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Otto Riebicke.
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Rmenbmg, Mittwoch, den 7. Februar 1923.
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Stuttgart, 6. Febr. Zu Beginn der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses gab vor Eintritt in die Tagesordnung Staatspräsident Dr. Hieber auf Grund der ihm von der Reichsregierung und von der badischen Regierung zuge- Mgenen Mitteilungen genauere Auskunft über den franzö- Wn Vormarsch nach Appenweier und Offenburg, dessen Waß bezw. Vorwand, Ausdehnung und Absicht, sowie über die allgemeine politische Lage, wie sie durch die Ereignisse im Ruhrgebiet geschaffen sei und sich nunmehr darstelle. Zu besonderen Befürchtungen, daß die Franzosen ihren Vormarsch über die rvürttembergische Grenze hinaus sortsetzen, liege zurzeit kein Grund vor. Die württ. Regierung stehe selbstverständlich nach wie vor hinter der Politik der Reichsregierung. Von irgendwelchen Sonderabmachungen betr. Kohlenzufuhr könne gar keine Rede sein. Die Bevölkerung möge in diesen schweren Wochen ihre nüchterne Entschlossenheit und Besonnenheit bewahren und sich nicht durch Gerüchte und Gerede unnötig beunruhigen und verwirren lassen.
Essen, 6. Febr. Die französische Verwaltung des Ruhrgebiets hat mit dänischen Firmen einen Lieferungs- vertrag über wöchentliche Lieferungen von 500 Schweinen 500 Rindern abgeschlossen.
Berlin, 6. Febr. Der Bildungsausschuß des Reichs- > der auf seine Tagesordnung am 26. Januar ds. Js. den ß 2 des Reichsschulgesetzes (von der Gemeinschaftsschule) gesetzt hatte, hat die Beratung hierüber aufs neue vertagt. Vor einem Jahr ist der Entwurf dem Bildungs- ausschuß überwiesen und in dieser Frist von den grundlegenden Bestimmungen nur der H 1 (von den Schularten) erledigt worden, obwohl, wie die beim Reichstag unaufhörlich einlaufenden Masseneingaben zeigen, weite Volkskreise der für den Schulsrieden so bedeutsamen Entscheidung gespannt entgegensehen.
Tschechische Einberufungen.
München, 5. Febr. Von besonderer Seite erfahren die .Münchner Neuesten Nachrichten", daß in Salzburg die tschechischen Staatsangehörigen ihre Einberufungsbefehle zum Heeresdienst erhalten haben. Auch in Garmisch-Parten- strchen und in anderen bayerischen Kurorten hat die Abreise der tschecho'-slovakischen Staatsangehörigen begonnen.
Drei neue Bluttaten der Befatzuugstruppen.
Nach einer Wiesbadener Meldung wurde von einem stanzösischen Wachtposten in Mainz ein Nachtwächter auf einem Patrouillengang erschossen. Ein Arbeiter, welcher zur Arbeitsstätte nach Hochheim an den Schienen entlang gehen wollte, wurde durch einen Schuß so schwer verletzt, daß er >nr Krankenhaus verstarb. In einer Wirtschaft in Castel erschoß ein französischer Soldat einen jungen Arbeiter, auf welchen er im „Scherz" angelegt haben soll. Der Soldat wurde verhaftet.
Schutzoerordnung für Verräter.
