daß die Krise sich vielleicht nicht so einfach lösen läßt, wie es Herriot annehmen möchte.

Finanzminister Dr. Luther teilte am Mittwoch dem Präsi­denten der Reparationskommission mit, daß die deutsche Abord­nung bereit sei, das Protokoll bezüglich der Durchführung des Dawesplanes, welches die Reparationskommission ausgearbeitet habe, zu unterschreiben. Die deutsche Regierung stellte nur die Bedingung, daß diese Zustimmung zu den Beschlüssen der Repa­rationskommission von einem allgemeinen Abkommen zwischen den alliierten und den deutschen Ministern abhängig gemacht werde. Nur wenn dies zustande käme, hätten die deutschen Unterschriften ihre volle Geltung. Die Reparationskommission erklärte sich mit dieser Auffassung der deutschen Abordnung ein­verstanden. Sie hat übrigens das Schlußprotokoll noch nicht ganz ausgearbeitet. Dies bezieht sich bekanntlich auf die Ge­setzesvorschläge, welche der Reichstag annehmen muß, damit der Dawesplan durchgeführt werden kann. Diese Gesetzesvorschläge sind von der Reparationskommission geprüft worden. Es han­delt sich nur noch um die endgültige Redaktion des Schlußpro­tokolls. Die Reparationskommission ihrerseits wird sich in dem Protokoll verpflichten, die Generalhypothek, welche sie über alle Einnahmequellen besitzt, insoweit aufgehoben werden soll, daß die zukünftigen Zeichner der Anleihe von 800 Millionen Gold­mark eine absolute Priorität genießen sollen. Dabei wird nur die Einschränkung gemacht, daß die Rückerstattung der während des Krieges aus den feindlichen Ländern weggenommenen Besitz­tümern, z. B. aus Museen, weiter fortgesetzt werden soll. End­lich wird das Protokoll der Reparationskommission die Klausel enthalten, daß alle Beschlüsse bezüglich der Steuerzahlungen, Lieferungen, Zwangsmaßnahmen und des Transfers, die in das Protokoll nicht ausgenommen werden, weil hierüber bindende Entscheidungen der Londoner Konferenz noch nicht vorliegen, Gegenstand eines späteren Protokolls bilden sollen.

Die Ankunft Hcrriots in Paris.

Paris, 9. Aug. Herriot traf 9.10 Uhr auf dem Pariser Nordbabnhof in Begleitung des Kriegsministers Rollet und des Finanzministers Elemente! ein. Die Minister begaben sich sofort ins Elysee. Ten Journalisten erklärte Herriot:Ich betrachte mich noch immer als Frankreichs Unterhändler in London und kann infolgedessen nichts sagen." Marschall Foch wurde ins EIHsee berufen und wohnt dem Ministerrat bei. Um 12 Uhr nachts wird ein erstes Kommunique der Presse übergeben wer­den. Der Ministerrat wird nicht vor 3 Uhr früh endigen.

Das Programm für den heutigen Ministerrat.

Paris, 9. Aug. In oingeweihten Pariser Kreisen wird be­hauptet, daß der heutige Ministerrat, der sich zweifellos bis in die ersten Morgenstunderl hinzichen wird, nicht anders als mit der Demission des General Nollets enden könne, denn die Ge­gensätze zwischen dein Ministerpräsidenten Herriot und dem Kriegsminister hätten sich derart zugespitzt, daß es ein weiteres Zusammenarbeiten nicht mehr geben könne. Andererseits wird allerdings behauptet, daß Herriot mit gebundener Marschroute nach London znrückkehren werde, das heißt, der Ministerrat werde ein genaues Programm der Forderungen Frankreichs ausarbeiten und Herriot werde aus dieses festgelegt werden. Ob es unter diesen Umständen möglich sein wird, daß der Minister­präsident bereits morgen nach London zurückkehrt, wird für- zweifelhaft gehalten, und nian ging heute morgen sogar so weit, zu behaupten, daß vielleicht die Unterbrechung der Lon­doner Konferenz acht Tage in Anspruch nehmen könnte, wäh­rend welcher Frist das französische Programm in allen Einzel­heiten ausgearbeitet werden soll.

