Stuttgart, 27. Juni. (Ein Freispruch.) Beim Motorradrennen auf der Solitude wurde aus der Botnanger Steige ein 77 Jahre alter Mann von einem Motorad angefahren und so schwer verletzt, daß er später starb. Der Radfahrer hatte sich wegen fahrlässiger Tötung vor dem hiesigen Schöffengericht zu verantworten. Die Beweisaufnahme ergab indessen, daß ihn keine Schuld traf, weil der Verunglückte nicht die notwendige Aufmerksamkeit den Vorgängen auf der Straße widmete. Der Angeklagte wurde deshalb unter Ueberncchme der Kosten auf die württ. Staatskasse freigesprochen.
Pfullingen, 27. Juni. (Schwäbisches Kreisbergfest auf der Wanne.) Die schwäbischen Turner halten am 27. Juli auf der Wanne bei Pfullingen ihr diesjähriges Kreisbergfest. Es umfaßt an Wettkämpfen: Fünf- und Vierkämpfe für Männer, Dreikämpfe der Altersturner, Vierkämpfe für Turnerinnen, Staffelläufe und Spiele um die Kreismeisterschaft im Schlagball und Faustball, für Männer, Frauen und Altersturner. Außerdem soll ein Versuch mit der kampfmäßigen Durchführung des sog. Freiringens gemacht werden.
Erbach bei Ulm, 27. Juni. (Schlaganfall.) Die Wirtin Götz zur Krone wurde am alten Fronleichnamstag bei der Prozession in der Kirche von einem schweren Unwohlsein befallen. Sie empfing noch die letzte Oelnng, verschied aber bald darauf. Ein Schlaganfall hatte ihrem Leben ein rasches Ziel gesetzt.
Aalen, 27. Juni. (Betriebsschließung.) Der Betrieb der Ostertagwerke A.-G. ist geschlossen worden Diese alte Firma wurde dermaßen von der Wirtschaftskrise betroffen, daß sie a ls ers t e im Be z irk ih r e To re sch ließ en muß._
Baden
Pforzheim, 27. Juni. In Karlsruhe starb am 26. d. Mts. der von Pforzheim stammende Oberamtmann Dr. Eduard Brombacher im 49. Lebensjahr an einem Herzschlag. Die Beerdigung soll heute hier stattfinden. Zu derselben wollte gestern abend eine Schwester des Verstorbenen, Frau Gerwig, Witwe des verstorbenen Pforzheimer Bijouteriefabrikanten Hermann Gerwig, von ihrem Wohnsitz in Baden-Baden hierherreisen. Ein erschütterndes Schicksal fügte es aber, daß dieselbe auf der Bahnfahrt in der Nähe von Pforzheim einen Gehirnschlag erlitt. Sie konnte noch in die Wohnung ihrer hiesigen Verwandten gebracht werden, wo sie abends gegen 10 Uhr verschied.
Pforzheim, 27. Juni. Eine gehörige Frechheit leistete sich gestern an der Enz, unweit vom Krankenhaus, ein etwa 12- jähriger Junge. Inmitten des Flusses ertönten Plötzlich Hilferufe. Drei zufällig in der Nähe befindliche Personen sahen, wie ein Junge einigemale untertauchte, wieder emporkam und um Hilfe rief. Ein anwesender Herr warf kurz entschlossen seinen Rock ab und stürzte sich in voller Kleidung in den Fluß, erreichte den Knaben und brachte ihn an Land. Hier angekommen, war der Bube auf einmal wieder sehr munter, nahm Reißaus und lachte seinen völlig durchnäßten Retter aus. !
