genommene Nrbeitslosenzählung hatte folgendes Ergebnis: AuS 29 Berufen waren 1080 Mann arbeitslos, darunter 111 mit verkürzter Ar- beitSzeit. Davon find 567 Familienväter mit 1426 Kindern. Das größte Kontingent stellen die Tag­löhner mit 429 Mann, von denen 400 vollständig arbeitslos sind. Der seitherige Lohnverlust wird auf rund 115 000 berechnet.

Essen, 21. Jan. Der Rückgang in der Streikbewegung hält an. Gegen 195604, die gestern feierten, blieben HeZte nur 193 438 von den Zechen fern. Die Zahl' dir Streikenden hat also um 2166 obgenommem- Zn 13 Revieren ist die Zahl der Ausständigen nicht gewachsen. Nur fünf Reviere weisen kleine Zunahmen auf.

Essen, 21. Jan. Wegen erfolgter Aus­schreitungen haben die Landbürgermeister im Essener Revier die öffentlichen Tänzlustbarkeiien bis auf weiteres verboten, ebenso auch an Lohntagen von Sonntag bis Donnerstag'd'kn Verkauf von Brannt­wein. Der WirtschaftSschlHß ist auf 8 Uhr fest­gesetzt worden.

Kastrop, 21. Jan. Als gestern Abend der Zechenzug der ZecheViktor" die Arbeitswilligen noch der KolonieHabinghorst" zmückbrachte, wurden die Arbeitswilligen unter Pfuirufen von den Ausständigen mit Steinen beworfen. Es kam zu Krawallen. Die Polizei mußte mit blanker Waffe die Menge auseinandertreiben. Zwei Ver­haftungen wurden vorgenommen, heute früh sechs weitere an den Ausschreitungen beteiligte, darunter auch eine Frau. In der KolonieStrietheide" wurden die Fenster der Wohnung eines Arbeits­willigen durch Revolverschüsse zertrümmert.

Berlin, 21. Jan. (Deutscher Reichstag.) Er ster Gegenstand der Tagesordnung ist die konser­vative Interpellation über die Handelsverträge. Auf die Frage des Präsidenten wegen Beantwortung erklärt Graf Posadowsky: Es sei dem Hause bekannt, daß die österreichisch-ungarischen Unter­händler in Berlin noch anwesend seien. Die Ver­handlungen seien bisher zu einem endgültigen Abschluß noch nicht gelangt. Es würde daher weder den sachlichen Interessen entsprechen, noch von seiten der Regierung dem diplomatischen Ge­brauch, wenn vor der Zeit Mitteilungen über noch schwebende internationale Verhandlungen gemacht würden. Die Regierung werde im Laufe der nächsten Woche die Interpellation beantworten. Damit erklärt der Präsident die Angelegenheit für erledigt. Es wird sodann in der Besprechung der Interpellation über den Bergarbeiterstreik fortgefahren. Abg. Beumer (natl.) erklärt, die ganze Sachlage sei dem Hause bisher einseitig dar- gestellt worden. Redner geht auf die Ausführungen Huö näher ein und bezeichnet das Wagennullen als ein Disziplinarwittel, welches unentbehrlich sei. Abg. Molkenbuhr (soz.) geht zunächst auf die Lohnverhältnisse ein und kommt zu dem Resultat, daß nur die Verstaatlichung des gesamten Kohlen­

