Amts- und AnzeigeökaLL für den Bezirk Hakw.
73.
80. Jahrgang.
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Donnerstag, -en 11. Mai 1905.
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Tagesnenigkeite«.
* Calw, 10. Mai. Zu den Städten, die in würdigster Weise den Todestag des großen Dichterfürsten Schiller gefeiert haben, darf sich auch unsere Stadt zählen. Eine allgemeine Feier, eine Beteiligung aus allen Ständen der Bürgerschaft war es, die das Andenken an den Dichter zur Verherrlichung brachte. Der Zudrang zu der Feier in der Turnhalle war so groß, daß der Platz nicht ausretchte, um all die Schiller- Verehrer aufaehmen zu können. Eine dichtgedrängte Menschenmenge lauschte am Montag abend den Vorträgen, die die Erinnerung an Schiller hervorriefen. Das Festprogramm, von Rektor vr. Weizsäcker entworfen, war reich und interessant ausgestaltet worden und mit Eifer, Liebe und Geschick haben verschiedene Faktoren dazu beigstragen, daß den Zuhörern viel des Schönen geboten wurde. Der Festabend in der Turnhalle wurde eingeleitet mit einem Vortrag des „OrchestsrvereinS" und mit dem weihevollen Lied „Stumm schläft der Säuger", gesungen von dem „Liederkcanz". Hierauf sprach Rektor vr. Weizsäcker einen selbstgedichteten Prolog, worin er mit tiefer, wahrer Empfindung die Bedeutung des Abends beleuchtete und den Dichtergenius in schwungvollen Worten feierte. Mit dankbarer Anteilnahme und mit ungestörter Aufmerksamkeit folgten nun die Zuhörer der Aufführung des Lustspiels „Doktor Schmidt" von Carl Weitbrecht durch Mitglieder der Bücgergesellschaft unter Leitung von Verwaltungsaktuar Staudenmeyer. Die Aufführung war in allen Teilen hochgelungen, die handelnden Personen spielten mit Naturwüchsigkeit und feinem Verständnis ihre Rollen, die Ausstattung war prächtig, die Nachahmung der Zeitumstände vortrefflich, die ganzeHandlung stimmungsvoll und vom günstigsten Geschick begleitet. Die Pausen wurden in trefflichster Weise ausgefüllt durch Vorträge des Orchestervereins und durch Vorträge der Konkordia. Letztere sang 2 Lieder, „Sehnsucht" von Feuerbacher und „Frühling am Rhein" von Breu. Der zweite Teil des Programms brachte Schillers Glocke und Goethes Epilog zur Glocke, beide Gedichte vorgetragen von Rektor vr. Weizsäcker. Tief ergreifend wirkte der seelenvrll: Vortrag des herrlichen Gedichtes, das einen unauslöschlichen Eindruck auf die Zuhörer macht. Ein weihevoller Augenblick war es sodann, als nach den Worten Goethes: „So feiert ihn" der Vorhang des Theaters sich teilte und die Büste des Dichters, umgeben von dem Frühltngsgrün der Pflanzen sich den Augen der Zuschauer zeigte, als weißgekleidete Jungfrauen das Haupt des Dichters mit dem Lorbeer schmückten und Blumen an den Stufen niederlegten: ein Moment voll ergreifender Weihe. Schweigend saß die Menge, aber dann kamen Hunderte von begeistertsten Beifallsrufes. Mit dem Gesang des Liederkranzes „Freude schöner Götterfunken" fand die Feier einen würdigen und erhebenden Schluß. Am Dienstag vormittag fanden die Schulfeiern statt. Die Volksschule sammelte ihre Schüler in der TurMalle, das Realprogymnafium seine Schüler im Georgeuäum. Die Feiern bestanden aus Festrede, Gesang, Deklamationen und Verteilung des Mosapp'schen Schillerbnchleins. In der Turnhalle
hatte Hr. Stadtpfarrer Schmid, im Georgeuäum Hr. Oberreallehrer Schmehl die Festrede übernommen. Um eine bleibende Erinnerung an die Festfeier auch für spätere Geschlechter zu schaffen, wurde von der Schuljugend im Stadtgarten eine Schillerlinde gepflanzt. In festlichem Zuge bewegten sich die Schüler von der Turnhalle durch die Straßen zu der bestimmten Stelle im Stadtgarten, wobei das junge Bäumchen von Schülerinnen getragen wurde. Nach dem Gesang von „Regst du o Lenz die jungen Glieder" wurde die Linde von Mädchen gepflanzt mit frommen Wünschen für das kräftige Wachstum des Baumes. Der Weihespruch, von Rektor Vr. Weizsäcker gedichtet, war sehr wirkungsvoll und finnig ausgedacht. Mit dem frischen Wanderlied „Der Mai ist gekommen" fand die schöne Feier mit dem lebensfrohen, lieblichen Bild der vergnügten Kinderschar einen finnigen Abschluß. Daß aber auch die gesamte Einwohnerschaft nicht zurückstand in der Ehrung des großen Naiionaldichters, des treuen Sohnes des Schwabenlandes, bas bewies die ungewöhnlich zahlreiche Beteiligung der Bürgerschaft bei der Huldigung vor dem Schiller- denkmal am Georgenäum. Auf den Gesang des Liederkcanzes „O Schutzgetst alles Schönen" von Mozart folgte eine schwungvolle Festrede von Stadtschultheiß Conz. Mit weithin vernehmbaren Worten feierte der Redner in bilderreicher Ausführung Schiller als Freund der Freiheit, als Verfechter der Ideale für alles Schöne und Wahre, als persönlicher Charakter, als begeisterter Verehrer der Familie und des Vaterlandes. Reichster Beifall folgte den gedankenreichen, packenden Ausführungen. Den Schluß der Feier bildete ein Gesang der Konkordia „Hoffnung" von Feuerbach er. Das Georgenäum erstrahlte in Hellem Lichterglanz, aus dem sich die Statue Schillers imponierend hervorhob. Während der Huldigung am Georgenäum hatte sich die Schuljugend auf dem Hohen Felsen versammelt. Ein mächtiges Feuer loderte auf dem Berge, der ganzen Stadt verkündend, daß dieser Abend dem Andenken des großen Dichters geweiht sei. In langem Zuge zog die Jugend mit Fackeln auf den Brühl, ein prächtiges Bild, das mit Illumination der Schillerstatue aufs schönste harmonierte. So hat auch unsere Stadt den großen Dichter würdig gefeiert und bewiesen, daß sie nicht zucückbleibt, wenn es gilt, das Andenken an einen Mann zu ehren, der unendlich viel Gutes geschaffen hat, und dessen Werke fortleben bei allen Geschlechtern. — Die Festaufführung wird heute Abend in der Turn Halle wiederholt werden. Auf der Altburger Höhe, wo ein großes Feuer brannte, war eine große Menschenmenge versammelt, um in herrlichem Ausblick die Höhenfeuer auf der Alb zu sehen. Man zählte etwa 30 Feuer, die Zeugnis davon gaben, daß überall in Schwaben dem größten schwäbischen Dichter Liebe und Verehrung dargebracht werden.
