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des Kirchen- und Schulwesens stehenden kirchlichen Körperschaften zu gleichwertigen Penfionsrechten zu verhelfen, wie den Beamten der unter dem Ministerium des Innern stehenden Körperschaften, sowie die Freizügigkeit der Beamten in dem Sinn, daß der Wechsel der Penfiovsanstalten den Penfions- anspruch unberührt läßt. Ueber den Entwurf selbst wurde nicht debattiert, wohl aber wurde eine Eingabe des württemb. Krankenkassenverbands um Angliederung der Ortkrankenkassenbeamten an die Penfionskasse der Körperschaftsbeamten der Regierung zur Kenntnisnahme überwiesen, eine gleichlautende Eingabe der Katastergeometer zur Berücksichtigung und eine solche der Handwerkskammersekretäre von Ulm und Reutlingen zur Erwägung. — Im Allgemeinen nahmen die heutigen Verhandlungen einen recht schleppenden und wenig anregenden Verlaus; damit läßt sich die Tatsache erklären, wenn auch nicht entschuldigen, daß während der letzten zwei Stunden der Beratung kaum 40 Abgeordnete, also nicht einmal die Hälfte, beigewohnt haben, wie denn auch schon im ersten Teil der Verhandlungen die Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf betr. die Gehaltsaufbesserungen der Volksschullehrer u. s. w. wegen augenscheinlicher Beschlußunfähigkeit des Hauses von der Tagesordnung abgesetzt werden mußte. Schluß '/-2 Uhr.
Pforzheim, 3. Juni. Vorgestern brach in Königsbach in einer Scheune Feuer aus. Das Feuer war bald gelöscht, in der Scheune fand man die 19jähr. Tochter des Landwirts Schmidt. Dieselbe hatte sich in ein Bündel Stroh gelegt und dasselbe angezündet. Das Mädchen erlag bald ihren entsetzlichen Brandwunden. Ursache der Tat soll, wie es heißt, sein, daß man dem Mädchen ihr Kind genommen hat.
— Zur Ho chzeit im deutschen Kaiser- hause schreibt der „Schwäbische Merkur": Am Nachmittag des 3. Juni hält die Braut des deutschen Kronprinzen, die jugendliche Herzogin Cäcilie von Mecklenburg-Schwerin, ihren Einzug in die deutsche Reichshauptstadt, wo am 6. Juni um 5 Uhr nachmittags in der Kapelle des Kgl. Schlosses die Vermählung des kronprinz- lichen Paares vollzogen werden wird. In der Retchshauptstadt werden schon seit Wochen große, sich in den weitesten Kreisen der Bürgerschaft verzweigende Vorbereitungen getroffen, die der Einzugsund Vermählungsfiter ein besonderes, von der allgemeinen Anteilnahme zeugendes und sie über das gewöhnliche Maß höfischer Festlichkeiten hinausheben- des Gepräge verleihen. Die ganze deutsche Nation hat Anlaß,'an dem Herzensbund Anteil zu nehmen, der am 6. Juni im Berliner Schloß vor dem Altar besiegelt wird. Soll es doch dem jungen Paar einmal be- schteden sein, den deutschen Kaiserthron zu besteige», mag auch dieser Zeitpunkt nach menschlichem Ermessen und Hoffen noch in weiter Ferne liegen. Gelten die Wünsche und Hoffnungen, die heute viel tausend deutsche Herzen bewegen, auch in erster
Linie dem häuslichen Glück des jungen Hohenzollern- prinzen und seiner Braut, so hat doch die Geschichte wiederholt gelehrt, von welch weitgehender Einwirkung im Guten wie im Böse« die von den Fürsten geschlossenen Ehebündntffe auch auf die Geschicke eines Volks sein können. Aber wenn nicht alle Zeichen trügen, so ist dieser Herzensbund unter einem glücklichen Stern geschlossen worden. Weder politische Rückfichten, noch dynastische Interessen sind dabei maßgebend gewesen, sondern nur die Stimme des Herzens, die in diesem Fall nicht allein das eheliche Glück des Kronprinzen zu verbürgen, sondern auch die Hoffnungen und Wünsche zu erfüllen scheint, die das deutsche Volk an diesen ernsten Lebensschritt des kaiserlichen Thronerben knüpft. Die Auserwählte des Kronprinzen, Herzogin Cäcilie, stammt aus einem alten deutschen Fürstengeschlecht. Ihr Bruder ist der regierende Grobherzog von Mecklenburg-Schwerin, der im gleichen Alter steht wie sein künftiger Schwager, der Kronprinz, und gewissermaßen auch in der gleichen Schule nationalen Empfindens und Denkens aufgewachsen ist, wie dieser. Soviel man bis jetzt von der künftigen Kronprinzessin gehört hat, und was auch durch ihre in den letzten Wochen vielfach in die Oeffentlichkeit gelangten Bildnisse bestätigt zu werden scheint, erfreut sie sich der Gottesgabe eines frischen und heiteren Gemüts, eines warmherzigen und ungekünstelten Wesens, das nicht ohne günstigen Einfluß auf die weitere seelische Entwicklung des einst zu so verantwortungsvoller Stellung berufenen Bräutigams bleiben wird. Endlich wollen wir uns als eines guten Omens der Tatsache erinnern, daß das Haus Mecklenburg dem Hohenzollernhaus schon einmal die Königin gegeben hat, und zwar eine der besten Fürstinnen aller Zeiten, die Königin Luise, die so die Mutter des ersten deutschen Kaisers und die segensreiche Ahnfrau des deutschen Kaiserhauses geworden ist. Möge ihr Geist stets heimisch bleiben im Hohenzollernhaus! Das ist einer von den vielen herzlichen Segenswünschen und Hoffnungen, mit denen auch der deutsche Süden, insonderheit das Schwabenland, das zum Altar schreitende junge Fürstenpaar begleitet.
