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antwortete der Kaiser: Er habe mit Vergnügen gehört, daß Pforzheim in den letzten Jahren einen so bedeutenden Aufschwung genommen habe. Die Erzeugnisse der Psorzheimer Industrie kommen wohl sehr wett in der Welt herum. So habe er erst kürzlich einen goldenen Säbel gesehen, der für einen Radjah in Indien bestimmt gewesen sei, derselbe stammte aus einer Psorzheimer Fabrik und sei mit Steinen reich ausgelegt. Er stelle ein wahres Kunstwerk vor. Herr Schober erwiderte hierauf, daß die Psorzheimer Bijouterie nicht nur nach Indien, sondern über die ganze Erde komme. Hierauf erkundigte sich der Kaiser, ob die neuen Handelsverträge auch von Einfluß auf die Bijouterie- Industrie gewesen seien. Herr Schober antwortete, daß sie in Italien keinen Grund zur Klage hätten; sie seien im Gegenteil noch viel besser daran als früher. Der Kaiser bemerkte hierauf: Gott sei Dank! Endlich finde ich auch jemand aus industriellen Kreisen, der mit den Handelsverträgen zufrieden ist.
Bonndorf, 25. April. Hier starben binnen kurzer Zeit eine Frau und ein '/- Jahre altes Kind. Die Krankheitserscheinungen sollen ähnliche wie bei Genickstarre sein. Das Bezirksamt hat die Sperrung des betreffenden Hauses verhängt.
Baden-Baden, 24. April. Ein seltener Fund wurde vor einigen Tagen in Sandweier gemacht. Beim Setzen eines Bäumchens fand der Landwirt Leopold Müller etwa 140 Stück alte Silbermünzen, von welchen mehrere von fachmännischer Seite als sehr selten bezeichnet werden.
Bruchsal, 22. April. In der vorigen Woche wurde aus dem hiesigen Männerzuchthaus auf Verfügung des Landgerichts Freiburg ein Mann entlassen, der, wie das Wiederaufnahmeverfahren ergeben dürfte, über 7 Jahre unschuldig in der Strafanstalt verbringen mußte. Der Beklagenswerte war wegen Brandstiftung zu 8 Jahren Zuchthaus v-rurteilt auf Grund der Aussage eines Zeugen, der sich jetzt nach so langer Zeit des Meineids angeklagt hat. Zur Erledigung der Angelegenheit war ein Landgerichtsrat von Freiburg hierhergekommen, welcher den Mann in der Strafanstalt verhörte und ihm die Eröffnung machte, daß das Wiederaufnahmeverfahren eingeleitel und er aus der Strafhaft entlassen sei. Eine Geldentschädigung wird dem Manne nach dem Gesetz allerdings zuerkannt werden, aber für die ansgestandenen Seelenqualen kann ihn niemand entschädigen. Von der sonst bei guter Führung häufig vorkommenden früheren Entlassung aus dem Zuchthaus war bei ihm vermutlich deshalb keine Rede, weil er im Bewußtsein seiner Unschuld sich wohl manchmal nicht in seine Lage zu fügen vermochte und seiner Stimmung entsprechenden Ausdruck verlieh.
Vom Bodensee, 25. April. Wie anderwärts, sind nun auch in der Bodenseegegcnd sogen, städtische Seefischmärkte eingerichtet worden und es haben nach den stattgefundenen Märkten und ihrer Frequenz zu schließen, diese großen Anklang gefunden. In Lindau wurden beispielsweise kürzlich 17 Zentner zu Markt gebracht und das ganze Quantum innerhalb 2 Stunden abgefetzt. Im Ausschnitt kosteten die Fische per Pfd. 25 A Schellfisch 30 A bei Abnahme ganzer Fische wurde das Pfd. mit nur 20 H berechnet. (Werden die Bodenseefische, die bekanntlich nicht billig find, jetzt wohlfeiler werden?)
Berlin, 25. April. Ein furchtbares Familiendrama hat sich heute Nacht im Hause Taubenstraße 5 abgespielt. Dort hat die Frau des Portiers Kaufmann sich und ihre beiden Kinder, ein Mädchen von 9 und einen Knaben von 6 Jahren mit Lysol vergiftet. Während die Kinder sofort tot waren, lebte die Frau, welche gleichfalls Lysol getrunken hatte, noch, als Kaufmann heimkehrte. Sie wurde nach der Charitö gebracht. Die Beweggründe zur Tat sollen in zerrütteten Familienverhältnissen zn suchen sein.
