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64.

Amts- und Anzeigeökatt für den Bezirk Gakv.

80. Iahrgavg.

«rsq«ku!ns»taz-: DienTtoz, Donnerrtag, «amS- t aa, Eonntaz. JnsertiontpreU 10 Pfg. pro geile für Stadt uns SqtrUorte: nutzer Srztrl 1L Pfz.

Dienstag, den 25. April 1905.

!> AbonnementSpr. in b. Ttadtpr.Mertelj. Mk. 1.10 incl.TrLperl.

Vicrtekjährl. PostdezugSprciS ohne Bestellg. f. d. Ort«- u. Nachbar- ^ ortLverkehr 1 Ml., f. d. sonst. Verkehr Ml. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.

Tagesneaigkeiten.

Calw. Vom 1. Mai ab wird der Post­botengang zwischen Neubulach undTetnach auch Sonn- und Feiertags ausgeführt.

Herrenalb, 24. April. In benachbarten Gaistal wurde im Hause des Holzhauers Stoll eingesttegen und eine Kommode erbrochen Aus einigen Geldsäckchen wurden die Ersparnisse des letzteren Jahres mst 4500 gestohlen. Als Täter hat mau einen Handwerksburschen im Ver­dacht, der in der Nähe des Hauses beobachtet wurde und der schon einige Tage vorher in Loffenau einen Einbruch verübt hat.

Dornstetten, 24. April. Aus den hie­sigen Staatswaldungen kamen in letzter Woche ca. 1100 Fm. Lang- und Klotzholz zum Verkauf. Da­bei wurden durchschnittlich 126 °/<> des Revierpreises erlöst.

Stuttgart, 22. April. I« Königin Olga- Bau und im Zahnradbahnhof sind Fernsprech- Automaten für den öffentlichen Verkehr auf­gestellt worden.

Cannstatt, 22. April. Die Speisung be­dürftiger Schulkinder im Kaffeehaus des evang. Vereins ist mit Beginn des Sommer- halbjahrS wieder eingestellt worden. Von Ende November bis 1. April wurden 2048 Portionen L 30 A ^ 614 verabreicht, teils ganz frei, teils gegen 10 F pro Portion. An 3 Wochentagen wurden Knaben, an 3 anderen Wochentagen Mädchen gespeist. Die Kosten wurden durch Beiträge von Privaten, der Armenpflege und des Lokalwohltätig­keitsvereins gedeckt.

Reutlingen, 21. April. Die hiesigen Lehrer werden am 6. und 8. Mai abends und am

Sonntag, den 14. Mai nachmittags in der Bundes­halleDie Jungfrau von Orleans" zur Aufführung bringen. Da die Stadt die Garantie für ein Defizit bis zu 300 übernommen Hot, konnten die Eintrittspreise auf 30 und 40 A festgesetzt werden. Zu der Aufführung werden neue Deko­rationen angeschafft und prächtige Kostüme geliehen.

Betzingen, 21. April. Der Verein zur Erhaltung der Volkstrachten in Schwaben, Ortsgruppe Reutlingen, hielt hier seine General­versammlung ab. Mit derselben verbunden war eine Ausstellung der Handarbeiten der Schülerinnen des Kurses für Volkstrachtennähen, die einen schönen Beweis davon gab, wie der Verein im stillen stets eifrig tätig ist. Die ausgestellten Arbeiten boten einen überaus hübschen Anblick und zeigten die ver­schiedensten Volkstrachten vom einfachsten bis zum teuersten Stück. Die Arbeitslehrerin, die den Unterricht gratis erteilt, wird vom Verein bezahlt.

Schnaitheim, 21. April. Das 9jährige Töchterchen des Fabrikarbeiters Zimmermann wollte auf einem Spiritusapparat Milch wärmen. Dabei wurden die Kleider des Kindes von den Flammen ergriffen, so daß cs schreckliche Brand­wunden erlitt und kaum mit dem Leben davon­kommen wird.

Neuffen, 24. April. Auf der Heimfahrt von Linsenhofen überfuhr ein Zimmermeister von Frickenhausen mit seinem Motorfahrrad ein Mädchen und stürzte hiebei selbst. Beide wurden erheblich beschädigt; das Mädchen wurde geschleift und ihm ein Fuß abgefahren.

Oberndorf, 22. April. Ein Buchhalter der hiesigen Waffenfabrik versuchte sich mit Kletter­übungen an den Kalkfelsen der Umgebung. In

einem der kaminartigen Risse der Fclsenwände ver­flieg er sich so, daß er ohne Lebensgefahr weder vorwärts noch rückwärts konnte. Er schrie um Hilfe und wurde mittelst eines Seiles noch vor Einbruch der Nacht aus seiner gefährlichen Lage befreit.

Oberndorf, 24. April. Am Karfreitag abend wurde in der Hauptstraße ein dreizehnjähriges Mädchen und ein jüngerer Knabe von einem Rad­fahrer, Arbeiter der hiesigen Waffsnfabrik, über­fahren. Das Mädchen trug eine heftige Gehtrner- schütterungund wahrscheinlich auch innere Verletzungen davon. Der Radfahrer wurde festgenommen.