Berlin, 3. Juni. Der feierliche Einzug der Herzogin Cecilie fand heute Nachmittag mit großem höfischem Pomp programmgemäß statt. Um 5 Uhr verließ die Braut des Kronprinzen in Begleitung der Kaiserin das Schloß Bellevue in dem Brautwagen, dem das Gefolge in zwei Wagen folgte. Dem Zuge voran ritten außer Militär und Postillonen auch Mitglieder der Berliner Schlächter- innung. Um 5'/« Uhr fand aus dem Pariser Platze die feierliche Begrüßung durch den Oberbürgermeister Kirschner namens der Stadt Berlin und Ueber- reichung eines Bouquets durch die Tochter des Oberbürgermeisters statt. Der Oberbürgermeister hielt eine kurze Ansprache, in der er die Prinzessin namens der Stadt Berlin herzlich willkommen hieß. Mit welch freudiger Erwartung sie ausgenommen
werde und wie ihr alle Herzen entgegen schlagen, das zeige der Helle Jubel der Bevölkerung und mit der Rcichshauptstadt hießen sie Millionen Preußen und Deutsche willkommen. Wie einst der Königin Luise möchten auch ihr alle Herzen znfließen und des Himmels reicher Segen möge sich auf sie, den Kronprinzen und das ganze Hohenzollernhaus aus- schütten. Als Ausdruck aller Wünsche, welche die Bevölkerung beseele, bitte er die Anwesenden, in ein Hoch auf die hohe Braut und den hohen Bräutigam einzusttmmen, ein Wunsch der auf dem Platze ein begeistertes Echo weckte. Während des Hochs überreichte die Tochter des Oberbürgermeisters der Braut einen prächtigen Rosenstrauß, wofür dieselbe freundlich dankte. Darauf richtete sie gleichfalls einige Worte des Dankes an den Oberbürgermeister, indem sie sagte: Ich danke Ihnen für die freundliche Ansprache und für den schönen Empfang, welchen mir die Stadt Berlin bereitet hat. Die Erinnerung wird stets in meinem Herzen fortlebeu und ich werde immer dankbar der Stadt Berlin gedenken, der ich nunmehr angehöre. Auch die Kaiserin nickte dem Oberbürgermeister freundlich zu. Darauf setzte sich der Wagen wieder in Bewegung und nochmals dankte die Prinzessin mit Kopfnicken und Schwenken des Straußes für die brausenden Hochrufe, welche sich nunmehr in der Straße Unter den Linden selbst foripflanzten. Die hier ausgestellten Korporationen boten teilweise einen überaus malerischen Anblick, da sie viele zum Teil uralte Embleme mitgeführt hatten. Am Zeughause, an der Kommandantur und an der Schloßrampe standen die dienstfreien Offiziere mit ihren Damen. Gegen 5°/« Uhr hatte der Zug das Schloß erreicht, wo der Kronprinz mit feiner Kompagnie die militärischen Ehren erwies. Von der Kaiserin wurde die Herzogin Cecilie in ihre Gemächer geleitet, worauf nach 6 Uhr im engsten Familienkreise der Ehepakt abgeschlossen wurde. Die Eiuzugsstraße durch flutete noch bis in die späten Abendstunden hinein Zehntauseude von Menschen und allenthalben machte sich frohe Festesstimmung bemerkbar.
