Drum grüß' ich dich mit Herz und Hand, Wie bist du reich, mein Heimatland!

Es rauscht in deiner Eichen Kronen Ein uralt trotziger Freiheitssang, Es rauscht herab zu Millionen, Und weckt der Jugend Tatendrang. Und allerorten wirkt und schasst Ein tüchtig Volk in rüst'ger Kraft. O, haltet fest in treuer Hand Mein Heimatland, mein Vaterland!

O, Vaterland, was wir erstreben Durch unsrer Hände Kraft und Müh'n, O mög' es einst zu neuem Leben Im Herzen deiner Kinder glüh'n, Und über deinen grünen Höh'n Der Freiheit gold'nes Banner Wehm! Dir gilt mein Sehnen unverwandt, Mein Heimatland, mein Vater­land! Jürgen Brand.

Wenn das erst in weite Kreise der zielbewußten Genossen vom linken Flügel dringt, das; der Reichspräsident auf diese Art für echtes Vaterlandsgefühl wirbt! Auf dem nächsten Par­teitag wird es deshalb wohl eine fürchterliche Abrechnung mit demnational verrückten" Parteigenossen geben. Die Sattler­gewerkschaft hat ihn ohnedies schon hinausgesetzt und trotzdem keine Einkehr, trotzdem keine Besserung.

LocbeS Rede in Paris.

Berlin 1. Aug. In Paris ist für den vor 10 Jahren er­mordeten Jaures eine Gedenkfeier veranstaltet worden. Für die deutsche Sozialdemokratie sprach Lei der Gelegenheit der frühere Reichstagspräsident Paul Loebe. Er sprach, wie wir imVorwärts" lesen, ganz in der Ideologie der deutschen Emi­gration vor 30 und 40 Jahren, nicht anders als die Heine, Börne, Moses Heß und Arnold Rüge. Auch für Herrn Loebe ist'Paris die Lichtstadt, Frankreichder durch große Freiheits- kämpfe geheiligte Boden", von dem dieProklamation der Menschenrechte" ausging, und den Herr Loebe infolgedessen mit Rührung betritt. Aber abgesehen von dieser utopistischen Ide­ologie sind noch ein paar Sätze seiner Ansprache wert, der Er­innerung aufbewahrt zu werden. Der Krieg, erklärte Herr Loebe, hat weder die Sieger noch die Besiegten von dem Kapi­talismus befreit. Die Welt hat nicht genug verfolgen können, was bei uns in Deutschland nach dem Krieg vorging. Sie sah nur den außenpolitischen Zusammenbruch des alten Regimes. Aber Parallel mit der Politischen Befreiung ging die Verstär­kung der wirtschaftlichen Abhängigkeit, gesteigert durch den au­ßenpolitischen Druck. Herr Loebe ist nun der Auffassung, daß der große demokratischeSieg" vom 11. Mai und die kluge außenpolitische Taktik der französischen Sozialdemokratie diese Periode abschließt. Aber was jetzt in London beschlossen wurde, sei vielleicht der Beginn der Befriedung Europas, aber zugleich doch auch eine internationale Verknüpfung des Kapitals. Je internationaler das Kapital, umso internationaler unser Kampf. Herr Loebe scheint den Verlauf der Dinge bei der Londoner Konferenz und die Rolle, die dabei -der Ueberdemokrat Herriot spielt, doch nur oberflächlich verfolgt zu haben und von der wenig internationalen Gesinnung, mit der sich vor zehn Jah­ren die französische und belgische Sozialdemokratie der zweiten Internationale betätigt, lebt ihm wohl überhaupt keine Erin­nerung mehr.

Ausland

Paris, 31. Juli. Nach einer Veröffentlichung der Repko in London, hat die Repko in ihrer heute vormittag abgehaltencn Sitzung folgenden Beschluß bestätigt, den sie gestern in Paris unter dem Vorbehalt der Zustimmung Bradburys gefaßt hatte: Die Repko beschließt, in London offiziell jedesmal dann zu ta­gen, wenn es erforderlich ist, um über die in ihr Zuständigkeits­bereich fallenden Fragen zu verhandeln, die die Ausführung des Sachverständigenplanes etwa aufwirft."

Eine Niederlage der Herriotregierung.