Freiburg, 27. Juni. Vergangene Nacht gegen 12 Uhr brach im Magazingebäude des Sägewerks von Gebrüder Himmelsbach in Krozingen ein Brand aus. Die Betriebsfenerwehr des Werks trat sofort in Tätigkeit, konnte aber gegen den mächtigen Brand, der in den ausgestreckten Holzteilen der Halle große Nahrung fand, nichts ausrichten. Bis die herbeigerufenen Nachbarwehren am Brandplatze erschienen, hatte sich das Feuer auf die ganze Halle ausgedehnt. Auch ein Teil der nebenanliegenden Masten hatten schon! Feuer gefangen. Die Feuerwehren, darunter auch eine Autospritze, aus Freiburg, konnten sich nur darauf beschränken, die benachbarten Baulichkeiten, sowie die Holzlager zu schützen. Die etwa 180 Meter lange und 35 Meter breite Halle, in der die Zyanisieranlage, das Maschinenhaus, Büros, Telefonzentrale, Werkstätten und wertvolle Materialien und Maschinen uutergebracht sind, ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Maschinen und Werkzeuge und 12 große Zyanisierbecken und die Telegraphenmasten sind unbrauchbar. Nur dem eifrigen Eingreifen der Feuerwehr und der herbeigeeilten Arbeiterschaft ist es zu danken, daß keine weitere Holzvorrüte dem Feuer zum Opfer gefallen sind. Immerhin geht der Schaden in die tzunderttausende. In dem abgebrannten Gebäude waren etwa 180 Arbeiter beschäftigt. Der Sägereibetrieb, sowie die Lagerarbeiten sind durch den Brand nicht gestört. Man wird alles daran setzen, um den Zyanisierbetrieb bald wieder aufnehmen zu können.
Kandel und Verkehr
Winnenden, 27. Juni. (Viehmarkt.) Zufuhr: 15 Ochsen, 17 Stiere, 25 Kühe, 35 Kalbinnen und 32 Stück Schmalvieh. Bezahlt wurden für ein Paar Stiere im Gewicht von 1280 Klgr. 940 Mk., für einen Stier im Gewicht von 636 Klgr. 470 Mk., im Gewicht von 470 Klg. 320 Mk., für Kühe 330—420 Mk., für Kalbinnen 360—440 Mk. und für Jungvieh 80-180 Mk., je sllr das Stük. Handel und Verkauf waren rege. — Der Schweinemarkt war mit 113 Milch- und 6 Läuferschweinen befahren. Erster«: kosteten 18 bis 22 Mark, letztere 35 - 65 Mk. je das Stück.
Schweinepreife. Creglingen: Zufuhr 61, verkauft 42 Milchschweine zum Paarpreis von 30 42 Mk. - Gaildorf: Zufuhr 60 Milchschweine. Alles verkauft zum Preis von 13- 25 Mk. pro Stück. — Spaichingen: Zufuhr 61 Milchschweine. Preis pro Stück 14—21 Mark. Weither st adt: Zufuhr 56 Milchschweine, meistens Händlerware. Bezahlt wurde für 1. Sorte 48—52 Mark, 2. Sorte 36—40 Mark, je das Paar. Der Handel war lebhaft, verkauft wurde alles. — In Biber ach kosteten Läufer 40—55, Milchschweine 15—23 Mark, in Schömberg Milchschweine 16 bis 25 Mark pro Stück.
Winnenden, 27. Juni. (Holzmarkt.) Auf dem letzten Markt bewegte sich der Preis für 100 St. Baumstützen zwischen 20—25 Mark, für den Quadratmeter Bretter 0,80 — 1,20 Mk. und für 1 Ifd. Meter Dachlatten 3—5 Pfg.
Fruchtpreise. Der Schranne in Ebingen waren 48 Ztr. Haber, 19 Ztr. Gerste und 4 Ztr. Weizen zugesührt. Preis für Haber 7, Gerste 9, Weizen 9.50 Mk. der Ztr. - In Wangen bezahlte man für den Zentner Haber 8 Mk. - In Winnenden betrug die Zufuhr 18 Ztr. Weizen, 53 Ztr. Haber, II Ztr. Gerste und I Ztr. Roggen. Preis für Weizen 10-10.60, Haber 8—8,50, Gerste 9 bis 10, Roggen 9 Mark je Zentner.
Wirtschaftliche Wochenrundschau.