Berlin, 4. Juni. Anläßlich des heute Vormittag stattgefundenen Kirchganges des Kaiserpaares, des hohen Brautpaares und der anderen Fürstlichkeiten hatte sich schon in den frühesten Morgenstunden ein äußerst zahlreiches Publikum am Lustgarten und der Schloßbrücke eingefunden. Gegen 9'/- Uhr begab sich der Domchor in seiner mittelalterlichen Tracht nach dem Dom. Kurz nach 9'/, Uhr begann dann die Auffahrt der fürstlichen Persönlichkeiten und geladenen Gäste. 10 Minuten vor 10 Uhr verließ der Kaiser das Schloß und begab sich zu Fuß »ach dem Dom. Die Kaiserin folgte mit der Prinzessin Viktoria Luise in geschlossenem Galawagen. Bald darauf nahte aus dem Schloß eine offene zweispännige Equipage, in der sich die Herzogin Cecilie mit ihrer Mutter, der Großherzogin Anastasia befand. Bei der Treppe am Dom begrüßte der Kaiser die Braut und bot
war meine Pflicht, die Wehrlose vor ihrer halb rasenden Schwester zu schützen, war doch auch sonst kein Mann anwesend, dessen Wort Ansehen und Gehör bei den Dienfileuten gefunden.
Frau Tatania spielt« die Rolle einer allein gebietenden Herrin noch stundenlang fort. Ununterbrochen erging sie sich in wilden Reden, drohenden Anklage» und aufrührerischen Tiraden. Endlich wurde es mir zu viel. Als sie, einen brennenden Armleuchter in der Hand, wieder durch alle Räume des Schlosses stürmt«, folgte ich ihr in einen Gartensaal des Erdgeschosses, schloß hinter uns die Tür ab und erklärt« ihr rundweg, daß ich im Hause des Todes Ruhe und Frieden wünsche. Zugleich befahl ich ihr, zu Bett zu gehen.
Zuerst zwar überschüttete sie auch mich mit spitzen Reden und leidenschaftlichen Vorwürfen; am liebsten hätte sie ihr HauLrecht geltend gemacht, um mich ohne Weiteres zu entfernen, wenigstens schien sie vorauszusetzen, daß ich wie damals beim Popen Smirnoff meine Wohnung nehmen würde. Dem entgegen erklärte ich ihr ohne Umschweife, daß ich schon seit gestern hier wohnte und bleiben würde.
Dann macht« ich sie selbst darauf aufmerksam, daß ihr Erscheinen überhaupt ernste Folgen haben werde, daß die Tat Bulgari'S und seine Flucht sie selbst kompromittiere, daß die Regierung sich sicher mit ihr beschäftigen werde und daß sie froh sein könne, einen Schutz in mir zu haben, auch daß eS nötig sein werde, weitere Maßregeln zu ihrer Sicherheit baldigst zu beraten.
Erst nach diesen Vorstellungen und als sie sah, daß sie entschlossenen Widerstand fand, wurde sie grfügsamer und kleinlauter.
Endlich bequemtr sie sich auch, auf mein« Fragen zu antworten. Geschah e« auch kurz, widerwillig und unzusammenhängend, so gelang es mir doch, da» Tatsächlich« der Vorgänge ziemlich deutlich festzustellru.
Wir hatten inzwischen Platz im Gartensaal genommen. Tatania auf einem Divan, ich auf einem Armstuhl am offenen Fenster. Die erdrückende Schwüle der sternlose» Sommernacht wich erst, als das Gewitter, das inzwischen heraufgezogen, zum Ausbruch kam. Majestätisch rollten die Donnerschläge über di« weite Haide, und oft sekundenlang stand der Gartensaal in blend ender Helle, so daß die Lichter des Armleuchters zu fahlen Flämmchen wurden.
Aus de» bruchstückweise» Bekenntniffen Tatania'S ging Folgendes hervor:
Wie Sherwood schon angedeutet, hatte sie sich, ebenso wie andere Verwandte und Freunde der Verurteilten, genaue Kenntnis verschafft, auf welcher Straße di« Reise nach Sibirien erfolgen werde.
Dieser Weg ging — und zwar bei Allen ohne Ausnahme — über Schlüssrlburg, Tichwin, Usiunga, Mologa, RybinSk, Jaroslawl, Kostroma und weiter über Wiätka und Perm nach TobolSk.
Jedem der Verurteilte» wurde ein Gendarm zugeteilt, und da immer vier zugleich abgefertigt wurden, so befanden sich demnach bei jedem Transport vier Gendarmen außer dem Feldjäger, der die Oberleitung hatte. An ein Entrinnen war unterwegs nicht zu denken. Trotzdem wurde mancher kühn« Plan entworfen.
Mehrere Dame», Frauen, Schwestern, Mütter der Verurteilten reiste» voraus, um an den bestimmten Orten, wo die regelmäßige Rast gehalten wurde, Quartier zu machen und dort zum letztenmal ihr« Lieblinge wiederzusehen und zu pflegen, unter Umständen auch ihren Schergen zu entreißen.
Darauf gründete sich auch TatianaS Plan. Solche BefteiungSversuch« waren übrigens auch sonst nicht allzu selten, zumal wo daS Volk geneigt war, zu helfen. Auch find damals wirklich mehrere der Verurteilten befreit worden. Besonders in Jaroslawl kam «» wiederholt zu Revolten, obschon da» Näher« unbekannt grbtieben, denn die Regierung unterdrückte jede Kund«. (Forts, folgt.)