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Amts- und AnzeigeölaLL für den ZLezirk Kakw.

80. Jahrgang.

Brschedmngttage: Dienstag, Donnerstag, Sams­tag, Sonntag. Jnsertionsprei» 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Bezirks orte; außer Bezirk IS Pfg.

Sonntag, den 22. Januar 1905.

Abonnementspr. ind. Stadt pr.Viertelj. Mk. I.IOincl.Träger!. Vierteljährl. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts-u. Nachbar- ortsverkehr 1 ML., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.

Tagesneuigkeiten.

Calw, 21. Jan. (Einges.) In der Nr. 11 dieses Blatts ist über eine am 15. ds. Mts. in Ostelsheim abgehaltene Versammlung des Bun­des der Landwirte berichtet worden, in derber Landtagsabgeordnete Rechtsanwalt Kraut aus Stuttgart über die Tätigkeit des gegenwärtigen Landtags gesprochen hat. Bisher hat Herr Kraut als ein gemäßigter Führer des Bauernbunds ge­golten. Wenn aber das zutr-ffend ist, was über seinen Vortrag berichtet wurde und wir haben keine Veranlassung, daran zu zweifeln, so scheint sich Herr Kraut nun auch der schärferen Tonart im Sinne der Herren Körner und Wolf zuge­wendet zu haben. Wir bedauern das aus ver­schiedenen, vorerst nicht zu erörternden Gründen und stellen fest, daß Herr Kraut mit den politischen Verhältnissen im Bezirk Calw nicht ganz vertraut ist, wenn er meint, im Calwer Bezirk werde eine Agitation von einem neugegründeten Verein be­trieben, der sich nationaler Verein nenne und es hauptsächlich auf die Mitglieder des Bauernbunds abgesehen habe. Man sollte von Herrn Kraut er­warten können, daß er weiß, daß die in mehreren Gemeinden gegründeten, schon über 250 Mitglieder zählenden nationalen Volksvereine Ortsgruppen der Deutschen Partei find, die es nicht hauptsächlich auf Mitglieder des Bauernbunds abgesehen haben, sondern gleichmäßig auf alle Beztrksangehörigen, die eine nationale und zugleich liberale Gesinnung i. S. des Programms der Deutschen Partei be­tätigen. Wenn sodann Herr Kraut glaubt, die Landwirte vor der Deutschen Partei warnen zu sollen, so wird cS genügen, das zu wiederholen, was der Vorstand der Deutschen Partei jüngst festgenagelt hat: Die Protokolle des Landtags geben

den aktenmäßigen Beweis, daß die Deutsche Partei nie zurückgeblieben ist, wo es gegolten hat, auch für die schwäbische Landwirtschaft einzutreten und ihr alles zugeben, was ihr gebührt. Diejenigen, die sich als die allein patentierten und privilegierten Vertreter des Bauernstands und seiner Interessen fühlen und ausgeben, sind der Deutschen Partei auch nicht um das bescheidenste Schrittchen voraus, so oft es gegolten hat, in praktischer parla­mentarischer Arbeitund darauf kommt es doch schließlich an für den schwäbischen Bauernstand und seine Interessen einzutreten. Saxionti out.

Stuttgart, 20. Jan. Die diesjährige Haupt- und Landesversammlung der württ. Ver­kehrsbeamten vom niederen Dienst tagt am 22. ds. Mts. im Bachner'schen Saale in Stuttgart. Neben der Erledigung der laufenden Organisattons- fragen stehen noch Referate von Baumann-Loßburg, Holzmavn-Stuttgart und Kühle-Reutlingen in Aus­ficht.

(Höhere Finanzdienstprüfung). Nach einer Bekanntmachung des K. Finanzministeriums besteht kein Bedürfnis auch nach dem Frühjahr 1905 noch eine höhere Finanzdienstprüfung nach Maßgabe der Vorschriften vom Jahr 1892 zu machen, eS wird daher letztmals in diesem Früh­jahr nach diesen Vorschriften geprüft und vom Herbst d. I. ab der Prüfung die K. Verordnung vom 7. Dez. 1903 zu Grund gelegt werden.

Tübingen, 20. Jan. Heute früh 5 Uhr machten 2 G efangene aus dem Schloßgefängnis einen Fluchtversuch, indem sie sich an zusammen­geschnittenen Leintüchern in den Hof herab ließen. Der Bauführer Müller von Devkingen stürzte ab und blieb schwer verletzt liegen, dem andern ge­lang die Flucht, er wurde aber wieder beigebracht.

Reutlingen, 20. Jan. Im Jahre 1904 wurden hier 676 Kinder geboren, davon waren 348 Knaben und 320 Mädchen, 169 Ehen wurden ge­schlossen und 454 Personen find gestorben. Die Geburten und Eheschließungen haben in erfreulicher Weise zugenommen.

Pforzheim, 20. Jan. In ihrer Sitzung vom 19. ds. Mts. beschloß die Sattler- und Tapeziers-Zwangs-Innung für den Amtsbezirk Pforzheim, nachdem sie sich vorher mit den betreffenden Möbelgeschäften am Platze verständigt hatte, einstimmig den vollständigen Sonntags-Ladenschluß. Es bleiben also fortan die Möbel-, Tapezier- und Sattler-Geschäfte an Sonn­tagen, sowie den zweiten Oster-, Pfingsten- und Weihnachtstagen vollständig geschlossen.

