Abends »nrden die Arbeiter der Elektrizitäts-Werk- Kätte »»« Ämirnow gezwungen, die Arbeit wieder aufznnehme«. Auch die Gasanstalten werden mili­tärisch bewacht. Die Zahl der geschlossenen Fabriken beträgt bisher 174, die der ausständigen Arbeiter 93000 Mann. Für heute werden blutige Vorgänge befürch­tet. Artillerie ist bereit gestellt, eventuell in Aktion zu treten.

Petersburg, 22. Jan. Eine große An­zahl Arbeiter, die vom Wassili-Ostrowo-Stadtteil über die Nikolaus-Brücke, zum Winterpalais Vor­dringen wollten, wurden hier zmückgedrängt, wobei 4 Personen verwundet, 1 Kosak getötet und 1 Offi­zier verletzt wurde. Die Menge beschloß, bewaff­neten Widerstand zu leisten und stellte sich in der 4. Linie im Wassili-Ostrowo-Stadtteil Straßen- Hindernisse her. Ein Teil zog fort, um sich zu bewaffnen. Vorübergehenden Offizieren wurden die Degen vbgenowwen. Vor der Menge, welche vor den Putiloff-Werken stand, .schritt mit dem Kreuz in der Hand der Priester Gappon, neben ihm ein Bauer mit dem durchschossenen Bilde des Kaisers. Gappon selbst ist verwundet. Unter den Getöteten befindet sich der Gehilfe des Stadtteil-Aufsehers und des Revier-Aufsehers. Gappon wurde von Polizisten verhaftet.

Petersburg, 22. Jan. Mittags 2 Uhr zog eine vieltausendköpfige Menschenmenge nach dem Winter palaisplatze, wobei cS zu Zusammenstößen mit dem Militär kam und etwa 150 Menschen getötet und viele verwun det wurden Bei dem Wassili-Ostrowo-Stadtteil waren Barrikaden gebaut und die TeltPhonleitungen zerstört worden. Die Arbeiter hatten sich mit Säbeln und Werk­zeugen bewaffnet. Gegen 3'/» Uhr erfolgte ein Zusammenstoß auf dem Newski Prospekt, wobei 30 Menschen getötet und viele verwundet wurden.

Petersburg, 22. Jan. 2.30 Uhr nach­mittags. Bei dem Kampf mit der Menge gab es am Winterpalais-Platz etwa 150 Tote. In der Nähe des Winterpalais auf dem Senatplatz hielten die Arbeiter Automobile der Petersburger. Agentur an, holten die Jnsaßen heraus und zerbrachen die Wogen. Die Menge rief beim Vorüberfahren von Offizieren:Ergreift sie!" Gegen 2.30 Uhr wurde der Platz vor dem Winterpalais von der Menge gesäubert. Die Truppen verfolgten die Aufrührer, die sich uun in den angrenzenden Straßen zer­streuten. Ein furchtbares Bild bot sich, als die Verwundeten und gräßlich entstellten Toten über den Newskt-Prospekt transportiert wurden, worunter sich auch Frauen und Kinder befanden.

Petersburg, 22. Jan. Eine Menge Ar­beiter, die sich am Alexanderplatz angesammelt hat, versuchte, das Gitter zu übersteigen, um nach dem Palaisplatz zu gelangen, wurde aber von den Truppen daran gehindert. Hinter dem Moskauer Schloß­brunnen nahmen die Arbeiter von einer Kerosin­

niederlage Besitz. In dem Wassili-Ostrowo-Stadtteil gab es auch Tote. Hier versammelten sich etwa 10000 Arbeiter, nachdem sie von der Brücke zurück­gedrängt waren. Bei dem Arbeiterklub wurden aus den Fenstern der umliegenden Gebäude eine große Anzahl Proklamationen geworfen. Ein Arbeiter richtete von einem Fenster auS eine Ansprache an die Kameraden, in welcher er auf die Gewalttätigkeit der Truppen, sowie auf die Haltung des Kaisers gegen daS Volk hinwies. Die Menge nahm die Rede sympatisch auf. Ein Arbeiter schrie:Nieder mit der Selbstherrschaft!" Als auf der Schlüssel­burgchaussee die ersten Schüsse fielen, begann die Menge energisch vorzudrängen. Die Kosaken hieben anfangs mit den Nagajken und der flachen Klinge ein, was mehrere Verwundete zur Folge hatte. Hierauf sanken die vornstehenden Arbeiter auf die Kniee und flehten die Kosaken an, sie zum Kaiser zu lassen. Sie riefen:Wir gehen nicht gegen den Kaiser! Wir wollen ihm selbst die volle Wahrheit sagen! Seid gnädig! Laßt uns zum Kaiser! Ihr Flehen blieb jedoch ohne Wirkung. Alsdann drängte die Menge aufs Neue vor, worauf noch 3 Salven abgegeben wurden. Die Menge wich zurück. Ein großer Teil zog sich jenseits der Newa zurück. Der kleinere Teil blieb auf der Stelle und wurde von einer berittenen Patrouille zerstreut. Gegen dreißig Personen wurden verletzt und die Menge zerstreut.

