6

An die Ortsvorsteher.

Anlegung der Rekrutierungsstammrolle« betreffend.

Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam ge­macht, daß in die Stammrollen auch die im Aus­land geborenen Militärpflichtigen aufzunehmen find und daher das Farnilienregifter und die Bürger­lifte in der Richtung durchzusehen ist, ob nicht solche vorhanden find, welche außerhalb des deutschen Reichs geboren sind und die Württ. Staatsange­hörigkeit noch besitzen.

Calw, 2. Januar 1905.

K. Oberamt.

V o e l t e r.

Bekanntmachung,

betr. die Zurückstellung der zum eiujährig- sreiwtüigen Dienst Berechtigte«.

Nach 8 93 Ziff. 2 der Wehrordnung haben sich die zum einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten beim Eintritt in das militärpflichtige Alter, sofern sie nicht bereits vorher zum aktiven Dienst cinge- treten find, sowie diejenigen Militärpflichtigen, welche die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst bei der Prüfungskommission vachgcsucht haben, bei der Ersatz - Kommission ihre- Gtstkllungsorts schriftlich oder mündlich unter Vorlegung ihres Be­rechtigungsscheines, sofern ihnen derselbe bereits behändtgt ist, zu melden und ihre Zurückstellung von der Aushebung zu beantragen, und zwar auch diejenigen, welche sich schon früher bei einem Truppen­teil zum Diensteintritt gemeldet haben und aus irgend einem Grund abgewiesen worden sind. Calw, 2. Januar 1905.

K. Oberamt.

Voelter.

TagesmrüMeüen.

Simmozheim. Durch die Unsitte des Neujahrsschießens verunglückte in der Sylvester- nacht der ledige Bouernknecht I. D. von hier. Der­selbe hat sich durch einen Fehlschuß die Hand der­artig verletzt, daß dieselbe ohne Zweifel amputiert werden muß. Der Verunglückte, ein fleißiger, junger Mann, wird allgemein bedauert. Laut Mit­teilung aus den Kirchenbüchern wurden im ver­flossenen Jahre 22 Kinder getauft, konfirmiert wurden 14 Schüler, getraut 4 Paare, die Zahl der Leichen betrug 24.

Bern eck, 30. Dez. Mühlebesitzer Seid hier verkaufte gestern sein Anwesen an die Gemein­den Zwerenberg, Gaugenwald und Mar­tinsmoos um 40000 Es wird beabsichtigt, für diese Gemeinden, die im Umkreis von 1'/- Stunden sich ousdehnen, eine elektrische Kraftanlage einzurichten.

Birkenfeld, 1. Jan. Hiesige junge Leute fingen mit Pforzheimer Bijoutiers Streit an und verfolgten sie bis auf den Bahnhof. Dort kam es zur Rauferei, wobei ein junger Mann namens Friedrich Müller einen Stich in den Unterleib erhielt, und der Gestochene mit einem Notverband,

der ihm schleunigst angelegt worden war, vom Platze getragen werden mußte.

Biberach a. R., 1. Jan. Heute nachmittag 4 Uhr brach in der Kunstmühle von Robert Straub im benachbarten Warthausen Feuer aus. Trotzdem die Warthauser und die zu Hilfe gerufene Btberacher Feuerwehr das Möglichste taten, ist der umfangreiche Komplex vollständig niederge- brannt. Die Entstehungsmsache ist unbekannt. Es wird indessen das Warmlaufen eines Mahl­ganges vermutet.

Karlsruhe, 31. Dez. Prinz Karl von Baden, der Bruder des Großherzogs, ist nicht unbedenklich erkrankt. Der Prinz steht im 72. Lebensjahre.

München, 30. Dez. Der Oberkellner, der Zimmerkellner und der Piccolo eines hiesigen Hotels hatten Lose der Stuttgarter Luftsch'fflotterie. Die beiden Kellner verschafflen sich die Ziehungsliste und ersahen, daß auf dos Los des Piccolo der Haupt­treffer mit 60000 ^ gefallen war. Ohne den Piccolo davon in Kenntnis zu setzen, bewogen sie ihn, sie zu Teilnehrmrn an seinem Lose zu machen, so daß er die Hälfte, die beiden andern je ein Viertel des Gewinnes erhalten sollten. Dann fragten sie den Piccolo nach seiner Losnummer, und er erfuhr, daß er den Haupttreffer gewonnen habe. Der Oberkellner erhob die Geldsumme und verteilte sie in der verabredeten Wtise. Aber bald wurde die Sache ruchbar, der Vater des Piccolo erstattete Anzeige und der Zimmerkellner wurde festgenommen, während der Oberkellner mit seinem Gewinnanteil verduftet ist. (Stuttg. Morgenpost)

