verständnisvollen Verhalten der hies. Polizeibehörde zu danken ist. Die Bergarbeiter fühlen sich noch auf Wochen hinaus gerüstet. Am 25. Januar erhalten sie ihren Lohn für den Monat Dezember, der 50 bis 60 beträgt. Dazu kommt der Lohn für mehrere Schichten im Januar. Außerdem fließen infolge der Sympathie aller Bevölkerungsschichten die HtlfSgelder zahlreicher ein.
Bochum, 20. Jan. Die Lage ist heute gegen gestern unverändert, sowohl in Bezug auf die Zahl der Streikenden als auch betreff der äußeren Erscheinungen der Vermittlungs-Aktton. Die Lohnzahlung, welche gestern begonnen hat, wickelt sich in ruhiger Weise ab.
Berlin, 20. Jan. AuS dem Streikgebiet wird gemeldet: Die Weigerung des Bergbauvereins, sowie einzelner Zechen, in direkte Verhandlungen mit den Arbeitervertretern einzutreten, hat große Erregung hervorgerufen, namentlich deshalb, weil das Oberbergamt die Zechen gebeten hatte, Vermittlungsversuche anzubahnen und weil trotzdem die Zechenvertreter nicht in der Konferenz erschienen. In den der Arbeiterkommission nahe stehenden Kreisen wird versichert, daß nunmehr der Streik allgemein werde. Durch das Verhalten der Zechenvertreter würden auch die bisher abseits stehenden Belegschaften dem Ausstand zugeführt werden. Für die Bergarbetterversammlung am heutigen Freitag sind seitens der Behörden die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Der Vorwärts beziffert heute die Zahl der Ausständigen auf 250000 Mann und läßt sich von seinem Gewährsmann schreiben: „Die Streikenden verhalten sich musterhaft ruhig und nüchtern. Während 12stündigem Umherwandern im Arbeiterdorf habe ich einen einzigen Betrunkenen gesehen. Unruhen bestehen nur in der Redaktion der Rhein.- Westf. Ztg. Die massenhaft auf den Zechenstroßen stationierte Polizei hat nichts zu tun." Der Vorwärts stellt ferner die Behauptung auf, daß auf Zeche Preußen I unter polizeilichem Schutz 30 Gefangene als Streikbrecher beschäftigt worden seien.
Berlin, 20. Jan. (Deutscher Reichstag.) In Erledigung eines schleunigen Antrages Sittart beschließt das Haus zunächst die Einstellung eines gegen den Abgeordneten Nacken schwebenden Sraf- verfahrenS für die Dauer der Session. Es folgt die Interpolation Auer betreffend den Kohlenarbetterstreik im Ruhrrevier. Der Handelsminister erklärt sich zur Beantwortung der Interpellation bereit. Abg. Huö (Soz) begründet die Interpellation. Der Ausstand erstrecke sich gegenwärtig auf cirka 220 000 Arbeiter. Er stellt zunächst fest, daß die Ruhe unter den Bergarbeitern eine tadellose sei. Auch der Polzei sei ein Lob zu- znsprechen für ihr maßvolles Verhalten. Hätte die Verwaltung von Bruchstraße nur ein wenig Entgegenkommen gezeigt, so wäre der Ausstand nicht ausgebrochen und hätten sich nur die Zechenbefitzer wenigstens geneigt gezeigt, überhaupt in Verhand
lungen einzutreten, dann läge die Sache anders. Die Arbeiter seien auch noch zu Verhandlungen bereit. Ihre Deligierten seien behandelt worden wie Lumpen. Die Arbeiter wollten den Frieden aber nicht den Kirchhofsfrieden. Noch der Stellung, die der Minister Möller laut seiner letzten Rede einnehme, müsse die Autorität der preußffchen Regierung unter den Bergarbeitern völlig durchbrechen. Redner verspricht sich von Verhandlungen der Regierungsvertretern mit den Unternehmern keinen praktischen Erfolg und behauptet, die Unternehmer hätten seit Jahren diesen Ausstand systematisch heraufbeschworen. Der Streik sei eine Demonstration gegen die Ungesetzlichkeit der Unternehmer. Er Er bestreitet durchaus den Kontraktbruch. Redner erörtert noch die auf den Gruben herrschenden Mißstände, legt die Forderungen der Bergarbeiter dar, die Regierung solle die allgemeine Mißstimmung über das Kohlensyndikat benutzen und mit den Arbeitern gegen das Syndikat Vorgehen. Reichskanzler Graf Bülow erklärt, die Regierung habe bei Streiks eine doppelte Aufgabe: einmal die Sorge für Ruhe und Ordnung, dann aber die Aufgabe auszugleichen. Namens der Staatsregierung habe ich zu erklären, daß sie die volle Macht des Staates einsetzen werde, um Ruhe und Ordnung zu schützen, wenn etwa der Streik in Exzesse ausarten sollte. Es sei insbesondere Pflicht der Regierung Arbeitswillige