Jella sprach unermüdlich wie ein Wasserfall. Dabei war etwas Ratz- loses, Unsicheres in ihrem ganzen Gebühren, wie es Men­schen eigen ist, die den Einklang mit sich selbst verloren haben.

Was soll ich denn nur tun, Mama? Ich sehe ihn ja kaum mehr! Tagelang bleibt er fort von Eberswalde, bald unter dem Vorwand, Geschäfte in der Stadt zu haben, bald verreisen zu müssen. Die ganze Wirtschaft kommt dabei herunter. Der neue Verwalter, den Gustav über­eilt engagierte, kümmert sich nur um die Forstwirtschaft und überläßt alles andere den Leuten. Wenn du nur hören könntest, wie mir der alte Michel oft vorjammert! So muß noch alles zugrunde gehen!"

Warum mischst du dich da nicht wenigstens ein, Jella?"

Ich?" .

Frau Jella blickte ihre Mutter, von der sie heute zum erst«! Mal eine« derartigen Rat hörte, betroffen an.

Ich verstehe doch wahrlich nichts von Landwirtschaft! Und dann Hecke ich deu Kopf wahrlich mit anderen Dingen voll genug! . lS»rtsetzu«s folat.)

Ich Hab dich lieb.

Roman von Erich Eben ft ein.

Urheberschutz durch Stuttgarter Romanzentrale C. Acker­mann, Stuttgart.

Er gibt sich alle Mühe, die Person ausfindig zu machen, die, wie er sich einbildet, sei­ner Sckwester fl-ammsHerz entfremdet" hat. Wahr­scheinlich will er dann irgend einen Gesetzesparagraphen auf chn loslassen. Aber mir paßt durchaus kein Skandal. , Kurz, ich will absolut nicht, daß du mit dem Mann ver- . kehrst, den jeder Zufall zu meinem erklärten Feind machen ' kann. Hast du verstanden?"

Wild und angstvoll rüttelte Maja Plötzlich an Flors Arm.

Flor, das muß ein Ende haben! Um meinetwillen!- Ich beschwöre dich! Versprich es mir!"

Oho bist du etwa verliebt in diesen Haller?"

Nein. Aber mir liegt alles an seiner Achtung!"

Draußen klingelte es. Flor fuhr zusammen. Ihr spöttischer Ton wurde plötzlich geschmeidig.

Du darüber reden wir noch. Jetzt ist Siebert da. Nicht wahr, du läßt mich nicht im Stich? Sei nett und sage..."

Aber der schmeichelnde Ton rief kein Echo in Maja wach. Schroff wandte sie Flor den Rücken.

Ich lüge nicht! Sieh selber zu, wie du dich aus die­ser schmachvollen Lage befreist!"

Damit verschwand sie in ihrem Schlafgemach und ver­schloß dessen Tür hinter sich. Sekundenlang blieb es j draußen still. Dann hörte Maja, die zitternd am Tür­pfosten lehnte, ihres Schwagers halb erstaunte, halb miß­trauische Stimme:

Also wirklich hier? Warum warst du denn nicht in der Oper?"

Und darauf Flor im Tone unbefangenster Liebens­würdigkeit:

Weil ich mich unterwegs anders besann. Ich hatte Kopfschmerzen und dabei Sehnsucht nach einem stillen, ge­mütlichen Abend, da fuhr ich zu Maja. Und du, mein armer Freund, hast mich nun Wohl vergebens in der Loge gesucht?"

Allerdings . . ."

Und dachtest dann gleich, daß ich bei Maja sein könnte?"

A . . . nein . . ., d. h. ich dachte, man könnte ja wenigstens Nachsehen. Aber wo ist deine Schwester?"

Bei Tante Madeleine, der es recht elend geht. Sie ließ Maja vorhin zu sich holen. Ich glaube, sie soll sie massieren. Aber das ist nett von dir, daß du kommst! Nun wollen wir gleich zusammen heimfahren ..."

Ohne Maja Gutenacht zu sagen?"

Ach, wer weiß, wann die drüben mit ihrem Sama­riterwerk fertig wird? Wir können ihr ja durch Fanny Grüße bestellen. Du hast Wohl auch schon zu Nacht ge­gessen? Oder willst du noch in ein Restaurat?"

Nein, ich bereits im Klub."

Desto besser. Dann komm', Schatz."

Im Boudoir wurde es wieder still.

Wie sie lügen kann! Mein Gott, wie sie lügen kann!" dachte Maja entsetzt und öffnete die Tür, um ihr Täschchen, das sie noch im Boudoir hatte, zu holen.

In dem mit blauem Zigarettendampf erfüllten Ge­mach mischte sich der Duft von rvkits rv868, der allen Dingen, die mit Flors Person in Berührung kamen, an­haftete, mit dem scharfen Herrenparsüm, Lrad uppie. das Siebert benutzte.

Verstört glitten Majas Augen durch den Raum. Zum zweiten Male an diesem Abend erschien ihr alles ja dem