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mütigkeit beschlossen, die Summe von 50000 FrkS. für eine Schillerstiftung zur Verfügung zu stellen, wenn von privater Seite womöglich auf den 9. Mai ein Beitrag von gleicher Höhe aufgebracht wird. Der Zinsenertrag soll schweizerischen Dichtern zu gute kommen. Der Aufruf sagt: „Wo Not und Sorge an die Tür deS schweizerischen Dichters klopfen, der unsere heimische Litteratur bereichert hat, da soll die Schillersttftung schützend und lindernd ein- treten und denjenigen in alten und kranken Tagen beistehen, die trotz anerkennenswerter Leistungen nicht im Stande gewesen find, Schätze zu sammeln und auf das Alter Bedacht zu nehmen.
Paris, 22. April. Im Laufe des gestrigen Tages unternahm der Kolonialminister im Namen der Regierung Schritte bei Delcassö, um ihn zu bitten, von seinem Entschluß, zu demissionieren, Abstand zu nehmen. Delcassö weigerte sich energisch, worauf sich alsdann Ministerpräsident Rouvier zweimal in das auswärtige Amt begab. Auf das Drängen RouvierS hin habe sich Delcassö schließlich bereit gefunden, seine endgültige Antwort 24 Stunden hinauszuschieben.
Paris, 24. April. Aus Petersburg wird gemeldet: Der Zar gab dem Adelsmarschall der Provinz Kostrowo den Befehl, den Mitgliedern des dortigen Bezirks folgendes mitzuteilen: Mein Plan in der Angelegenheit der Einberufung einer Volksvertretung ist unerschütterlich und der Minister des Innern beschäftigt sich mit allen Kräften au der Verwirklichung dieses meines Vorhabens.
Rom, 22. April. Der Eisenbahnbetrieb ist überall wieder ausgenommen worden. In Mailand zogen 2500 Eisenbahner in stillem Zuge vom Vereinshause zum Bahnhof, wo sie wieder in den Dienst traten. In Neapel und Florenz kam es zu heftigen Auftritten mit den Führern der Bewegung. Auch mit der sozialistischen Partei und mit dem Arbeitersekretariat find die Eisenbahner höchst unzufrieden, weil sie die Bewegung nicht praktisch unterstützten.
Warschau, 22. April. Ein betrunkener bewaffneter Infanterist feuerte an einer lebhaften Straßenecke ans seinem Gewehr mehrere Schüsse ab und verletzte zwei jüdische Arbeiter und ein Mädchen schwer. Ein Schutzmann und Soldaten von einer Patrouille, die auch betrunken waren, konnten den Mörder nicht entwaffnen. Dieser tötete dann noch den Maler Tropinskt und verletzte einen Telegrophen-Feldwebel schwer, bis er ergriffen und gefesselt werden konnte. Dieser Vorfall erregt in der Stadt große Entlüftung. — Auf der Güter- station der Weichselbahn in SoSnowice verhinderten zahlreiche Arbeiter die Einladung von Waren unter Geltendmachung neuer Arbeitsbedingungen.
Petersburg, 22. April. Das Gesuch Kuropatkins, als Kommandeur der ersten Armee den Gehalt des Oberstkommandierenden im Betrage
von 140 000 Rubel weiter beziehen zu dürfen, ist abschlägig beschicken worden.
Petersburg, 22. April. Der Mörder deS Großfürsten Sergius wird, wie bestimmt versichert wird, nicht hingerichtet, sondern lebenslänglich im Kloster Susdäl eingcsperrt werden.
PeterSburg. 24. April. Die Schiffahrt auf der Newa hat wieder begonnen. Der Hafen- kommandant durchfuhr gestern den Fluß, während die Batterieen die übliche Salve abgaben. — ES herrscht starkes Schneegestöber. — Die Polizei verhaftete gestern eine Anzahl Journalisten, die geheime Versammlungen abgehalten hatten, um für den Massenaufstand zu agitieren.
Petersburg, 24. April. Die Bevölkerung wurde gestern stark beunruhigt wegen des Bäcker- auSstandes, der plötzlich erklärt worden ist. Cirka 10 000 Bäcker streiken. Sie fordern eine Lohnerhöhung. Die Polizei versuchte, eine Gruppe von etwa hundert Bäckern zu zerstreuen und hatte bereits einige Verhaftungen vorgenommen, als plötzlich die Ausständigen Verstärkung erhielten und ihre verhafteten Kameraden befreiten. Dann setzten ste ungehindert ihre Kundgebungen fort. Der Brotpreis ist aufs fünf- bis zehnfache gestiegen. Die Brotversorgung ist von den Gemeindebehörden übernommen worden.