Börse. Die Stimmung ist eine Kleinigkeit freundlicher geworden. Die Kauflust hat während der letzten Tage etwas zugenommen. Die Spekulation kann jedoch nur kurzfristige Geschäfte eingehen, weil für den Monatsschluß wieder eine Versteifung des Geldmarktes erwartet wird. Der Verkehr wäre! noch lebhafter geworden, wenn er nicht fast ganz auf die zünfti-! gen Börsenbesucher beschränkt bliebe. In der Hauptsache sind es Auslandskäufe, die den Umsätzen zugute kommen. Lebhaft! gefragt ist öprozentige Kriegsanleihe. Sonst zeigte sich etwas« Interesse für Montanwerte, Elektrizitäts- und Autoaktien. Die Bankaktien blieben vernachlässigt. Im freien Verkehr ist eben- « falls noch wenig Leben zu bemerken. ^
Geldmarkt. Auf dem Geldmarkt hat die letzte Berichts-! Woche keine einschneidende Neuerung mit sich gebracht, weder i eine Erleichterung, noch eine weitere Verknappung. Auch die, Geldsätze sind unverändert geblieben, wobei zu beachten ist, daß allmählich, wenn auch zu hohen Zinsen, der Kredit wieder etwas besser erreicht werden kann. Im übrigen ist die Geldknappheit unverändert. Die Banken selbst klagen darüber, daß die Kundschaft lieber Privatgeschäfte macht, statt ihr Geld auf den Banken änzulegen. So sehr wir anerkennen, ,daß es ratsamer und wirtschaftlich besser ist, das Darlehensgeschäft in den Händen der Banken zu belassen und ihnen zu diesem Zweck
freigewordene Gelder zur Verfügung zu stellen, wissen die Banken selbst doch ganz gut, wie wett sie an der Neuerung durch ihr bisheriges Verhaften selbst die Schuld tragen.
Produktenmarkt. Das Wetter ist für die Heuernte wieder günstiger geworden, aber aus allen Teilen des Reiches kommen Hiobsbotschaften über große Hagelschäden. Die Stimmung am Getreidemarkt ist lustlos. Die Preise haben sich wieder etwas gesenkt. Zwar Stroh- und Heupreise wurden an der letzten Stuttgarter LandeAproduktenbörse mit 4)4 und 6)4 Mark unverändert notiert, aber in Berlin gaben die Getreidepreise gegen die Vorwoche nach: Weizen 138 (—10), Roggen 124 (—8), Braugerste 145 (—7), Hafer 132 (—6) und Mehl 23 (-)s) Mark.
Warenmarkt. Im Warenverkehr wird zwar immer noch darüber geklagt, Laß die Grundstoffe Kohlen und Eisen auf viel zu großer Höhe gehalten werden, aber die Indexzahlen sind doch wieder gesunken, so die für Stuttgart ohne Bekleidung mit 1163 Milliarden um 0,2 Prozent und die mit Bekleidung bei 1258 Milliarden um etwa 1,2 Prozent gegen die Vorwoche. Gemüse ist relativ preiswert. Auch Steinobst und Prestlinge, die freilich nicht zu den unbedingt nötigen Nahrungsmitteln gehören, haben wieder abgeschlagen. Eier, Butter und Käse sind noch teuer. Schuhwaren, überhaupt alle Artikel der Lederbranche sind weiter zurückgegangen.
Viehmarkt. Die gute Futterernte erweckt wenig Hoffnung auf billiges Fleisch. Der Viehhandel ist lebhaft bei behaupteten Preisen. Die Metzger klagen über die geringe Kaufkraft der Kundschaft, aber die Umsätze am Schlachtviehmarkt sind nicht nennenswert zurückgegangen, teilweise sogar gestiegen. Pferde sind gegenwärtig etwas billiger angeboten.