Paris, 1. Aug. Die Regierung hat gestern in der Kammer eine Niederlage erlitten, indem ihr Vorschlag, ' die staatlichen Vorschüsse an die Departements um 1682 Franken zu reduzie­ren, mit 287 gegen 258 Stimmen abgelehnt wurde.

Die irische Grenzfrage.

London, 1. AM. Die irische Grenzfrage droht sich zu einer scharfen innerpolitischen Krise zu entwickeln. DerEvening Standard" spricht von einer politischen Sensation und beleuch­tet die äußerst ungünstige Lage, in welche die konservative Par­tei -durch die Zuspitzung -der Frage gebracht worden ist- Die li­berale und die Arbeiterpartei werden die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen gemeinsam unterstützen, dagegen sind innerhalb der konservativen Partei starke Meinungsver­schiedenheiten entstanden. Llohd George hat in dieser Frage zum ersten Mal seit seinem Rücktritt wieder die Downing Street 10 betreten, was in der Ocsfentlichkeit große Beachtung fand.

Ein griechischer Bürgermeister von Bulgaren ermordet.

Die Blätter berichten, daß der Bürgermeister eines grie­chischen Dorfes bei Stantmaka an der griechisch-bulgarischen Grenze von zehn Bulgaren ermordet wurde, die Bomben ge­gen sein Haus warfen. Die bulgarische Regierung drückte, wie verlautet, ihr Bedauern über diesen Zwischenfall aus und sagte die Bestrafung der Schuldigen zu.

Aus Stadt» Bezirk und Umgebung,

' Sonntagsgedanken.

Sternenluft.

Das Mannigfaltige

> ' läßt sich erlernen;

^ das Urgewaltige

kommt von den Sternen. Geibel.

Die Blumen machen die Seele hell, aber die Sterne geben ihr Größe. Ist eure Nacht denn nur zum Schlafen da? Nein, auch zum Wachen und Beten schuf sie der ewige Gott! Schaut still zum Fenster hinaus, setzt euch ein Weilchen vor die Türe: ah, Sternenluft, Größe, Gewalt, Geheimnis und Tiefe, Ernst und Schönheit; alles wird eure Seele erfüllen. Vor allem aber wird eine Ahnung der Kraft, die sich die Prangenden Sterne wie einen Blütenkranz um die Schläfe windet, eine Ahnung dessen, der der Heilige und Schöne ist, über euch kommen. Und wenn dich dein Feind am Tage quälte: im Angesicht der Sterne fällt alle Qual dahin. Und -wenn dich der TM verwundete: in der Luft der Sterne wirst -du geheilt. Vor ihrem Glanze verlöscht das Niedrige. Warst du bei Tag ein Knecht, jetzt blinken in deine Zweiaugen hinein die Lichter von Millionen von Son­nen: da wirst du ein König. Warst du sin Tier, jetzt stürzen in deine Zweiaug-en die Schäume -der Ursonnenme-eve: da wirst du einer, der Gott belauscht. Die Blumen machen die Seele hell, aber die Sterne geben ihr Größe.

K. I. Friedrich.

Neuenbürg, 31. Juli. (Ein Mittel gegen Wespenstiche.) Zu den unangenehmen Begleiterscheinungen des Sommers gehört auch die Wespenplage, -die sich besonders zur Zeit der Obst- und Beerenreise, der Traubenreife und beim Einmachen in lästiger Weise bemerkbar macht. Bekanntlich sind Wespen­stiche nicht nur schmerzhaft, sondern nicht selten auch -gefährlich, sind doch diese Insekten in der Wahl der Stellen, wo sie sich ihre Nahrung suchen, keineswegs wählerisch, wodurch sie häufig durch ihren Stich zahlreiche Giftstoffe in den menschlichen Kör­per bringen. Die Gefährlichkeit der Wespenstiche wird noch er­höht, wenn die getroffene Stelle sich nicht auf der äußeren Haut, sondern an den Lippen, der Zunge oder den Schleim­hautteilen des Mundes oder Halses liegen, wobei infolge der

