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Amts- und Anzeigevlatt für den Bezirk Gakw

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Lrscheimmzktage: Dienrtaz. Donnerstag, TamS- tag, Sonntag. JnserttonSpreiS Pfg. pro Zeile für Stadt und SezirtSort«; außer Beziri 12 Pfg.

Sonntag, den 26. Februar 1905.

AbonnernentSpr. tnd. Stadtpr.Diertelj. Mk. I.IOincl.Trägerl. VierteliLhrl. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar- ortsverkeyr 1 Ml., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.

Tagesneuigkeiten.

X. Calw, 25. Febr. Z» Ehren des Geburtsfestes Sr. Maj. des Königs fand gestern abend in der Brauerei Dreiß ein Bankett statt, zu dem öffentliche Einladung er­gangen war. Den Vorfitz der Versammlung führte Hr. Stadtfchultheiß Conz. Dieser begrüßte in zündenden Worten die Feüversammlung und wünschte der Feier einen angenehmen Verlauf. Nach dem Vortrag des LiederkranzesDie Himmel rühmen des Ewigen Ehre" hielt Hr. Betriebsinspektor vr. Supper die Festrede. Der Redner knüpfte an die Feier des Geburtsfestes des Kaisers an und rühmte sodann in fein ausgedachter Ausführung die Eigenschaften des Königs, die für alle Württem­bergs Grund genug seien, um mit ganzem Herzen Treue gegen den König zu bewahren. Er hob be­sonders hervor, daß König Wilhelm seinen Unter­tanen ein leuchtendes Beispiel sei in der Liebe zum Reich, nicht befangen in alten Ansichten sei er fort­schrittlich gesinnt, was er zur Genüge bei der Schulnovelle und Verfassungsreform bewiesen habe; an Fürsorge und Wohlwollen für sein Volk lasse er es in keiner Weise fehlen. Stürmisch stimmte die Versammlung in das auf den König ausgebrachte Hoch ein. In kernigen, markigen Worten gedachte Hr. Präzeptor Bäuchle des Schwabenlandes und seiner Bewohner und hob die Vorzüge unseres Landes und die besonders hervortretenden Eigen­heiten der Schwaben hervor. Auf diese hervor­ragend zündende Rede folgte der allgemeine Gesang Preisend mit viel schönen Reden". Als wettere Redner traten auf Hr. Stadtpfarrer Schmid und Hr. Medizinalrat vr. Müller. Elfterer toastete auf die Königin Charlotte, letzterer auf die deutsche Treue. Reicher Beifall begleitete auch diese hoch- patriotischen Ausführungen. Den musikalischen Teil hatte der Liederkranz und die Stadtkapelle

übernommen. Der Liederkcanz hatte ein auS- gewähltes Programm ausgegeben und dasselbe flott vurchgeführt; die Darbietungen fanden den größten Beifall der Versammlung; ebenso trug die Stadt­kapelle durch ihre exakt vorgetragenen Weisen wesent­lich zur Verschönerung des Abends bei. Allgemeine Chöre erhöhten die Feststimmung und so konnte der Vorsitzende in einem strammen Schlußwort feststellen, daß die Feier einen hochbefriedigten Verlauf ge­nommen habe. Die gemütvolle Stimmung hielt die zahlreiche Versammlung lange nach Mitternacht beieinander.

2 . Calw. Dem Hilfswärter Jakob Fenchel in Ostelsheim, welcher 25 Jahre im Dienst der Eisenbahnverwaltung bei der Kgl. Eisenbahnbau­inspektion Calw sich befindet, wurde am Geburtsfest Sr. Majestät des Königs in Anerkennung seiner treugeleisteten Dienste und seines guten Verhaltens eine Belohnung von 50 Mark von der K. General­direktion der Staatseisenbahnen bewilligt und ihm eine Urkunde hierüber von seinen Vorgesetzten über­geben.

(Amtliches aus dem Staatsanzeigerf. Se. Maj. der nig hat allergnädtgst zu ver­leihen geruht die

Verdienstmedaille des Friedrichs­ordens dem Stadtschultheißen Mutschler in Wildberg,

silberne Verdienstmedaille dem Ober­lokomotivführer Haug in Calw, dem Wagen­wärter Würth in Calw, dem Kameralamtsdiene c Zeiher in Hirsau und dem Hilsspostbeamten Weber in Teinach.

T Als Geschworene der März-Schwur- gerichtssitzung haben unter Anderen mitzuwirken: Bierbrauereibesttzer I. Dreiß in Calw, Pfarrer Th. Blumhardt-Ltebenzell, die Gemeinderäte Jakob und David Rentschler in Oberretchsn-

bach und Gottl. Herzog in Althengstett, Gemeinde­pfleger Nothacker in Sommenhardt und Hirsch­wirt Weiß in Dachtel.