Washington, 22. April. Nach den letzten Meldungen aus Shanghai haben gestern in Peking Verhandlungen zwischen Deutschland und China zwecks Abschlusses eines Handelsvertrages begonnen.
Am jiMlsH-mMe» Krtez.
Petersburg, 24. April. Vom Kriegsschauplatz herrscht noch immer Nachrichtenmangel. Auf Befehl des Zaren ist eine Liste von Kriegsschiffen zusammengestellt worden, welche sofort in Bau genommen werden sollen. Sie umfaßt mehrere Kanonenboote, 31 Torpedoboote und 10 Küstenverteidiger. Aus der Mandschurei wird berichtet, daß General Linjewitsch 20 Telegraphisten standrechtlich erschießen ließ, weil ste den Japanern Nachrichten übermittelt hatten.
Paris, 24. April. Wie der „Tcmps" aus Saigon meldet, wurde vorgestern abend eine von der Kamran-Bucht helkommende Kanonade gehört. Vermutlich handelt es sich um ein Seegefecht mit japanischen Aufklärungsschiffen.
Paris, 22. April. Die Frage der baltischen Flotte ist gelöst, da Admiral Roschdjeswenski vom Zaren den Befehl erhalten hat, das anamitische Meer zu verlassen.
London, 24. April. „Central News" berichtet aus Petersburg: Mit großer Bestimmtheit verlautet, daß rin Seegefecht in den chinesischen Gewässern stattgefundcn habe. Eine amtliche Mitteilung hierüber fehlt noch.
Saigon, 24. April. Dampfer fahren täglich mit bedeutenden Vorräten und Proviant ab,
um zu dem Geschwader RoschdjeswenSkyS zu stoßen. Man veranschlagt die Vorräte an Kohlen, welche augenblicklich in Saigon für die Russen aufgestapelt sind, auf 45 000 Tonnen. Der Dampfer „Hindu" ist damit beschäftigt, weitere Kohleuladungen für die Russen zu verladen. Die hiesigen Handelsfirmen machen umfangreiche Geschäfte mit dem russischen Geschwader.
Vermischtes.
8 Die IV. Klasse. Noch immer bildet die Mainlinie auch die Grenze der vierten Wagenklasse. Baden, Württemberg und Bayern konnten sich bisher nicht befreunden mit einer VerkehrS- einrichtung, welcher jetzt die Rolle zugefallen ist, der Prüfstein für die Geneigtheit der süddeutschen Staaten zum Anschluß an Preußen in Etsenbahn- sachen zu werden. Was uützt aller gelehrte Schwall von Herabdrückung des Ansehens eines ganzen Volkes durch die Einführung von Transportgelegenheiten, welche einer hochentwickelten Kultur Hohn sprechen! Solch' empfindsame Naturen passen nicht zu Propheten für die nächste Zukunft. Denn diese verlangt praktische Einrichtungen: Einrichtungen, welche billig sind, also wenig Geld verschlingen und doch ihren Zweck erreichen. Welche andere Einrichtung für die Masse ist aber vor der Einführung der vierten Wagenklasse zu nennen? Billig und doch zweckentsprechend! Und man denke sich doch keine Wagen der alten Bauart der vierten Klasse in Preußen, Wagen wie die alten württembergischen Güterwagen, nur an den Wänden entlang kümmerliche Sitze. Vielmehr müssen wir uns die einzuführende vierte Klasse cls Wagen vorstellen mit einer Bauart wie die älteren Wagen der jetzigen dritten Klasse. Dann wird uns der Gedanke an die vierte Klasse bald nichts Abstoßendes und Befremdliches mehr sein, vielmehr werden wir der ganz enormen Ersparnis an Volksverwögen freudig gedenken müssen, welche durch eine billige Beförderung der Massen erzielt wird.