Holzmarkt. Lage unverändert.
liegen im Bergwerk vor dem Förderungsschacht zum Abtransport bereit. 8 sind noch nicht gesunden. Das Unglück geschah dadurch, daß ein brennendes Flöz niedergebrocheu ist und Gase in den Stollen drangen, wo die Bergleute arbeiteten. Unter den vor der Unglllck- stelle wartenden Verwandten der Verunglückten spielen sich herzzerreißende Szenen ab.
Rom, 27. Juni. Die Arbeitspause zu Ehren Matteottis verlief in Rom ohne Zwischenfall. Das Straßenbild blieb dasselbe wie immer. Die Opposition beschloß weiteres Fernbleiben von der Kammer. 2m Kabinett sollen allmählich alle Unterstaatssekretüre wechseln.
Fohrbach (Elsaß), 27. Juni. Der Unternehmer Kuntz in Fohrbach betreibt als Spezialität Reparaturen und Umbauten von Fabrik- Kaminen. Er beschäftigte dabei nur eigene Familienmitglieder, drei Söhne und drei Töchter, sowie drei Schwiegersöhne. Bei dieser gefährlichen Arbeit haben alle drei Söhne durch Absturz aus schwindelnder Höhe in den letzten Jahren den Tod gesunden. Zur Zeit ist die Familie an den großen Schornsteinen des Hüttenwerkes „Friede" bei Algringen beschäftigt. Eine Tochter arbeitete in 40 m Höhe außen am Schornstein, wobei sie an einem Flaschenzug hing. Aus noch unbekannter Ursache riß der Haken des Flaschenzuges los und die unglückliche Arbeiterin fiel aus dieser Höhe herunter und blieb zerschmettert am Boden liegen.
Paris, 27. Juni. Der ehemalige Präsident der Republik, Millerand, und der ehemalige Ministerpräsident, Poincare, sind gestern zu Mitgliedern des Ehrenrates der Anwaltskammer gewählt worden. — Ministerpräsident Herriot empfing gestern erneut den deutschen Botschafter von Hoesch.
London, 27. Juni. Einer Meldung aus Washington zufolge, erhielt die Regierung der Vereinigten Staaten die bündige Zusicherung, daß auf der am 16. Juli beginnenden interalliierten Konferenz nur der Dawesplan erörtert wird. Es werde nicht zugelassen werden, daß die Frage der interalliierten Schulden ausgeworfen werde.
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Stuttgart, 27. Juni. Das Landeskartell der christlichen Gewerkschaften Württembergs hat an das württ. Arbeitsministerium und an das Landesamt für Arbeitsvermittlung den Antrag gestellt, daß von dem § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 13. Februar 1924 zur Er- wcrbslosenfürsorge Gebrauch gemacht wird, wonach mit Zustimmung des Reichsarbeitsministcrs und des Reichsministers der Finanzen angeordnet werden kann, daß Gemeinden eine Fürsorge für Kurzarbeiter einrichten. Insolange dies noch aussteht, daß Kurzarbeiter von den Beiträgen zur Erwerbslosenfürsorge befreit werden.
Stuttgart, 27. Juni. Der Abg. Adorno und andere Zentrumsabgeordnete habe» im Landtag folgende Kleine Anfrage gestellt: Ist dein Etaatsnünisterinm bekannt, auf welche Art und Weise die Stuttgarter Milchzentrale Gewinne ans der Milchabgabe-Bermittlung aus Kosten der Verbraucher und Erzeuger zieht? Was gedenkt das Staatsministerium zu tu», um I. dem Publikum über diese eigenartige!, Verhältnisse vollste Aufklärung durch die Presse zu geben,
2. der geradezu trostlosen Kreditnot in der Landwirtschaft durch Aufrechterhaltung eines angemessenen Erzeugermilchpreises zu steuern:
3. den Verbrauchern den Ankauf der Milch zu einen, Preise zu ermöglichen, der den gewährten Erzcugermilchprcisen einigermaßen entspricht?
Frankfurt a. M., 27. Juni. Die Frankfurter Metallgroßhandlung Leo Jakobi u. Co. biete: ihren Gläubigern „„„mehr ein Arrangement auf der Basis von 40 Prozent an.