Uneinigkeit der Delegierten Frankreichs.

London, 9. Aug. Die englischen Zeitungen beschäftigen sich naturgemäß heute morgen ziemlich eingehend mit den Ursa­chen der Pariser Reise Herriots. Sie stellen fest, daß nicht etwa Unzufriedenheit in Paris, sondern die eigentümlichen Verhält­nisse in der französischen Delegation zu der Reise Anlaß gege­ben haben.Times" undDaily Telegraph" setzen in spalten­langen Ausführungen auseinander, welche Meinungsverschie­denheiten zwischen den führenden französischen Delegations- Mitgliedern bestehen, die sich alle um die Frage drehen, was Frankreich für die baldige militärische Räumung des Ruhrge­bietes fordern soll. Die Morgenblätter stellen ferner fest, es sei notwendig, daß sich Frankreich darüber klar werde, unter welchen Bedingungen es das Ruhrgebiet räumen wolle. Die Kommissionsberatüngen schleppen sich nur noch langsam hin, weil die Delegationen wünschen, daß die Konferenz an dem Tage zu Ende gehe, an dem die grundsätzlichen Fragen der Räumung des Ruhrgebiets entschieden seien. Die Kommrsfions- beratungen verzögern sich jetzt, weil man bestrebt sei, durch langsame Erörterungen juristischer Einzelheiten Zeit zu gewin­

nen für die wichtigen Politischen Verhandlungen der Konferenz. Daily Telegraph" bestätigt, daß man in der zweiten Kommis­sion dem deutschen Standpunkt insofern Rechnung getragen habe, als man die Fristen für die wirtschaftliche Räumung des Ruhrgebietes verkürzt habe und die Zahlungen, die Deutsch­land während des Uebergangsregimes zugunsten der ersten Jah­resrate des Tawesplans aus Steuerträgen für Rheinland und Westfalen leisten soll, von 5 auf 2,5 Millionen Goldmark her­abgesetzt habe. In der dritten Kommission soll die Lösung des Schiedsgerichtsverfahrens und Meinungsverschiedenheiten zwi­schen der deutschen Delegation und dem Transferkomitce noch einige gewisse Schwierigkeiten bereiten.

Dr. Luther über die Notwendigkeit der Ruhrräumung.

London, 8. Aug.Westminster Gazette" veröffentlicht ein Interview eines ihrer Mitarbeiters mit Reichsfinanzminister Luther, in dem dieser nach der Darstellung der schwierigen Lage des deutschen Mittelstandes und der Widerlegung der Legende vom Reichtum der deutschen Jnduftriellen-Klasse ausführt, die Frage der Ruhrbesetzung stehe mit Deutschlands Zahlungs­fähigkeit in so innigem Zusammenhang, daß es schwer sei, zu sehen, wie irgend eine Lösung der gegenwärtigen Schwierigkei­ten erreicht werden könnte, ohne daß die Frage in den Vorder­grund der Erörterung geschoben werde. Abgesehen von den: rein wirtschaftlichen Interesse sei auch die moralische Seite der Frage in Betracht zu ziehen, wenn man erreichen wolle, daß Deutschland von ganzem Herzen am Wiederaufbau mitwirke. Der Berichterstatter bemerkt, niemand der mit Luther ge­sprochen habe, könnte nur einen Augenblick an seiner aufrichti­gen Hoffnung zweifeln, daß eine Vereinbarung erreicht werden könnte.

ÄNKLKNd,

Brüssel, 9. Aug. Den Blättern zufolge wird der am ver­gangenen Sonnabend in Hodimont bei Verviers verhaftete Deutsche Kessel, der, wie bereits berichtet, mit dem Reichstags­abgeordneten Höllein verwechselt worden war, aus Belgien aus- gcwiesen.

Amerika und die Abrüstung.

