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Postanstalten vom 15.—25. Dez. ds. IS. 96 590 Packele, mehr gegen das Vorjahr 6530 Packete.
Rottenburg, 30. Dez. Ein zugereister Bäcker wurde wegen Bettels und Unfugs verhaftet, er widersetzte sich, daß ein Auflauf entstand, und erging sich im Arrest in Flüchen und Gotteslästerungen. In der Nacht hielt er den Teppich an den heißen Ofen, bis er Feuer fing, und setzte dadurch sein Lager in Brand. AIS er im Rauch zu ersticken drohte, rief er um Hilfe, das Feuer konnte noch rechtzeitig gelöscht werden.
Markgröningen, 29. Dez. Vergangene Nacht ist auf dem hiesigen Rathaus eingebrochen worden. Der Dieb hat sich offenbar in den Geschäftsstunden auf der Bühne versteckt gehalten. Er bohrte viele Löcher an den Türen der Amtszimmer des Ortsvorstehers und Stodtpflegers. In letzteres ist er eingedrungen und erbrach einen Schreibtisch, wobei ihm aber nur eine Anzahl aller Münzen in die Hände fiel. Nach Ausführung des Diebstahls schraubte der Dieb mehrere Feuerwehrschläuche zusammen und ließ sich an diesen in den Raihaushof hinunter. Nach der Art der Ausführung ist es sehr wahrscheinlich, daß der Betreffende auch den Einbruch auf dem Rathaus in Fellbach und Ehningen ausgeführt hat. Dringend verdächtig ist ein Handwerksbursche mit blassem Gesicht, 1,60 Meter groß, welcher hellgrauen Ueberzieher und runden weichen Filzhut trägt. Ec führte hier den Namen Holz, ist aber, wie aus einem am Tatort zurückgelassenen Stempelabdruck zu schließen ist, im Besitz von falschen Papieren und einem falschen Stempel eines ungarischen Gemeindevorstehers.
Rottweil, 30. Dez. Unter dem Verdacht, dem Landwirt Volk in Bieringen OA. Horb vor einiger Zeit durch Erbrechen eines Schretbpultes etwa 500 gestohlen zu haben, wurde gestern der zur Zeit stellenlose 27jährige Bierbrauer Georg Maurer von Köntgsbronn in Tübingen fest- genomme.i und ins Amtsgefängnis eingeliefert. Er hatte sich in Reutlingen und Tübingen dadurch auffallend gemacht, daß er 100 ^-Scheine ausgab. Zur Zeit der Verübung des Diebstahls stand er bei dem Bestohlenen in Arbeit.
München, 30. Dez. Das bayerische Städtchen Wunsiedel, der Geburtsort Jean Pauls, wurde gestern durch eine große Feuersbrunst geschädigt. Die Egererstraße ist eingeäschert. Der Schaden beträgt mehrere hunderttausend Mark.
Düsseldorf, 30. Dez. Aus der Abrechnung über die Düsseldorfer Kunst- und Gartenbau-Ausstellung 1904 geht hervor, daß das finanzielle Ergebnis ein günstiges ist. Der Garantiefonds braucht nicht in Anspruch genommen zu werden. Der Verein zur Veranstaltung der Kunst-Ausstellung erhält aus den Ueberschüssen 150,000 als Ausstellungsfonds. 1905 soll keine Ausstellung stattfinden.
Berlin, 30. Dez. Wie dem Lokal-Anzeiger aus Moskau gemeldet wird, hat Kaiser Wilhelm an den dortigen Verein deutscher Reichsangehöriger folgende Depesche gerichtet: „Ich spreche dem Verein zu seinem 25jährigcn Bestehen meine herzlichsten Glückwünsche aus. Möchten die Bestrebungen des Vereins auf dem Gebiete patriotischer Wohltätigkeit auch fernerhin dazu beitragen, das gute Einvernehmen zwischen dem Auslande und Deutschland zu fördern. Wilhelm/
Berlin, 30. Dez. Aus Hannover wird dem Lokalanz. berichtet: Der Magistrat der Stadt Hannover beschloß in vertraulicher Sitzung, sich an dem Hochzeitsgeschenk der deutschen Städte für den Kronprinzen mit einer Summe von etwa 10000 bis 12500 zu beteiligen.
Berlin, 30. Dez. In der gestrigen Audienz besprach der Katser mit dem aus Südwestafrika zurückg,kehrten Houptwann Franke aus das eingehendste die Ursachen des Aufstandes, die Lage der Kolonie und die zukünftige Gestaltung ihrer Verwaltung.