Koblenz, 6. Februar. Die Rheinlandkommission hat mit sofortiger Wirkung vom 2. Februar eine neue Verordnung, Nr. 140, erlassen, die alle Beamten, Angestellten und Privatpersonen besonders in Schutz nimmt, die sich weigern, den Mehlen der Reichs- und Landesregierungen nachzukommen und den Verordnungen der Rheinlandskommission sich unterwerfen. Weiterhin besagt die Verordnung, daß wer durch Mangsandrohungen oder irgendwelche Manöver die deutschen Mamlen, Angestellten und Privatpersonen zum Ungehorsam Wn die genannten Verordnungen der Rheinlandskvmmission M verleiten sucht, sofort unter Strafe gestellt wird. Das Nrafmaß ist mit Geldstrafe bis zu 50 Millionen Mark und auf Gefängnis bis zu 5 Jahren oder auf eine dieser mden Strafen festgesetzt. Die neue Verordnung der Rhein- andskommission stellt einen weiteren Bruch des Rheinland- Mvmmens dar und ist eine Gegeümaßregel, für die auch »k' r Verantwortung zu tragen hat, da es in der Mmlandskommission vertreten ist. Die deutsche Regierung N nicht die Absicht, zu den Rechtsbrüchen der Rheinlands-
. ,,wn zu schweigen. Sie hat, wie aus Berlin gemeldet rd, in Paris. London, Rom und Brüssel durch die dortigen ii> "jungen eine gleichzeitig auch der Rheinlandskommission Protestnote überreichen lassen, worin sie gegen ., der Rheinlandskommission, die weder im Völk.r-
s im Versailler Vertrag, noch im Rheinlandab-
Mn eine Stütze finde, Einspruch erhob.
Wettere Zukuuftspläne Frankreichs.
Februar. Nach dem „Berliner Tageblatt" lanl, Paris ein sozialistisches Kabinett in Deutsch
srawöL ^"an mehr Nachgiebigkeit erwartet. (Diese Hoffnung dürfte sich nach den werter unten
wiedergegebenen Erklärungen des sozialdemokratischen Abgeordneten Löwe von vorneherein als trügerisch erweisen. Auch die Sozialdemokratie ist entschlossen, der französischen Gewaltpolitik schärfsten Widerstand entgegen zu setzen. Schrift!.) Inzwischen will man durch weiteres Anziehen der Zwangsschraube den Zermürbungsprozeß fortsetzen. Die wirtschaftlichen Beiräte Poineares haben ausgerechnet, daß bei genügend kräftiger Durchführung der bereits zur Anwendung gebrachten und der noch beabsichtigten Maßnahmen Deutschland im äußersten Falle sechs bis ackt Wochen Widerstand leisten könne. Die Kapitulation könne beschleunigt werden, wenn die Produküonsabschnürung des Ruhrgebiets vorgenommen werde. Nicht nur die Kohlenzufuhr nach dem unbesetzten Deutschland müsse verhindert werden, sondern auch Zufuhr von Erzen, Webstoffen, chemischen Produkten dürfe nicht mehr stattfinden. Alles was aus dem Rheinland und Westfalen nach Mitteldeutschland ausgeführt werden könne, müsse abgesperrt werden. Das „Journal" glaubt, daß die Bestimmungen in dieser Richtung bald zu erwarten wären, und erklärt, jeder weitere Aufschub der Blockade sei gefährlich. Wir wissen also, worauf wir uns noch gefaßt zu machen haben.
Sozialdemokratische Führer zum Reparationsproblem.
Berlin, 5. Februar. In einer Rede auf der sozialdemokratischen Konferenz in Lille hat Hilserding erklärt: „Wir deutschen Sozialdemokraten wollen nicht nur, daß Frankreich die Reparationen erhält, sondern wir wünschen auch, daß ihm die notwendigen Garantien gegeben werden." Hilserding äußerte die Ansicht, daß eine Lösung wirtschaftlicher Art noch möglich sei, wenn die Soziakt-cmokraten jedoch bei den Franzosen den Wunsch verspürten, Deutschland von den Gebieten zu trennen, die ihm gehörten, dann antworteten sie: „Nein, nein und dreimal nein." Hilserding schloß mit der Aufforderung, man solle keine Türen für die Möglichkeit von Verhandlungen verschließen. Die ganze Hoffnung der deutschen Sozialdemokraten vereinige sich auf die Möglichkeit einer Intervention der Sozialdemokraten der übrigen Länder. (Bleibt zu wünschen, daß diese Hoffnung der vertrauensseligen deutschen Sozialdemokraten nicht immer wieder ein Fiasko erleidet. Schristl.) Weit weniger Zuversicht hat nach dieser Richtung hin Reichstagspräsident Löbe auf einer Versammlung in Breslau zu erkennen gegeben. Er erwartet kein Eingreifen von außen her. Bemerkenswert war Löbes Eingeständnis, daß der Eintritt der Sozialdemokratie ins Kabinett Cuno an dessen Politik nichts Wesentliches hätte ändern können. Es seien keinerlei Anzeichen dafür da, daß ein sozialistisch geführtes Kabinett sich eher mit den Franzosen verständigen könnte. Zn einer kapitalistischen Verschmelzung zwischen lothingischem Erz und der Kohle an der Ruhr werde es schließlich doch kommen, und zwar kaum ohne irgend eine Pfandnahme. Aufgabe der Sozialisten sei es, darauf zu drängen, daß dieses Pfand durch Monopolisierung eines Teils des Sachwertbesitzes der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie bereitgestellt werden. Im übrigen sei verschärfter Kampf um eine Heranziehung des Besitzes zu Reparationslasten jetzt die Hauptaufgabe.