Aus Williamstown wird gemeldet, der frühere Präsident des Marineamts, Rogers, hat den Abrüstungsplan des Gene­rals Tasker Bliß, der dem Völkerbund Vorgelvgt werden sollte, scharf angegriffen. Amerika müsse bewaffnet bleiben, das ver­lange nicht allein seine Tradition, sondern auch seine Welt- machtstcllung und das Interesse an der Sicherheit eines jeden einzelnen amerikanischen Staatsbürgers.

Aus Stadt« Bezird and NmgeLmrW

Neuenbürg, 9. Aug. Der hiesige Turnverein hat einen herben Verlust erlitten durch das rasche Ableben feines ver­dienten und geschätzten Ehrenmitglieds und Gründers des Turner-Gesangvereins, Hauptlehrer Emil Bader in Möh­ringen a. F. 'Der Verstorbene hat sich während seines Hier­seins Mitte und Ende der 1880er Jahre unvergleichliche Ver­dienste um den Turnverein erworben und durch sein biederes, freundliches Wesen hat er sich einen großen Freundes- und Be­kanntenkreis gesichert. Er war ein Mann der Tat, der vor kei­ner Aufgabe zurückschreckte, wenn sich auch Schwierigkeiten ent­gegenstellten. Hierzu kam ihm sein tatkräftiger, willensstarker Charakter, der durchglüht war von wahrem Idealismus für unsere gute Sache, sehr zu statten. Durch all diese tugendhaften Eigenschaften genoß er das Vertrauen der Mitglieder in rei­chem Maße und sein unermüdliches Schaffen im Dienst unserer Turn- und Sangesfache war immer von Erfolg gekrönt. Die Gründung des Turner-Gesangvereins im Jahre 1886 mag hier besonders Erwähnung finden. In Anbetracht dieser hohen Verdienste wurde der nunmehr Entschlafene bei seinem Schei­den im Jahre 1889 zum Ehrenmitglied ernannt und bis zum heutigen Tage wurden mit dem Hause Bader die freundschaft­lichen Beziehungen aufrecht erhalten. Beide Vereine nehmen lebhaften und warmherzigen Anteil an dem Hinfcheiden ihres lieben Freundes und Beraters und als Ausdruck der Dankbar­keit und Wertschätzung wurde eine Deputation zu dessen Leichen­begängnis, das morgen Sonntag stattfindet, beordert. Beide Vereine werden dem teueren Entschlafenen ein trerres Gedenken bewahren. W. S.

Wildbad, 10. August. Freitag nachmittag zwischen 339- Uhr wurde eine Dame von einem jüngeren Mann auf dem Hochwiesen­weg oberhalb Wildbads anqesprochen und ihr unter Drohungen eine kleine Brieftasche mit 48 Mark Inhalt abgenommen. Nachmittags gelang es dem Landjäger Ebert, den Täter im Eisenbahnzug bei Neuenbürg bei der Iugskontrolle zu stellen, der aber ans dem Zuge sprang und sich über den Kanal der Sensenfabrik und die Enz in

den angrenzenden Wald flüchtete. Der Täter war vollständig durch­näßt. Vermutlich gehört der Täter nach Pforzheim und hat am 26. Juli in Wildbad einen weiteren Raubanfall, der ihm 300 Mark eintrug, verübt. Auf seine Ergreifung sind 200 Mark Beloh­nung gesetzt. _

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Martinsmoos OA. Calw, 10. Aug. (Tragischer Tod.) Der ledige 35 Jahre alte Jakob Schnaible, der vor feiner Verheira­tung stand, erhielt in der Heuet, beim Ausladen des Heus, einen Spreißel in seine Hand. Da die kleine Wunde schnell ver­heilte, schenkte er ihr keine Beachtung. Es stellten sich aber dann Beschwerden ein und gestern ist der Bedauernswerte im Bezirkskrankenhaus an den Folgen des Spreißels gestorben.

Stuttgart, 9. Aug. (Eine neue Zeitung.) Seit heute er­scheint für Württemberg und zwar vorerst wöchentlich einmal unter dem FlamenVölkische Wacht" ein Parteiblatt der Na­tionalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.