raschen und starken Schwellung sogar Erstickung eintreten kann. Derartig gefährliche Wespenstiche kommen häufiger vor, als allgemein angenommen wird, am meisten in Weinbaugegenden zur Zeit der Traubenreife, wo man sich oft nicht die Zeit läßt, die Beeren einzeln zu pflücken, sondern gleich in die volle, lockende Traube hineinbeißt, in der vielleicht gerade eine Wespe in dem Genuß des süßen Saftes schwelgt. Ein unfehl­bares, besonders in -der französischen Schweiz und in dem an­grenzenden Savoyen angewandtes Heilmittel in diesen Fällen ist dys Einreiben mit Knoblauch: und zwar werden leicht er­reichbare Stellen wie Lippen oder Zunge heftig mit Knoblauch eingerieben, während bei tiefer (etwa weit hinten im Munde) liegenden Stellen -der Gestochene zerriebene und zerquetschte Knoblauchzehen schlucken muß. Die Anwendung dieses Mit- ! tels bewirkt nach den -bisher gemachten Erfahrungen in den meisten Fällen ein sofortiges Sinken der Geschwulst, wodurch -die Erstickungsgefahr beseitigt wird. Hat man keinen Knob­lauch zur Hand, so hilft auch eine rohe Zwiebel, allerdings nicht mit derselben Sicherheit. Der Knoblauch kann auch bei Bienenstichen mit demselben guten Erfolg angewandt werden.

Neuenbürg, 2. August. (Heimatbeilage.) Die heutige Num­mer unserer Heimatbeilage führt uns hinunter in den fränki­schen Teil unserer württembergischen Heimat, wohin nicht all zu viele von Mistel- und Oberschwaben sich verirren. Umso­mehr ist es Pflicht, auf dieses Gebiet hinzuweisen und zu zei­gen, wie die Eigenart seiner Geschichte, seiner Landschaft und seiner Bewohner so bedeutsame Farben in unser Heimatbild hereinträgt. An dem Gerabronner Amt, zu dem auch das hochinteressante Jagsttal -gehört, soll es uns gezeigt werden. In der alten Messe auf der Muswiese steckt außerdem einerseits so viel wertvolle Kulturgeschichte, andererseits noch so viel un­mittelbares Leben, daß das Bild in seiner ganzen Farbigkeit und Anschaulichkeit noch heute vor uns hingestellt werden kann.

Süden

Pforzheim, st. Aug. Musikdirektor Hermann Sonnet konnte dieser Tage sein 25jähriges Komponistenjubiläum feiern. Schon mit 18 Jahren hat er sich erfolgreich als Komponist versucht. Seine Kompositionen, hauptsächlich Männerchöre, haben weite Verbreitung gefunden.

Pforzheim, 31. Juli. Die Kurzarbeit in der Pforzheimer Schmuckwarenindustrie erstreckt sich zur Zeit auf 236 Betriebe mit 15 420 Arbeitern. Einen Tag setzen aus 1806 männliche und 3168 weibliche Arbeiter. Weit größer ist die Zahl -derer, die zwei Tage in -der Woche feiern müssen; es sind das nämlich 2468 männliche und 2936 weibliche Arbeiter. Drei Tage untä­tig find 1776 männliche und 1616 weibliche Arbeiter. Bei 94 männlichen und 110 weiblichen Arbeitern erstreckt sich die Be­schäftigungslosigkeit auf fünf Tage. Eine ganze Woche feiern 73 männliche und 151 weibliche Arbeiter. Zwei volle Wochen gar ohne Arbeit und Verdienst sind 204 männliche und 364 weibliche Arbeiter. Die Zahl -der Er-Werbslosennnterstützung beziehenden Personen beläuft sich auf 624, nämlich 545 männ­liche und 79 weibliche. Die Gesamtzahl der völlig Erwerbslosen dürste jedoch 800 betragen.

Heidelberg, l. August. Der Oberbürgermeister teilt mit, daß er nun sein Rückürittsgesuch zurückziehe.

Mannheim, !. August. Einem furchtbaren Unglücksfall ist heute nacht 1 llhr auf dem Hauptbahnhof der Kaufmann Johann Püppenberg aus Köln zum Opfer gefallen. Ein Leerzug erfaßte ihn auf Bahnsteig 2 und schnitt ihn quer entzwei. Wie es scheint hat Püppenberg, der auf den nächsten Schnellzug wartete, sich ent­weder an den Leerzug gelehnt oder er hat auf dem Trittbrett ge­sessen und ist beim Anfahren des Leerzuges unter die Räder geraten. Den Vorfall selbst hat niemand gesehen.