Der Franzoseneinbruch in Baden.
Karlsruhe, 6. Febr. Eine amtliche Nachricht lautet: Seit heute nacht 12 Uhr ruht der Verkehr. Grenzpunkte des Verkehrs sind Niederschopfheim und Achern.
Offeuburg, 6. Febr. Der Kommandeur des Brückenkopfes Kehl, General Michel, hat gestern abeno folgendes Ultimatum an die Eisenbahnbehörde gerichtet: „Wenn die internationalen Züge nicht bis heute Montag abend 6.24 Uhr wieder laufen, wird der gesamte Eisenbahnverkehr nördlich Appenweier abgeschnürt."
Erbitterung in Offenburg.
In der Stadt nimmt die Erbitterung gegen den unerhörten Ueberfall einer friedlichen Stadt zu. In den Mittagsstunden, als die Betriebe zur Mittagspause geschloffen wurden, entstanden auf dem Marktplatz, der durch Posten mit aufgepflanztem Bajonett abgesperrt ist, größere Ansammlungen. Ein junger Mann, der dem Posten nicht rasch genug auf Aufforderung den Gehweg verließ, wurde festgenommen und zur Wache gebracht, die im städtischen Lesezimmer in der Nähe des Rathauses untergebracht ist. Die anwesenden Arbeiter stießen bei der Festnahme lebhafte Pfuirufe aus. Die in Offenburg stationierten Truppen erklären, daß sie bald abgelöst werden würden und zwar wie man annimmt, durch Marokkaner. Andeutungen, die auf eine Ausdehnung der Besetzungszone schließen lassen, sind noch nirgends zu bemerken.
Keine weitere Ausdehnung der Besetzung.
Karlsruhe, 5. Febr. Die an zuständigen Stellen vor
81. Jahrgang.
liegenden Nachrichten cws der Pfalz, lassen erkennen, daß dort nichts im Gange ist, was auf weitere Schritte der Franzosen schließen läßt. Unrichtig ist das Gerücht, daß Winden in der Pfalz, das bisher keine französischen Truppen hatte, neu besetzt sei, und ebenso ist unrichtig, daß die Truppen in Landau verstärkt worden seien. Auch im Eisenbahnverkehr mit der Pfalz sind keine Aenderungen eingetreten. Die Franzosen lassen so viele Eisenbahnwagen zu uns herüber, wie in der Pfalz hinüberkommen. Im Karlsruher Rheinhafen hat ein französisches Motorboot einige Strohsäcke gelandet, aber sonst ist nichts Bemerkenswertes dort vorgefallen. Die Besatzung in Maximiliansau. gegenüber Maxau bei Karlsruhe, ist von 20 Marokkanern auf 60 verstärkt worden. An den Brückenköpfen im badischen Oberland ist alles ruhig.
Maßnahmen der Reichsregieruug.