Berlin, 30. Dez. Heute früh gegen 3 Uhr versuchte der 33 Jahre alte Arbeiter Adam Jonas seine Ehefrau zu ermorden, indem er rhr mit einem Messer mehrere Stiche in die linke Halsseite und linke Brust und in die Handgelenke beibrachte. Vorher hatte er versucht, sie zum Trinken von Lysol zu veranlassen. Der Frau gelang es, trotz ihrer schweren Verletzungen zu ihrer Nachbarin zu flüchten. Jonas unternahm darauf anscheinend einen Selbstmordversuch. Als Grund zu der Tat giebt die Ehefrau an, Jonas habe wahrscheinlich an Verfolgungswahn infolge Eifersucht gelitten.
Berlin, 31. Dez. Seit gestern morgen herrscht im Inland als auch an der Küste des europäischen Kontinents tobendes Unwetter, das großen Schaden anrichtete. In der Nordsee kamen verschiedene Unfälle vor, mehrere Schiffe find gestrandet.
Hamburg, 30. Dez. Exgouverneur Oberst Leutwein ist heute morgen mit dem Dampfer „Lucie Wörmann" hier eingetroffen. Oberst Leutwein äußerte sich in einem Interview folgendermaßen: Man hat mir Milde vorgeworfen und ich kann das auch gar nicht so feig finden. Die Politik ist ein Rechnen mit Möglichkeiten und ich habe die Politik des Möglichen getrieben. Wenn ich 10 000 Mann zu meiner Verfügung gehabt hätte, so hätte ich auch anders auftreten können, als mit einer Truppe von 400 Mann. Ich war fest überzeugt, daß es auf mildem Wege gelingen würde, mit den Eingeborenen in Frieden zu leben. Oberst Leutwetn gab weiter an, daß es in ganz Afrika dermaßen gäre, daß ein Zentral-Aufstand befürchtet wird nnd alle Deutschen zusammenhalten müssen.
Flensburg. Der Hafenarbeiter Heinrich Tr au Isen erhielt am Tage vor dem Weihnachtsfest, als er mit dem Löschen eines Dampfers beschäftigt
war, die Nachricht, daß seine Märchendichtung den von der „Woche* ausgesetzten ersten Preis von 3000 errungen habe. Der Preisgekrönte ist ein Sechzigjähriger.
Paris, 30. Dez. Aus Minsk in Rußland wird berichtet: Ein mit Pulver gefülltes Packet explodierte gestern auf dem hiesigen Postamt. Der diensttuende Beamte wurde schwer verletzt.
Brüssel, 30. Dez. Seit heute wütet ein heftiger Sturm, der großen Schaden anrichtet. Aus allen Landcsteilen kommen Unglücksmeldungen. In der Nähe von Boom stürzte infolge des Sturmes ein Haus ein, wobei eine Person getötet und vier schwer verletzt wurden.
Wien, 30. Dez. Obgleich die österreichisch- ungarischen Fachreferenten sich gleich nach Neujahr nach Berlin begeben werden, wird doch der Stand der Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland in hiesigen wohlinformierten Kreisen äußerst skeptisch beurteilt. Falls Deutschland nicht in Bezug auf die Veterinär-Konvention, sowie in verschiedenen anderen noch schwebenden wichtigen Zollfragen erhebliche Zugeständnisse macht, werde man schwerlich auf eine Verständigung rechnen können.
Madrid, 30. Dez. Kaiser Wilhelm sandte an König Alfons ein herzliches Telegramm, in dem er mittcilt, daß er die ihm verliehene Würde eines General-Kapitäns annehme.
London, 31. Dez. Der Ausspruch des Schiedsgerichts im Hüller Fall wird Mitte Februar erwartet. Die Entschädigung wird 120000 Pfund gleich 2'/- Millionen Mark betragen. Ein strafbares Delikt der russischen Offiziere wird voraussichtlich nicht anerkannt.
Petersburg, 30. Dez. Admiral Rosch- djeswensky wurde zum Kommandanten der gesamten russischen Flotte im Stillen Ozean ernannt.
