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Aufstellung. Der Zug, der etwa 600 Mann stark war, stellte sich rings um das Denkmal auf. Dann stimmten die Musikkorps das Dankgebet von Kremser an. Hierauf hielt der Vorsitzende der Stuttgarter Studentenschaft, stuä. obew. Mezger, eine An­sprache, worin er Schiller als den Lehrmeister des deutschen Volkes pries. Unter Worten der Liebe und Dankbarkeit legte er einen Kranz nieder. Mit dem allgemeinen GesangFreude schöner Götter­funken" schloß die erhebende Feier am Denkmal. Der Zug bewegte sich sodann durch verschiedene Straßen zum Gewerbehalleplatz zurück. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge war auf den Beinen, um sich den Fackelzug und die Huldigung anzusehen. Die Polizei hatte große Mühe, um die Ordnung auf dem Schillerplatz aufrecht zu erhalten. Der Echwarzwaldverein ließ heute durch eine Abordnung auf dem im Fangelsbachfriedhof befind­lichen Grabe der Schwiegertochter Schillers, der Gattin seines Sohnes Karl, einen Kranz niederlegen. Sie war aus Freudenstadt gebürtig.

Stuttgart, 8. April. Der Redakteur des Neuen Tagblatts in Stuttgart, Joseph Buchhorn, erhielt bei den diesjährigen 7. Kölner Blumenspielen mit seinem Gedichtzyklus: Auf Wacht in Deutsch- Südwestafrika den für das beste vaterländische Ge­dicht ausg setzten Preis, eine goldene Korn­blume.

Kirchheim u. T., 7. Mai. Seit einiger Zeit herrschte der Verdacht, daß im WaldteilHoh- reisach" Wilderet getrieben werde. Von den Jagdpächtern und anderen Personen wurden zu öfteren Malen auf dem Morgen- und Abendstand Schüsse gehört. Heute fiüh begaben sich nun die Landjäger Bechtold und Walter auf eine Frühstreife. Gegen 5 Uhr trafen sie mit drei zur Jagd aus­gerüsteten Wilderern zusammen, die sich jagend näherten. Die Wilderer wurden vom Landjäger Bechtold überrascht und wendeten sich dem Waldteil zu, wo der zweite Landjäger, ohne daß sie davon wußten, postiert war. Als sie ihn erblickten, ergriffen zwei die Flucht, während der dritte, der 23 Jahre alte Fabrikarbeiter Richard Strauß von Notzingen gegen den vordringenden Landjäger in Anschlag ging, worauf letzterer Feuer gab. Die Kugel drang in die Stirne und riß ein ca. 5 Centtmeter großes Knochenstück aus der Schädeldecke, so daß der Tod sofort eingetreten sein muß. Der Erschossene hatte ein Lefaucheux-Jagdgewehr, Kaliber 16, bei sich, der rechte Lauf war abgeschossen, während in dem linken, der blank war, noch eine Schrotpatrone steckte. Um 8 Uhr erschien auf dem Platze die Ge­richtskommission zur Aufnahme des Tatbestands. Zwei junge Leute von Notzingen bezw. Mellingen wurden wegen Verdachts der Beteiligung vorläufig festgenommen.

Eßlingen, 8. Mai. Die Wärme der letzten Tage hat das Wachstum der Pflanzen in erfreulicher Weise gefördert; für die nötige Feuchtig­keit des Bodens wurde durch die Regenfälle im April ausgiebig gesorgt. Die Gras- und Kleefelder liefern bereits ein schönes Grünfutter, wodurch der Milch- und Butternot wohl einigermaßen abgeholfen wird. Die Weinberge geben zu Klagen keinen Anlaß, die Stöcke haben gut überwintert und zeigen keine faulen Augen. Das Pfählen ist nahezu voll­zogen. Die Frühjahrssaat ist besorgt, ebenso das Stecken der Kartoffeln. Die kalten Tage in der Osterzeit find an den frühen Kirschen- und Birn- sorten nicht spurlos vorübergegangen; doch hat der große Teil der nun verblühten Kirsch- und Birn­bäume reichlich Flüchte angesetzt. Nun kommen die Apfelbäume zur Blüte; späte Sorten bei der günstigen Witterung wohl in 8 Tagen. Bei dem reichen Segen in Aepfeln im Vorjahr ist wohl Heuer eine starke Aepfelernte nicht in Ausficht zu nehmen. Doch find an Obstmost noch schöne Vor­räte vorhanden.

Karlsruhe, 8. Mai. Das Kaiserpaar ist heute Vormittag von hier wieder abgereist. Um 10 Uhr 20 Min. erfolgte die Abfahrt der Kaiserin nach Gera und 10 Minuten später fuhr der Kaiser nach der Hohkönigsburg ab. Auf dem Bahnhof waren die grobherzoglichen und erbgroßheizoglichen Herrschaften sowie Graf Bülow zur Verabschiedung erschienen.