Landau (Pfalz), 30. Dez. Vor kurzer Zeit wurde in Oberotterbach ein grausiger Mord verübt, indem der in den 70er Jahren stehende Rentner Balthasar Beck in seiner Wohnung ganz abscheulich zugerichtct, als Leiche aufgefunden wurde. Der oder die Täter haben den allein in einem Haus wohnenden Mann in der Nachtzeit überfallen, ausgeraubt und getötet. Nach dem oder den Tätern wurde die ganze Zeit her eifrigst gefahndet. Viele Verhaftungen, die deshalb vorgenommen wurden, hatten negativen Erfolg. Jetzt endlich scheint man auf die rechte Spur gekommen zu sein, denn die Polizei verhaftete 2 Männer, welche den Raubmord gemeinsam begangen haben sollen. Der eine der gemein samen Verbrecher soll der Anstifter gewesen sein und der Mithelfer ist aus Oberotterboch. Bei einer in der Wohnung des elfteren vorgenommenen Haussuchung wurden blutige Gegenstände, welche dem Ermordeten gehörten, vorgefunden. Der Mann, der dem ermordeten Beck auch Geld schuldig war, soll auch einen Schuldschein, der auf ihn lautete, beseitigt haben. Jedenfalls haben die beiden Raub­mörder auch größere Summen nach der Verübung ihrer Untat mitgenommen. Die Beweise gegen diese beiden Verhafteten sind schon so bedeutend, daß eS

fast gar keinem Zweifel mehr unterliegt, das man die richtigen Mörder gefaßt hat.

Berlin, 31. Dez. Ein peinlicher Zwischenfall ereignete sich gestern bei der Aus­fahrt der Kaiserin am Potsdamer Platz. Der Kutscher eines Lastwagens fuhr trotz der Zurufe der Schutzleute auf die Hofequipage los. Die Schutzleute fielen den Pferden des Lastwagens in die Zügel, wodurch ein Zusammenstoß vermieden wurde. Der Kutscher wurde verhaftet.

Berlin, 31. Dez. Der seit heute Nacht herrschende starte Schneesturm hat in Berlin nnd Umgegend mancherlei Verheerungen angerichtet. Ziegelsteine und Schteferplatten wurden von den Häusern gerissen, Firmenschilder heruntergcworfen und eine große Anzahl Fensterscheiben zertrümmert. Auch im Tiergarten und in den Waldungen hat der Sturm großen Schaden angelichtet, zahlreiche Neste und Zweige wurden von den Bäumen gerissen, Stämme entwurzelt u. s. w. Heute Mittag fetzte ein lang andauernder Schneefall ein, der Straßen und Dächer mit einer dauerhaften Weißen Decke überzog und wiederum neue Verkehrsstörungen über Berlin brachte. Der Straßenbahnverker war heute Morgen teilweise unterbrochen. Auf dem Rangier­bahnhof in Niederschönweide trieb der Orkan gegen 10'/- Uhr gestern abend vier Kesselwagen gegen einen abfahrenden Güterzug. Die Lokomotive und ein Güterwagen sowie zwei Kesselwagen wurden demoliert. Der Lokomotivführer rettete sich durch Abspringen, dagegen erlitt der Hetzer lebensgefähr­liche Verletzungen.

