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es jedoch nur beim Versuch. Von einer Kellnerin, der er das Heiraten versprach, erschwindelte er 110 Mark. Außerdem entwendete der Angeklagte zwei Fahrräder, die er alsbald veräußerte. Die Straf­kammer erkannte auf 2 Jahre 3 Monate Gefängnis und 10 Jahre Ehrverlust.

Stuttgart, 16. Mai. Die Königin-Witwe Margherita von Italien ist am Sonntag abend mit ihrem Gefolge inkognito, von Hohen­schwangau kommend, im Automobil hier eingetroffen und im Hotel Marquardt abgestiegen. Sie empfing im Lauf des gestrigen Mittags den König und die Königin, welchen Besuch die Königin-Witwe im Wilhelmspalast erwiderte. Im Lauf des ge­strigen Tags machte die Königin mit ihrem Gefolge verschiedene Spaziergänge durch die Straßen der Stadt. Die Abreise nach Frankfurt bezw. Wies­baden zum Besuch des Kaisers und der Kaiserin erfolgte heute früh 10 Uhr im Automobil.

Cannstatt, 16. Mai. Von den Wohn­gebäuden für Arbeiter der Wagenwerkstätte Cannstatt, die von der Eisenbahnverwaltung neben der Rems­bahn erbaut werden, sind bis jetzt 7 Häuser mit 3 Wohnungen zu 3 Zimmern und 39 Wohnungen zu 2 Zimmern hergestellt worden. In der Finanz­periode 1905/06 sollen zwei weitere Gruppen mit 7 und 6 Häusern hergestellt werden. Mit der Vollendung der beiden weiteren Gruppen werden zusammen 20 Gebäude mit 150 Wohnungen zur Verfügung gestellt werden.

Freudenstadt, 15. Mai. Gestern abend ereignete sich hier ein schweres Unglück. Eine aus 6 Herren bestehende Altensteiger Gesellschaft die hierher einen Ausflug gemacht hatte, begab sich auf die Heimfahrt. Die Pferde wollten aber, statt nach Altensteig, die Zufahrtsstraße zum Hauptbahnhof einschlagen. Rasch riß der Fuhrmann die Pferde nach links, der Wagen fiel um, und die Insassen wurden herausgeschleudert. Der Werkführer Vater von der Firma Lutz und Weiß erlitt einen Schädel­bruch, an dem er nach einer halben Stunde starb. Stadtbaumeister Henßlcr von Altensteig trug eine Schulterverrenkung davon; auch die übrigen Herren wurden schwer verletzt.

Pfullingen, 15. Mai. Das gestrige unfreundliche Wetter verhinderte die Aufführung von Wallensteins Lager durch den Liederkranz im Freien am Fuße der Wann auf dem malerisch gelegenen Festplatz. So mußte diese treffliche Dar­bietung sich auf die öftere Wiederholung in der Krone" beschränken, die immerhin auch viele Be­sucher auzog.

IIS seid, 15. Mai. Bei der anfangs dieses Monats abgehaltenen Ausschußfitzung des Hilfsvereins Jlsfeld, welcher von seiten des Ministeriums des Innern die Ministerialräte v. Scharpff und Dr. Köhler anwohnten, wurde fest­gestellt, daß der Betrag der eingegangenen Hilfs­gelder, welcher im Etat mit 550000 ^ vorgesehen war, sich auf etwas über 570 000 beläuft. Infolgedessen und da bei verschiedenen Etatspofi- tionen über namhafte Erübrigungen verfügt werden konnte, war es möglich, einen weiteren größeren Betrag zur Verteilung an die Abgebrannten zu be­stimmen. Und zwar soll die Summe von 50000 Mark als weiterer Bauzuschuß Verwendung finden, während außerdem 60 000 für die einzelnen Abgebrannten, und zwar auch an solche, die aus irgend einem Grunde nicht bauen, je nach dem Grade ihrer Bedürftigkeit, ausgesetzt wurden. Etwa 47000 sollen zurückbehalten und über diese Summe erst verfügt werden, wenn über die Folgen des Brandunglücks ein endgiltiger Ueberblick ge­wonnen ist.

Berlin, 15. Mai. Der Reichstag hatte mit großer Mehrheit eine Resolution angenommen, in der die verbündeten Regierungen aufgcfordert werden, baldigst einen Gesetzentwurf wegen Errich­tung von Heimstätten vorzulegen. Der BundeSrat hat indes in seiner letzten Sitzung beschlossen, dieser Anregung keine Folge zu leisten.

Berlin, 16. Mai. Eine Versammlung von russischen Revolutionären fand gestern Abend in der Wirtschaft des sozialdemokratischen Schöne­berger Stadtverordneten Obst in Schöneberg statt. Es hatten sich zirka 300 Personen, darunter zahl­reiche russische Studenten eiugefunden. Die Polizei

hatte jedoch Kenntnis davon erhalten, daß in der Versammlung politische Reden gehalten werden sollten und löste die Versammlung auf, weil diese nicht angemeldet war.

