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spätestens 1. Februar d. I. hieher einzusenden und sich darüber zu äußern, ob die einzelnen Bewerber nach ihren Kenntnissen und ihrer Vorbildung eine Gewähr dafür bieten, daß sie an dem Kurs mit ausreichendem Erfolg teilzunehmen vermögen. In den Anmeldungen ist neben Namen und Wohnort der Angemeldeten auch anzugeben, ob sie ein selb­ständiges Geschäft betreiben oder ob sie Gehilfen sind und, letzteren Falles, wann und wo sie sich etwa selbständig zu machen gedenken.

Stuttgart, 19. Januar 1905.

K. Zentralstelle für Gewerbe u. Handel.

Mosthaf.

Tagesneuigkeiten.

** Calw. Am 27. Januar vergab der Vorstand und Aufflchtsrat des landw. Konsum- Vereins die Lieferung von Kunstdünger und Sämerei pro 1905. Die Zahl der Offerten war so groß, daß es schwer wurde, das Beste auszulescn. Die Lieferung wurde nur leistungsfähigen Firmen übertragen, so daß die Vereinsmitglieder jederzeit versichert sein können, reell bedient zu werden. Bemerkenswert ist, daß fast sämtliche Düngermittel im Preise etwas gestiegen sind gegen das Vorjahr.

^ Calw, 29. Jan. Der Taglöhner Hölle von Hirsau, welcher feinen Nebenmenschen durch Drohungen und andere Belästigungen gefährlich ist, mußte gestern mit Hilfe dreier Landjäger in Sicherheit gebracht werden.

** Calw, 30. Jan. Im Verein für Homöopathie u. Naturheilkunde hielt gestern der weitbekannte homöopathische Arzt I)r. Hähl aus Stuttgart imBad. Hof" einen sehr interessanten Vortrag über Geisteskrankheiten. Der Vorstand des Vereins, Hr. Kaufmann Schräg, begrüßte die Versammlung und gab seiner Freude Ausdruck, den sachkundigen, populären Redner für einen Vortrag gewonnen zu haben. Einleitend gab vr. Hähl einen geschichtlichen Ueberblick, wir die Geisteskranken in alter Zeit, ja bis ins späte Mittelalter, sogar bis zu Ende des 18. Jahrhunderts eine Menschenunwürdige Behandlung erdulden muß­ten. Die Aermsten der Menschheit wurden als vom Teufel Besessene, Verhexte in viehisch roher Weise behandelt und von der menschlichen Gesell­schaft ausgestoßen, gefoltert, sogar verbrannt.Die Hexenprozesse" im Mittelalter zeigen, daß man damals noch die Krankheit bösen Geistern zuschrieb. Erst zn Anfang des letzten Jahrhunderts find be­rühmte Männer mit ihren Forschungen durch­gedrungen, daß die Geisteskrankheiten unmittelbare Folgen von Gehirnerkrankungen sind. Das Gehirn ist Sitz aller geistigen und seelischen Regungen des Menschen, und darum sind Geisteskrankheiten nichts anderes als Gehirnerkrankungen. Der Redner gab an der Hand eines Modells eine eingehende Be­schreibung über Bau und Tätigkeit des Gehirns, der großen Zentrale des Nervensystems, in dem sämtliche Sinneseindrücke durch Anregung von außen entstehen und das die Anregung gibt zu sämtlichen