Calw, 10.Mai. Die Höhere Handelsschule beging gestern nachmittag eine Schiller- feier im Badischen Hof. Die Festordnung umfaßte Klavier-, Cello- und Gesangsvorträge, Rezitationen und Aufführungen von Scenen aus Tell: Der Schwur auf dem Rütli. Direktor Weber wies tu schwungvollen, markigen Worten auf die hoch
bedeutende Gestalt Schillers und auf dessen großartigen Einfluß auf das Geistesleben Deutschlands bin. Die Festrede hielt Handelslehrer Hein dl. Der gewandte, ansprechende Redner entwickelte ein lebensvolles Bild des großen Dichterfürsten und zeichnete mit feinem Verständnis die Geisteskraft und die reine, für alles Hohe und Schöne begeisterte Natur des Dichters. Die Schwurscene auf dem Rütli wurde von Schülern flott ausgeführt und mit großer dramatischer Belebung wiedergegeben. Das Podium war hübsch dekoriert, die Schweizerlandschaft aufs schönste nachgeahmt. Die ganze Feier gestaltete sich zu einer wohl abgerundeten und wirkungsvollen Huldigung des großen Dichters.
Calw, 10. Mai. Von heute zugeführten 356 Stück Rindvieh wurden 210 Stück verkauft. Die Preise hielten den seitherigen hohen Stand. Auf den Schweinemarkt waren 30 Körbe Milchschweine und 61 Stück Läufer zugebracht, die raschen Absatz fanden. Milchschweine wurden mit 28 bis 46 und Läufer von 50 bis 140 pro Paar bezahlt. An Pferden waren 25 Stück zugeführt.
Leonberg, 8. Mai. In Ditzingen brach gestern abend kurz nach 9 Uhr Feuer aus, dem das Wohnhaus und die Scheuer des Jokob Friedr. Ballier und eine Scheuer des Lindenwirts Siegle zum Opfer fielen. Es liegt Brandstiftung vor.
Stuttgart, 8. Mai. Die Jahrhundertfeier zu Ehren des Dichterfürsten Schiller wird in der schwäbischen Residenzstadt unter zahlreicher und herzlicher Teilnahme von allen Bevölkerungsschichten begangen. Die Ausschmückung der Stadt ist eine prachtvolle. Stuttgart erstrahlt in einem Festglanz, wie seit langem nicht mehr. Viele Häuser nicht nur in den Hauptstraßen, sondern auch in den entlegenen Gegenden find beflaggt und mit Guir- landen und Draperien geschmückt. Besonders schön dekoriert sind die Häuser an der Königsstraße. In den Schaufenstern find Schillerbüsten unter reicher Dekoration aufgestellt. Auf dem Schillerplatz ist das Denkmal von der Anpflanzung und dem eisernen Gitter freigemacht worden. Den Platz umgibt eine Umrahmung in Form einer Brüstung. Die Feuerschalen tragenden Pilaster schmücken Gipsreliefs mit Gestalten aus Schillers Dichtungen. Die Dekoration ist in den Farben weiß, orange und grün ausgeführt. Die Einfriedigung ist mit Guirlanden umwunden. Der gegenüber liegende „König von England" ist mit violett und lila Stoff dekoriert, lieber dem Hauptetngang hängt in goldenem Kranz ein Bild des Dichters, darunter die Inschrift: „Er war unser." Prächtig dekoriert ist ferner das Kronprinzenpalais und das RetchSbankgebäude. In den Schaufenstern des Breuntngerschen Kaufhauses find Bilder aus Schillers „Glocke" dargestellt. — Die Reihe der Huldigungen am Schillerdenkmal eröffnete die Studentenschaft von Stuttgart und Hohenheim mit einem Fackelzug. In dem Zug, der sich vom Gewerbehalleplatz durch verschiedene Straßen zum Schillerplatz bewegte, befanden sich 3 Musikkapellen, an der Spitze die Dragonerkapelle zu Pferd. Vor Ankunft des Zuges nahmen die Chargierten mit den Bannerträgern auf den Stufen des Denkmals