Wiesbaden, 16. Mai. Der Kaiser ist heute Abend 7 Uhr 10 Minuten per Sonderzug hier eingetroffen. In seiner Begleitung befanden sich Reichskanzler Graf Bülow, die Chefs deS Militär- und Civilkabinets, General-Adjutant von Messen, General-Adjutant Graf Moltke, Oberhof­meister Graf zu Eulenburg und Oberstallmeister Graf Wedel. Der Kaiser wurde auf dem Bahnhofe von dem Präsidenten von Schenck und dem neuen Kommandeur des 80. Jnfant.-Regiments, von Süß­kind, begrüßt. Er fuhr nach kurzem Aufenthalt durch die festlich geschmückten Straßen unter dem Jubel einer großen Volksmenge nach dem Schlosse. Heute Abend wohnt der Kaiser der Generalprobe der FestvorstellungDer Freischütz" bei.

Wiesbaden, 16. Mat. Der bekannte Chirurg und Chefarzt des Roten Kreuzes in Wies­baden, Karl Roser, der bereits vor einigen Wochen einen Selbstmordversuch gemacht hatte, hat sich heute Morgen durch Oeffnen der Schlagader am Bein ums Leben gebracht.

Im Namen des Schwäbischen Schiller­vereins ist von Geh. Hofrat Professor Güntter auf Schillers Sarg in der Fürstengruft zu Weimar ein Lorbeerkravz mit schwarzroter Schleife und Widmung als Gruß aus Schillers Heimat nteder- gelegt worden.

Marburg, 16. Mai. In Momberg, Kreis Ktrchhain vernichtete heute ein Großfeuer acht Gebäude.

Wilhelmshaven, 15. Mai. Ein Ver- fahren wegen Majestäts-Beleidigung ist von der dortigen Staatsanwaltschaft gegen die Urheber der falschen Mitteilung über die Kaiserrede bei der Rekruten-Vereidigung eingeleitet worden.

Paris, 15. Mai. Die französische Regierung wird zur Hochzeit des deutschen Kronprinzen eine Sondergesandtschaft nach Berlin abordnen.

Paris, 15. Mai. Um Mitternacht fehlte jede Nachricht über den Verbleib des Motorbootes Qu and meine", sowie über das Torpedoboot, welches das Motorboot begleitete. An Bord des Bootes befanden sich 11 Personen. Auch auf dem Marineamt erklärte man um Mitternacht, gleichfalls keine Nachricht zu haben.

Paris, 15. Mai. Das Motorboot- Rennen Algier-Toulon mußte sämtliche Fahrzeuge wegen Sturmes aufgeben. Die meisten der Boote find untergegangen. Von dem Motor­bootQuand meme" hat man bisher keinerlei Nach­richt. An Bord desselben befand sich der Besitzer, Herzog Decazes und der Sohn des Chokolade- fabrikanten Suchard. Man hofft, daß das Fahrzeug Kurs auf Barcelona genommen hat.

Wien, 15. Mai. Ein angeblicher Brüsseler Juwelenhändler versuchte in Wien zahlreiche Juwele», die im Jahre 1900 in Neapel gestohlen waren, zu verwerten. Der angebliche Händler erklärte, daß er die Juwelen in Brüssel von einem gewissen Serra gekauft habe, den er für einen Juwelen­händler gehalten habe. In dem Serra wurde je doch uach Photographien der flüchtige Hotelsekretär Uigocci rekognosziert.

Warschau, 16. Rai. In dem Vorort Lingury bei Schitomir fanden neue Ausschreit­ungen gegen die Juden statt. 12 Juden wurden schwer verletzt nach dem Spiial von Schitomir gebracht.

Petersburg, 15. Mai. Der Arbeiter Sidortschuk gab gestern Abend auf den Polizei- meiker von Schitomir, Kujarow, als dieser gerade ein Restaurant betreten wollte, zwei Revolverschüsse ab. Kujarow verschied binnen weniger Minuten. Der Mörder wurde verhaftet.

Petersburg, 15. Mai. In Moskau find neue empörende Bestechungen entdeckt worden, infolge deren Militärärzte militärpflichtige Personen gegen gute Bezahlung als dienstuntauglich erklärten. Auch Beamte der Militärverwaltung find in diesem Treiben beteiligt. Eine ganze Reihe von Beamten wurden verhaftet.