Mainz, 28. Juni. Das französische Kriegsgericht in Mainz hat einen Deutschen namens Jost zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er besonders in der Hundsrückgegend Aufrufe verteilt haben soll, worin die Bauern aufgesordert wurden, die Tätigkeit der interalliierten Forstkommission zu verhindern. Drei andere Deutsche, die zu Jost in Beziehungen gestanden haben solle», denen man aber nur das Singen von nationalen Liedern in Cafes Nachweisen konnte, erhielten je 1 Jahr Gefängnis.
Essen, 28. Juni. Zu den am 28. Juni beginnenden Verhandlungen der Industrie mit der Micum erfährt die „Deutsche Bergwerkszeitung", daß eine Einwilligung der deutschen Werksleiter in die Verlängerung der Micumoerträge völlig ausgeschlossen sei. Die Werke hätten ihre letzten Kredite verbraucht. Zur weiteren Berwirt- schaftung des Restes der ihnen anvertrautcn Kapitalien könnten die industriellen Führer unmöglich die Hand bieten. Die Verantwortung dafür, was aus dieser Situation entstehen werde, falle den Regierungen zu, da lediglich durch Verhandlungen zwischen der deutschen und der französischen Regierung eine für die Industrie tragbare Regelung an die Stelle dar Micumoerträge treten könne.
Blankenburg im Harz, 27. Juni. Bei einem Schulausslug gerieten zwei Quartaner in Streit, in dessen Verlauf der zwölfjährige Heinrich auf seinen Schulkameraden Schäfer einen Reooloerschuß abgab, der diesen sofort tötete. Der Vorfall spielte sich so schnell ab, daß der herbeieilende Lehrer die Tat nicht mehr verhindern konnte. — Man muß sich nun fragen, wie es möglich ist, daß ein zwölfjähriger Junge in den Besitz eines Revolvers kommen konnte.
Leipzig, 27. Juni. In dem Prozeß wegen versuchten Hochverrates und Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik ist das Urteil gesprochen worden. Bau wurde zu 7 Iahreu Zuchthaus und 7 Jahren Ehrverlust, Rullmann, Nielle und Metzger zu je 6 Jahren Zuchthaus und je 6 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Halle, 27. Juni. Gestern abend wurde hier nach einer Stahlhelmseier Dr. Hitzgeroth in der Saalpromenade überfallen und durch vier Revoloerschüsse schwer verletzt. Die Täter sind unerkannt entkommen.
Berlin, 27. Juni. In der heutigen Sitzung des Steuerausschusses des Reichstages verlangte der Abg. Becker-Hessen (D. Vp.), die bestehenden Stundungsvorschriften auf alle Besitzsteuern auszudehnen, namentlich im besetzten Gebiet. Reichsfinanzminister Dr. Luther wandte sich zunächst gegen die aufgrund des letzten Reichsbankausweises in der Oeffentltchkeit bestehende Auffassung, daß das Reich ein hohes Guthaben habe. Von 636 Millionen öffentlichen Geldes seien Reichsgelder 392 Millionen, von diesen seien aber nur 4l Millionen reichseigenes Geld, die restlichen 351 Millionen fremde Gelder, hiervon entfielen 100 Millionen Mark auf Rentenmarkkredite. In einem Blick in die Zukunft wies der Minister darauf hin, daß die Steuern nicht in der Höhe der sehr schwierigen Vorschätzungen eingingen, zum Teil weniger, zum Teil mehr. Bisher hätten aber die Mehreingänge überwogen. Es bestehe indessen noch ein Loch von 470 Millionen, hauptsächlich infolge der Ausführung des Friedens- Vertrages. Eine generelle Steuerstundung für gewisse Erwerbsstände oder Landesteile sei unmöglich.
