74. Amts- ««d Ameigeblatt für den Bezirk Aalw. 8« ;»hrM,.
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«rfch^nunglti-se: Di-n«tag, Donneret-,, «amS- taa, Sonntag. Anfertionlprri» 10 Pf,, pro Zeile für Stadt and »r,ir»-rt,; autzer »ezirl Ui Pf,.
Amtliche Metaumtmachuueerl.
Bekanntmachung.
Die Aushebung fi ldet am DievStag, den LS. und am Mittwoch, de« 24. Mai d. I.
in Calw statt.
Calw, 11. Mai 1905.
K. Oberamt. Voelter.
An die gem. Aemter.
Die Jahresberichte derjenigen Kleinkinderpflegen, für welche um einen Beitrag von der Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins nachgesucht werden will, find umgehend hieher vorzulegen.
Calw, 10. Mai 1905.
K. gem. Oberamt.
I. V.: Amtm. Rippmann. I. V.: Schmid
Tagesneaigkeite».
X Calw, 11. Mai. Schön und würdig ist die Schtllerfeier in unserer Stadt verlaufen, unter Beteiligung sämtlicher Schichten der Bevölkerung, in selbständiger Mitwirkung wie im andächtigen Genießen. Wochenlange mühevolle Vorbereitungen, die opferwillige und unermüdliche Hingebung vieler haben uns eine Feier bereitet, wie sie wohl nicht viele Städte in der Größe Calws ihr eigen nennen durften. Allen, die ihren Gemein- finn wieder einmal glänzend betätigt haben, sei heute Dank und Anerkennung ausgesprochen, dem Schillerkomitee, der Stadtverwaltung, den bürgerlichen Kollegien, allen Mitwirkenden bei den Veranstaltungen und dann auch der ganzen Einwohnerschaft, die in ihrem Teil wesentlich zu dem trefflichen Gelingen der Feier beitrug. Die Frstauffährung
Samstag, den 13. Mai 1905.
in der Turnhalle begegnete solch regem Interesse, daß bei der Aufführung am Montag abend kein Platz mehr übrig war, es wurde deshalb am Mittwoch abend dir ganze Aufführung wiederholt. Auch zu dieser fand ein so großer Andrang statt, daß sämtliche Plätze in kü zester Zeit verkauft waren. Eine erwartungsvolle Stimmung und eine Vorahnung des Schönen, was kommen sollte, herrschte in der prächtig erleuchteten und reizvoll dekorierten Turnhalle, als das Zeichen zum Beginn ertönte. Lautlose Stille lag über der Versammlung, als das tief ergreifende Lied „Stumm schläft der Sänger" von dem Liederkranz vorgetragen wurde. Hierauf betrat Hr. Rektor vr. Weizsäcker die Bühne zum Vortrag des von ihm verfaßten, Prologs, den wir hier folgen lassen:
Was soll im weiten Saal das Festgewühle,
Was führt zusammen heute Jung und Alt Und Hoch und Nieder in der Abendkühle Des Maientags, mit zaubernder Gewalt?
Wer einigt uns in Einem Hochgefühle,
Das so nach Ausdruck ringt und nach Gestalt? Was konnte unsre Herzen so entzünden,
Daß wir uns mußten hier zusammenfinden?
Ein Name ist's, dem dieser Wurf gelungen,
Ein Name, der auf Aller Lippen schwebt,
Ein Mann, der sich ins Herz hinein gesungen Dem deutschen Volk, darin er ewig lebt,
Der unser Denken, Fühlen ganz durchdrungen. Mit seines Wortes Macht das Herz erhebt.
Ich nenn' ihn nicht — er lebt in aller Munde, Ihm gilt auch diese weihevolle Stunde!
Ein Schauspiel wird vor euch vorüberziehen, Das ihn uns zeigt in seiner tiefsten Not:
Aus seiner Heimat hat er müssen fliehen,
Weil ihm sein Fürst zu dichten streng verbot !
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Zum Heile zwar ist ihm die Flucht gediehen. Doch damals fand er kaum sein täglich Brot. Drum nicht vergessen fei, was er erlitten.
Bis er den höchsten Dichterruhm erstritten!
Nicht viele Worte ziemt's in dieser Stunde Zu machen über seinen Dichterwert.
Vernehmen wollen wir aus seinem Munde, Was er die Mit- und Nachwelt hat gelehrt, Wie er im Glockenlied mit tiefer Kunde Das Menschenleben herrlich hat verklärt,
Wie er der Seele Sehnsucht hat gesungen, Wie hell sein Freudenlied der Welt erklungen !
Und dann, wer könnte ihn beredter loben,
Als dort in Weimar einst sein großer Freund, Zu dessen Höh' er siegreich sich erhoben,
Mit dem er glänzt im Denkmal stolz vereint: Stolz blickt er da und Siegs gewiß nach oben, Nach jenen Höh'n, wo ew'ges Licht ihm scheint, Wohin er, uns voran, sich hat geschwungen,
Wie Goethe uns im „Epilog" gesungen.