Paris, 25. April. Aus Petersburg wird gemeldet: Das Herannahen des 1. Mai erfüllt die Bevölkerung mit Besorgnis, obwohl augenblicklich vollkommene Ruhe herrscht. Die Putilow- werke haben endgültig ihre entlassenen 8000 Arbeiter durch neue ersetzt. Ucbrigens find genügende militärische Vorbereitungen getroffen, sodaß kaum etwas zu befürchten ist. Nichtsdestoweniger entleert sich Petersburg. In den letzten 14 Tagen find mehr als 150000 Pässe ausgegeben worden. In den Petersburg verlassenden Zügen ist kein leerer Platz.
Petersburg, 25. April. General Stössel soll nun doch vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Die Anklage lautet auf Ueberschreitung seiner Vollmachten, da das Recht zum Abschluß einer Kapitulation nur dem Festungskommandanten Smirnow zustand.
London, 25. April. Daily Graphic meldet, daß der Kaiser von Rußland die Absicht hat, am nächsten Sonnabend eine neue Proklamation zu erlassen, in welcher die Einführung bedeutender politischer Reformen angekündigt wird.
Messina, 23. April. Heute vormittag fand an Bord der „Hohenzollern" Gottesdienst statt, der Kaiser sprach die Liturgie, Militär-Oberpfarrer Goens hielt die Osterpredigt. Später begaben sich die Kaiserin und der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha an Land und machten dem erkrankten militärischen Begleiter des Herzogs Hauptmann von Eckards im Krankenhaus einen Besuch. Das Publikum bereitete der Kaiserin lebhafte Kundgebungen. An Bord kamen zahlreiche Blumevspenden. Zur Frühstückstafel bei Ihren Majestäten auf der Hohenzollern waren Einladungen ergangen. Der
Kaiser und die Prinzen hatten auf dem Oberdeck in der Takelage Ostergeschenke versteckt, die von den Mannschaften gesucht wurden.
Messina, 24. April. Nach der gestrigen Abendtafel begann ein Korso von Booten um die Hohenzollern. Auf einer geschmückten Jacht brachten D amen und Herren eine Serenade dar. Auf einer anderen spielte eine Musikkapelle. Das Kaiserpaar, die Prinzen und das Gefolge waren auf Dcck. Der Kaiser befahl der Kapelle der Hohenzollern, die italienische Hymne zu spielen, welche mit Bravorufen und Händeklatschen ausgenommen wurde. Die italienische Kapelle erwiderte mit der deutschen Hymne. Die Scheinwerfer der „Hohenzollern" und des „Friedrich Karl" beleuchteten die Dampfer und Boote, die Stadt und die Berge.
Venedig, 25. April. Kaiser Wilhelm trifft am nächsten Montag in Venedig ein und wird, wie verlautet, die Minister Tittoni und Golu- chowsky bei sich empfangen. Die Stadtverwaltung plant zu Ehren des Kaisers eine Serenade und festliche Beleuchtung des Markusplatzcs.
Madrid, 25. April. Die königliche Familie schwebte gestern in ernster Gefahr. Sie fuhr im Automobil eine Anhöhe hinauf, als die Bremse versagte und das Gefährt hinabzurutschen begann. Nur dem Umstand, daß dasselbe auf einen Wagen stieß, ist es zu danken, daß kein größeres Unglück entstand.
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Petersburg, 25. April. Gerüchtweise verlautet, K uro patktn werde abberufen und im Kommando der 1. Armee durch den General Kaulbart ersetzt werden.
— Admiral Togo hat seine Flotte südlich von Formosa konzentriert. DaS Kreuzergeschwader Kamimuras steht zwischen Formoso und Manilla. — In Tokio sagt man, wenn Frankreich jetzt seine Schuldigkeit tue, so habe es bisher dieselbe nicht getan, denn es habe dem russischen Admiral Zeit gelassen, seine Vorbereitungen für die Weiterfahrt in dem französischem Hafen zu treffen. Auch vermutet man in Tokio, daß der russische Admiral sich darauf beschränke, etwas weiter von der Küste wegzurücken, daß er aber in den französisch-indischchinesischen Gewässern bleiben werde.
Berlin, 25. April. Nach einer Meldung aus Tsingtau sei der Kreuzer „Sperber" am 22. ds. in der Formosa-Straße mehreren japanischen Kriegsschiffen begegnet, die ein anderes schwer beschädigtes Schiff im Schlepptau hatten.