Heilbronn, 10. Aug. (Hagel.) Ein schweres Hagelwetter hat sich am Donnerstag über das obere Zabergäu und Leintal entladen. Der Schaden ist teilweise sehr groß. In Ochsenburg sind die Hoffnungen auf einen schönen Obstertrag zunichte ge­worden; namentlich die Birnbäume haben sehr gelitten. Die Schlossen hatten oft die Größe von Hühnereiern gehabt. Auch in Zaberfeld ist großer Obstschaden zu beklagen. In Leonbronn wird der Schaden auf 7080 Prozent geschätzt. In der Um­gebung von Kleingartach wurden vor allem die Tabakfelder mit­genommen. Weniger bedeutend war der Schaden in Weiler, Pfaffenhofen, Stetten a. H. und andern Orten. In Biberach stürzte das Wasser in Bächen durch die Straßen und drang in Scheunen und Keller. Der Hagel hat die Felder zum Teil stark mitgenommen. Alan rechnet bei Getreide mit einem Ausfall von etwa 3040 Prozent. Besonders stark litten die Blattge­wächse, wie Tabak, Pferdezahn usw. An einigen Stellen der Markung war der Hagel besonders heftig.

Bonfrld OA. Heilbronn, 10. Aug. (Der Straßenteufel.) Der Landwirt Maier aus Fürseld fuhr mit einem Jagdwagen der Heimat zu. Etwa 1 Kilometer von Bonfeld entfernt wurde sein Gefährt von einem Automobil angefahren. Einem Pferd wurde 1 Fuß abgedrückt, so daß es sofort geschlachtet werden mußte und an deni Wagen brach eine Achse entzwei. Das Auto ist urrerkannt entkommen.

Mössingen, 9. Aug. (Besitzwechsel.) Das Schwefelbad Se­bastiansweiler soll demnächst an die Basler Missionsgefellschaft übergehen, die ihr Hauptaugenmerk auf die umfangreiche Landwirtschaft des derzeitigen Bades richtet. Hoffentlich bleibt die Heilquelle auch dann noch der Allgemeinheit zugänglich.

Tübingen, 10. Aug. (Ein leichtsinniger Mensch.) Das hie­sige Amtsgericht hat den 24 Jahre alten Bersicherungsbeamten Wilhelm Gottlob Reichert von Waldsee wegen zahlreicher un­berechtigter Prämieneinzügc, durch die er etwa 1500 Mark er­schwindelte, zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Reichert hatte das Geld mit einer Kontoristin aus Kirchentellinsfurt verjubelt.

Nürtingen, 10. Aug. (Betriebsstockung.) In den hiesi­gen industriellen Werken ist eine Betriebsstockung eingetreten. In einigen Fabriken werden nur noch einige Tage in der Woche gearbeitet und wahrscheinlich wird die große Maschinen­fabrik Heller den ganzen Betrieb cinstellen.

Göppingen, 9. Aug. (Flucht aus dem Gefängnis. Zur Mordtat.) Vor einigen Tagen ist aus dem hiesigen Amtsge­richtsgefängnis der Üntersuchungsgefangene Hermann Maier ausgebrochen. Er hat eine Wand durchbrochen und sich an einem Äeinentuch her-abgelassen. Bis jetzt fehlt von dem Flüch­tigen jode Spur. Alan vermutet, daß er den Einbruch in Ebers­bach verübt, sich dadurch Anzug und Fahrrad verschafft und das Weite gesucht hat. Der Mörder der jugendlichen Rosa Fischer, der 22 Jahre alte Bäcker Wilhelm Hertler, ist gestern festgenommen worden. Er Hielt sich in Bartenbach bei seinen Eltern auf.

Laupheim, 10. Aug. (Selbstjustiz.) Eine originelle, aber vorzüglich wirkende Art von Selbstjustiz, die verdient, lltach- ahmung zu finden, üben in einer unserer NachbargemeinDen die älteren ledigen Burschen des Dorfes aus. Bürschlein mit 14 bis 18 Jahren, natürlich noch nicht trocken hinten den Ohren, aber naseweis ohnegleichen, trieben sich lärmend, johlend und schreiend, oft tief in die Stacht hinein, im Dorfe umher. Zu Dutzenden umlagerten sie die Wirtshäuser oder belästigten Bür­ger in irgend einer Weise. Mit einem Schlage ists nun anders geworden zur Freude und Genugtuung aller verständigen Ein­wohner. Die älteren ledigen Burschenwischen" nämlich je­dem der sog.kleinen Buben", die abends nach 9 Uhr noch auf der Straße", an Gartenzäunen usw. herumlungern,eins aus"

Der Tanz um das goldene Kalb

UI Bon Erica <vr»pe-LSrcher

(Nachdruck verboten.)