Köln, 8. Mai. Aus London meldet die Köln. Ztg.": Ein Telegramm derTimes" aus

Tokio schildert das Steigen der japanischen Ent­rüstung über Frankreichs Verhalten. Die vereinigten japanischen Handelskammern beratschlagten über Maßnahmen für die Einstellung aller Handels­beziehungen mit französischen Untertanen. Neue ernste Beunruhigung herrscht in den hiesigen poli­tischen Kreisen über die durch den fortgesetzten Neutralitätsbruch geschaffene Lage. Der englische Minister des Auswärtigen Lord Landsdowne hat sich, wie die Times Grund hat anzunehmen, der französischen Regierung gegenüber sehr scharf hierüber geäußert.

Frankfurt a. M., 8. Mai. Nach hier eingetroffenen Nachrichten wird der Kaiser zur Ein­weihung der MothäuSkirche nicht nach Frankfurt kommen. Die maßgebenden Körperschaften und Behörden haben beschlossen, morgen, am Todes­tage Schillers von 5 bis '/-6 Uhr nachmittags mit sämtlichen Glocken der Stadt läuten zu lassen.

Weimar, 8. Mat. Die großen nationalen Festlichkeiten zur Schillerfeier haben heute Vormittag mit den ersten Huldigungsakten an den Schtllerstätten begonnen. Der Fremden­zufluß ist ein seit Jahrzehnten nie dagewesener. Tie Straßen tragen Festschmuck. Viele Hunderte von Kränzen aus allen deutschen Gauen find an­gelangt. Der größte Teil der Bundes-Regierungen, ebenso alle deutschen und viele ausländischen Hoch­schulen find durch Delegierte vertreten. Die offiziellen Feiern beginnen unter Teilnahme aller thüringischen Fürstlichkeiten morgen früh mit dem Huldigungs­festzuge durch die Stadt.

Weimar, 8. Mai. Der Schillerverband deutscher Frauen hat heute im Namen seiner 35 Ortsgruppen der Schillerstifiung 250000 ^ zur Förderung ihrer satzungswätzigen Zwecke überwiesen; darunter befinden sich 50000 ^ aus Amerika.

Berlin, 8. Mai. Die großen und kleineren Feiern aus Anlaß der hundertsten Wiederkehr von Friedrich Schillers Todestag haben gestern in ganz Deutschland ihren Avfavg genom­men. In der Berliner Sozialdemokratie begann die Reihe der vom Schiller-Ausschuß vorbereiteten Feiern. Der Verein der Württemberger und die Berliner Arbeitcrinnenheime hielten ebenfalls Ge- t ächtniSfeiern ab. Abends hatte die freie Volks­bühne viele Tausende ihrer Mitglieder zu einer Schiller-Feier versammelt, wobei der österreichische Retchstagsabgeordnete Pernerstoiffer die Zusammen­hänge zwischen Schiller und Sozialismus zu finden versuchte. Ferner fand nach telegraphischer Meldung im historischen Eöchc-Theater von Lauchstädt eine imposante Gedenkfeier für Schiller statt. Weitere Feiern weiden u. A. aus Leipzig und Thorn, wo Schiller-Lir den gl pflanzt wurden, gemeldet. Auch aus dem Auslande wird über Schiller-Feiern be­richtet. In Wien begann gestern Vormittag die öffeniliche Schillcrfcicr mit einem festlichen Aufzuge von etwa 60 000 Kindern der Volksschule zum Schillerdenkmal, wo eine Huldigungsfeier stattfand. In New-Jork nahmen schon am Sonnabend die Schilleifeiern der Deutsch-Amerikaner ihren Anfang.

Berlin, 8. Mai. Der vom Göthebund geschaffene Volks-Schillerpreis ist den Dichtern Gerhard Houptmann, Karl Hauptmann und Richard Beer-Hoffmann zuerkannt worden. Jeder der Erkorenen erhält tausend Mark. Gerhard Havptmann hat den ihm zugesprochenen Teil des Volks-Schillerpreiscs dem Preisfonds wieder zur Verfügung gestellt.

Berlin, 8. Mai. Der Vorwärts-Redakteur Leid, welcher seiner Zeit wegen des bekannten Kaiserinsel-Artikels zu einem Jahre Gesängnis ver­urteilt worden war, wurde gestern aus dem Straf­gefängnis in Tegel entlcssen. Vor dem Gefängnis hatte sich eine tausendköpfige Menge eingefunden. Die Entlcssung erfolgte aber auf dem Polizeipräsi­dium in Berlin.

Berlin, 9. Mai. (Fortsetzung der Meldung aus Windhuk) Die gegen die Bande des Bethanier- kapitäns Cornelius entsandte Abteilung Zwchl, traf am 1. Mai 3 Werften am Kul'p, etwa 70 üm süd­westlich von Gibeon, ein und warf den Gegner, von dem 24 Mann fielen, in südöstlicher Richtung zurück. 500 Stück Großvieh und 2000 Stück Klein­vieh wurden erbeutet. Dieseits find keine Verluste zu verzeichnen.

Warschau, 9. Mai. Die gesamte Mann­schaft des hiesigen Bezirks-Kommando darunter zwei Obersten, mehrere Kapitäne und Unterleutnants find gestern verhaftet worden unter dem Verdacht, wohlhabende Bürgerssöhne vom Militärdienst be­freit zu haben.