Petersburg, 15. Mai. Der gestrige viel gefürchtete Tag ist ruhig verlaufen. Da die Stadt

eine Wiederholung der Ereignisse des bekannten blutigen Januar-Sonntages befürchtete, so hatte fie außerhalb Petersburgs 8 fliegende Verbandplätze errichtet, doch verzichteten die Arbeiter auf jegliche Demonstration. Nur nach dem weit außerhalb Petersburgs liegenden Preobrashenski-Kirchhofe, wo zahlreiche Opfer des blutigen Sonntags beerdigt find, zogen einige Tausend hinaus. Gegen den Einzug der Arbeiter in die Stadt waren alle Vor­sichtsmaßregeln getroffen und alle Zugänge durch Kosaken abgesperrt, doch wnrde die Ruhe nirgends gestört.

Petersburg, 16. Mai. Die Arbeiter hielten gestern mehrere Versammlungen unter freiem Himmel ab, wurden jedoch von Kosaken zer­streut, wobei es zu verschiedenen Zusammenstößen kam. In dem Arbeiterviertel Wvssil Ostrow haben die Bäckergesellen den AuSstand erklärt. Seit Don­nerstag find zahlreiche Arbeiter in allen Gegenden Rußlands verhaftet worden, in Petersburg über 1200 .

Mm jaMlsch-riiMri triez.

Petersburg, 15. Mai. Vom Kriegs­schauplatz wird gemeldet: Die letzten Opera­tionen der Japaner haben eine überraschende Aehnlichkeit mit den Vorbereitungen vor der Riesen­schlacht um Mukden. Die Japaner bemühen sich auch diesmal, die linke russische Flanke zurück- z »drängen. Im Zentrum herrscht Ruhe. Auf der rechten Flanke haben die Japaner ebenfalls bisher noch nicht versucht, die Russen zu stören. Die russische Kavallerie stillte bei einer Rekognoszierung nahe der Stadt Tschenstatun eine wohlorganifierte Chun- gusenbande von 8 bis 10 000 Mann fest.

Petersburg, 15. Mai. General Linje- witsch telegraphiert unter dem 13. Mai: Eine unserer Abteilungen ergriff am 9. Mai die Offen­sive. Bei Chimiaotse kam es mittags zum Kampf. Eine andere Abteilung wurde auf dem Marsch von Nanchanchentse nach Chimiaotse beim Herauskommen aus einem Engpaß mit Gewehr­feuer vom Feinde empfangen. Das Gefecht begann gegen Mittag. Die Japaner führten Artillerie ins Treffen. Unsere Abteilungen zogen sich zurück, nachdem fie die Aufklärungen beendet hatten. Ein zweites Telegramm von Linjewitsch meldet unter dem 14. Mai: Eine russische Abteilung, die nach Erdagon dirigiert war, zog sich, als fie von 700 Mann starken feindlichen Truppen umgangen wurde, gegen Ludagoa zurück, vertrieb aber den Feind aus Erdagon, nachdem fie Verstärkungen erhalten hatte, und zwang ihn, sich in kleinen Ab­teilungen nach Südsüdwest zurückzuziehen.

Petersburg, 16. Mai. Aus Guntschulin wird gemeldet, daß sich eine große japanische Streit­macht von Fakumoen nach Tuntstaku bewegt. Dort find zwei Pontonbrücken sowie eine feste Brücke über den Liaofluß gebaut und große Depots an­gelegt worden. Die Zufahrt geschieht auf Dschunken von Inka« aus. Dort find 400 Dschunken im Be­trieb, ebenso viele bei Tfintfiatun. Die Japaner scheinen dort ein großes gegen die russische rechte Flanke gerichtetes Unternehmen zu planen. Die ganze japanische Armee ist 320000 Mann stark.

Paris, 16. Mai. DasEcho de Paris" meldet aus Petersburg, es verlaute dort, Rosch- djeswensky sei infolge von Ueberarbeitung er­krankt. Admiral Alexejew soll demnächst nach Wladiwostok abreisen, um das Kommando über die Seestrcitkräfte zu übernehmen. Das Gerücht scheint jedoch wenig begründet zu sein.

London, 16. Mai.Daily Mail" meldet aus Hongkong: Am 10. Mai abends begegnete der DampferLenadle" dem baltischen Geschwader, welches sich anscheinend nach der Honkohe-Bat begab. An der Spitze fuhren zwei Torpedojäger. Ein an­derer Dampfer sah am gleichen Tage das ruffische Geschwader in Stärke von 35 Schiffen. Die Fahr­zeuge, welche sich in einer Entfernung von 12 Meilen vom Festlande befanden, schienen vor Anker zu liegen. Das russische Lazarethschiff befindet sich noch immer in Saigon.

London, 16. Mai.Morning Leader" meldet aus Hongkong, daß «ach dort vorliegenden Informationen die gesamte russische Flotte bei der französischen Insel St. John ungefähr 150 Klm. südwestlich von Hongkong liegt.