Eine Kurze Pause kam. Frank Barry betrachtete seinen Aut, den er bereits in der Aand hielt. Jetzt kam er zu seiner Hauptfrage. .Wissen Sie, was Zyria zu tun gedenkt, wenn Fräulein Werner nicht mehr lebt?"

Dr. Forgiß zuckte die Achseln. Die Vermutung stieg in ihm auf, daß Frank jetzt wahrscheinlich reumütig zu Zyria zurückkehren wolle. And er wußte bestimmt, Zyria würde ihm ohne Zögern einen Korb geben- Das würde er dem einst so kühl berechnenden jungen Arzte gönnen, oh, wie gönnte er ihm diese Abweisung!

.Ick weiß es nicht! Ich meine, Zyria äußerte neulich, sie habe die Absicht, sich wieder mehr der Musik zu widmen. Vielleicht wird sie zu diesem Zwecke «ine Reise ins Ausland machen!'

.3nS Ausland?'

.Ja! Sie ist jetzt in der Lage, sich leicht derartige Wün­sche erlauben zu können. Fräulein Werner hat sie in sehr angemessener Weise in ihrem Testament bedacht!'

Frank Barry hob den Kopf. Ein Laut entfuhr ihm. Man wußte nicht, war es Ueberraschung, Freude oder Er­staunen. .Fräulein hat ihr etwas vermacht?'

.Ja. Eine sehr stattliche Summe. Nun. Zyria hat sie wahrlich verdient! Fräulein Werner wäre vollständig ver­lassen, wenn Zyria ihr nicht seit dem Tode des Geheimrates

zur Seite gestanden wäre.

Der junge Arzt antwortete nicht. Er war ganz in Ge­danken versunken. Mechanisch drehte er seinen Aut zwischen den Händen. In dem eingetretenen Schweigen betrachtete ihn Dr. Forgiß. In feinen Augen lag kein Funken Wärme. Sichtlich beschäftigte den Arzt diese Mitteilung sehr. Das Geld, der Besitz, der Reichtum schien doch einen ungeheuren Eindruck, Einfluß auf Frank Barry zu besitzen. And der Tag würde auch für jenen kommen, da er mit tiefer Reue seine Aeberwertung des Mammons einsah!

Trotz der gepolsterten Doppeltüren drang ««S dem nehm­enden Bür« in das Schweigen jetzt die Stimme des ersten

Sekretärs. Er schien mit irgendeinem wartenden anderen Klienten eine Meinungsverschiedenheit zu haben. Das weckte Frank Barry aus seinen Gedanken auf. Ihm fiel ein, daß er den vielbeschäftigten Anwalt nicht noch länger in Anspruch nehmen dürfe- So empfahl er sich, nicht, ohne nochmals Dr. Forgiß einzuschärfen, seine Angelegenheit möglichst bald mit Virginia .ins reine zu bringen'!

Auf dem ganzen Rückwege drehten sich sein« Gedanken mit Zyria.

Zu dumm waltet doch oft das Schicksal! Hätte sie schon vor einem Jahre das Geld besessen, das sie jetzt aus dem Wernerschen Testament bekommt, dann hätte ich sie glatt ge­heiratet! Hätte nicht an Virginia gedacht! Zu dumm! And niemals wäre ich so bei Zyria hereingefallen, wie jetzt durch Virginia! Run kann ich auch noch die Blamage in der Stadt herunterschlucken!'