Bewegungen der menschlichen Organe. Mehr als die Hälfte der Geisteskrankheiten sind auf erbliche Belastung zurückzuführen und zwar könne schon Nervosität, Hysterie, Geistesschwäche u. s. w. der Eltern Ursache seelischer Erkrankung der Kinder sein. Der Blutsverwandtschaft zweier Ehegatten könne keine Bedeutung für die geistige Degeneration der Kinder zugeschrieben werden, wenn die Eltern beide geistig normal seien. Verhängnisvoller sei der Alkoholmißbrauch für die Nachkommenschaft, der eine körperliche und geistige Schädigung herbeiführe. Wenn auch die Behauptungen der Abstinenzler und Temperenzler übertrieben seien, so müsse doch zu­gegeben werden, daß 1215 aller Geisteskrank­heiten auf Alkoholmißbrauch zurückzuführen seien. Ebenso schädigend wirken Morphium-, Kokain- und Nikotingenuß auf dos Gehirn. Auch geschlechtliche Ausschweifungen und Laster aller Art seien häufig Ursache geistiger Erkrankung. Direkte seelische Ein­flüsse, wie plötzlicher Schreck, Kummer, nagende Sorge, der Kampf ums Dasein, übermäßige An­strengung der körperlichen und geistigen Kräfte, religiöse Grübeleien beeinflussen die Gehirntätigkeit in nachteiliger Weise. Man redet darum vom Säuferwahnsinn, religiösen Wahnsinn u. s. w. Be­sonders schädlich ist der Besuch spiritistischer Ver­sammlungen, vor welchem nicht genug gewarnt werden kann. Natürlich können auch äußere Ver­letzungen oder direkte Erkrankungen des Gehirns selbst (Gehirnentzündungen und alle Fieberkrank­heiten) bleibende Geistesstörungen hinterlassen. Vor Gehirnerkrankungen ist kein Alter sicher, doch treten solche meistens vom 20. bis 40. Jahre ein. Die Geisteskrankheiten treten in verschiedenen Formen auf wie 1) Schwermut oder Melancholie, die sich im stumpfen Hinbrüten, Arbeitsüberdrüssigkeit und Lebensüberdruß zeigt, 2) Wahnsinn (das Gegenteil von Schwermut), in dem der Kranke leicht reizbar, lebhaft, oft tobsüchtig ist, 3) Verrückt­heit, in der sich der Kranke falsche Vorstellungen macht und darunter leidet (Verfolgungswahn) und endlich 4) Gehirnerweichung, welche die Folge einer Schrumpfung der Gehirnoberfläche ist. Eine Hirnblutung oder ein Hirnschlag erlöse glück­licherweise diese Kranken bald von ihrem Leiden. Bei der Behandlung der Geisteskrankheiten ist in erster Linie den Ursachen der Krankheiten nachzu­gehen und darnach sind die weiteren Maßregeln zu treffen. Alle aufregenden Einflüsse sind vom Kranken fernzuhalten; körperliche und geistige Ruhe, gute Nahrung, reichliche Bewegung in frischer Luft, Behandlung durch Wickel und Bäder find allen Be- täubungs- und Schlafmitteln vorzuziehen. Da die Behandlung der Kranken äußerst schwierig ist, über- giebt man sie am besten einer Anstalt, wo sie von geschultem Personal heutzutage richtig und gut be­handelt werden. Zum Schluß warf der Redner noch einen Blick auf die Beziehungen der Homöopathie zu den Geisteskrankheiten und betonte, daß der Alt­meister Hohnemann einer der ersten Vorkämpfer für eine menschenwürdige Behandlung der Geisteskranken

gewesen sei. Die Homöopathie habe sich als äußerst erfolgreiches Verfahren bei Geisteskrankheiten er­wiesen ; es sei nur zu bedauern, daß in Deutschland noch in keiner staatlichen Irrenanstalt die Kranken homöopathisch behandelt werden; jeder homöopatische Verein müsse aber darauf hinwirken. Den Aus­führungen des gewandten Redners wurde lebhafter Beifall zu teil. Am 2. April feiert der Landes­verein Hahnemannia den 150. Geburtstag ihres Altmeisters vr. Samuel Hahnemann mit einem großen Fest in der Liederhalle zu Stuttgart. Den Freunden der Homöopathie wurde zum Schluffe vr. Härings homöop. Hausarzt" neu umgearbeitet von vr. Hähl empfohlen.

* Calw. In Nro. 1 der Blätter aus dem Schwarzwild bringt Volz-Heilbronn eine eingehende Schilderung über Anlage, Bau und Einrichtung einesSchwarzwälder Bauernhauses"; zu diesem Hause liefert Bussemer das Bild hiezu, wie man solche überall im Gutachtal findet. Ein zweiter, ebenfalls mit Bildern geschmückter Aufsatz beschäftigt sich mitHorb und Umgebung". F. M. beschreibt eine zweitägige Schwarzwaldwanderung über Allerheiligen, Ruhcstein, Hornisgrinde nach Baden-Baden. Lehrer Götz-Loßburg macht in einem trefflich geschriebenen Aufsatz aufmerkwürdige Gestalten aus dem Tier- und Pflanzenreich" auf­merksam. Ein Wanderer aus Wildbad erzählt in frischem Ton eineSonntagswanderung auf dem Höhenweg". Gedichte, verschiedene Notizen und Mitteilungen, sowie eine Bücherschau bilden den Schluß der reichhaltigen ersten Nummer.

(Egsdt.) Nachdem nun der Langholzverkauf im Revier Pfalzgrafenweiler, welches das schönste Holz in ganz Württemberg aufweist und von Käufern des ganzen Landes und aus Mannheim u. s w. besucht wird, mit durchschnittlich 127°/° abgeschlossen hat, beweist sich, daß das Zurückhalten der Käufer in unserem Bezirk nicht wie in Blatt Nr. 10, auf Abmachung, sondern durch die allgemeinen Geschäfts­aussichten auf besonnenerem Vorgehen beruht als in den letzten Jahren. Wenn auch den Verkäufern etwas bange wird, ist dies nicht so schlimm als wenn die Käufer das Holz zu teuer gekauft haben und nachher nichts verdienen oder noch Geld verlieren müssen.