Stettin, 27. Juni. In der heutigen Verhandlung wurde zunächst die Vernehmung der Insaffen des Straßenbahnwagens, worin Grass erschossen wurde, fortgesetzt. Aber niemand konnte etwas Bestimmtes sagen, was zur Aufklärung der Frage, von wem die Schüsse abgegeben worden sind, beigetragen hätte. Mehrere Zeugen bekundeten, daß Grass noch dem ersten Schuß der Belgier zusammengebrochen sei. Die Zeugen hatten den Eindruck, daß Grass nach dem ersten Schuß tot gewesen sei. Da aber festgestellt worden ist, daß der erste Schuß von Kaws nicht traf, sondern der belgische Leutnant durch einen Schuß von außen getroffen wurde, besteht die Möglichkeit, daß Grass schon beim ersten Schuß durch einen Herzschlag gestorben ist. Die Perteidigung beantragte daher zur Klärung dieser Frage den Dr. Sondermann als Sachverständigen zu laden.
Wien, 27. Juni. Zn dem Berwerksunglück in Hart bei Gloggnitz wird noch gemeldet: Gestern früh fuhr eine Schicht von 70 Mann ein. Von diesen konnten sich 40 rechtzeitig vor der Explosion retten. 30 sind tot. Il Tote wurden bereits aus dem Schacht gebracht, 11
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Würitembcrgischer Landtag.
Stuttgart, 27. Juni. Der Landtag trat heute nachmittag zu einer voraussichtlich kurzen Tagung zusammen. E,ne Anfechtung des Abg. Adam Müller-Mergentheim (Ztr.) soll durch den Staatsgerichtshöf entschieden werden. Nachdem das Haus die Beantwortung von 22 Kleinen Anfragen über sich hatte ergehen lassen — man hat für diese Beantwortung jetzt einen besonderen Regierungskommissar in der Person von Oberamtmann Köstlin aufgestellt — wurde in die Beratung des Notetats für das Rechnungsjahr 1924 eingetreten und der Aüg. August Müller stellte hierzu einen Antrag auf Ermäßigung der Notariatsgebühren. Es entspann sich dann eine ausgedehnte Generaldebatte, in der der Abg. Ulrich (Soz.) zwei Anträge stellte, einmal bei Behandlung von Gesuchen politischer Parteien um Zulassung von Kundgebungen unter freiem Himmel unparteiisch zu verfahren, sodann, daß die württ. Regierung bei den Verhandlungen am 3. Juli in Berlin über 'das Sachverständigen-Gutachten dieselbe Haltung einnehme, wie die seitherige Reichsvegierung und der Reichstag. Minister des Innern, Bolz, wies den Vorwurf parteiischer Handhabung der Verbote von Versammlungen politischer Parteien unter freiem Himmel entschieden zurück und erklärte, daß die Bauerntage und die Veranstaltungen der Schützenvereine keine Politischen Veranstaltungen seien. Staatspräsident Bazille lehnte es ab, zu den Verhandlungen in Berlin Stellung zu nehmen, da er noch gar nicht wisse, was dort vorgetragen werde. Der Abg. Schees stellte den Antrag, den Notetat nur bis zum 1. September auszudehnen und vertrat die Auffassung, daß auf den Bau- crntagen politische Propaganda getrieben werde. Der Abg. Bock (Ztr.) erklärte sich mit dem Antrag August Müller 'einverstanden, lehnte aber die Anträge der Sozialdemokratie und der Demokratie ab. Finanzminister Dehlinger wies darauf hin, daß es nicht die Aufgabe der neuen Regierung sei, eine sachliche Aenderung der Landessteuergesetze herbeizuführen. Der springende Punkt sei jetzt, wie der Einzug der Landessteuern behandelt werde. Der Abgeordnete Karl Müller (Komm.) erklärte, seine Partei lehne den ganzen Entwurf ab. Die würt- tembergische Innenpolitik gehe darauf hinaus, alle Kräfte, die sich gegen die Versklavung wenden, so zu schwächen, daß sie willenlose Werkzeuge der 