Petersburg, 8. Mai. Auf der ganzen Front ist eine Bewegung der feindlichen Patrouillen bemerkbar. Auf der rechten Flanke der Japaner nähert sich Infanterie und Kavallerie Sauligas. Die Kosaken gingen unter dem Druck der japanischen Reiterei und der Tschungusen auf das linke Ufer des Dunltaoho zurück. Die Chinesen behaupten bestimmt, daß eine größere japanische Abteilung von der Küste Koreas in der Richtung auf Kirin marschiere.

London, 9. Mai. Morning Leader meldet aus Hongkong, daß Kohlenschtffe den Auftrag haben, nach den Macclesfieldfelsen abzudampfen. Diese Felsen befinden sich in der Mitte des chinesischen Meeres 500 englische Meilen nordöstlich von Saigon und 400 südlich von Hongkong. Es wird deshalb angenommen, daß RoschdjeswenSky und Nebogatow sich iu der Nähe der Macclesfieldfelsen treffen werden.

London, 9. Mai. Hier eingetroffene Mel­dungen bestätigen den Untergang des japanischen Flaggschiffes Mikasa. Nach einer Version soll die Mikasa von einer schwimmenden Mine ge­troffen worden sein, sodaß sie in die Luft gesprengt wurde. Die gesamte Mannschaft bestehend aus 700 Matrosen, soll ertrunken sein. Nach einer anderen Veision soll das Schiff infolge dichten Nebels aus einen Felsen gestoßen nnd untergegangen sein.

Schillertet« in Stuttgart.

K«ldigU«gert vor dem Schillerdenkmak.

Ein großes Dichtcrfest beging heute die schwäbische Hauptstadt. Es war ein Volksfest im vollsten Sinne des Wortes. Tausende waren aus ollen Teilen des Landes herbeigeströwt, um die Jahrhundertfeier zu Ehren des größten Sohnes des schwäbischen Volkes mitzufeiern. In den Straßen der Stadt wogte eine festlich gestimmte Menschen­menge. Das Hauptaugenmerk richtete sich vormittags auf den Schillerplatz, wo vor dem Schillerdenkmal zahlreiche Vereine und Korporationen ihre Huldigung darbrachten. Den Anfang machten der König und die Königin, welche am Denkmal prachtvolle Lorbeerkränze niederlegten. Vor der Abfahrt des Königspaares brachte Kaufmann Hans Schickhardt ein Hoch auf die Majestäten aus, in welches die Menge begeistert einstimwte. Die Musikkapelle intonierte das LiedHeil dir im Stegerkranz".

Unmittelbar nach dem König hat auch der Ministerpräsident vr. Breitling im Namen der Staatsregterung einen Kranz am Denkmal nieder- gelcgt. Hierauf folgte die Huldigung des Schwäb. Schiller Vereins, in dessen Namen Kabinettschef Baron v. Gemmingen - Guttenberg einen Kranz niederlsgte. Im Anschluß an den Schiller verein legte die württcmbg. Gruppe des Schillerverbands deutscher Frauen durch Frau Kabinettsrat v. Kübel einen Kranz nieder, der die Widmung trug:Drum soll ein ewiges zartes Band die Frauen, die Sänger umflechte«. Sie wirken und weben Hand in Hand den Gürtel des Schönen und Rechten." Nach 9 Uhr naht der Zug der militärischen Vereine von Stutt­gart. In dem Zug, der 1500 Mann stark war, marschierten drei Musikkorps. Nachdem sich die Vereine um das Denkmal ausgestellt hatten, stimmte das Musikkorps das LiedPreisend mit viel schönen Reden" an. Dann hielt Bezirksobmann Major v. Mauch eine Ansprache, worin er Schiller als den größten Volks-, Soldaten- und Jugeuddichter pries. Anschließend folgte die Huldigung des Kgl. Hoftheaters. Hofschauspieler Ellmenreich trug von den Stufen des Denkmals herab den Epilog zu Schillers Glocke von Goethe vor. Dann stimmte der Singchor des Hoftheaters einen Festgesang an. Zum Schluffe legte Hoftheaterintendant Baron v. Putlitz einen Lorbeerkranz nieder. (All die nach­folgenden Vereine aufzuzählen fehlt hier der Raum. D. Red.)

Freifrau von Gleichen-Rußwurm legte im eigenen Namen und in dem der Freifrau von Schiller einen Lilienstrauß, Lieblingsblumen Schillers, am Denkmal nieder. Namens des Laudesvorstands der sozialdemokratischen Partei Württembergs widmete Gemeinderat Eperka einen Kranz. Um 3 Uhr nach­mittags brachte der Schwäbische Sängerbund seine Huldigung dar.. Der Zug, in dem sich 43 Vereine mit ihren Fahnen befanden, nahm rings um das Denkmal Aufstellung. Den Reigen der Huldigungen schlossen abends 6 Uhr der Arbeiter-Sängerbund