Petersburg, 22. Jan. Das Schreiben, welches der Führer der Arbeiter, Priester Gappon, an den Kaiser gerichtet hat, lautet:Herrscher glaube nicht, daß die Minister die volle Wahrheit über die Lage gesagt haben, das ganze Volk vertraut dir und beschloß, morgen Nachmittag um 2 Uhr vor dem Winterpalais zu erscheinen, um dir seine Not darzulegen. Wenn du wankelmütig vor dem Volk erscheinst, dann zerreißst du das moralische Band zwischen dir uud dem Volke. Das Vertrauen zu dir wird schwinden, da unschuldiges Blut zwischen dir und dem Volke fließen wird. Erscheine morgen vor dem Volke und empfange unsere Ergebenheits- Adresse mutigen Geistes. Ich der Vertreter der Arbeiter und meine tapferen Arbeitsgenossen garan­tieren dir Unverletzlichkeit deiner Person."

Petersburg, 23. Jan. Der gestrige Versuch der Arbeiter, dem Zaren die Bittschrift zu überreichen ist gescheitert. Der Zar war in Zars­koje Selo geblieben. Miltiär, befehligt von Groß­fürst Wladimir, beschoß die Volksmenge und richtete ein schreckliches Blutbad an. Ueber2000Tote, 4000 Verwundete. Hospitäler überfüllt.

Petersburg, 23. Jan. Die Truppen fahren fort auf die Arbeitermenge zu schießen. Die Schätzungen über die Zahl der Getöteten und Ver­wundeten gehen wett auseinander. Nach einer Version sollen 20 dis 24 000 Pers oncn gelötet oder verwundet worden sein. Den Oberbefehl hat Groß­fürst Wladimir. Die erteilte Parole lautet alles uiederzuschiiß-m. Verhaftungen werden keine vor­

genommen. DaS Volk rast förmlich. Heute wolle« die Arbeiter bewaffnet erscheinen.

Tokio, 20. Jan. Man hat vorgeschlagen, einen Damm quer vor die Hafeneinfahrt von Port Arthur zu errichten und das Wasser auszu- puwpen als Vorbereitung, um die russischen Kriegs­schiffe zu retten. Bei einer Diskussion über dieses Projekt erklärte ein japanischer Seeoffizier, unter gewöhnlichen Umständen würde sich ja eine so un­geheure Arbeit nicht lohnen, aber in Anbetracht der Anzahl der Fahrzeuge, die man dabei zu gewinnen hoffe, der geringen Tiefenoerhältnisse und des ge­ringen Umfanges de« Hafeus wäre das Entwässem des Hafens, die am wenigsten kostspielige Metode, die Schiffe für die Japaner nutzbar zu machen.

Vermischtes.

Von dex .Riviera. Der strenge Frost, der die Riviera in der Nacht des 1. Jan. heimfuchte, hat unter den Blumen so großen Schaden angerichM daß die Lage deS Blumen- marktes sehr ernst ist. Vorläufig lassen sich die Verluste des Frostes noch nicht genau übersehen; aber eS heißt, daß 5 000 000 nicht reichen werden um den Schaden zu decken. Die Bürger­meister aller Gemeinden in dem Bezirk haben die Besitzer aufgefordcrt, die Höhe ihres Verlustes au- zugrben, damit ihnen Hilfe zu teil wird und ihnen die Grundsteuer erlassen werden kann. Bis zum Neujahrstag standen die Blumen sehr gut, ja, sie waren fast zwei Wochen als früher entwickelt. Dann setzte in der Nacht, ganz unerwartet, ein strenger Frost ein, und alle ungeschützten Blumen erfroren, während viele unter Matten und GlaS stark litten. Fast jeder Baum und Strauch in Cannes trägt Spuren der eisigen Kälte. Blumen sind nicht zu sehen, und die Knospen find zusammen- geschrumpft. Auch die Palmen haben stark gelitten und sehen braun und welk aus. Wie großen Schaden die eine Nacht angerichtet hat, zeigt die eine Tatsache, daß in Nizza die Zahl der abge- schicklen Kisten mit Blumen von 3000 am 1. Jan. auf 1000 am 2. Jan., und in Cannes von 1600 auf 800 zmückgtng.