bergbaues hier helfen könne. Abg. Pohl (freis. Volksp.) bedauert, daß gestern der Reichskanzler politische Momente in diesen wirtschaftlichen Kampf Hineingeiragen habe, sogar Bemerkungen über die Hirsch-Dunckerschen Vereine. Redner fragt weiter, wie man denn dazu komme, die Niederlegung einer Arbeit als Gesetzwidrigkeit zu bezeichnen. Was wir verantwortlich machen für diese ganzen Vorgänge, das ist der ungenügende Rechtszustand, vor allem auch, daß nicht Unternehmer und Arbeiter gezwungen werden, sich gegenseitig Rede und Antwort zu stehen. Redner verlangt den Erlaß eines Reichsberggesetzes und bittet die Regierung dringend, lieber andere Arbeiten zurückzustcllen und sich mit dieser Materie zu beschäftigen. Abg. Kardorff (Reichsp.) ist der Meinung, daß die ganze Arbeiterschaft ein dringendes Interesse daran hat, daß gesetzlich eine Sicherheit gegen das mißbräuchliche Sttllegen von Zechen geschaffen wird. Im ganzen Hause wäre Neigung vorhanden, ein solches Gesetz zu bewilligen. Abg. Stöcker (christlich-soz.) betont die Sympathie, die man für die Bergarbeiter allgemein finde. Bei diesem Streik im Ruhrrevier könne er aus eigenster Kenntnis sagen, daß die Vorwürfe gegen die So- zioldcmokraiie hier unbegründet find. Auf die Sozivldewokiotie sei der Streik nicht zurückzuführen. Von einer Verhetzung der dortigen Arbeiter durch die Sozialdemokratie könne auch keine Rede sein. Schon das Zusammenarbeiten der beiden Konfessio­nen beweist, daß der Reichskanzler im Unrecht ist. Wenn die Zechenbesitzer sagen, sie wollen nichlflmit den Arbeitervertreteru verhandeln, so kann man das verstehen, wenn es sich nur um die eigene Beleg­schaft des Besitzers handelt, nicht aber ist es zu begreifen, wenn es sich um so große Fragen, um das Wohl und Wehe einer ganzen Provinz handelt. Die Regierung solle alles aufbieten, uw den Frieden herbeizufühien. Durch die Gesetzgebung habe es die Regierung ja in der Hand, sehr stark auf die Dinge einzuwirken. Redner macht diesbezügliche Vorschläge und schließt indem er den Wert der Organisation betont; wenn erst einmal die Ueber- zeugung von dem Wert der Organisation allgemeiner wird, wird es auch leichier sein, eine Versöhnung herbeizusühren. Abg. Gothein (freis. Verg.) tadelt den Kontrokibruch der Arbeiter nicht, dagegen die gestrige Rede des Reichskanzlers, die olle enttäuscht habe, die sich auf seine erste Rede Hoffnung gemacht haben. Die Zechenbesitzer nehmen einen Manchester- fiandpunkt ein, wie er schlimmer nie vertreten worden ist. Redner erklärt die Forderungen der Arbeiter im wesentlichen für berechtigt und verlangt Ein­schreiten der Gesetzgebung. Handelsminister Möller hofft, daß die heutigen Verhandlungen ihren Ein­druck aus das Syndikat nicht verfehlen und daß eS einsieht, daß es mit seiner seither ablehnenden Haltung einen schweren politischen Fehler begangen hat, den eS baldmöglichst rückgängig mache» muß. Die in der Debatte gewünschten Gesetze seien zum größten Teil schon seit Jahren in Vorbereitung.

Er hoffe, daß es möglich sein wird, noch in diesem Jahr ein Gesetz über die Rechtsfähigkeit der Berufs- Vereine und die Arbettskammern vorzulegen. Fort­setzung der Beratung Montag 1 Uhr.

Paris, 21. Jan. Petit Puristen meldet aus Petersburg: Die vom Großfürsten Sergius Michailowitsch eingeleitete Enquete über den vor­gestrigen Zwischenfall vor dem Winterpalast hat keinerlei Beweis für das Bestehen eines Komplottes gegen das Leben des Zaren ergeben. Die Ange­legenheit wird indessen auf Nachlässigkeit zurück- geführt. DaS ist die amtliche Darstellung, die von der Petersburger Bevölkerung mit Achs elzucken aus­genommen wird. Ein Augenzeuge will deutlich gesehen haben, daß einer der Kanoniere sein Geschütz direkt auf den Pavillon richtete, bevor er den Schuß abfeuerte.

Paris, 22. Jan. Aus Anlaß der heute stattfilldenden Beisetzung Louise Michels find von der hiesigen Polizei umfassende Sicher­heits-Maßregeln getroffen worden. Die Leiche wird aus Lyon um 10 Uhr hier eintreffen und auf dem Friedhofe Le Valors beigesetzt werden. Es wird auf eine Teilnehmerzahl von 10,000 gerechnet.

Petersburg, 21. Jan. Der Streik in den Druckereien, der gestern in einigen Zeitungen begonnen hat, hat sich im Laufe der Nacht ans fast sämtliche Betriebe ausgedehnt. In einige Druckereien drangen ganze Schaarcn von Arbeitern ein, zer­schnitten die Treibriemen, zertrümmerten Türen und Fenster und erzwangen die Einstellung der Arbeit. Die meisten Handwerker mußten ihre Werkstätten eiligst schließen, da die die Stadt durch­ziehenden streikenden Arbeiter drohten, sie würden Alles demolieren, falls ihr Befehl nicht befolgt würde. In der Stadt herrscht große Aufregung.

Petersburg, 21. Jan. Die Lage ist äußerst ernst. Der Streik nimmt eine ungeheure Ausdehnung an. Man befürchtet, daß heute in allen Werkstätten und Fabriken das Gros der Arbeiter fehlen wird und die Fabriken geschlossen werden. Für heute Abend werden weitere Ereignisse erwartet, u. A. daß die -Ärbeiicr die elektrischen Leitungen zur Kraftstation abstellen werden. Bis jetzt verhalten sich die Aus­ständigen ruhig. Nur vereinzelt haben kleine Kra­walle stattgefunden. Die Behörden haben um­fassende Maßregeln zur Aufrcchterhaltung der Ord­nung getroffen. Die gesamte Garnison in Stärke von 50,000 Mann sowie weitere 4 Artillerie-Regi­menter sind konfigniert. Die Truppen werden in den Häusern untergebracht und haben Befehl, auf diejenigen Ausständigen zu schießen, welche sich an Privat-Eigentum oder Personen vergreifen sollten. Der Polizeipräfekt erließ den Befehl, daß Ansamm­lungen von mehr als 5 Personen auf offener Straße und Plätzen verboten sind und eventuell durch Gewalt zerstreut werden sollen. Im Laufe des gestrigen Tages hatte der Polizeipräfekt eine längere Konferenz mit dem Minister des Innern.