Petersburg, 27. Dez. Die in den letzten Tagen geführten Verhandlungen betreffend eine neue russische Anleihe führten nunmehr zum Abschluß. Die russische Regierung schreitet zur Ausgabe einer 4'/->proz. Anleihe im Betrag von 500 000 000 ^ gleich 231500000 Rubel, die auch auf holländische Gulden und Pfund Sterling lautet. Die Verlosung, Kündigung oder Konvertierung wird auf 12 Jahre abgeschlossen. Das Ueber- uahmckonsortium, unter Führung des Bankhauses Mend lssohn u. Co. Berlin, besteht aus folgenden Banken: Mendelssohn u. Co., S. Bleichröder, Direktion der Diskontogesellschaft, Berliner Handelsgesellschaft in Berlin, Lippmann, Rosendahl u. Co. in Amsterdam, St. Petersburger Internationale Handelsbank, St. Petersburger Diskontobank, Russische Bank für auswärtigen Handel, Wolga-Kama- Commerzbank, Russisch-Chinesische Bank in Petersburg und Moskauer Kaufmannsbank in Moskau.
New-Aork, 30. Dez. Unter der Anschuldigung, an der Ermordung Mac Kinleys teil-
Der also Angeredete erhob sich, reichte ihr die Hand und sagte bittend: „Heute Abend!"
„Nein!"
„Warum nicht, bin ich nicht brav und folgsam?" Er reichte ihr die Hand hin.
Sie drückte ihm diese und meinte spöttisch: „DöS schon, hätten auch kein Glück mit dem Gegenteil; aber Abend? nein i mag nit; die Leut' reden so g'nug über uns, mehr als dran ist."
„Leider." Er seufzte.
Es klang so komisch, daß Paula laut auflachte; aber es half ihm nichts, sie blieb bei ihrer Weigerung.
Kaum hatte sich die Türe hinter ihm geschlossen, so drückte Paula die zitternde Frau auf den nächsten Sessel.
„So, und nun erzählen Sie."
Martha zögerte noch immer; es war doch so schwer, diesen lachenden Augen, diesem fröhlichen Gesichte gegenüber von all dem Leid zu erzählen, an welchem ihr Fräulein zu Grunde ging, zu Grunde gehen mußte, wenn ihr ihr nicht Hilfe wurde. Paula las alles der alten Frau vom Gesichte herunter; ihr selbst war es ja kein Geheimnis, daß Frida unglücklich war, und sie empfand aufrichtiges Mitleid mit ihr.
So kamen sie nicht weiter; die Alte mußte erst zutraulich gemacht werden.
Paula stand auf.
„Bitte trinken's eine Schale Kaffee mit mir, es ist jetzt mei Zeit dazu, i verdurst fast."
Schon hatte sie nach dem Mädchen geklingelt, das noch eine Taffe auf
den Tisch stellen wußte, Martha nahm die Tasse dankbar an, und dadurch zutraulich gemacht, begann sie. Bis sie zu dem Abend kam, an dem Alfred Frida vom Theater abholen wollte, wurde Paula stutzig.
„War dös wohl an dem Abend, wo i vom Fräulein den Regenmantel pumpte?"
„Ja, ja, ganz recht."
„Da besinne ich mich eines Mannes, der vom Theater aus uns folgte bis hierher zum Hause, Herr Schmidt wohnt nämlich auch hier, eine Treppe höher; wir gingen zusammen. Ob er es war ? und ob er mich für Ihr Fräulein hielt, weil ich ihr Regenfutteral anhatte? Das wäre möglich."
Auch Martha leuchtete die Möglichkeit ein, und als ihr Paula auseinandersetzte, daß nichts leichter wäre, als da eine Erklärung abzugeben, wurde sie guter Dinge.
„Verlasseu's Ihnen ganz auf mi, i bring' die Geschicht' in Ordnung. Wo ist er jetzt?"
„Herrje, das trifft sich gut, da komm i ja hin. I gastir' nächste Woche in Schönstedt, einem kleinen Städtchen, eine halbe Meile vom Schloß entfernt, i wert»' selbst mit ihm sprechen und ihm den Kopf tüchtig waschen. Vertraueu's mir — den bring' i wieder — lebend oder tot!" und als sie daS erschrockene Gesicht der Alten sah, setzte sie lachend hinzu: „Lebend — lebend, wird Ihrem Fräulein auch lieber sein, ich habe in Schönstedt mein früheres Stubenmädel verheiratet, die ist Wäscherin, bei der wohne ich, wenn ich in Schönstedt gaukle. Gehn's heim und sorgen's nit, ihr Fräulein soll wieder lachen, ihr Trauer- weideng'ficht ist ja »immer anzusehen. I sag' Ihnen, windelweich will i den Schlanke! machen."