* Hirsau, 29. Jan. Seit etwa 8 Tagen macht sich in der Gegend eine Diebsgesellschaft bemerklich, die es namentlich auf Wirtschaften ab- fieht. Hier und in manchen anderen Orten der Umgegend sind die Wirtschaftslokale mit Gewandt­heit während der Nacht erbrochen und bestohlen worden.

Rennin gen, 29. Jan. In dem zwischen hier und Weilderstadt gelegenen Haltepunkt Malms- h eim wurde vorgestern Nacht durch Zertrümmern einer Fensterscheibe ein Einbruch verübt, die Schalterkasse wurde aufgedrochen, aber jedenfalls zum größten Erstaunen des Diebes, von welchem man keine Spur hat, leer gefunden, da der Halte-

Als Paula eines Morgens am Brunnen Olga Ochnhausen traf, an ihrer Seite den Perückenstock, den Fra Diavalo, das hohe 6, übermannte sie die Wut, und auf Olga zuschreitend, stellte sie sie zur Rede.

Olga hatte sich hochmütig und schweigend abgewendet, aber da kam sie bei Paula schlecht an. Sie stemmte nach Art der Madame Angot ihre Hände in die Seiten und sagte lauter, als nötig war:Also Sie halten immer noch keine Ruh. I' Hab' g'hört, was Sie wieder Sauberes über die Warnsdorf getratscht haben. I rat' Ihnen gutwillig zum letzten Mal, dös sein zu lassen, sonst könnt Ihnen was Unangenehmes passieren. Papagenoschlösser giebts leider nit mehr, aber Pflaster für Klatschbasen wird man doch noch finden!"

Olga hatte sich hilfesuchend nach ihrem Tenor umgcsehen, aber dieser hütete sich, Paulas Zungenfertigkeit erkennend und ihre Schlagfertigkeit, die er am eigenen Leibe erfahren, als er sie als Zerlinchen hinter der Szene einmal zu zärtlich umarmte, fürchtend, feige gedrückt.

Verächtlich hatte ihm Olga nachgesehen, und, ihr Kleid eilig raffend, ging sie, ohne Paula ein Wort zu erwidern, rasch an ihr vorüber, die ihr spöttisch lächelnd Platz machte.

Paula sah sich nach Gustel um, der eifrig mit der kleinen Frau v. Saalfeld plauderte und augenscheinlich von ihrem Attentat auf Olga nichts bemerkt hatte. Diese ewige Charmirerei mit der kleinen gefallsüchtigen Frau fing Paula an zu verdrießen. Sie nahm seinen Arm und empfahl sich. Sie kniff ihn so heftig in den Arm, daß er sofort ihre Eifersucht merkie und schleunigst ihr folgte.

Kaum waren sie aus der Hörweite der jungen Frau, so sagte Paula heftig:Die Tuschelei mit der faden Nocken Hab' i satt; erwisch i dich noch einmal dabei, wird abgereist."

Er sah sie lächelnd von der Seite an. Die Eifersüchteleien von ihrer

Seite amüsierten ihn, und seine Kourmachereren hatten oft gar keinen anderen Zweck, als Paulas Eifersucht zu erregen, denn bei jedem Rückfall folgte dem explosiven ZornauSbruch Paulas eine vermehrte Zärtlichkeit. Trotz ihrer Klugheit und Scharfsichtigkeit durchschaute Paula dieses Manöver ihres Schatzes nicht. H.ute war sie, durch das Zusammentreffen mit Olga schon erregt, ärgerlicher denn je. Sie lief mehr, als sie ging, und er hatte Mühe, sie zu beruhigen. Allen feinen Einflüsterungen und Liebkosungen gegenüber blieb sie stumm. Plötz­lich wandte sie sich zu ihm, und seine beiden Hände fastend, sah sie ihm voll in die Augen.

Dös sag' i dir zum letzten Mal, so kann die G'schicht nit weiter gehen. Die Zerrerei Hab' i satt, jetzt wird g'heiratet, oder"

Hier unterbrach er sie stürmisch, zog sie heftig an sich und küßte sie.

Einverstanden," jubelte er.

Sie sah sich erschreckt um.

Hier auf offener Straße sie zu umarmen und zu küssen, derSchlanke!" war doch verdreht. Aber wie die Frauen nur zu leicht durch jeden ihnen gel­tenden Zärtlichkeitausbruch milde gestimmt find, so lächelte sie versöhnt.

Aber jetzt bleibt es dabei," sagte er. Sie nickte leise seufzend. Einmal mußte sie ihre goldene Freiheit ja doch opfem.

Olga Oehnhausen, welcher der Boden in Wiesbaden nach dem Auftritt mit Paula etwas heiß unter den Füßen brannte, reiste ab, begleitet von ihrem Tenor.

Den Kerl gönn' ich ihr," lachte Paula schadenfroh, als ihr Frau von Saalfeld diese Neuigkeit mitteilte.

(Fortsetzung folgt.)