Die Rückkehr von Oberst Leutwein. Es war halb 7 Uhr morgens und noch gänzlich dunkel, als dieLucie Wörmann" mit dem heim- kehrcnden bisherigen Gouverneur von Südwestafrika, Oberst Leutwein an Bord sich dem Peteisen» kai in Hamburg näherte. Gerade wurden Kanonen­schüsse abgefeucrt, welche Hochwasser ankündigten. Es dauerte eine ganze Stunde, bis das Landungs­manöver beendet war, und wir, so meldet der Be­richterstatter derFr. Z.", uns an Bord begeben konnten. Oberst Lemwein befand sich noch bei der Toilette in seiner Kabine, ein frischer junger Mensch, sein Sohn, Leutnant Leutwein aus Thorn, begab sich hinein, um den Vater zu um­armen. Draußen harrten außer einer Anzahl von Journalisten auch Oberst v. Dassel vom 76. Regiment, welcher den ehemaligen Gouverneur, als er heraustrat, im Auftrag seines kommandierenden Generals willkommen hieß. Herr Leutwein war in Zivil. Der Schnurrbart in dem offenen sympathi­schen Gesicht des hochgewachsenen schlanken Offiziers ist schon stark mit grau gemischt. Leutwein sprach den zur Begrüßung Erschienenen seinen Dank aus. Ec ist zum Vortrag nach Berlin befohlen. Oberst Leutwein ist mit einem nervösen Beinleiden, bas ihm das Reisen erschwert, in die Heimat zu­rückgekehrt. Er leidet seit einem Jahre daran. Seine Absicht ist, sobald er in Berlin Bericht er-

AKUlllÄNN» Nachdruck »nbolm.

Schminke.

Roman von Helene Lang-Anton.

(Fortsetzung.)

Olga würde ihn das Lieben lehren; das schöne, begehrenswerte Weib würde wohl bald von seinem H-rzrn und Sinnen Besitz »greifen.

.Also, wir sind einig; Du erklärst dich, und wir feiern Verlobung, bevor WM Urlaub zu Ende geht."

Alfred -rschrack.So bald, Vater? Wozu? Di« Zeit drängt doch nicht?"

Ja, sie drängt bei einer süönen Frau, die nur die Hand auszustreckm braucht, um aus dem Kreise ihrer zahlreichen Bewerber einen herausmgreifen. Tu mußt erfahren, daß wir nicht so reich sind, als die Menschen glauben, daß ich in den letzten Jahren große Verluste gehabt habe, Verluste, die sich kaum decken lassen. Wa« da ist, reicht kaum, um Mama und mich vor Mangel zu schützen und Mary die notwendigste Aussteuer zu geben.

Schmolling hatte sehr ernst, mit zitternden Lippen gesprochen; man sah es ihm an, wie schwer eS chm wurde, selbst vor dem Sohne seine wahren Ver­hältnisse aufzudecken.

Alfred war bestürzt; er hatte davon keine Ahnung, aber er wußte, sein Vater log nicht. Seine Mutter Mangel leiden? Seine süße, kleine Schwester hatte so gut wie nichts. Und dem allen wäre abgeholfen, wenn er Olga nehmen würde! Warum nicht? Diese oder ein« andere; ihm galt eS gleich, da er die welch« er so namenlos geliebt hatte, aufgeben mußte.

Noch «in zögernd» Augenblick; dann schlug er in des Vaters dargeboten«

Hand. Ein leichter Schauer durchrieselte ihn: der Handel war geschloffen. Er verließ den Vater und wollte die Mutter aufsuchen.

Leise klopfte er an ihre Türe, um sie, falls sie schlief, nicht zu stören; aber sofort wurde die Tür geöffnet. Die Mutter hatte ihn erwartet; voll Angst ergriff sie seine Hände:Was wollte der Vater von dir?"

Nichts Schlimmes, Mütterchen, er will mich verloben."

Doch nicht mit ihr?"

Mit wem?"

Mit Olga Oehnhausen?"

Eben mit dieser."

Und du?" Sie sah ihm voll Unruhe in die Augen und preßte seine Hände an ihre schwache Brust.

Ich habeja" gesagt."

Tu's nicht, um Gottes willen tu's nicht." Sie klammerte sich an ihn und beschwor ihn mit all den Liebrsworten, die einer Mutter zu Gebote stehen, eS nicht zu tun.

Er starrte auf die fassungslose Frau und war im tiefsten Herzen er- schütter». Worum nicht? WsS hatte sie gegen die schöne Frau? Wie gern hätte er ihren Willen getan; aber der Vater hatte sein Wort, und gerade ihret­wegen, um sie vor jeder Entbehrung zu bewahren, wollte er es ja tun. Aber er sagte nichts von dem Grunde, der ihn bewogen, weil er sie nicht unglücklicher machen wollte. Er fragte nur:Was hast du gegen Olga? Warum soll ich sie nicht zum Weibe nehmen?"

Weil sie dich elend machen wird, weil sie dich nicht liebt, weil sie über­haupt nicht lieben kann, weil sie kalt, herzlos, egoistisch ist, und weil sie nicht zu dir paßt."