Der „Tag" berichtet: Das Reichskabinett hat sich während der Abwesenheit des Reichskanzlers unter dem Vorsitz des Vizekanzlers zu einer Sitzung versammelt, um die Maßnahmen zu beraten, die durch den Einfall der französischen Truppen in das badische Land notwendig werden. Der endgültige Beschluß wird erst nach Rückkehr des Reichskanzlers der Oeffentlichkeit unterbreitet werden. — Zunächst kann nur festgestellt werden, daß es diesmal bei einem Protest sein Bewenden nicht haben wird. Dem Deutschen Reich stehen noch eine Reihe von Mitteln zur Verfügung, die aus Rücksicht auf gewisse Auffassung in anderen auswärtigen Ländern bis heute nicht angewandt worden sind. Die Vertragsverletzung im Falle der Besetzung von Offenburg ist jedoch so kraß, daß diese Rücksichten größtenteils entfallen. Schon seit zwei Jahren bemüht sich die französische Regierung um eine Erweiterung des Brückenkopfes Kehl aus rein militärischen Gründen und benutzt die allgemeine Verwirrung zur Erreichung dieser Pläne, die weder mit Reparationen noch mit Sicherheiten das mindeste zu tun haben. Diesen Umständen wird die deutsche Regierung Rechnung tragen.
Aufruf an die Arbeiter, Angestellten und Beamtenschaft Badens!
Die Franzosen sind gewaltsam in unsere friedliche Heimat eingebrochen. An Stelle des Friedens setzen sie rohe Gewalt. Gegen diesen ungeheuren französischen Rechtsbruch erheben wir feierlichen Protest und geloben: 1. Keine Handreichung den Friedensbrechern. 2. Wir folgen nur den Anweisungen der deutschen Behörden. 3. Wir lehnen es ab, unter französischen Bajonetten Sklavenarbeit zu verrichten. In der schwersten Stunde deutscher Not stehen wir fester denn je zu unserer Heimat. Mit unseren Brüdern im Ruhrgebiet kämpfen wir für deutsche Freiheit und gegen französische Sklaverei.
Deutscher Gewerkjchaftsbund, Landesverband Baden. Gr- samtverband deutscher Angestelltengewerkschaften Badens. Gesamtverband deutscher Beamten- und Staatsangestelltengewerkschaften Badens.
Ausland.
Das Weltgewiffe» schläft.
Frankreich hat sich von den Alliierten losgesazt. Für sein Ruhrabenteuer braucht es keine Hilfe, alte Bündnisse und Freundschaften gelten nichts mehr, Poincare ist der Starke, der auf eigene Faust Frankreichs „Recht" durchsetzt. Die verachtungsvolle Kühnheit, mit der er guten Rat und Mahnungen zur Mäßigung verschmäht, trägt den Stempel der Verblendung. Wäre Poincare nicht blind, so würde er sich an das Jahr 1917 zurückerinnern, in dem Frankreich aus Schwäche bereit war, seine Verbündeten im Krieg zu verlassen, wie es jetzt in beispielsweiser Ueberhebung bereit ist, sie im Frieden zu verachten. Eine Erinnerung sei hier aufgefrischt. Bei einem Essen im Waldors-Astoria-Hotel in New Aork am 17. April 1920 machte General Pershing die bezeichnende Feststellung: „Tie Widerstandskraft des französischen Heeres nach der deutschen Offensive im Frühjahr 1917 war derart vermindert, daß es eines unserer größten Probleme war, wie wir Frankreich im Kriege halten könnten — buchstäblich Frankreich im Kriege halten könnten". Nur der Tätigkeit des Generals Petain, der die Gefahr erkannte, und dem Wirken des amerikanischen Roten Kreuzes hinter der Front und innerhalb der französischen Bevölkerung ist es, nach Pershing, zu verdanken gewesen, daß Frankreich nicht ausbrach. Wäre Amerika nicht gewesen, so wäre Frankreich 1917 erledigt gewesen. Sechs Jahre später aber lehnt Poincare Amerikas Rat zur Mäßigung in der Ruhrfrage brüsk ab, wirft von neuem den Feuerbrand in das friedlose Europa, beginnt den Vernichtungskrieg gegen Deutschland und entreißt dem erschreckt dastehenden England die Hegemonie über Europa. Und die Alliierten, die Be-