Der frühere Burengeneral Ben Viljoen hat in Chicago eine höchst unangenehme Erfahrung gewacht. Als er am Mitwoch abend in das Colosseum gehen wollte, trat ihm eine Eng­länderin, May Beifort, in den Weg und sagte: Sie haben versprochen, mich zu heiraten, und haben eS nicht getan und ich bin von England herübergekommen, um sie dafür zu züchtigen." General Viljoen, der außerordentlich erstaunt zu siin schien, rief:May, wo kommst du her?" Miß Bklfort gab auf diese Frage keine Antwort, sondern kieb mit den WortenIch werde Sie lehren, Ihr Versprechen zu brechen" mit einer Peitsche dem General ins Gesicht. Dieser versuchte einen Augen­blick lang, mit der wütenden Dame zu verhandeln, ergriff sodann aber vor den immer erneuten Hieben die Flucht. M ß Belfort warf ihre Peitsche fort und entzog sich dem neugierigen Publikum, das natürlich sofort zusammengeströmt war.

Lauter Lärm ertönte im Korridor. Eine Helle Frauenstimme begehrte energisch Einlaß.

I muß herein, Himmelkruzitürken, es gtebt a Unglück, wenn's mi nit rein lassen."

Herr v. Schmolling, empört über den Lärm, schritt der Tür zu und wollte sich Ruhe ausbitten. So wie er die Türe öffnete wurde er unsanft bei Seite geschoben, und Paula Wörlke stürmte ins Zimmer. Sie war aufs äußerste erregt. Frida, die hinter ihr eingetreten war, suchte sie zurückzuhalten. Aber sie machte sich auch von ihr brüsk los und schritt geradenwegs auf Olga zu.

Olga war unbewußt vor Paulas zornsprühenden Augen zurückgetreten. Eine unheimliche Stille trat ein, wie vor einem großen Gewitter. Jeder fühlte, daß eine Explosion in der Luft lag.

Schmolling, im ersten Augenblick sprachlos über das Eindringen Paulas, fand die ersten Worte.

Wer sind Sie? und mit welchem Rechte wagen Sie es?"

Später," wehrte ihn Paula ab,später red' i mit Ihnen. Jetzt Hab i mit der schönen säubern Frau da a Wörtle zu reden und mit Ihrer Frau, dann kommen Sie an die Reihe, zuerst die Damen."

Und ohne auf Fridas leises Flehen zu hören, trat sie drohend auf Olga zu, die entsetzt vor ihr zurückwich.

Fürchtens Ihne nit, hauen tu i nit, wenn Sie's a verdient hätten. Wie, Sie wagen es, meine Freundin zu verdächtigen? Sie, die Sie Ihren Mann am Rennplatz haben liegen lassen, ohne 'ran zu gehen, aus Angst, Sie könnten sich ihre Kleider beschmutzen? Wo waren Sie denn, als er

krank und elend im Fieber lag und die aufopferndste Pflege Tag und Nacht, brauchte? Daß er heute lebt und der Genesung entgegengeht, hat er dem braven Madel da zu danken, und Sie, statt auf den Knien vor ihr zu rutschen, daß sie Ihre Pflichten übernahm, während Sie sich amüsierten, jawohl, herumschwanzten doch dos kommt später lassen Sie sie wie eine Dirne hincmsweisen und schämen sich nit mal. Und. Sie", wandte sie sich an die alte Frau, die wie gelähmt in ihrem Sessel lehnte und auf sie starrte,haben a nit dran denkt, was Ihre Pflicht als Mutter ist, sonst hättens die unglück­selige Heirat nit zug'lassen. Wo ist der Brief, den ich Ihnen gab, um Ihren Sohn zu bewahren vor Leid und Unglück? Ich fordere ihn von Ihnen, denn er hat ihn ja doch nie zu lesen kriegt, sonst hält' er nicht die Fran da heiraten können."

Um Gottes Willen, Paula", flehte Frida, die angsterfüllt Alfreds steigende Aufregung bemerkie.

Frau v. Schmolling hatte sich erhoben und stand aufrecht, mit leuch­tenden Blicken Paulas Strafpredigt über sich ergehen lassend.

Nur zu, diese Vorwürfe, die von fremden Lippen flössen, fanden einen Widerhall iu ihrem Herzen, sie taten ihr wohl, endlich sollte sich die Wahrheit offenbaren und sie schmachtete nach dieser.

Herr v. Schmolling stand wie erstarrt, er wollte reden, aber das junge Mädchen mit den flammenden Augen hielt ihn wie in einem Bann.

Bald jedoch gewann seine Natur die Oberhand; er ergriff Paula am Arm, schüttelte sie und rief zornerfüllt:Sind Sie wahnsinnig? Schweigen Sie" er wies nach der Tür.

(Fortsetzung folgt.)