'Erfüllungspolitik würden. Dazu gehöre auch die Unterdrückung der Kommunisten. Er verlangte hierauf, daß die neue Gefängnisdienst- und Vollzugsverordnung sistixrt werde, bis der Landtag darüber gehört sei. In der Erwiderung empfahl Justizminister Beyerle, den Antrag Müller dem Rechtsausschuß zu überweisen. Nach weiteren Ausführungen des Abgeordneten Rath (D. Vp.) und Schees (Demokrat) trat Abgeordneter Hornung (BB.) für die Bauerntage ein, die rein landwirtschaftliche Veranstaltungen seien und mii Politik nichts zu tun hätten. Abgeordneter Heumann (Soz.) wandte sich hierauf noch einmal gegen den Innenminister Bolz, der nur der Gefangene seiner Berater sei, die in dentschnati- onalem Wasser schwimmen und durch seine Politik der Zutreiber des Kommunismus werde und den extremen Radikalismus züchte. Staatspräsident Bazille erklärte, die Regierung wolle den Landtag nicht ansschalten, sondern nur unnötige Verhandlungen vermeiden. In der darauffolgenden Abstimmung wurde der Entwurf des Gesetzes betreffend die vorläufige Regelung des Staatshaushaltes für 1924 nach dem Regiernngsent- wurf unter Ablehnung der Anträge der Demokraten und Sozialdemokraten in 2. Lesung angenommen. — Hierauf wurden einige selbständige Anträge dem Finanzausschuß überwiesen. Zum Schluß begründete Abgeordneter Karl Müller (Komm.) seine große Anfrage betreffend den Tod des Strafgefangenen Ratsch von Oeschelbronn im Festungsgefängnis Ulm und stellte den Antrag, zur Feststellung etwaiger Schuldiger von Verantwortlichen amtlichen Personen an der Strafanstalt Ulm am Tode des Häftlings einen Untersuchungsausschuß von 7 Mitgliedern zu bestellen. Justizminister Beherle trägt hierauf den Tatbestand des Falles vor. Der Verstorbene habe ein Geschwür an der Herzklappe gehabt, das nach Ansicht der Arzte die Ursache des Todes gewesen sei. Ratsch habe bei der Aufnahme ins Gefängnis verschwiegen, daß er 1918 an Herzklappenentzünüung erkrankt gewesen sei. Mit dem Geschwür hänge ein Blutaustritt ins Gehirn und die epileptischen Anfälle zusammen, die zum Tode geführt haben. Den Anstaltsarzt könne also keinerlei Vorwurf treffen. (Hier erhebt sich bei den Kommunisten ein ungeheurer Tumult und wüste Szenen. Zurufe: Mörder, Leichenschänder. — Der Abgeordnete Müller (Komm.) wurde zweimal zur Ordnung gerufen und mit Ausschluß bedroht. Der Präsident konnte nur schwer die Ruhe wieder Herstellen.) Der Justizminister fuhr fort, daß es nicht richtig sei, daß der Gefängnisarzt von sich aus die Strafunterbrechung Hintertrieben habe. (Zurufe: Sie unterstützen jeden Verbrecher!) Gegen einen Untersuchungsausschuß sich zu wehren, habe ich keinen Anlaß, halte aber einen so großen Apparat nicht für notwendig. Hier Wird um 10 Uhr abends die Sitzung abgebrochen. Nächste Sitzung morgen Samstag. Auf der Tagesordnung stehen Anfragen und Anträge, sowie die 3. Lesung des vorläufigen Staatshanshaltsgesetzes.
Trittscher Reich-tn«
Berlin, 27. Juni. Der Reichstag nahm heute zunächst in zweiter Lesung die mit Litauen und Estland abgeschlossenen .Handelsverträge und Verträge über den gegenseitigen Verzicht aus Entschädigung für die im Weltkrieg entstandenen Schäden mit einer Entschließung der Wirtschaftlichen Vereinigung an, in der die Reichsregieruna ersucht wird, bei den ferneren Verhandlungen mit Estland durchzusetzen, daß die dort enteigrreten Grundbesitzer deutscher Reichsangehörigkeit nach
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