verteidigen zu können. Ein unversöhnlicher Groll stieg in seinem Herzen gegen seinen Vater, der ihn um sein Lebensglück betrogen hatte, auf, ein Groll, der sich gegen seine Frau bis zum Haß steigerte.

Und wenn nun Frida, so schwer beleidigt, nicht wieder kam, wie sollte er ohne sie gesunden, ohne sie weiter leben?

O, diese abscheuliche, lügnerische Frau, die da in Sammt und Seide heranrauschte, er hatte Nichts mit ihr gemein, wollte nichts mehr mit ihr gemein haben.

Da umschlangen ihn zitternde Arme, ein liebes altes Gesicht legte sich an seine Wange, und Tränen tropften ihm auf die Brust. Leise, ganz leise flüsterte sie ihm ins Ohv/ daß es die anderen nicht hören sollten:Wo wohnt sie, ich bringe sie dir wieder, ich muß ihr danken."

Alfred küßte seine Mutter herzinnig, sie verstand die Situation und glaubte nicht an Olgas Worte.

Wie geht es dir, Fred? Wie ich vom Arzt höre, recht gut", fragte Schmolling und Alfred nickte. Er war noch zu erregt, um zu sprechen.

Olga hotte sich neben seinem Bette niedergelassen und streichelte mit der feinbehandschuhten Hand seine Haare; er mußte sich diese Liebkosung angesichts deS Vaters gefallen lassen, da dieser noch jetzt, obwohl sich Fred im Innern von ihm losgesagt hatte, einen lähmenden Zwang auf ihn ausübte.

Als aber Olga mit gut gespieltem Jammer darüber zu klagen begann, daß'er das unglückselige Rennen mitgemacht hatte, traf sie ein solch bitterböser Blick aus seinen Augen, daß sie erschreckt innehielt.

Er sühlte sich im tiefsten Innern von dieser Frau angewidert, die ihn dazu getrieben, deren Schuld eS war, daß er jetzt schon seit Wochen mit solchen Schmerzen dalag und die noch die Stirn hatte, ihn deshalb anzuklagen. Sie

wagte viel, aber sie kannte ihn, er schwieg, selbst als sein Vater ihm bittere Vorwürfe machte, daß er als verheirateter Mann, der Pflichten hat, sich solchem halsbrecherischen Sport ergebe. Er sah nur scharf Olga an. Als sie auch darauf schwieg und durch tiefe Seufzer dem Vater Recht zu geben schien, stieg eine unsagbare Verachtung gegen sie in ihm auf und tötete den letzten Rest von Gefühl für sie. Nichts hätte ihn mehr überrascht, was man ihm auch von ihr erzählt hätte; er traute ihr alles zu.

Die Szene mit dem Sänger auf dem Rennplatz trat wieder lebendig vor seine Seele, jetzt wollte er keine Rechenschaft mehr von ihr, er hatte keine Gemeinschaft mehr mit ihr. Bald würde sie auch vor der Welt ihm eine Fremde sein; seinem Herzen, das fühlte er, war sie stets fremd geblieben.

Er unterschätzte nicht die Kämpfe, die dieser Trennung noch vorhergehen würden; sein Vater würde dagegen ankämpfen, auch sie würde ihn nicht ruhig aufgeben, nicht aus Liebe, nein, nur weil sie für die Stellung in der Gesell­schaft fürchtete. Aber er war fest entschlossen, und wenn er mit seinem Mäd­chen betteln gehen müßte, nichts sollte sie mehr trennen.

Noch war der anonyme Brief nicht aufgeklärt, er bedurfte der Aufklärung nicht, Fridas Unschuld stand über allen Zweifeln erhaben, er schalt sich einen Thoren, daß er jemals daran zweifeln konnte.

Er erkundigte sich nach Mary, und mit halb unterdrücktem Seufzen sprach die Mutter von der bald bevorstehenden Vermählung mit dem Japaner. Er fühlte es, wie sie vor dieser Trennung zitterte. Wie leid tat ihm die Mutter; es wurde nun ganz einsam um sie, denn auch er würde ihr nichts mehr sein können. Er mußte sich äußerlich von ihr lossagen, wenn er an Frida festhielt, dazu würde ihn der harte Wille des Vaters zwingen.