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manch schönes Lied erklingen, die alle den lebhaftesten Beifall des Publikums fanden. Um '/'9 Uhr entführte uns ein Sonderzug die Stuttgarter Herren. Möge ihnen der Ausflug hieher in angenehmer Erinnerung bleiben!
Altensteig, 2. Juni. Ein hiesiger verheirateter Schreinermeister, Vater von fünf kleinen Kindern, suchte seinem Leben dadurch ein Ende zu machen, daß er in trunkenem Zustand ein größeres Quantum Schwefeläther trank. Dem sofort herbeigerufenen Arzt gelang es, den Lebensmüden trotz seiner innerlichen Verletzungen am Leben zu erhalten.
Leonberg, 2. Juni. Gestern abend V-9 Uhr verwundete der jugendliche Schreiner Bauer bei der Rückkehr von einem Spaziergang auf den Engelberg einen jungen Arbeiter der Druckerei Reichert in der Trunkenheit durch 6 Revolverschüsse schwer. Die Veranlassung hiezu soll Eifersucht gewesen sein. Der Täter wurde sofort ins Amtsgericht, der Verletzte ins BezirkSkrankenhauS eingeliefert.
Stuttgart, 2. Juni. (Strafkammer). Ein jugendlicher Straßenräuber wurde heute der Straflammer in der Person des 17jähr. Flaschnergesellen HanS Auenmüller von Kempten, wohnhaft in Ludwigsburg, aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Aumüller, der schon wiederholt wegen Diebstahls und Betrugs und einmal wegen groben Unfugs vorbestraft ist, lockte am Nachmittag des zweiten Mai in Ludwigsburg ein zehnjähriges Mädchen, das zur Bezahlung einer Rechnung einen größeren Geldbetrag bei sich trug, in das Salonwäldchen und riß dort dem Kinde mit den Worten: „Dein Geld her oder ich schlag dich tot" das Geldsäckchen mit 42 Mark Inhalt gewaltsam aus der Hand. Der jugendliche Straßenräuber wurde von einem Ulanenunteroffizier verfolgt und bei Kornwestheim festgenommen. Am 1. Mat drängte sich Aumüller an einen lljähr. Knaben, der Kommißbrot kaufen sollte, heran und bestimmte den Knaben durch das Vorbringen, er werde ihm das Brot in der Kaserne kaufen, ihm, dem Angeklagten, das Geld im Betrag von 2.40 zu übergeben. Mit dem erschwindelten Geld sprang der Angeklagte auf und davon. Die Strafkammer schloß hinsichtlich des Straßenraubs mildernde Umstände aus und erkannte auf 1 Jahr 3 Monate Gefängnis.
Stuttgart, 2. Juni. In den Stallungen der Milchknranstalt Tobias Palmer in der Lerchen- straße ist vor etwa 3 Wochen abermals die Maulund Klauenseuche aukgibrechen, nachdem dieselben Stallungen im Dezember und Januar schon einmal von der verderblichen Seuche heim- gesucht waren. Leider nimmt diesmal der Krankheitsprozeß keinen so günstigen Verlauf wie das erstemal; in der letzten Zeit find nämlich bereits 7 Kühe an der Krankheit verendet. Dem Besitzer erwächst dadurch trotz der teilwetsen Entschädigung, ein ganz enormer Schaden.
Obereßlingen, 2. Juni. In der Nähe der Eßlinger Pumpstation wollte gestern mittag der
17jährige Flaschner Otto Gölz von Voll Oberamt Göppingen mit einem scharfgeladenen Pistol auf einen Maikäfer schießen, traf aber hiebei den in der Nähe stehenden 9jährtgeu Sohn des Schlossers Max Buchschmied so unglücklich unter de« rechten Arm, daß er kurze Zeit darnach starb. Der Täter ist verhaftet.
Plochingen, 2. Juni. Am vergangenen Mittwoch wurde dahier der Bierbrauer Gottfried Bihler von Reutlingen festgenommen. Derselbe hat in der Nacht vom 1.—2. April im Wartsaal II. Klasse des hiesigen Bahnhofs eine goldene Uhr und Kette im Wert von 400 gestohlen. Die Uhr wurde in einem Leihhaus in Stuttgart aufgefunden.
Sa lach, 2. Juni. Vorgestern nacht wurde an der hiesigen Haltestelle, lt. Jpf- und Jagstztg., ein junger Mann von 31 Jahren vom Zuge überfahren und sofort getötet. Der Verunglückte, der bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet wurde, war ein in Göppingen in Arbeit stehender Schreiner namens Paul Falkenstein und soll von Schorndorf gebürtig sein. Das Unglück geschah durch Zuspätkommen.