Pforzheim, 19. Jan. Auf der Eifinbahn- fahrt von Pforzheim nach Sulz wurde einem Maler­gehilfen ein neuer Anzug und Hut von seinem Nebenfitzer gestohlen. In Calw vermißte der Eigen­tümer seinen Kleiderpack. Es gelarch bald den in Hirsau ausgestiegenen Fahrgast zu ermitteln, der sich ganz naiv damit entschuldigte, er habe den Kleider­pack für herrenlos gehalten.

Villingen, 20. Jan. Infolge Scheuens der Pferde wurden die Insassen eines Schlittens heraus­geschlendert. Die Frau des Schuhmachers Hirth erlitt einen Schädelbruch, eine Frau Mahler eine Gehirnerschütterung und einen Schlüfielbeinbruch. Die übrigen erlitten mehr oder mindex schwere Ver­letzungen. Man hofft, die beiden Frauen am Leben zu erhalten.

Essen, 19. Jan. Auf Seiten der Arbeiter­schaft wird anerkannt, daß ein hervorragender An­teil an der Anfrechterhaltung der Ordnung dem

Schminke.

Roman von Helene Lang-Anton.

(Fortsetzung.)

Die Pferde mußten bei den Logen vorbei; Frida hatte sich aufgerichtet, und sah mit großer Aufregung zu. Alfred war zweiter, sein Pferd flog dahin. Olga war so entzückt davon, daß sie fast den unangenehmen Zwischenfall vergaß. DaS erste Hindernis wurde von allen Tieren glänzend genommen. Dicht anein­ander gedrückt rasten sie weiter; nun kam der Graben; ein Pferd stürzte.

Ein schrecklicher Aufschrei ertönte; Frida lag in tiefer Ohnmacht, mitleidige Menschen halfen den erschrockenen Damen, während andere nach Wasser liefen. Daneben brummte auch der eine und der andere etwas vonschwachen Nerven" undlieber zu Hause bleiben."

Bald wandte sich die Aufmerksamkeit den Reitern wieder zu; der gestürzte Reiter war nicht wieder aufgestanden. Das Pferd wurde allein wettergeführt und der Wagen war nach der Unglücksstelle gefahren. Jetzt kam er im langsamen Schritt zurück. Brachte er «inen Verwundeten, oder gar einen Toten?

Frida hatte sich von ihrer Ohnmacht erholt; sie sah den Wagen langsam herankommen.

Rufe, wieSchrecklich! Er ist wohl tot!" wurden überall laut.

Frida eilte dem Sattelplatze zu. Sie hoben Alfred heraus und betteten ihn auf den weichen Rasen, nachdem sie eine Decke untergelegt. Er lag totenbleich mit geschloffenen Augen; nichts verriet, daß in diesem Körper noch Leben sei.

Erstaunt sah man auf sie, als sie ihr Taschentuch ins Wasser tauchte, und ihm die blutende Stirne wusch.

Da Olga sich wie eine Wahnsinnige geberdet«, um bald darauf in Ohnmacht

zu fallen, die zu graziös aussah, um natürlich zu sein, so machte niemand Frida den Platz neben Alfred streitig.

Paula und Erna waren auch h-rangetreten, trotzdem Schmidt, des Ablebens wegen, abgeraten, was weiter keinen Erfolg hatte, als daß Paula ihm ein liebe­vollesgefühlloser Aal" zugeflüstert hatte.

Das gutherzige Mädchen beneidete Frida um ihre Ruhe, während sie sich an ihren Tränen fast verschluckte.

Aber als sie näher kam und Fridas totenbleiches Gesicht mit den angst­erfüllten trockenen Augen sah, hatte sie doch die Empfindung, als ob ihr Schmerz gegenüber diesem gar nicht zähle.

Der Arzt machte ein sehr bedenkliches Gesicht, aber sprach sich nicht au», obwohl Fridas Augen an seinen Lippen hingen.

Als Alfred gar nicht aus seiner Ohnmacht erwachen wollte, ordnete er die Ueberführung an:Gleich in die Klinik', befahl er, und Frida nickte unwillkürlich.

In der Klinik war er ihr erreichbar, und was sollte er auch bei der kalten Puppe, die eben jetzt ankam und auf derem eisigen Gesicht nichts von jener Todesangst stand, die Fridas Züge fast entstellte.

Frida war vom Publikum lange erkannt worden, recht» und link» tuschelte man und raunte sich gegenseitig ihren Namen zu. Paula überlegte, daß e» viel­leicht doch besser gewesen wäre, sie hätten Alle Schmidts Rat befolgt. Olga war herangetreten und hatte sich schauernd von dem blutenden Mann abgewandt.

Ich kann kein Blut sehen", entschuldigte sie sich bei dem Arzt, der sie mißbilligend ansah.

Dir Leute mit dem Krankenwagen werden gleich hier sein; haben Sie etwas dagegen einzuwenden, wenn Ihr Herr Gemahl nach der Klinik gebracht wird?" fragte statt aller Antwort der Arzt kalt.