Die Blamage, die das Meßmersch« Haus in doppelter Hinsicht getroffen, erfuhr Zyria durch Zufall durch den Prin­zen Habichtstein. Er machte einen Besuch im Wernerschen Hause. Fräulein Amanda war auf das angenehmste über­rascht, als der jüngere Diener die Visitenkarte von Seiner Durchlaucht hereintrug! Wie schade, daß sie Durchlaucht nicht selbst annehmen konnte! Aber selbstverständlich würde Zyria den lieben und geschätzten Besuch annehmen, nicht wahr? And ihr dann hinterher ganz genau berichten, was alles Seine Durchlaucht gesagt habe!

Seitdem die gut« Gesellschaft in so schmählicher Weise Fräulein Werner vernachlässigte und in sichtlicher Undank­barkeit gegen all die früher so reichlich genossene Gastfreund­schaft die kranke Dame ihrem Schicksal überließ, hatte Zyria es sich angewöhnt, jeden der wenigen Besuche, welche sich noch einfanden, auf sein« Beweggründe hin zu beobachten. Warum kam heute Prinz Habichtstein, trotzdem weder er noch seine -Frau fest Wochen Notiz von Fräulein Werner genommen, trotzdem sie von ihrer Rückkehr und Erkrankung erfahren hatten? Und bald fiihlte Zyria aus der Art sei­ner Fragen heraus, er wollte wissen, ob der Zustand von Fräulein Werner wirklich hoffnungslos sei und welche Frist ihr noch der Arzt zum Leben gab!

Als er nach seiner eigenen Ueberzeugung geschickt und diskret die Auskunft hierüber von Zyria erhalten, begann,

er abzulenken und herablassend und fast kollegial allerlei Neuigkeiten aus der Gesellschaft zu erzählen. Sicher würde dieses und jenes Fräulein Werner interessieren, da sie beide ja doch fast völlig vom Verkehr durch die schwere Erkran­kung der alten Dame abgeschnitten seien . Das Interessan­teste des Stadtklatsches erfuhr man ja doch nicht durch die Zeitungen, sondern von Mund zu Mund. Ja, also das Haus Meßmer, das sich so glänzend gegeben hatte, war vollkommen zusammengebrochen! Ahnungslos, ohne zu wis­sen, wie sehr Zyria an diesem Vorfall teilnehmen mußte, erzählte Seine Durchlaucht die Geschichte. Fräulein Werner würde es besonders interessieren, vielleicht mit Genugtuung begrüßen. Denn, so viel er sich zu erinnern wisse, war Fräulein Virginia Meßmer nie der besondere Liebling von Fräulein Werner gewesen, wegen ihrer Extravaganz, wegen ihrer unaufhörlichen Flirts, wegen ihrer hypermodernen Art!

Zu seiner Ueberraschung nahm Fräulein Engelhardt seine Erzählung auffallend still und ruhig auf. Du liebe Zeit, das war doch endlich einmal wieder eine pikante Sensation! Eine junge Frau, die ihrem Gatten schon nach wenigen Monaten wieder durchbrannte und ihrem einstigen Liebhaber nach- veifde, der ausgerechnet ein Bonvivant war! Eine junge Dam« aus der besten Gesellschaft von Checkberg l

Zyria stcmd und würgte. Ihr erstes Gefühl war, sich nichts merken W lassen. Eiserne Selbstbeherrschung! Und dann breitste sich ein neues Gefühl Wer sie aus, ein Gefühl der Beruhigung, der Genugtuung, sie war gerächt! Ihre Schmach, daß Frank einst mit ihr gespielt und sie bewußt enttäuscht hatte, war nun durch seine eigen« Frau gerächt!

Vergeltung! Vergeltung vom Schicksal war das für sie! Endlich erhob sich Seine Durchlaucht, als er glaubte, die schicklich« Zeit zu einem Besuche sei abgelaufen. Es lag ihm heute etwas daran, einen guten Eindruck zu erwecken. War er doch nicht ohne Absicht hergekommen I Aber jetzt, als er an die Ausführung dieser Absicht ging, war es ihm doch ein wenig peinlich. Ein wenig peinlich, weil er die Klugheit von Fräulein Zyria Engelhardt kannte, weil er sich ein bißchen schämte, von ihr durchschaut zu werden.

(Fortsetzung folgt.)