gegen tätliche Angriffe Ausständiger zu schützen. Wenn wirklich die Unternehmer berechtigte Forderungen der Arbeiter ablehnen sollten, so würde er das ebenso mißbilligen, wie die trotz aller Rechtfertigungsversuche des Vorredners unberechtigte Einstellung der Arbeit ohne vorausgegangene Kündigung. Um das Recht in dieser Angelegenheit zu finden, bedürfe es eingehender Untersuchung, bei der aber Abstand genommen werden müsse von jeder parteipolitischer Stellungnahme. Redner polemisiert alsdann gegen die Sozialdemokraten und deren Politik und fragt den Vorredner warum er sich an die Regierung und an dieses Haus in dieser Angelegenheit gewendet habe, von deren Intervention er sich doch nichts verspreche. Wenn der Streik gegen ihren Willen ausgebrochen ist, wo bleibt da die Hoffnung Bebels, daß es im Zukunftsstaate spielend möglich sein werde, die Menschen in Ordnung zu halten. Sie können, wie sich jetzt gezeigt hat, die Massen nicht zügeln, aber sie tragen die Hauptschuld, wenn der Streik sich weiter ousdehnt. Ich hoffe, daß die Verhandlungen in diesem Haus mit einem ersprießlichen Ende geführt werden können. Minister Möller teilt mit, seine Kommissäre kommen heute Abend aus dem Ruhrrevier zurück. Sie hätten die Beschwerden der Arbeiter entgegengenommen. Die Unternehmer hätten es abgelehnt, mit den Arbeitern kontradiktorisch zu verhandeln, was er, der Minister lebhaft bedauert habe. Auf Zeche Bruchstraße habe die Regierung alles getan, was möglich sei. Sie habe auch verhindert, daß auf der Zeche entgegen den Bestimmungen der Arbeitsgesetzgebung ohne die vorgesehene 14tägige Frist die Einfahrts
zeit verlängert wurde. Aber die Zeche habe auch die Arbeitsordnung geändert und unter Einhaltung der Frist für den 1. Februar die verlängerte Seilfahrt angezeigt. Dies sei kein Bruch des Vertrages ge- wesen. 1100 Arbeiter hätten auch zugestimmt, dann aber sei plötzlich explofivartig der Streik ausgebrochen und da sei der Moment eingetreten, wo die Sozialdemokraten ihre Leute nicht mehr in der Hand hatten. Dadurch hätten sie sich und ihrem Gewerkschaftswesen den schwersten Schaden beigebracht. Die dem Oberhauptmann und den anderen Kommissaren an Ort und Stelle vorgetragenen Einzelbeschwerden würden jedenfalls genau geprüft und gewürdigt werden. Das wisse er und darin stimme er Huö zu, daß die Nachrichten über Kravalle übertrieben seien. Herrn Stinnes sei Zeit zum Entgegenkommen von den Arbeitern überhaupt nicht gegeben worden. Im Januar hätten sich die Arbeiter gerade noch vor dem Streik in den Besitz der nötigen Brandkohlen setzen wollen und dieses Verlangen sei allerdings abgewiesen worden. Was die Stilllegung von Zechen anbelangt, so habe er schon im Abgeordnetenhaus« nötigenfalls einen Gesetzentwurf in Aussicht gestellt. Das Nullen habe sich durchschnittlich nur auf 3 °/» der Wagen erstreckt. Damit die Untersuchung ernstlich fortschreite, würden mehrere Kommissare bei verschiedenen Zechen tätig sein, um das Material einheitlich zu sichten. Er bitte schließlich um sachliche Verhandlungen, damit nicht durch weitere Auseinandersetzungen die Parteien gereizt und der Friede gefährdet werde. Abg. Stütze! (Zentrum) erklärt, daß der plötzliche Ausbruch des Streiks Ihn nicht so in Verwunderung gesetzt habe, wie den Reichskanzler. Die Arbeiter-Organisationen hätten keine Schuld, da die Unternehmer es abgelehnt hätten, mit ihnen zu unterhandeln. Dieses rücksichtslose Vorgehen des bergbaulichen Vereins habe die Arbeiter in den Streik getrieben. Die höheren Beamten verkehrten überhaupt nicht mit den Arbeitern. Redner verweist schließlich auf die Worte mit denen vorgestern der Erzbischof von Köln seine Tausend-Mark-Spende begleitet habe. Abgeordneter v. Normann (kons.) führt aus, seine Freunde verzichteten auf ein näheres Eingehen auf diese Sache, solange der Rechtsbruch der Arbeiter fortdauere. (Lachen links.) Erst wenn diese die Arbeit wieder aufnehmen würden, würde seine Partei deren Forderungen wohlwollend prüfen. (Erneutes Gelächter bet den Sozialdemokraten.) Hierauf erfolgt Vertagung. Morgen 1 Uhr die konservative Interpellation wegen der Handelsverträge, dann Fortsetzung der heutigen Besprechung.