Von der oberen Dona«, 21. April. In Alt he im bei Rtedlingen ist in den letzten Tagen ein Original von einem Menschen gestorben: der im ganzen württ. und badischen Oberland bekannteSandmann" Joh. Retttg. In stets heiterer Laune durchzog er mit seinem Rößlein am Sandwagen Dörfer und Städte, alle Käufer und Käuferinnen seiner Ware immer mitHerr Vetter" undFrau Bas" titulierend. Sein RufFegsand" war markant und durchdringend, beginnend im tiefsten Baßton, endigend in höchster Lage. Der Sandmann", der auch gern seinen Schoppen trank, wurde 90 Jahre alt, er hieß auchSalzhannes", da er früher mit Salz handelte.

Vom Bodensee, 22. April. Die Motor­wagengesellschaft KonstanzInsel Reichenau beschloß die Liquidation. Die beiden Motorwagen sollen verkauft werden. In Bern hat sich ein Komite gebildet zur Gründung eines Fonds für eine Schweizerische Schtllerstiftung. Um dem Dichter desTel!" die Huldigung der Schweiz dar- zubringen, haben die eidgenössischen Räte mit Ein-

Der Hpion. -

Historischer Roman aus der Geschichte des heutigen Rußlands von Julius Grosse.

(Fortsetzung.)

Man findet eS auffallend, daß so viele gerad: jetzt reisen wollen, wo es sich um einen neuen HuldigungSeid handelt. Ich fürchte, man wird Sie gar nicht über die Grenze kaffen, bevor Sie dem Nachfolger Treue geschworen haben."

Allerdings," bemerkte ein Anderer,daß so Viele jetzt reisen, könnte man wie eine Art von Desertion deuten."

Aber Ihnen wird man eine Ausnahme gestatten," sagte ein Dritter scherzend, obgleich es wie Spott hrrauSkam,Sie machen ja eine Hochzeitsreise ist auch eine Art Dienstreise im Dienst Hymens."

WadkowSki gab sich Mühe zu lächeln, obgleich ihm der Scherz mißfiel. Er leerte sein GlaS mit einem Zuge.

Sehr gütig von Ihnen, mein Hrrr. In Börsen würde Ihr Epigram vielleicht noch geistreicher klingen. Sie meinen, die Liebe giebt einen besonderen Freibrief, vielleicht daß auch Kosaken und Grenzwächter so galant find, den Paß Hymens zu respektirrn. Ich danke Ihnen. Aber einen dauernden Schutz giebt auch dieser Paß nicht. Weder sich selbst entrinnt der Mensch, noch seinesgleichen. Wie sagt ein deutscher Poet: die Welt ist eigentlich vollkommen überall, aber sie wird häßlich überall durch den Menschen. Das ist», und man könnte also eine Hochzeitsreise nur an den Nordpol machen, um ungestört zu sein." Dann zu einer andern Jd-enreihe überspringend fuhr er fort:Aber wa» die Menschen häßlich machen, kann man auch verbessern, nicht auf einmal, sondern allmählig, und das nennt man dann Reform, und daraus entsteht di« Geschichte. Und was

tut der Einzelne dazu. Es ist immer dieselbe Sache überall auf Erden. Ich meine, eS kommt nur darauf an, wie man sich selbst stellt, ob man überhaupt die Menschen verbessern will und ihre Zustände, oder ob einem das vollkommen gleichgiltig ist. Dann bleibt man ein Tier und ein Stein. Aber was brauche ich deshalb in Rußland zu bleiben I Wollt« ich zum Beispiel konspirieren, könnte ichS in Paris und Italien ebenso gegen die Bourbonen, als in Oesterreich gegen Metternich. Zündstoff liegt ja überall Und er wird ausflammen, sobald die Stunde gekommen. Ich fürchte nichts , aber wenn meine Reise verdächtig er­scheint, oder wenn eS General Uschakoff verlangt oder meine Braut, dann würde ich ebenso gerne bleiben. Man kann überall glücklich sein, mitten in Dornen, man kann auch überall sterben, mitten in Rosen. Manchmal ist mir'«, als käme ich überhaupt nicht fort von hier. ES lebe die Liebe!"

Und dabei sti-ß er mit seinem Glase so heftig an da» des Nachbar«, daß eS zerbrach. WadkowSki'« wunderliche, zum Teil konfuse Rede imponierte gerade deshalb den Meisten, die doch nur einzelne Wendungen erfaßt hatten. Andere fanden zwar, daß er sich verwickelt und höchst bedenkliche Meinungen geäußert. Diese betrachteten ihn mit Sch u und Mißtrauen und schüttelten di« würdigen Häupter.

Glücklicherweise gelang eS seiner Braut Tatiana, die getrübte Stimmung wieder herzustellen. Lächelnd und mit anmutiger Koketterie schwebte sie zu ihrem Bräutigam und lehnte sich zärtlich an seine Brust.

Alexander, wie sonderbare Grillen auf einmal. Ich verstehe dich nicht. Warum noch einmal Alles in Frage stellen, nachdem e» so mühsam erkämpft. Wir reise» morgen, dabei bleibt eS ach, ich wollt«, wir wären schon in voriger Woche auf und davon, bevor die Trauerkunde kam."

So fügte sich« denn, daß Niemand weiter in den geheime» Sinn de,