Stuttgart, 24. Febr. Zu Ehren des Geburtstages des Königs fand heute Abend in üblicher Weise großer militärischer Zapfenstreich von sämtlichen MustkkorpS und Spielleuten der hiesigen Garnison statt. Unter Führung eines Ad­jutanten des Grenadierregiments Nro. 119 zogen die MustkkorpS, den russischen Zapfenstreich spielend vom Hofe der großen Jnfantertekaserne nach dem Hofe des Residenzschlosses. Mannschaften mit Fackeln begleiteten die MustkkorpS, die im Hofe des Refidenz- schlosseS den russischen Zapfenstreich mit Choral und Retraiten intonierten. Ei nach Tausenden zäh­lendes Publikum hielt die Umgebung des Refidenz- schloffes besetzt und lauschte den musikalischen Vor­trägen, nach deren Schluß die MustkkorpS wieder spielend nach der Jnfantertekaserne abrückten.

Heilbronn, 21. Febr. (Ledermarkt.) Die Zufuhren zum heutigen Markt betrugen etwa 800 Ztr., wovon 627 Ztr. verkauft und der Rest von den Eigentümern zurückgezogen wurde. Der Verkauf ging anfangs flau, weil Eigner infolge der hohen Rohpreise höhere Preise erzielen mußten. Bei der Häuteversteigerung vom 20. Febr. im hies. Schlachthaus wurden die Rindhäute bis zu 54 per Pfd. und Kalbfelle bis zu 1 25 A gesteigert.

Bei diesen außerordentlich hohen Häutepreisen kann bet gegenwärtigen Lederpreisen der kleinere Gerber nicht mehr bestehen. Die Folge davon ist, daß viele Gerber zu arbeiten aufgehört haben und noch viele aufhören werden. Das Marktgeschäft hat sich nach und nach besser entwickelt und die Preise sind etwas gestiegen gegen letzten Markt, find aber immer noch außer allem Verhältnis zum rohen Häutepreis. Sohlleder und Wildoberleder haben vollauf die letzten Preise erreicht, deutsche Rindleder dagegen

Der Spion.

Historischer Roman aus der Geschichte des heutigen Rußlands von Julius Grosse.

(Fortsetzung.)

O, es war unverantwortlich, himmelschreiend," erzählte Sherwood weiter, daß ich das nicht bedacht. Aber die entfernte Möglichkeit der Versöhnung schien uns immer noch wie eine Erlösung. In Rußland rechnet man anders als sonst, und wer nach Sibirien verbannt wird, ist glücklich, wenn er erwarten darf, nach zwölf Jahren dem Leben zurückgegeben zu werden.

So riß ich mich denn mit blutendem Herzen von Weib und Kind los und reiste nach Moskau zurück, um beim General Staal einzutreten, der mir früher schon seine Vermittlung angeboten. Alles gelang, als wenn der Segen des Himmels auf meinem Beginnen ruhte. Ich wurde mit offenen Armen em­pfangen, und da der General gerade im Begriff stand, eine Dienstreise nach Odessa zu machen, nahm er mich sogleich mit bis Jelisabetgrad und schickte mich von dort mit einer Empfehlung an den Oberst GwerS nach Nooomirgorod. Meine Bittschrift wurde angenommen, und ich trat in unser Regiment als Frei- williger mit der Berechtigung zum OffizierSrang nach zwölfjähriger Dienstzeit. Alles übrige ist Ihnen bekannt."

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Da« war die Historie Sherwood». Er stand alsbald auf und stellte sich ordonnanzmäßig vor mich hin.

Ich betrachtete diesen verwegenen Burschen mit sehr gemischten Empfin- düngen. Das also war der Nichtswürdige, die Schlange, die mein alter Freund Uschakoff an seinem Busen erwärmt hatte. Zwar schwebten die bittersten Vor­würfe auf meiner Zunge, doch ich hielt sie zurück. Das Geschehene war nun einmal nicht ungeschehen zu machen.

Junger Mann," sagte ich zu ihm,ich enthalte mich jedes Urteil« über Ihre Handlungsweise. Ihr Verfahren war das eines Abenteurers, aber ich will zugeben: Sie haben brav gehandelt, daß Sie sich zur Rettung Ihrer Gemahlin entschlossen haben, den Soldaten rock anzuziehen. Jndcß scheint Ihre Entschließung doch nur ein momentanes Aufflackern gewesen zu sein."

ES find nun drei Jahre, Herr Oberst", unterbrach er mich.

Gleichviel eS fehlt Ihnen aber an Charakterfestigkeit, diese Prüfung bis ans Ende zu bestehen. Diese Kleinmütigkeit ist um so unverzeihlicher, da eS sich hier um das Leben und die Ehre einer Frau handelt, die Sie bis zur Selbstverleugnung liebt. Geben Sie mir das Wort, sich zu bessern, und ich werde alles tun, um Ihnen nützlich zu sein. Für'S erste bitte ich Sie, Ihren Anzug in Ordnung zu bringen und dann jeden Mittag bei mir zu Gaste zu sein."

Sherwood war sichtlich gerührt. Er konnte kein einziges Wort Hervor­bringen und verließ mich mit Tränen in den Augen.

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Ich hatte Sherwood mit Absicht verschwiegen, daß General Uschakoff mein alter Freund und daß ich somit im Stande, früher oder später eine Vermittlung hrrbeizuführe», so schwierig sie auch schien. Vor allen Dingen war eine wettere