Stetten i. R., 1. Juni. Seit 2 Tagen gibt es reife Frühkirschen. Der Frostschaden an den Kirschen war kaum nennenswert, dagegen wurden viele Früchte durch ein braunes Insekt zerstört. Birnen und Zwetschgen zeigen reiche Fruchtansätze, wogegen es Aepfel nur vereinzelt gibt. Die Frostnacht vom 24. Mai hat etwa '/« der Weinaus- fichten in den niederen Lagen zerstört. Die mittleren Lagen sind unbeschädigt geblieben; sie zeigen viele gesunde Blütentriebe. Halmfrüchte und Futter- kcäuter stehen ausgezeichnet.
Tübingen, 31. Mai. Ueber die hier zu errichtende Bismarcksäule macht der geschäftsführende Ausschuß folgende Mitteilung: Das Vermögen beträgt zur Zeit etwa 20000 die in Staatspapieren auf dem UniverfitätSkassenamt niedergelegt find, so daß der Ausführung des auf etwas mehr als 20 000 veranschlagten Baus nichts mehr im Wege steht. Der hervorragend geeignete Platz, auf dem die BiSmarcksäule zu stehen kommen soll, ist von den städtischen Kollegien nahe der Lichtenbergerhöhe auf der westwärts von dieser gelegenen Anhöhe kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Das nach einem Entwurf von Prof. Th. Fischer-Stuttgart zu errichtende Denkmal soll eine hohe Steinsänle sein und nicht die übliche Form des Feuerturms haben, weil, wie die Erfahrungen gezeigt haben, ein ordentliches Feuer auf dem Turm doch nicht angezündet werden kann, sondern nur ein Kunstfeuer von Erdöl und Aehnlichem.
Rottenburg, 31. Mai. In der Nähe von Weiler am Fuße der Weilerburg wurde dieser Tage im Mergelboden eine ungefähr schenkeldtcke Stange eines Riesenhirsch- (Hegaveros) Geweihes mit schöner Krone und zum Teil noch
erhaltenen breiten Schaufeln, ferner ein mächtiges Schienbein mit großer Gelenkfläche gefunden.
Rottweil, 2. Juni. Der 72 Jahre alte Bauer und Gemeinderat Joh. Schlotterbeck von Mühlheim OA. Sulz geriet auf dem Heimweg vom Walde, als er an einer abschüssigen Stelle den mit Holz beladenen Wagen bremsen wollte, unter den Wagen, wobei ihm die Räder über die Oberschenkel gingen. Er verschied kurze Zeit darauf.
Ulm, 2. Juni. In Neu-Ulm wurde kürzlich der Hausknecht des Gasthauses „zur Stadt Athen" von Italienern so schwer verletzt, daß er bald darauf starb. Ein angeblicher Freund des Verletzten, der Schweizer Jehle von Steinheim, wußte diesem, als er bewußtlos dalag, das Porte- monoie mit etwa 30 Inhalt zu entwenden. Die Strafkammer in Memmingen verurteilte ihn deshalb zu 8 Monaten Gefängnis.
Berlin, 2. Juni. Zur VermählungS- fei er des Kronprinzen schreibt die „Nordd. Allg. Zig.": Die vielen Tausende, die dem feierlichen Einzuge der Herzogin Cecilie mit froher Teilnahme folgen werden, dürfen als Vertreter aller der Deutschen gelten, welche dem erlauchten Paare, das im Begriffe steht, den Bund fürs Leben zu schließen. Glück- und Segenswünsche darbringen. Mit besonderer Deutlichkeit tritt bei dieser Gelegenheit die anhängliche Treue und Hingebung in Erscheinung, die unser Volk mit seinem Herrscherhause verknüpft. Indem das Volk der Herzogin Cecilie den wärmsten Willkommengruß darbietet, werden in seiner Seele die Bilder fürstlicher Frauengestalten lebendig, die immer eine Zierde des Hohenzollern- ThroneS bleiben werden und eS gedenkt in diesen Tagen freudig der hohen verwandtschaftlichen Bande, die von der unvergeßlichen Königin Louise zur Herzogin Cecilie herüber leiten.
Berlin, 2. Juni. AIS der Kronprinz heute mittag auf dem Kurfürstendamm mit seinem Automobil nach Berlin fuhr, stieß er mit einem von einem Arbeiter gezogenen Handwagen zusammen. Der Handwagen ging in Trümmer, der Arbeiter wurde an einer Hand verletzt.
Berlin, 2. Juni. Heute Vormittag '/,11 Uhr überfuhr das kaiserliche Begleit-Automobil ^ 879 auf der Strecke zwischen dem großen und kleinen Stern einen Gemüsewage«. Das Pferd wurde schwer verletzt, der Wagen zertrümmert und zwei auf dem Kutschbock fitzende Frauen gegen die Bordschwelle geschleudert. Die Insassen des Automobils, mehrere Offiziere, stiegen sofort ab und bemühten sich nm die Verletzten, die nach der nächsten Station gebracht wurden. Die Verletzungen sollen nur leichterer Natur sein.