Paris, 25. April. „Herold" meldet aus Shanghai, die Meerengen von Tsugari und Psruge werden nachts durch die Scheinwerfer der japanischen Torpedoboote taghell beleuchtet, um ein Durchschlüpfen der russischen Schiffe zu verhindern. Die japanische Flotte befindet sich südlich
Razin, dann strigen wir olle zu Pferds: bei meiner Srrligkeit, dann holen wir uns die Freiheit, uns und unser» Kindern!"
Mich überraschten diese Bekenntnisse keineswegs. Diesem schlauen Art'llerie- lieuterrant war eS zuzutrauen, daß er selbst im Scheiden Wind säete, um Sturm zu ernten. ES war di« höchste Zeit, daß der gefährlich« Mensch das Feld räumte. ES märe vergeblich gewesen, den alten Mann fitzt vufzuk!ären, ich ermutigte ihn vielmehr, weiter zu reden.
„Hm," sagte der alte Kosak, „eins möchte ich dem Herrn General noch sagen. Wir verstehen und auf die fremden Worte nicht. Da sprach der Herr Lieutenant von einer Konstitution. WaS ist das nun? fragte einer. Vielleicht die Frau vom Großfürst Konstantin? Da lachte der Herr Lieutenant und meinte, so etwa- würde es wohl sein. Dann sprach er von Republik. WaS ist das nun wieder, Herr? Und das Staunen von allen! Gut, sagte ich, wir werden rufen: ES lebe die Republik! wie der Herr befiehlt, wer aber wird dann Zar sein? Da giebt rS keinen Zaren mehr, meinte der Herr Lieutenant. Herr, das geht nicht in Rußland!" riefen wir alle. Mit der Republik mags sein, aber sie muß wenigstens «inen Zaren haben.
„Schaüen's Herr General, das hat uns stutzig gemacht und nachdenklich. Herr General wissen selbst, wir Russen stehen wie eine Mauer im Kugelregen, ohne eine Wimper zu zucken, aber Gehorsam muß sein, und wem sollen wir gehorchen, wenn's keinen Czaren mehr gibt? Das ist eine böse Sache, und da wird's also auch mit den anderen schönen Dingen nichts sein!"
„Ihr seid ein braver Manu," erwiderte ich ihm. „Fahrt fort, so zu denken, und warnt die Anderen. Zn einem Verbrechen will man Euch verleiten und Ihr alle würdet unglücklich werden. Seid froh, daß dieser falsche Prophet abreist. Er wird hoffentlich schon von selbst auf andere Bedanken kommen. Gute Nacht!"
Genau so, wie der alte Kuzmin, dachten Millionen, bereit, blindlings Gut und Blut für ein Idol zu opfern und vorwärts zu stürmen, aber es muß mit ihren Begriffen stimmen, die einstweilen noch andere find, als die der westlichen Nationen. Und so ist es auch gekommen, daß mitten in der Begriffsverwirrung ein kühles Wort zur rechten Zeit Tausende von Verblendeten in
den Bann der Pflicht zurückrief.
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ES würde schon zu weit führen, die festliche Haupt- und Staatsaktion des folgendeu Tags im Einzelnen zu schildern.
Ich übergehe die zahlreiche Versammlung in den weiten Sälen des Herrenhauses, die Ankunft neuer bistinguirter Gäste, die zum lauten Halloh der Dorfjugend in langen Schlittenzügen heranfuhren, weiter die Ceremonie der Segnung der Braut mit dem Heiligenbild, das nach allrussischer Sitte ihr geschenkt wird, endlich den feierlichen Zug in die Schloßkapelle, die trotz des Winters mit hohen Tannen und reichem Blumenschmuck, den man aus den Treibhäusern von Moskau verschrieben hatte, ausgeziert war.
Was soll ich nun sagen von dem ergreifenden Gesang des Popen und des ihm assistireuden Psalmisten, was von der feierlichen Handlung der Trauung selbst — wie Bräutigam und Braut zwei- und dreimal um den heiligen Tisch schritten, der in der Mitte der Kirche stand — wie während dieses Ganges die Kronen über die Häupter der Neuvermählten gehalten wurden und der feierliche Chorgesang ertönte.
Erwähnt sei, daß als Brautmutter Tatiana'S die alte Haushälterin Sascha fungierte, während der greise Jsprawnik dem Leutnant Wadkowskt die Ehre der Stellvertretung seines Vaters erwies. Zwar hatte der alte Uschakoff mich zuerst zu dieser Rolle ausersehen, war aber der entscheidenden Ablehnung von Seiten WadkowSki'S begegnet. (Fortsetzung folgt.)