BermiHchtes

Ein jüdischer Tempel in die Luft gesprengt. Der jüdische Tempel in Joszachely, Komitat Arad in Ungarn, wurde in die Luft gesprengt. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Die Explosion erfolgte durch eine Höllenmaschine, die an die Mauer des Gebäudes gelegt worden war. Der Verdacht rich­tet sich -gegen den Bergwerkssprengmeister Bogdan, der allein in der Umgegend über Ekr-asit verfügt.

Das kostbarste Perlenhalsband der Welt. Ein wundervolles Perlenhalsband, das 67 Perlen von höchster Schönheit ent­hält, ist gegenwärtig bei einem Londoner Juwelier ausgestellt. Das Schmuckstück, dessen Wert auf mindestens 250 000 Pfund geschätzt wird, soll ans königlichem Besitz stammen. Es wird Tag und Nacht von Detektiven bewacht. Das Halsband soll das kostbarste und schönste der Welt sein.

Ein Boxkämpfer durch das Blut seiner Kameraden vom Tode gerettet. Der amerikanische Boxer Ruffalo wurde vom Schlage getroffen und schwebte in Lebensgefahr. Man mußte schnellstens eine Bluttransfusion vornehmen. Drei seiner Kol­legen erboten sich sofort zur Blutabgabe. Die Operation wurde so glücklich ausgeführt, daß Ruffalo schon nach kurzer Zeit wieder im Boxring wird erscheinen können.

Der letzte Höhlenbewohner. Der Buschmann Shria der behauptete. 130 Jahre alt zu sein und als der älteste Busch­mann -galt, ist dieser Tage in Kapstadt gestorben. Er soll rn der Zeit geboren sein, als die Kap-Kolonie von -den Englän­dern erobert wurde, also ums Jahr 1795. Während des Bu­renkrieges stand er im Persönlichen Dienst des verstorbenen Präsidenten Krüger. Man nimmt an, daß er der letzte Busch­mann Ist, der noch das Leben eines Höhlenbewohners führte.

Bestrafungen wegen unerlaubter Holzausfuhr.

Das Zentralblatt für den Holzhandel in Stuttgart schreibt: In den Zentralblatt-Nummern 39 und 49 haben wir über ein Urteil der Strafkammer in Karlsruhe wegen unerlaubter Holzausfuhr berichtet, das wegen seiner Härte in allen Krei­sen als übertrieben empfunden wurde und viel von sich reden machte. Solche Prozesse wegen Holzansfuhrübertretungen fanden in letzter Zeit leider wieder statt, die Gerichte haben diese nur formalen Vergehen aber durchweg milder beurteilt. Daß es das beste wäre, diese Prozesse überhaupt nicht mehr weiter zu führen, hat eine Schoffengerichtsverhandlung in Aachen gezeigt, die am 23. Mai 1924 stattfand. Nach langer Verhairdlung. bei der auch ein Sachverständiger der Außen­handelsstelle für Rohholz und Erzeugnisse der Sägeindustrie eine ganz klägliche Rolle spielte, sprach der einsichtsvolle und gerechte Landgerichtsdirektor die Angeklagten frei; die Kosten fällen der Staatskasse zur Last. Das Gericht begründete die Freisprechung damit. Laß durch das Verhalten der Außen­handelsstelle bei der Vergebung von Kontingenten an die Pri­vatwirtschaft bei Len Holzhändlern sehr Wohl Jrrtümer ent­stehen konnten. Auch der amtierende Staatsanwalt führte aus, daß durch das Vielerlei und Durcheinander der damali­gen Wirtschaftsgesetze die Außenhandelsstelle in gewissem Sinne zur Mitschuld beigetragen habe. Seine niedrigen Strafan­träge lauteten nur auf 100 und 300 Mark, der Gerichtshof er­kannte aber auf Freisprechung. Daß nicht alle Gerichte sich zu dieser einzig richtigen Ansicht durchringen können, ist bedauer­lich. So sind in Süddeutschland in letzter Zeit wieder ver­schiedene solcheschwere" Vergehen zum Teil nur durch Straf­befehle, ohne jede vorhergegangcne Verhandlung mit einigen 100, in einem Fall bis 8000 Mark bestraft worden. Jeder der betroffenen Delinquenten mußte ja wissen, inwieweit er even­

tuell eine Strafe verdient haben könnte, und möge danach ge­gebenenfalls weitere Schritte unternehmen.

Tagung der Krankenkassen.