B erlin, 2. Juni. Zu dem Mordanschlage gegen den König von Spanien schreibt die Nordd. Allg. Ztg. offiziös: Mit tiefer Empörung gegen die ruchlosen Urheber dieses Bubenstreiches
Dir Rosse der Telega, in welcher Sherwood lag, hatten ihren Weg von selbst gesunden. AIS sie jetzt vor der Freitreppe hielten, wurde Tatiana auf der Freitreppe sichtbar — bleich wie ein Schatten, dazu ihre lodernden Augen, ihre Gestalt, unheimlich eine SchicksalSgötttin — und neben ihr der alte Uschakoff. Ich erwähnte schon, daß er sich beim Festmahl bedeutende Libation erlaubt. Jetzt stand er neugierig um sich schauend, mit heiserem Lachen und fortwährendem Kopfnicken die Nahenden begrüßend. Er begriff offenbar nicht« von allem, wa« geschehen war und wa» um ihn vorging, selbst al« Tatiana rief: „Was wollt Ihr hier? Bringt Ihr Sherwood? Fort mit dem Verräter, da« Hau« ist ihm verschlossen!"
Ich war inzwischen die Freitreppe hinangestiegen und ergriff die Erregte am Arm.
„Bedenken Sie, wo Sie find und wa« Sie tun, Tatiana Jwanowna!"
„Da« weiß ich ohne Sie!" sagte sie heftig. Ich bin in meinem Vaterhaus« und mache reinen Tisch. Wer will mich daran hindern!"
„E» handelt sich um einen Sterbenden."
„Hat er wirklich seinen Lohn empfangen? Da« freut mich!" rief sie. „Mag er sterben auf der Straße am Zaun. Er hat e« verdient um meinen Mann und die Anderen. Mag er zu Grunde gehen, der Elende, der Alle in'« Verderben gebracht hat. Die« Hau» hat keine Stätte für ihn!"
„Ja, ja, lachte de, alte Uschakoff. „Sag'« ihnen nur, Tochter, sag'« ihnen nur. Dir kan» der Kaiser nicht an. Der Sarafan hat sein« Aronrrchte für sich. O, Ihr Weibe, habt Schwerter im Munde und Fackeln in den Augen, wenn Ihr wollt. Nichts nur die Welt zu Grunde, sie ist keinen Solotnik wert! Bist du wieder da, Nadja, mein Täubchen, mein Lamm, mein Engel? Ich Hab dich gleich nicht lasten wolle«. Komm', Püppche«, komm'! Fremde« Brod ist sauer;
die Schlehen im Vaterhaus sind süßer, als de« Zaren Piroggen. „Komm', Kindchen, heut' wollen wir tanzen, nach Moskau geht r« ein andermal."
Man mußte den Sinnlosen halb mit Gewalt in» Hau« bringen.
Inzwischen hatten viele der Ang« kornmenen ihre Telegen verlassen und s chaarten sich vor der Freitreppe, während Tatiana noch oben stand.
Hunderte von Fragen tönten dem Mannweib entgegen, denn ander« kann ich sie nicht bezeichnen.
„Wer war der Täter de» Mords?"
„Wer — nun ich kann ihn ja nenne». Graf Bulgari war'«, der Einzig«, den ich erlösen konnte au« den Ketten. Fangt ihn doch, wenn ihr könnt, schickt alle Kosaken hinter ihm her — er kann ihrer lachen. Morgen ist er in Polen!"
Und wieder neue« Tumult der Stimmrn. „Aber da« ist ja empörend, himmelschreiend. Wa« soll denn Sherwood getan haben?"
„War er getan hat, der Bube? — Ich glaubte, sein« Schande sei offenbar. Er war der falsche Freund, der sich bei den Brüdern «ingeschlichen hat seit Jahren. Der Spion, der Alle umgarnt, um sie dann schmachvoll dem Henker auszuliefern. Fünf an den Galgen, über hundert in'« Elend, in die Wüsten de« Tode«. Ihr Blut und ihre Tränen kommen über ihn. Jede« Erbarmen ist Sünde, wenn ihn der Kaiser hundertmal belohnt und vergoldet, hundertmal ist ,, von un» verflucht.
„Ja wohl, ihr habt ihn bewundert, habt euch gebeugt vor ihm, dem falschen Götzeu, ich aber reiße seinen erstohlenen Glanz herunter, zeige ihn tu seiner wahren Gestalt, was er war und ist, ein Meineidiger, ein Schurke, ei« feiler Angeber. Drum weg von dieser Schwelle, mag er verfaulen auf dem Anger, wie ein Hund!"
(Fortsetzung folgt.)