Berlin, 20. Jan. Der Kaiser hat deu Kommerzienrat Lu eg aus Oberhausen zur Berichterstattung über den Streik im Ruhrrevier nach Berlin gebeten. — Der Ausschuß der Berliner Gewerkschaftskommission hat gestern 10000 Mark an die streikenden Bergarbeiter überwiesen.
Petersburg, 19. Jan. Während der Wasserweihe auf der Newa in Anwesenheit des
„Nein, nein," sagte sie schnell und atmete erleichtert auf. Der Gedanke, den kranken Mann im Hause zu haben, war ihr peinlich, ihm jede Stunde widmen zu müssen, wie anstrengend!
Ihre schnelle Bereitwilligkeit hatte auf die Umstehenden den peinlichsten Eindruck gemacht. Das Schweigen um sie her war so beredt, daß sie verl-gen noch dazu bemerkte: „Nur der Gedanke, daß mein Mann im Krankenhause, wo stets ärztliche Kräfte zur Stelle und geschulte Wärter da sind, besser aufgehoben sein wird, läßt mich einstimmen. Hobe ich nicht recht, Herr Dokior?"
Sie suchte unwillkürlich Schutz bei ihm, dieser stummen Verurteilung gegenüber.
„So ist'-, gnädige Frau," sagte der Doktor höflich, aber noch um einen Schalten kühler, und ging den Leuten, die eben mit dem Krankenwagen ankamen, entgegen, um seine Weisungen zu geben.
Alfred wurde sehr vorsichtig hineingehoben. Olga hatte sich teatrolisch abgewandt, während Frida, als sie bemerkte, daß SchmollmgS Kopf nach rückwärts zu sinken drohte, rasch zusprang und ihn stützte. Daß sie ihr Kleid damit beschmutzte, achtete sie nicht.
Die Leute mochten Alfred doch wohl ungeschickt angefoßt und ihm dadurch weh« getan haben, er erwachte aus seiner Ohnmacht, schlug die Augenlider auf und blickte voll in Fridas Ang« ficht. Er lächelte ihr »u wie in alten Tagen. Kein Verwundern stand in seinen Blicken, nur ein glückliches Versinken ineinander, unbekümmert um all dir vielen neugierigen Aug-n, die zuguckten. Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Der Arzt löste sie und befahl: „Fort, Eile tut not."
„Ich komme," flüsterte ihm Frida zu, dann fuhr der Wage» im Schritt ab.
Paula, die gehört hatte, wie Olga auf Frida aufmerksam gemacht wurde, zog sie schnell fort. Sie wollte keinen Eklat vor den vielen Menschen, und sie kannte sich genau, sie würde höllisch grob geworden sein gegen die herzlose Frau, wenn diese sich erlaubt Härte, ihrer Frida etwas zu sagen, und nicht minder gegen den Troubadour, der so schnell die Situation auSnützte und zu seinem Zweck auSbeutete.
Sie und Erna nahmen Frida in die Mitte und schoben die fast Träumende nach dem Wagen, wo Schmidt sie bereis erwartete. Sie stiegen ein, und fort gings im schnellen Trabe. Frida saß da wie verzaubert, aber ein sonniger Schimmer von Glück lag über ihr, und in ihren Augen leuchtete eS.
Er liebte sie noch — er wartete auf sie, er sehnte sich nach ihr! Was fragte sie nach der Menschen Urteil, was war ihr die Frau, die seinen Namen trug, sie hinderte sie nicht mehr, denn sein Herz gehörte ihr.
AuSgelöscht war jeder Schmerz, und selbst der Gedanke, daß «S mit ihm zu Ende gehen könnte, machte sie nicht elend, sie brauchte ja auch nicht weiter zu leben; wer hinderte sie, mit ihm zu sterben? Niemand. Sie hatte niemand auf der ganzen Welt. In ihm begann und endete die ganze Welt.
Paula sah sie von der Seite an; sie konnte sich ihr Wesen nicht erklären, und als Schmidt, um das beklemmende Schweigen zu enden, einen Ton rede» wollte, wurde er von ihr so energisch auf den Fuß getreten, daß ihm alle Lust zum Plaudern verging.
Da sauste an ihnen eine elegante Equipage vorüber. Olga v. Schmolling und der Tenor saßen darin. Frida hatte sie nicht erkannt, aber Paula murmelte zwischen den Zähnen: „So «ine Bagage!"
(Fortsetzung folgt.)