Hamburg, 28. Juli. Gestern wurde die mit der 28. Deut­schen Krankenkassentagung verbundene Ausstellung im Zoolo­gischen Garten eröffnet. Nach -der Eröffnung nahm dfe Ta­gung unter starker Beteiligung -der dem Hauptverbande Dern- scher Krankenkassen (Sitz Berlin) angeschlossenen Korporatio­nen ihren Anfang. Stadttat Dr. Kirchhof eröffnete die Ver­sammlung mit einem Willkommensgruß. Namens des Senats begrüßte Senator Grosse die Tagung. Der Leiter der Ministe- rialabteilung für Krankenversicherung, Ministerialdirektor Grieser-Berlin, hielt alsdann einen Vortrag überUmbau der Sozialversicherung". Nach einer Aussprache wurde eine Ent­schließung für den weiteren Ausbau der Sozialgesetzgebung angenommen, lieber das 2. VerbandsthemaWiederaufnahme der sozialen hygienischen Arbeit" sprachen Prof. Dr. med. Grotjahn-Berlin und Direktor Albert Kohn-Verlin. Direktor Dr. med. Knaack-Hanrburg und Chefarzt Dr. med. Pryll-Ber- lin sprachen über wirtschaftliche Verhaltungsweise. Zu -diesen Fragen wurden ebenfalls entsprechende Entschließungen ange­nommen. Der zweite Berhandlungstag brachte einen Vortrag des Geschäftsführers des Harrptverbandes deutscher Kranken­kassen, Lehmann, über die Aerztefrage. Das Ziel der Kranken­kassen sei, so führte -der Redner u. a. aus, gemeinsam mit einer sozial -eingsstellten" Acrzteschaft an den: Wiederaufbau und He­bung der Volksgemeinschaft zu arbeiten. Zur Frage der Er­werbslosenfürsorge wurde eine Entschließung angenommen, die sich -gegen -die Verordnung für -die Krankenkassen wegen der Erwerbslosenfürsorge wendet. Außerdem wird in der Ent­schließung daraus hingewiesen, daß infolge unzureichender Er- werbslosenfürsorge -die Krankenversicherten -bestrebt seien, vor Aufnahme in die Erwerbslosenfürsorge die Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen. Die Kranken­kassen seien daher gezwungen, ihre Beiträge wesentlich zu er­höhen, wenn nicht bald -durch Ausgestaltung der Erwerbslosen­fürsorge oder anderer geeigneter Maßnahmen ihnen eine aus­reichende Entlastung zuteil werde. Ein Antrag, den Sitz des Hauptverbandes von Dresden nach Berlin zu verlegen, fand einstimmige Annahme. Zum ersten Vorsitzenden wählte man Stadtrat Mrens-Berlin, zu Stellvertretern Staatsminister a. D. Kirchhof, Albert Kohn-Berlin.

Handel und Derkebr.

Wirtschaftliche Wochenrunöschau.

Geldmarkt. Solange die Lage in London ungeklärt bleibt, besteht keine Aussicht aus eine Besserung des Geldmark­tes. Innerhalb und außerhalb Deutschlands bildet sich -die Ue- berzeugung heraus, daß die Franzosen jeden Versuch, die wirt­schaftliche und politische Lage Deutschlands zu heben, mit allen Mitteln zu sabotieren entschlossen sind. Nach wie vor sind die französischen Politiker, ob sie nun Poincare halten oder Herriot, von -dem Wahn befangen, es sei uni die Existenz Frankreichs geschehen, zum mindesten seine Sicherheit bedroht, sobald Deutschland auch nur wirtschaftlich, geschweige militärisch wie­der in die Höhe kommt. Ihre Polittk ist -also eine Vernich­tungspolitik, gegen -die man in Amerika kräftig ankämpft und die auch in England und Italien nur eine widevwilli-ge Un­terstützung findet. Die Geldsätze bleiben infolgedessen bei uns hoch, und die Kreditstützungsversuche haben sich bei uns als ziemlich wirkungslos bis jetzt erwiesen. Die geringe Zinsener­mäßigung durch die Großbanken kommt hauptsächlich der Börse zugute.