— Afrikanische Zwerge. Der bekannte englische Forschungsreisende Oberst Hartson traf am 11. April nach einer Reise durch den Stanlei- wald im Kongofreistaat in Kartum ein. Oberst Harison brachte sechs von den Zwergen mit sich, die Stanley zuerst in seinen Werken beschrieben hat. Die kleinen Leute, deren Alter 18—34 Jahre ist, sind zwischen 1,12 und 1,37 Meter groß. Sie kamen freiwillig mit Oberst Harison, der sie nach London schickt mit dem Versprechen, sie wieder in ihren Urwald zurückzubefördern, falls ste nicht in England bleiben wollen. Die Zwerge sind, wie der Oberst feststcllte, noch sehr zahlreich. Sie leben am Rand des großen Walds, dessen Inneres ste nur betreten, um sich zu verstecken. Eine Woche, bevor der Oberst die Zwerge kennen lernte, hatten diese eine Karawane überfallen und 17 Träger getötet. Der Oberst fand sie dagegen durchaus um-
Worte Wadkowsk?s -indrang. Aber er mußte eine Ahnung haben, daß ich ihn völlig verstand. Sein Auge war wiederholt forschend auf mich gerichtet, und er mochte nun erst darüber Nachdenken, daß ich ihn gereizt, weil ich ihn vollkommen durchschaute. Kurz, meine Gegenwart schien einen lastenden Druck auf ihn zu üben, und er begann, wie ich bemerkte, mit seiner Braut ein leises und heftiges Gespräch, worin eS sich zweifellos um Shsrwood und Jamestown handelte, wenigstens hörte ich deutlich diese Namen.
Die Couversation nahm bald eine andere Wendung. Man sprach über den Huldigungseid, den wir demnächst dem Großfürst Konstantin Paulowitsch, dem ältesten Bruder des Kaisers, zu schwören haben würden.
Die Charaktereigenschaften des sehr unbeliebten Großfürsten, der in den letzten Jahren als Statthalter von Polen ein wildes Leben in Warschau geführt, wurden ziemlich freimütig beleuchtet, und es gab viele, welche die Zukunft Rußlands nur im düstersten Licht sahen und den Ausbruch einer allgemeinen Revolution, gerade Konstantins halber, für unvermeidlich hielte».
Es war noch nicht spät geworden, aber da sich bet mir die Ermüdung der zweitägigen Reise geltend machte, verließ ich ohne Aufsehen die Gesellschaft, um mich zur Ruhe zu begeben.
Mein Weggehen war dennoch nicht unbemerkt geblieben. Noch aus der Treppe ereilte mich der alte Uschakoff.
„Alter Freund und Waffenbruder! Wie ist das? — Aha, ich merke, du bist müde. Auch gut, komm', ich bringe dich i« deine Kabine."
„Danke, General. Für mein Nachtquartier ist gesorgt. Ich wohne beim Popen."
„Wie, du verschmähst mein Hau« ?" — Das gebe ich nicht zu, unter keinen Umständen."
ES kostete somit doch noch einige Mühe, mich frei zu machen; die Unruhe im Schloß, deS ganz von Gästen überfüllt war, dann meine alt« Freundschaft mit dem allen Smirnoff — beides überstimmte endlich die Argumente deS alten Herrn; gleichwohl ließ er es sich nicht nehmen, mich wenigstens über den Hof zu geleiten, nachdem er drn alten Kuzmin gerufen, sich fertig zu machen und eine Laterne zu holen, um mich zum Hause deS Popen zu führen.
Während wir warteten, fragte Uschakoff: „Sag, alter Kamerad, was hältst du eigentlich von meinem Schwiegersohn?"
„Ein Kavalier «owme il kaut," sagte ich, „ein raffinirtrr Kopf. Ich glaube, man kann beiden Teilen gratulieren."
„Freut mich, wenn er dir gefällt. Wärst du früher gekommen, hätte ich mein Wort eingelöst von Anno Vierzehn. Aber die Mädchen und die Kirschen weißt du — die kann man nicht lange bewahren, nicht im Hause, nicht auf dem Baum. Und was nicht tief wurzelt, das wipfelt auch nicht hoch. Laß dir sagen, die Sache ist nicht erst von gestern, ist auch nicht so glatt gegangen. Eigentlich war der Pakt schon fertig seit beinahe vier Jahren. Da kam Böses dazwischen. Ich schöpfte Verdacht, daß auch er nicht sauber unter dem Brusttuch, meinte, daß er auch zu der Schwefelbande gehörte, und gab ihm kurzweg den Lauspaß. Aus Feuerbränden kann man kein Hau» bauen. Freut mich, daß er sich nun bekehrt hat. Rechte Weiberhand kämmt auch TcufelSmähnen glatt. Mit seinen Worten darf man'» nicht so genau nehmen, da spukt noch da» wilde Feuer. Aber so find sie alle. Nitschewol Reich ist er auch, und Tatiana welkte hin zum Erbarmen. So will ich mich denn drein ergeben und dem Gaul nicht weiter in die Zähne sehen."
Jetzt schien mir der rechte Augenblick gekommen für mein Anliegen.
(Fortsetzung folgt.)