Zwar: er war unser! konnte Goethe klagen. Ein Wort, drin Trauer sich mit Stolze mischt. Doch wir, wir wollen: er ist unser! sagen; Denn nimmer wird sein Bild in uns verwischt. Laßt Andere nach andern Zielen jagen!
Wie mancher Dichter heut' im Trüben fischt — Es muß der Tag dem Edlen endlich kommen: Dazu mög' uns die Schillerfeier frommen!
Die Aufführung des Lustspiels „Doktor Schmidt" von Weitbrecht ging auch diesmal wieder flott von statten und mit gewohnter Energie und Umsicht leitete Verwaltungsaktuar Staudenmeyer das Ganze und brachte es zu vollem Erfolg. Der Vortrag der „Glocke" war von dramatischer Wucht und übte einen gewaltigen Eindruck aus, die Macht Schiller- 'scher Diktion kam zu ergreifendem Ausdruck. Der
Der Spion.
Historischer Roman aus der Geschichte des heutigen Rußlands von Julius Grosse.
(Fortsetzung.)
„So wurde ich doch wenigstens Zeuge aller ihrer Pläne, und das genügte mir. Wenn ich das wäre, Herr Oberst, wofür Sie mich halten, könnte ich sagen: Nachdem ich sah, daß alle meine Warnungen umsonst und daß das Verbrechen unausbleiblich, veriet ich Alle mit kaltem Blut. Und damit habe ich ein gutes Werk getan.
Der Plan war einfach, aber umfassend. Auf dem Senatsplatze sollte der Eid verweigert werden, erst für Nikolaus, dann auch für Konstantin. Wenn da» geglückt, sollte «in« provisorische Regierung von fünf Mitgliedern eingesetzt, zuvor aber der Thron für erledigt erklärt werden. Mit Hülfe des ReichSratS und de» Senats sollte diese provisorische Regierung das StaatSruder führen, bis die Abgeordneten des ganzen Reichs den Grund zu einer neuen Verfassung gelegt hätten. Gleichzeitig wollte man den Winterpalast, die Ministerien, die Banken und das Postamt besetzen, um jeder Unordnung oder Etgenmacht vorzubeugen.
Nachdem ich das Alles erfahren «nd jede Einrede wirknngsloS war, blieb mir nichts anderes übrig als zu handeln. Ich schrieb ein Billet an General Dtebitsch, von dem ich wußte, daß er im Winterpalast war, und riet, die Parade auf dem SeuatSplatze abznsagen und die Eidesleistungen in den einzelnen Kasernen vornehme« zu lassen.
Sie werden gehört haben, daß man meinen Rat sofort befolgt hat. Viele Regimenter widerstanden, aber treu blieben die finnländischeu Jäger, die EappenrS, die Kavaliergarde, die Regimenter PreobraschenSki und Semeuof,
auch die Paulowski-Grenadiere. Daß sie treu geblieben find, ist zum Teil mein Werk und darauf bin ich stolz!
Zum Kampf ist es freilich gekommen, das werden Ihnen Hunderte von Zeugen berichtet haben. Das Trauerspiel begann, aber es endete mit Schrecken für die, die es ersonnen."
Und in einem anderen Briefe, der eine Woche später geschrieben war, hieß es: „Glauben Sie mir, Oberst, manchmal bin ich dem Wahnsinn nahe. Wenn auch Araktschejef durch sein täppisches Eingreifen den Ausbruch beschleunigt hat, sagen muß ich mir doch: Ich bin schuldig, daß Blut geflossen, und ebenso, daß Hunderte jetzt im Kerker schmachten. Nichtwahr, das ist Heller Wahnsinn, denn ich habe die Verschwörung nicht erschaffen, aber Eines bleibt doch so: Ohne meine Warnungen keine Abreise, ohne Abreise keine Verhaftungen, ohne Verhaftungen kein Ausbruch der Revolution — ans diesem heillosen Zirkel komme ich nicht heraus!
Was denken Sie von mir. Oberst? O wenn Sie mich trösten könnten in meinen selbstquälerischen Gedanken. Ich habe keinen Schlaf bei Nacht und keine Ruhe bei Tage; es ist ein Zustand zum Verzweifeln.
Der Minister Araktschejeff existiert nicht mehr für mich. Ich habe meinem Kaiser geschworen, und sein Militärkabinet führt die Sache nun zu Ende. Die Rasenden haben auf Vernunft und Güte nicht hören wollen. Mag nun die Hydra ausgerottet werden mit Stumpf und Stiel — und kostet es auch mein Leben!"
Und wieder in einem späteren Briefe von Ende Januar. „Also anch der Südbund hat losgeschlagen und ist zerschmettert worden. Die Unsinnigen, die Tollköpfe, die Verrückten! Was habe ich Ihnen damals gesagt. Oberst, diese Rasenden find unheilbar. Wozu nun diese Ströme von Blut, all' die