Börse. Die Börsenspekulation macht immer wieder und so auch in -der letzten Berichtswoche den Versuch, dem Geschäft in Effekten weitere Interessentenkreise zuzuführen. Besonders groß sind die Bemühungen, die Aufmerksamkeit des Auslandes auf den niederen Stand der deutschen Aktien und Obligationen hiinzuweisen. Aber -der Erfolg bleibt aus. Sobald -das Kurs­niveau sich auch nur um einige Punkte hebt, beginnen alsbald die Gewinnbegleichungen derer, denen das Vertrauen zu einer weiteren Kurssteigerung fehlt. Infolge dessen bleibt das Ge­schäft beengt. Auch -der Kurszettel wesst gegen die vorige Woche kaum nennenswerte Verbesserungen ans. Am ehesten besteht noch Nachfrage nach einzelnen deutschen fest verzinsli­chen Anlagepapieren, namentlich Stadtanleihen, die von den of­fenbar in Geldüberfluß schwimmenden Stadtverwaltungen zu- rückgekaust werden.

Produkten markt. Die Stimmung ist sehr fest. Die fortgesetzten Mehlpreissteigerunyen in London sind eine Folge der fast überall auf den Auslandsmärkten erfolgten Höherbe­wertung des Weizens. Die Heu- und Strohpresse haben sich an der letzten Stuttgarter Lan-desproduktenbörse teilweise ge­senkt. Heu wurde unverringert mit 5, Stroh dagegen ^ nie­driger mit 4>l notiert. In Berlin kostete Weizen 192 (plus 16), Roggen 134 (plus 11), Braugerste 171 (plus 6), .Hafer 153 (Plus 9) und Mehl 28)4 (Plus 114) Mark.

Warenmarkt. Die Lebensmittelpreise haben neuer­dings wieder etwas angezogen. Dagegen wird eine neue Er­mäßigung der Kohlenpreise in Aussicht gestellt, -die auch eine Ermäßigung der Elsenpreise nach sich ziehen sollte. Die Textil­waren,sind abermals billiger -geworcn; überall gibt es große Ausverkäufe, die jetzt zum Teil schon mit Verlust stattsinden, weil der Geschäftsmann schweren Herzens sich von seinen La­gern trennen muß, um Geld zu bekommen. Ledersachen sind bedeutend -gefallen, namentlich Schuhwaren, weil die Verhält­nisse ähnlich liegen wie bei der Textilindustrie. Die Zuckerpreise haben sich auf ihrer neuen Höhe gehalten. Chemikalien bleiben ebenfalls ziemlich fest. Man hat das Gefühl, daß alles noch billiger wird, wenn die Kreditkrisis noch fortdauert.

Vieh mar kt. Die Freude über die billigen Schlacht­viehpreise war von kurzer Tauer. Auf dem Stuttgarter Schlachtviehmarkt gab es neulich schon wieder einen Sprung aufwärts, der auch eine Erhöhung der meisten Ladenfleischpreise verursachte. Zuchtvieh wird wenig angeboten, Pferde sind et­was billiger geworden, werden aber wenig verlangt. Immer noch klagt man über die veränderten Formen des Handels.

Holz mar kt. Der Holzhandel leidet sehr unter den überschraubten Frachtsätzen, wodurch die deutsche Produktion vom Auslände nahezu völlig abgeschlossen wird. Grirbenholz findet regeres Interesse, desgleichen Papierholz, aber die Um­sätze bleiben relativ stein und die Preise neigen weiterhin zur Schwäche.

Stuttgart, l. August. Der dem Württ. Bauern- und Wein- gärtnerbund angehörende Landtagsabgeordnetr Dr. Wolfs kann auf eine 25jährige politische Tätigkeit zurückschauen. Dr. Wolfs war früher Pfarrer von Perouse O.Ä. Maulbronn, trat später als Redakteur in die Konservative Reichspost ein und wirkte nach seinem Austritt aus dem Rednktionsdienst für den Bund der Landwirte. Als Ver­treter von Heikbronn gehörte er einige Jahre dem Reichstag und seit 1912 dem Württ. Landtag an, wo er Vorsitzender des Finanz­ausschusses ist

Stuttgart, I. August. Der Abg. Ströbele (B.B.1 hat folgende Kleine Anfrage an den Landtag gerichtet: Bei der Diözesanumlage werden diejenigen Gemeinden, die den Psarrsteilen Holz und andere Naturalien zu liefern haben, mit ihrem ganzen Steuerbetreff zur Umlage herangezogen, also gewissermaßen doppelt belastet- Fst das